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die Herzoge den Führer des Luftschiffs, beglück­wünschten ihn zu seiner erfolgreichen Fahrt und ließen sich von ihm das unstarre System erklären. Ist der Anblick des ? III auch lange nicht so imposant, wie der des Zeppelin'schen Luftschiffs, so ruft doch auch der sichere Flug dieses kleinen Luftkreuzers einen starken Eindruck hervor und mit herzlicher, wohlwollender Teilnahme begegnete auch die Stuttgarter Bevölkerung dem klugen und energischen Führer des Parsevalballons, der mit seiner heutigen Fahrt dazu beigetragen hat, den Ruhm der jungen, deutschen Luftflotte zu vermehren. Das Luftschiff, das gut und sicher verankert ist, war am späten Nachmittag von einer nach Tausenden zählenden Menschenmenge umlagert.

Stuttgart 15. Okt. Bei dem heutigen Festmahl, das der württembergische Verein für Luftschiffahrt im Hotel Marquardt zu Ehren der Gäste veranstaltete, und an dem außer den Mitgliedern des Vereins auch die Mitglieder des Württ. Automobilklubs, sowie Vertreter der Stadt teilnahmen, hielt der Vorsitzende des Vereins für Lustschiffahrt, Hosrat Prof. Dr. Schmidt, eine Begrüßungsansprache, in der er seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß der Parseval-Ballon hierhergekommen sei. Er brachte dann ein Hoch auf den Major Parseval aus. Der Vertreter der Stadt, Gemeinderat Mattes, gab den Ge­fühlen der Bürgerschaft beim Besuch des Parseval- Ballons Ausdruck. Er gedachte u. a. der Ver­dienste des Vereins für Lustschiffahrt und richtete an die Führer des Ballons, Oberleutnant Stel­ling und Hauptmann Dinglinger, die Bitte, sie möchten der gesamten Bevölkerung von Stutt­gart bei ihrer morgigen Fahrt Gelegenheit geben, den Parseval-Ballon zu sehen. Sein Hoch galt dem Verein für Luftschifsahrt. Oberleutnant Stelling machte die Mitteilung, daß der Auf­stieg des Luftschiffes morgen vor­mittag stattfinden würde und zwar voraussichtlich zwischen und 9 Uhr auf dem Cannstatter Wasen, von wo aus er dann eine Schleifenfahrt über der Stadt Stuttgart ausführen wolle. Die Fahrt geht dann weiter nach Heilbronn, wo wieder eine Zwischenlandung vorgesehen ist. An dieser Fahrt wird wahrscheinlich Herr Alfred Dierlamm vom Württembergischen Luftschiffer­verein teilnehmen, auf dessen Veranlassung der Besuch des Luftschiffes erfolgt ist.

Stuttgart 15. Okt. In dem Gedränge, das heute bei der Ankunft des Parseval III auf der Neckarbrücke entstand, geriet ein Herr unter einen Straßenbahnwagen und verunglückte schwer. Wie verlautet, hat er an beiden Füßen erhebliche Verletzungen davongetragen. Heute hat sich in einem Hotel beim Bahnhof ein Herr im Bett vergiftet. Der Grund zur Tat ist unbekannt.

Stuttgart 15. Okt. (Strafkammer.) Wegen 5 Vergehen der Untreue und 2 Ver­gehen des Betrugs wurde der 41jährige Kauf­mann Richard Löwe von hier zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt, unter Anrechnung von 3 Monaten Untersuchungshaft. Er veröffentlichte in vielen Zeitungen ein Inserat des Inhaltes, eine solvente Firma gebe Teildiskont. Es mel­deten sich mehrere auswärtige Firmen, denen gegenüber sich Löwe bereit erklärte, für Akzepte in der Weise Diskont zu geben, daß die Hälfte des Betrags sofort, die andere Hälfte erst bei Verfall des Wechsels bezahlt werden solle. Die Firmen schickten Akzepte in verschiedenen Höhen an Löwe ein, sie erhielten dafür aber nicht die versprochenen Beträge, sondern geringere Summen. Es handelte sich um Firmen, die sich in schlechten finanziellen Verhältnissen befanden und die sich auf diese Weise über Wasser zu halten suchten. Löwe ließ die Akzepte unter dem falschen Vor­bringen, es seien gute Kundenwechsel, bei einem hiesigen Bankier diskontieren.

Ludwigsburg 15. Okt. Im Maschinen­haus der hiesigen Ziegelwerke brach heute nacht Feuer aus, das von der Weckerlinie nach hartem Kampfe gelöscht wurde, und einen nicht unerheblichen, aber durch Versicherung gedeckten Schaden anrichtete. Eine nennenswerte Betriebs­störung soll, wie die Verwaltung mitteilt, nicht entstanden sein.

Waiblingen 15. Okt. Ein bedauerlicher Unglückssall stieß gestern nachmittag dem 55 Jahre alten verheirateten Maurer Joh. Rink von hier an einem Neubau in der Fuggerei da­durch zu, daß er beim Schotterausschütten über dem Kellergewölbe in den Keller stürzte. Hierbei zog er sich eine große Kopfwunde zu und mußte mittels Sanitätswagen ins Bezirkskrankenhaus verbracht werden. Innere Verletzungen scheinen nicht vorhanden zu sein. Auf eine Anfrage wurde der Bescheid, daß es dem Verunglückten verhältnismäßig gut geht. Ein weiterer be­dauerlicher Unglücksfall ereignete sich gestern beim Bahndurchlaß nach Hegnach. Durch das Heran­brausen des Eisenbahnzuges wurde die Kuh des Landwirts Gottlob Seibold scheu und rannte gegen die Bahnböschung, wodurch der Wagen umfiel und S. unter ihn geriet. Er brach hierbei das rechte Bein. Ein zufällig des Wegs kommendes Automobil verbrachte den Verunglückten zunächst ins Bezirkskrankenhaus und nachdem S. verbunden, wurde er in seine Wohnung verbracht.

Gmünd 15. Okt. Wie aus Hanau weiter berichtet wird, kam die Tarifbewegung in der dortigen Edelmetallindustrie zwar durch die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeiter zum Abschluß, da aber dieser Tarifbewegung eine mehr als lokale Bedeutung zukam, so waren bei diesen

Verhandlungen auch die beiderseitigen Vertreter der Orte Oberstein, Pforzheim und Schw. Gmünd zugegen. Auffallenderweise zog man arbeitgeberseits die Vertreter des christlich­nationalen Metallarbeiterverbandes, der allein in Pforzheim und in Gmünd mit über tausend Mitgliedern in Frage kommt, nicht hinzu. Damit hat der Arbeitgeber­verband der Edelmetallindustrie der Herrschaft des sozialdemokratischen Metallarbeiterverbandes, wenn auch unbewußt, Vorschub geleistet. Die Verhandlungsmethoden, wie sie in den größeren Städten, so in München, Berlin rc. geübt werden, wo alle beteiligten Organisationen bei derartig wichtigen Verhandlungen hinzugezogen und als vertragsfähige Kontrahenten anerkannt werden, scheint man in Hanau noch nicht zu kennen,

Friedrichshafen 14. Okt. In dem Geldwechselgeschäft von Oskar Nörpel wurde eingebrochen und die Kasse mit ihrem In­halt von ca. 160180- gestohlen. Die Diebe hatten das Schloß an der Türe herausgestemmt und gelangten so in das Innere des Gebäudes. Da das Geld sich nicht in einem Kassenschrank befindet, so verursachte der Diebstahl keine große Schwierigkeiten mehr. Der Einbruch wurde vermutlich gegen 2 Uhr morgens verübt, um welche Zeit man in der Nachbarschaft ein Ge­polter vernahm. Von den Tätern fehlt jede Spur. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt.

Vom Lande 15. Okt. Wie berechtigt die Warnungen vor Schwindelausstellungen sind, beweist folgender Fall: Zu Beginn dieses Jahres wurde vielfach bei deutschen Firmen für einemit Prämierung" verbundene Ausstellung geworben, die im Frühjahr in einem Berliner Vergnügungsetablissement stattfinden sollte. Als Veranstalter figurierte nach außenhin ein Wohl­fahrtsverein, der sich, wie auf den Ankündigungen hervorgehoben wurde, eines hohen Protektorats zu erfreuen hat. Tatsächlich wurde das Unter­nehmen aber inszeniert und von einem der genug­sam bekannten Ausstellungmacher, der, ohne selbst irgendwie nach außen in die Erscheinung zu treten, mit einem festen Betrag den Verein dafür abgefunden hatte, daß dieser seinen Namen gleichsam als gemeinnütziges Firmenschild hergab. Später sah sich der Unternehmer genötigt, die Ausstellung auf den Hochsommer und nach einem anderen Lokal zu verlegen, hiergegen protestierte nicht nur der inzwischen von zuständiger Seite entsprechend aufgeklärte Verein, sondern vor allem auch ein Teil derjenigen Firmen, die sich bereits vorher zur Beschickung verpflichtet hatten, und denen es durchaus unerwünscht sein mußte, wenn die Ausstellung' in Bezug auf Zeit und Ort unter wesentlich ungünstigeren Umständen stattfinden sollte, sie zogen ihre Beteiligungszusage zurück und verlangten die dem Unternehmer zum Teil

jung sie noch war und wie lang dies Leben, das vor ihr lag, und wie viel Trübes und Schweres das Leben ihr bringen würde. Daß es auch Glück und Sonnenschein für sie haben könnte, daran dachte sie nicht.

Die Leute, die ihren Koffer brachten, entrissen sie ihren Grübeleien. Sie kleidete sich rasch um und war gerade fertig, als Anna in einer einfachen und doch kostbaren Toilette von mattgrauem Crepe de Chine eintrat, um sie abzuholen.

Die Hauptunterhaltung bei Tisch führten die drei Damen; Armand war zerstreut und einsilbig bis zur Schweigsamkeit. Frau v. Ferni streifte ihn oft mit einem besorgten mißbilligenden Blick, und einmal schien es Inge, als ob sie ungeduldig die Achseln über ihn zuckte. Nachdem das Esten vorüber, saßen sie auf der Terrasse, und es ergab sich von selbst, daß jetzt die gemeinsame Vergangenheit Frau v. Fernis und der Mutter Inges in den Vordergrund trat. Dies schien Armand vollends zu lang­weilen. Er stand auf, pfiff seinen Hunden und ging in den Park hinunter. Seine Gedanken beschäftigten sich mit Evelin, sie hatte schon bei ihrer ersten Begegnung einen lebhaften Eindruck auf ihn gemacht, und daß sein Vetter Callein dieser aufkommenden Neigung einen gewissen Wider­stand entgegensetzte, das gerade reizte ihn.

Armand war den Frauen gegenüber schwach und für jede reizvolle Erscheinung empfänglich, und Evelin gehörte zu jenen Frauen, die einen faszinierenden Zauber auf die Männer ausüben.

Frau v. Ferni und Anna, die seine Leidenschaft für die Baronin kannten, wünschten nichts sehnlicher, M. ihn..davon geheilt zu sehen; sie sahen für ihn kein Glück in einer Verbindung mit dieser Frau, wußten sie aber nicht zu verhindern, wenn Armand ernstlich daran gedacht hätte.

Ihn selbst kümmerten die verschiedenen Gegenströmungen vorerst gar nicht; zunächst litt er nur unter der voraussichtlich längeren Trennung, denn Evelin ging mit ihrer Tante für mehrere Wochen nach Wight und

später nach Paris, und ihn selbst hielten mitten in der Ernte seine Pflichten als Landmann auf den Gütern fest. Seine Stimmung war aus diesen Gründen keine besonders gute, und nie hatte er die Stille des Klosterhofes drückender empfunden als gerade jetzt. Dazu kam, daß die Nachbarschaft ihm auch wenig seinem Geschmack entsprechende Anregung bot: Menschen, die aus ihrem ländlichen Milieu wenig herausgekommen waren, abgesehen davon, daß sie im Winter mal ein paar Tage nach Berlin oder im Spätsommer an die Nordsee oder in den Harz oder an den Rhein gingen. Die jungen Mädchen tadellos erzogen, mit tadellosen Allüren und von tadelloser Langweiligkeit, wenigstens langweilte Armand Ferni sich mit ihnen. Ob Inge Herrnstein anders war? Dieser Gedanke kreuzte plötzlich seine erregte Phantasie, als er, unten an der Terrasse vorübergehend, ihr weiches, etwas tiefes Lachen und dann ihre volle modulationsfähige Stimme hörte. Inge v. Herrnstein! Er sah hinauf und erblickte sie an der Brüstung der Ballustrade lehnend; ihre schlanke Gestalt in den schwarzen Trauerkleidern, umflossen von dem bleichen, zauberhaften Schein des Blondes, wirkte eigentümlich auf ihn. Es lag etwas wundersam Fesselndes darüber, etwas, das seinen Blick festhielt und seinen Empfindungen eine andere Richtung gab. Sie war keine Evelin Horst, nein, gewiß nicht, aber sie war doch etwas anderes, als was man hierzulande immer sah.

Fräulein v. Herrnstein, kommen Sie doch einmal herunter!" rief er.Es geht sich hier herrlich im Mondenschein, so vor der Terrasse. Bitte, kommen Sie!" setzte er dringender hinzu, als er ein leises Zögern ihrerseits zu bemerken glaubte.

Gehen Sie doch, liebes Kind", sagte Frau v. Ferni. Da raffte sie ihr langes, weiches Trauerkleid zusammen und stieg zu ihm hinab, und sie wandelten langsam neben einander hin und her. Die Blätter der alten Bäume rauschten geheimnisvoll, und der Mond warf seinen weißen,