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Fehlen der gewohnten Telephonverbindung besonders unangenehm bemerkbar machen.
Stuttgart 13.Okt. (Strafkammer.) Fahrlässigkeit oder Vorsatz? diese Frage beschäftigte die Strafkammer eingehend in einer Verhandlung gegen den Steinbrucharbeiter Heinrich B. aus Zuffenhausen wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Angeklagte hatte an einem Julitage >pit mehreren Kameraden gezecht. In heiterer Stimmung kamen B. und ein andererer Teilnehmer der Gesellschaft aus den unsinnigen Gedanken, mit einander zu fechten. Mit einem an einem Stock befestigten Messer bewaffnet gingen sie aufeinander los und lieferten sich, allerdings scherzweise, ein regelrechtes Gefecht. Plötzlich erhielt der Partner des B. von diesem einen tiefen Stich in die Brust, der ihn sofort kampfunfähig macht. Der Verletzte mußte in das Spital überführt werden, wo er vier Wochen schwer krank darniederlag. Auf die von Seiten der Hospitalverwaltung erstattete Anzeige hin wurde gegen B. das Verfahren eingeleitet, wobei das Gericht von der Annahme ausging, daß B. seinem Partner den Stich absichtlich beigebracht habe. Vor Gericht bestritt der Angeklagte, sich im Sinne der Anklage schuldig gemacht zu haben. Er stellte den Vorgang in der Weise dar, daß der Gestochene in seinem Eifer selbst in das zur Abwehr bereit gehaltene Messer hineingefallen sein. Der Verletzte selbst konnte keine genaue Schilderung des Vorgangs geben. Auch die Zeugenvernehmung ergab kein klares Bild. Der Staatsanwalt hielt trotzdem den Angeklagten für überführt, absichtlich den schweren Stich geführt zu haben und beantragte eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren. Das Gericht hielt jedoch die Frage, ob fahrlässige oder vorsätzliche Körperverletzung vorliegt, nicht für völlig geklärt und vertagte zum Zweck weiterer Zeugenvernehmung die Verhandlung.
Zuffenhausen 13. Okt. Ein Bankinstitut wird Zuffenhausen in der allernächsten Zeit erhalten. Es handelt sich um die Niederlassung eines größeren württcmbergischen Bankunternehmens.
Zuffenhausen 13. Okt. Zudem bereits gemeldeten Einbruchdiebstahl im Kontor der Firma Württembergische Eisenwerke wird noch folgendes berichtet: In der Nacht vom 9. auf 10. ds. Mts., während der Wächter der Nacht- wach- und Schließdienstgesellschaft seinen Gang bei den Württembergischen Eisenwerken dahier machte, bemerkte er in nächster Nähe, beim Fußweg Friedrichswahl-Zuffenhausen, zwei Mannspersonen. Der eine trug einen anscheinend schweren Sack mit Inhalt bei sich, der andere einige Zigarrenschachteln. Der Mann mit dem
Sack entwich und dadurch machten sich beide verdächtig; der zurückgebliebene Mann wurde sodann unter Beihilfe eines Bahnbediensteten festgehalten und der hiesigen Polizei zugeliefert, durch welche in gleicher Nacht der Entwichene ausfindig gemacht und sestgenommen wurde. Die Untersuchung hat sodann ergeben, daß die Verdächtigen in jener Nacht die Kantine des noch im Bau begriffenen neuen Proviantamts beim Pragwirtshaus erbrochen und aus dieser alles mitlaufen ließen, was ihnen unter die Finger kam. Bemerkenswert dürfte sein, daß die Diebe 52 Laib Käse und Eier zu ihrem Frühstück sich auserwählten. Sie stahlen auch einige Kisten Zigarren, einige Schachteln Zigaretten rc. Die Täter, welchen keine Zeit gelassen wurde, an dem Erbeuteten sich zu laben, wurden in der Person des Albert Hack von Neulautern OA. Weinsberg und August Huber von Hemmendorf OA. Rottenburg an das K. Amtsgericht Stuttgart eingeliefert. Sie sind beide vorbestraft und können nun der Oeffentlichkeit vorläufig nicht mehr schädlich werden. Der Bestohlene ist wieder im Besitz seiner Habe.
Reutlingen 13. Okt. Ueber den Stand der Typhus- und typhösen Erkrankungen lassen sich keine bestimmten Zahlen angeben, da man im Publikum geneigt ist, sich bei der Einschätzung der Verbreitung der Krankheit auf Zahlen zu versteifen, die nicht im geringsten den wahren Stand der Krankheit darstellen, weil natürlich auch alle Verdächtigen eingerechnet werden, die in einigen Tagen wieder entlassen werden können, oder bei denen sich die Krankheit als harmlos erweist. Trotz aller Versuche hat man bis jetzt den Ursprung der Infektion noch nicht gefunden.
Dürrmenz-Mühlacker 13. Okt. Wie bekannt, wurde im Jahre 1855 auf der Markung Dürrmenz ein Bohrversuch auf Steinkohle angestellt, der ergebnislos verlief. Bekannt ist auch, daß die den Uebergang vom Muschelkalk zum Keuper bildende Lettenkohlenschicht auf Mühlacker Seite Andeutungen von Kohle führt. Nun hat neuerdings eine tiefe Ausbaggerung auf dem Abbaugelände der Ziegelei von Gebrüder Vetter ein stärkeres Kohlenflöz angeschnitten, das nach Beschaffenheit, Mächtigkeit und Ausdehnung Beachtung, mindestens von wissenschaftlicher Seite, verdient. Die Kohle lagert etwa 15—20 w unter Oberfläche, in eine mächtige Lehmschicht eingeschloffen. Es ist ein jüngeres Produkt, wohl der jüngeren Jnterglazialzeit entstammend: diluviale Braunkohle, eine holzige Masse, die Holzstruktur teilweise noch vollkommen deutlich, noch ganze Stämme bildend (Eichenholz) oder von loserem, blättrigem Gefüge. Die Kohle ist
unvermischt, d. h. ohne erdige Beimengungen, nur stark wasserhaltig, brennt leicht, flammend, könnte also nach dem Trocknen ohne weiteres verheizt werden. Die Mächtigkeit wird auf 2 w, an anderer Stelle auf 3 in angegeben. Auch die Ausdehnung erscheint beträchtlich, selbst wenn es sich, wie anzunehmen, nur um eine Kohlenmulde handelt. Wenigstens ergab die Erbohrung eines Brunnens, der etwa 400 in entfernt liegt, und dessen Tiefe 56 in beträgt, denselben Aufschluß: 3 in mächtige Kohle in einer Tiefe von 18 in. An Einschlüssen tierischen Ursprungs fand man hier bereits vor 3 Jahren den großen Mahlzahn eines Mammut, sowie Knochen dieser Tiergattung; auch ein Kennzeichen für die Zeit der Entstehung des Flözes. Ob sich der Abbau lohnen würde, könnte nur durch weitere Bohrversuche ermittelt werden.
Schramberg 13. Okt. Der 15jährige Georg Stengle wurde an das Amtsgericht nach Oberndorf eingeliefert. Er ist wegen Diebstahls (62 ^K) am Samstag abend verhaftet worden. Das Bürschchen hatte das Geld aus der Tasche eines Rockes einer Hausbewohnerin gestohlen. Einen Teil davon hatte er bereits vernascht, als er verhaftet wurde. Die Eltern, die bis jetzt der Gemeinde zur Last lagen, setzten der Verhaftung ihres Sprößlings den größten Widerstand entgegen.
Ulm 13. Okt. Vorgestern überfuhr ein Fahrradhändler in der Glöcklerstraße die junge Frau des Architekten H. Moser, die aufs Pflaster geschleudert wurde und einen Schädelbruch davontrug. Die Frau hat erst gestern vormittag das Bewußtsein erlangt, doch scheint das Befinden erfreulicherweise ein zufriedenstellendes zu sein. Wie sie selbst angibt, fällt dem Radfahrer keine Schuld an dem Vorfälle zu.
Tettnang 13. Okt. In Apflau ist in voriger Woche, vermutlich am Freitag abend nach Einbruch der Nacht, im Schlafzimmer eines Bauernhauses ein Kleiderkasten erbrochen und ausgeraubt worden. Gestohlen wurde: ein goldener Ring, ein silberner Rosenkranz, eine silberne Taschenuhr mit silberner Kette, eine Nickeluhr mit Doublekette, ein vernickelter Revolver, ein Hut, ein neuer dunkler Anzug, eine dunkelgestreifte neue Hose, eine Juppe und Weste, sowie ein Geldbeutel mit etwa 20 Inhalt und ein Waldseer Landwirtsch. Lotterielos, angeblich Nr. 12 822. Von dem Diebe fehlt jede Spur.
Pforzheim 13. Okt. Gestern wurde vor der Karlsruher Strafkammer wieder eine große Pforzheimer Schnipfler-Affäre verhandelt, in der es sich um aus hiesigen Fabriken
geordnet; alte Möbel, die bei einem Spediteur untergestellt waren, würden verkauft; es lohnte nicht, noch länger Geld für ihre Unterbringung zu zahlen, da sie an und für sich keinen Wert hatten. — Da Inge aller Wahrscheinlichkeit nach sich fürs erste nicht selbst etablieren würde, wenn überhaupt noch mal: zunächst war sie viel zu jung, um daran zu denken, und zweitens schien ihr Aufenthalt im Klosterhof doch auf eine ziemlich lange Dauer berechnet. Der juristische Beistand von Frau von Ferni hatte dem jungen Mädchen bei allen notwendigen Erledigungen mit Rat und Tat zur Seite gestanden und auch die Anlage und Verwaltung des kleinen Kapitals übernommen, das ihr zugefallen war. Jetzt war alles geordnet, Inge hatte sich vom Doktor Illing verabschiedet und war eben mit dem Packen ihres kleinen Koffers fertig geworden, als der Brief Anna von Fernis eintraf, der sie für den nächsten Vormittag in den „Kaiserhof" berief. Sie sah dieser Begegnung mit einer gewissen Unruhe entgegen. Wie würde das fremde reiche Mädchen ihr gegenübertreten? Würde sie die Herzensgüte der Mutter haben, würde sie ihre Aufnahme in die Familie überhaupt gern sehen? Trotz dieser bangen Zweifel zögerte Inge nicht eine Minute länger, als nötig war. Sie verabschiedete sich in warmen Worten von ihrer Wirtin und fuhr nach dem „Kaiserhof." Der Portier kannte sie von ihrem Aufenthalt mit Frau von Ferni und als sie nach dem Fräulein fragte, wurde sie mit der Beflissenheit und Höflichkeit empfangen, wie man sie in vornehmen Hotels Leuten entgegenbringt, die mit sehr langjährigen, sehr vornehmen und reichen Gästen in Verbindung stehen. Eine kleine Nuance weniger servil allerdings, als den Fernis selbst gegenüber.
Kaum fünf Minuten früher hatte Markus Callein sich von seinen Verwandten verabschiedet, um mit dem Mittagszuge nach Hamburg zu fahren und sich von dort nach Amerika einzuschiffen. Während Inge den Lift bestieg, benutzte Callein die Droschke, die sie eben verlassen und die nun leer in langsamem Tempo an der Dreifaltigkeitskirche vorbei die Mohrenstraße entlang fuhr.-
Anna von Ferni hatte in ihrem Salon ein Frühstück servieren lassen und erwartete Inge und ihren Bruder, später wollte man eine Fahrt nach dem Tiergarten machen. Langsam schritt sie in dem eleganten Raum hin und her, dem sie durch einige Bücher und allerlei ihr unentbehrliche Kleinigkeiten etwas von dem schablonenhaften Charakter des Hotel-Salons genommen; ein schönes Arrangement von Rosen und Orchideen, eine Aufmerksamkeit ihres Vetters, trug dazu bei, den Eindruck vornehmer Behaglichkeit zu erhöhen. Anna von Fernis Züge waren ernst, es lag etwas wie Trauer und Resignation darauf, und ein paarmal betupfte sie mit dem feinen Battisttuch ihre Augen, wie wenn sie dort eine Träne fortwischen wollte, als ein leises, diskretes Klopfen an der Türe sie sehr schnell ihre Fassung wiedergewinnen ließ. Sie zwang die Tränen.zurück und rief „Herein!"
„Fräulein von Herrnstein!" meldete mit einer devoten Verbeugung der Zimmerkellner.
„Ich lasse bitten."
Inge überschritt die Schwelle, die Tür schloß sich hinter ihr, die beiden fremden Mädchen traten sich zum erstenmal gegenüber, und Anna von Fernis Augen ruhten prüfend auf der vor ihr Stehenden. Es lag so viel vornehme Bescheidenheit in Inges Haltung, so viel Trauer auf ihrem bleichen Gesichtchen und ein so tiefer, inniger Ausdruck in ihren Augen, als sie diese jetzt aufschlug, daß Anna von Ferni sehr wohl das Entzücken begriff, mit dem ihre Mutter über Inge geschrieben. Sie streckte ihr beide Hände entgegen.
„Liebes Fräulein von Herrnstein", rief sie warm, „Mama hat mir von dem schweren Verlust geschrieben, der Sie betroffen hat. So jung und schon verwaist! Aber seien Sie nicht mutlos, ich hoffe, Sie werden
es lernen, sich in unserem Kreise wohl zu fühlen."
„Sie sind sehr gütig, sehr gütig, ich danke Ihnen herzlich," flüsterte > das junge Mädchen, mit aufsteigenden Tränen kämpfend, „sehr gütig,
j ebenso wie Ihre liebe Frau Mutter." (Forts, folgt.)