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Amts- und Anzeige-latt für den Gberamkbezirk Calw. .
84 . Iahrgnz.
ErslhetnuriiLtaze: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag, JnsertionSpreis i! Bsg. pro Zeile für Stadt u. Beztrksorte; außer Bezirk IS Pfg.
Donnerstag, -en 14. Oktober 1909.
Bezugspr. i.d. Stadt'/Zährl.m. Trägerl. Mk. I.2S. PostbezugSpr, s.b. Orts- u. Nachbarortsverk, '/«jährl. Mk. l.so, im Fernverkehr Mk. l.SV. Besteig, in Württ. so Pfg.. in Bagern u. Reich 42 Psg'
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Ortstlkhiirdku f. d. Albeiterverficherullg
werden veranlaßt, die Quittnngskarten der zum Militärdienst eiuberuseuen Derficherteu zur Aufrechnung einzuziehen, damit die Karten nicht während der Dienstzeit in Verlust geraten. Die Karten find, auch wenn sie mit Marken nur teilweise gefüllt sind, aufzurechnen und mit der nächsten Vtertel- jahrssendung hieher vorzulegen.
Nach beendigter Mtlitärzeit ist besonders darauf zu achten, daß diese in der neu auSzustellen- den Quittungskarte zur Aufrechnung kommt.
(Erl. der Vers.-Anstalt vom 24. v. Mts. Amtsbl. S. 57.)
Calw, 13. Oktober 1909.
K. Oberamt. Voelter.
X. Calw. Am 7. Oktober waren es 25 Jahre, daß das hiesige Kranken- und Armenhaus von zwei Stuttgarter Schwestern übernommen worden ist. Liebe Freunde machten der immer noch dort tätigen Schwester Johanna diesen Tag, durch dankbare Anerkennungen, zu einem schönen Ehren- und Freudentag. Gottes Segen ruhe auch ferner auf ihr!
Stamm heim 14. Okt. Soeben durcheilt die erschütternde Nachricht unfern Ort, daß unser verehrter alt Schultheiß Ernst an den Folgen einer Operation im Wilhelmsspital in Stuttgart gestorben ist. Beinahe 30 Jahre lang stand Herr Schultheiß Ernst an der Spitze unserer Gemeinde und nicht bloß in seiner Gemeinde, sondern auch im ganzen Bezirk war der tüchtige und erfahrene Ortsvorsteher beliebt und geschätzt. Im Frühjahr dieses Jahres nötigten ihn die zunehmenden Beschwerden des Alters, sein schweres Amt niederzulegen und in den wohlverdienten
Ruhestand zu treten, den er leider nur kurze Zeit genießen durfte. Ein schmerzhaftes Blasenleiden veranlaßte ihn in Stuttgart Heilung zu suchen, da sich das Leiden aber schnell verschlimmerte, mußte er sich einer Operation unterziehen, deren Folgen er nun erlegen ist. — Sein Andenken wird in der hiesigen Gemeinde noch lange im Segen bleiben. — Die Beerdigung wird voraussichtlich am Samstag Nachmittag 2 Uhr stattfinden.
Nagold 12. Okt. Gestern vormittag verunglückte Bäckermeister Lehre in seiner Scheuer durch Abstürzen; er erlitt eine Kopfwunde und innere Verletzungen.
Stuttgart 13. Okt. In Sachen des Juwelendiebstahls ist bei der Kriminalpolizei die Nachricht eingelaufen, daß heute früh der eine der beiden Einbrecher, Schilling (alias Valenta), in Frankfurt a. M. festgenommen worden ist.
Stuttgart 13. Okt. Die „Schwäbische Tagwacht" schreibt: Letzter Tage saßen Vertreter der Brauer und der Wirte einträchtiglich beisammen, um über eine Erhöhung des Bierpreises zu beraten. Die Brauereien wollen die ganze Last der neuen Steuer auf die Wirte abwälzen, diese wiederum gedenken, die Konsumenten mit einer Bierpreis-Erhöhung zu beglücken. Das ^/io-Glas soll in Zukunft statt 10 cZ 11 c) kosten, das Halbliter wird von 12 auf 13 ^ erhöht. Ueber den Termin des Inkrafttretens der Bierpreiserhöhung ist man sich noch nicht ganz einig geworden. Anzuerkennen ist das freundliche Bemühen der Brauer und Wirte, den Konsumenten jedes Kopfzerbrechen über die Frage der Bierpreiserhöhung zu ersparen. Sie beschließen einfach, und der Konsument bezahlt. Damit ist die Frage erledigt. Wir bezweifeln nur, ob die Masse der organisierten Arbeiterschaft bei der
Verfügung über ihren Geldbeutel sich so ohne weiteres ausschalten läßt. Die Herren Brauer und Wirte müssen schon gestatten, daß auch die politische und gewerkschaftliche Organisation zu der Angelegenheit Stellung nehmen. Die Brauer, die jede Belastung von sich abwälzen möchten, können bis dahin vielleicht auch die Preisfrage lösen, wie es kommt, daß an auswärtige Abnehmer trotz weit höherer Fracht und Lagerungskosten das Bier um 1—2 ^ pro Hektoliter billiger abgegeben werden kann als an Stuttgarter Wirte, die jederzeit leicht und ohne große Kosten mit Bier versorgt werden können.
Stuttgart 13. Okt. Von der Fis- kalität der Reichspostverwaltung, vor der uns Schwaben der Himmel in Gnaden bewahren möge, legt ein Vorgang ein drastischesZeug- nis ab, über den in der Frankfurter Zeitung wie folgt berichtet wird: Die verschiedenen Betriebe auf der Jla hatten gestern morgen eine unangenehme Ueberraschung, indem ihnen die Postbehörde die Telephone entfernen ließ. Es stellte sich heraus, daß die Anschlüsse auf drei Monate vereinbart waren, weil man damit rechnete, daß die Ausstellung in den ersten Oktobertagen geschlossen würde. Die Postbehörde ließ sich nicht dazu bereit finden, die Apparate bis zum 17. Oktober dem Schluß der Ausstellung gegen entsprechende Vergütung in Betrieb zu lasten, verlangte vielmehr, daß noch drei weitere Monate zu bezahlen seien, wenn das Telephon noch die 6 letzten Tage den seitherigen Inhabern zur Verfügung bleibe. Die Frage liegt nahe, ob ein derartiges Vorgehen einer Ausstellung gegenüber zu billigen ist, die ganz speziell der Post (Ansichtskarten, Telephongespräche, Telegramme rc.) außerordentlich große Einnahmen verschafft hat. Gerade bei der Liquidation wird sich das
Im Klosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
„Weißt Du von dem neuesten Entschluß der Mama?" fragte Anna ihren Vetter.
„Wie sollte ich, Liebste? Habe ich Armand doch gestern nachmittag erst gesehen, und heute trafen wir uns bei der Horst."
„Bei der Horst? Ach, die schöne Eveline ist noch in Berlin? Welch Wunder! Also gut — Mama nimmt eine junge Dame ins Haus."
' „Die Tochter einer Jugendfreundin, und damit die Sache einen Namen hat, ist mir besagte junge Dame als Gesellschafterin octroyiert," erzählte Anna lachend.
„Das ist wieder eine von Tante Mariannens Großmutshandlungen, und Du, Anna, scheinst auch gar nicht gegen diese oktroyierte Gesellschafterin Opposition zu machen. Das finde ich durchaus rührend."
„Wieso? Man kann doch ein junges Mädchen aus guter Familie, das allein zurückbleibt, nicht verlassen, zumal die Mütter intime Freundinnen waren? Wahrscheinlich ist es auch nur ein Uebergang, und Fräulein v. Herrnstein wird sich über kurz oder lang einen anderen Wirkungskreis suchen."
„Hm, nicht übel; und ist diese junge Dame etwa schon in dem Klosterhof?"
„Nein, ach nein," rief Armand mit einem humoristischen Jammerton. „Mama schrieb mir gestern, Fräulein v. Herrnstein habe sie nicht gleich begleiten können, weil das Ordnen des Nachlasses und die Lösung ihrer Verpflichtungen als Lehrerin in verschiedenen Familien ihre Anwesenheit hier noch notwendig mache. Wir, Anna und ich, sollen sie für die Heimreise unter unsere schützenden Fittiche nehmen. Hier ist die Adresse."
Er zog seine Brieftasche, entnahm ihr den Brief seiner Mutter und reichte ihn der Schwester.
„Da — die angestrichene Stelle."
„Inge v. Herrnstein, Alexanderstraße 16 IV bei Frau Kummer —" las sie. „Sehr verlockend klingt das gerade nicht. Nun ich werde heute noch an das junge Mädchen schreiben, damit sie mich morgen im Hotel aufsucht."
Nach dem Diner kehrte Anna in den „Kaiserhof" zurück, und die beiden Herren verlebten den Abend im Klub.
Es wurde gespielt, und Armand hatte gegen seine Gewohnheit Glück. Callein wohnte im Windsor-Hotel und ging früher fort, als sein Vetter. Während des Auskleidens und als er dann wach im Bett lag, erinnerte er sich plötzlich wieder jenes Mädchens, das ihm an der Konditorei von Josty aufgefallen war. — Er mußte vor sich hinlächeln, gähnte und reckte die Arme über den Kopf; er wollte diese kleine Sache abtun, wie so Manche andere. Was war es denn auch besonderes gewesen. Ein junges Mädchen in Trauer, eine vornehme Erscheinung, anmutige Bewegungen, ein kleiner Fuß, ein feines Profil. Für einen in bezug auf Frauenschönheit verwöhnten Mann wie Markus Callein wenig, aber doch genügend, um sich seinem Gedächtnis einzuprägen. Merkwürdig! Wenn er ehrlich sein wollte, hatte die Fremde sein Interesse in ganz besonderer Weise gefesselt, sie beschäftigte ihn noch. Seine Einbildungskraft war in ganz befremdlicher Weise erregt und obgleich er wußte, daß er die Unbekannte wahrscheinlich niemals Wiedersehen, ihr nie wieder begegnen würde, konnte er seine Gedanken nicht von ihr losmachen.
Er wußte nicht, was er aus sich machen sollte, drehte sich auf die andere Seite, um zu schlafen, aber der Schlaf kam nicht, und als er endlich kam, träumte er allerlei wunderliches Zeug.
Inge von Herrnstein bewohnte wieder das bescheidene Stübchen, das sie mit ihrer Mutter innegehabt hatte. Der kleine Nachlaß war rasch