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84. IahrgW.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamkbezirk Calw.
SrschetnunzStage: Montag, Dienstag, Mittwoch, »onnerstag, Freitag und Samstag, Jnsertionspreis !0 Dsg. pro Zeile für Stadtu. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die K. ev. Ortsschuliuspektorate
werden ersucht, die ProvisoratStabellrn bis zum 15. d.M. einzusenden.
Calw, 6. September 1909.
K. Bezirksschulinspektorat. Schmid.
Lagesueuigkeiteu.
8.-V. Calw 6. Sept. Der gestrige Ausflug des Schwarzwaldvereins hatte unter der Ungunst der Witterung zu leiden, denn gerade zur Zeit des Abmarsches hatte sich das schönste Regenwetter eingestellt Trotzdem unternahm es ein Häuflein wetterharter, wanderlustiger Vereinsmitglieder, den Doma zu ersteigen. Der Himmel hatte inzwischen ein freundlicheres Gesicht angenommen, und eine gute Rundsicht von der Plattform des Turmes lohnte die unentwegten Wanderer. Die übrigen Ausflügler hatten es sich bequem gemacht, indem sie das Endziel, die Station Teinach, per Bahn erreichten. Bei Hellem Sonnenschein wurde der neuangelegte Teinacher Fußweg begangen, der liebliche Ausblicke in das Tal und auf die Ruine Zavelstein eröffnet. Um halb 5 Uhr fanden sich sämtliche Ausflügler bei Vereinsmitglied Mörsch zur Station Teinach ein, wo noch einige gemütliche Stunden verbracht wurden.
Herrenberg 4. Sept. Nach einer besonders kühlen Nacht zeigte gestern morgen das Thermometer nur ein Grad Wärme an, so daß Gurken erfroren sind und Bohnen darunter zu leiden hatten. Alles war mit starkem Reif überzogen und mancher Mähder hatte zu seiner Arbeit Handschuhe angezogen.
Montag. Len 6. September 1909.
Oeschelbronn OA. Herrenberg 4. Sept. Gestern wurde hier der Ertrag von 280 Stöcken Hopfen um eine Flasche Wein verkauft. Gewiß ein Zeichen, daß manche Hopfenanlagen nahezu keinen Ertrag geben.
Stuttgart 4. Sept. Der König und die Königin sind heute Mittag gegen 1 Uhr wieder hier eingetroffen. Sofort nach der Ankunft nahm der König auf dem Bahnsteig den Vortrag des Generaladjutanten entgegen. Nachdem vor einigen Tagen bereits der Generalinspekteur Generaloberst von Bock und Polach hier eingetroffen, ist heute auch Generaloberst von Lindequist in Stuttgart angekommen. In den Hauptstraßen der Stadt und auf dem Bahnhof macht sich bereits ein großer Fremdenverkehr bemerkbar. Die Ausschmückung der Einzugsstraßen : Schloßstraße, Schloßplatz und des Marktplatzes wird voraussichtlich heute Abend beendet sein. Während am gestrigen Abend eine Probebeleuchtung sämtlicher Schloßräume vorgenommen wurde, fand am heutigen Vormittag unter Leitung des Obermusikmeisters Sonntag die Probe für die Musikaufführung sämtlicher Musikkapellen des württemb. Armeekorps im inneren Schloßhof statt, zu der sich eine zahlreiche Menschenmenge eingefunden hatte. Auch das bunte militärische Treiben tritt schon auffallend in die Erscheinung. Fahrzeuge des freiwilligen Automobilkorps jagen mit höheren Offizieren durch die Straßen und auch eine größere Anzahl Beamte des kaiserlichen Marstalls sind aus Berlin hier eingetroffen. Herzogin Wera ist aus St. Moritz wieder auf der Villa Berg eingetroffen.
Stuttgart 4. Sept. Auf dem Cann- statter Wasen fand gestern die Versteigerung derPlätze für Schaubuden, Karus-
Bezugspr.i.d.Stabt'/«jährl.m. Trägerl.Mk. l.Sb. Postbezugspr. s. d. Orts- u. Nachbarortsoerk. f/.jährl. Mk. l.so, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
sells u. s. w. über das diesjährige Volksfest statt. Unter lebhafter Beteiligung wurden für den laufenden Meter je nach Lage 15—88 erlöst. Die vier Plätze für Ring- und Plattenwurfspiele waren besonders begehrt, man bezahlte für je sechs Meter Platz 205—354 Die
höchste Platzmiete bezahlte ein Dampfkarufsell- besitzer und zwar für 50 Meter 2000 Insgesamt kamen etwa 30 Plätze zur Versteigerung. Für 24 Plätze auf der Neckarseite wurden allein rund 15 000 ^ erlöst. Gut vertreten sind wieder Kinematographen. Auch an Dampfkarussells fehlt es nicht.
Stuttgart. Ueber die Feier des 25jährigen Jubiläums des Württemberg. Schwarzwaldvereins wird folgendes bekannt gegeben: Der Begrüßungsabend am 18. September findet im Konzertsaal der Liederhalle statt. Neben den Begrüßungsansprachen wird das vorwiegend heitere Programm, ein kleines Lustspiel und eine Operette erweitern. Am Haupttage, dem 19. September, findet vormittags 9 Uhr die geschäftliche Hauptversammlung statt. Für die Gäste, die daran nicht teilnehmen, sind Führungen durch Stuttgart vorgesehen. Nachmittags 1 Uhr folgt das Festesten. Die Hauptfeierlichkeit ist der Festabend abends 7 Uhr im Festsaal der Liederhalle. Aus dem abwechselungsreichen Programm dieses Abends ist hervorzuheben ein vom Hauptvereinsvorstande, Schulrat Dr. Salz mann verfaßtes, überaus wirkungsvolles Festspiel, das unter Leitung des Herrn Hans Münch zur Aufführung gelangt. Weiter hat der Stuttgarter Lehrer - gesangverein seine Mitwirkung zugesagt und wird eine Anzahl Männerchöre zum Vortrag bringen. Vorträge, eine Militärkapelle, Ansprachen und gemeinschaftliche Gesänge ergänzen
Das Haus gegenüber.
Kriminal-Roman von E. Kent.
(Fortsetzung.)
„Das glaube ich nicht", antwortete mir mein Freund, „denn nach der Zusammenkunft mit May verbrachte Norman den übrigen Teil des Tages in sehr düsterer Stimmung. Er vermochte kaum einen Bisten zu essen, und während des Abends, den er mit uns verbrachte — wahrscheinlich, weil er fühlte, daß er höflichkeitshalber uns auch ein bißchen seine Gesellschaft genießen lassen müßte —, saß er ruhelos bald auf dem einen, bald auf dem anderen Stuhl. Mehrere Male versuchte er, sich zusammenzunehmen und sich am Gespräch zu beteiligen, aber es gelang ihm nicht; trotz aller Anstrengungen verfiel er stets bald wieder seiner fieberhaften Unruhe. Insofern scheint er mir denn doch nicht gerade nach einem glücklichen Liebhaber auszusehen! . . . Seit seiner Ankunft in Beverley hat er seine Zeit größtenteils damit verbracht, in der Nähe des Derwentschen Hauses herumzustreifen; als meine Schwester Alice gestern abend bei May zum Besuch gewesen war, sah sie beim Fortgehen Norman, der sich hinter einem Gebüsch dicht neben der Gartenpforte versteckt hatte. Wenigstens ist sie völlig überzeugt, daß es Norman gewesen ist; sie fürchtete jedoch, es könnte ihn in Verlegenheit bringen, wenn er als Schildwache vor Liebchens Tür gesehen würde, und sie ging daher, ohne ihn anzureden und auch ohne schärfer hinzusehen, diskret an seinem Versteck vorüber. Später erst kam ihr der Gedanke, daß es doch wohl besser gewesen wäre, wenn sie sich von der Wahrheit ihrer Mutmaßung überzeugt hätte, denn der von ihr gesehene Mensch kann möglicherweise doch auch irgendeine fragwürdige Person sein. Wir wissen nicht, ob nicht Mays hochgradige nervöse Aufregung dadurch hervorgerufen ist, daß sie von irgendeinem skrupellosen Menschen geängstigt wird — von ihrem Bruder zum Beispiel.
Ich habe, wie du weißt, von Anfang an geglaubt, daß Mays Krankheit irgendwie etwas mit ihm zu tun haben muß."
„Ja, das schriebst du mir."
„Aber, um wieder auf Norman zurückzukommen" — fuhr Fred fort — „ich habe ihn im Verdacht, daß er nicht bloß bei Tage sich in der Nähe ihrer Tür aufhält, sondern daß er auch einen guten Teil der Nacht vor ihrem Hause verbringt. Jedenfalls habe ich ihn öfters, und zwar zu ganz ungewöhnlichen Zeiten, vorsichtig und leise unser Haus verlassen und wieder betreten hören. Das erstemal hielt ich ihn für einen nächtlichen Einbrecher und legte bei dieser Gelegenheit eine, wie ich glaube, sehr anerkennenswerte Probe von Heldenmut ab, indem ich auf Krücken und mit einem ungeladenen Revolver hinter ihm her war!"
„Nun, mir scheint, was du mir da erzählt hast, schließt durchaus nicht die Möglichkeit aus, daß er mit May Derwent heimlich verlobt ist! Seine traurige Stimmung ist wahrscheinlich ein Ausfluß seiner Sorge um ihre Gesundheit!"
Ich sagte dies in der Hoffnung, er werde mir widersprechen. Ob er dies getan haben würde oder nicht, das werde ich wohl niemals erfahren, denn in diesem Augenblick wurde unser Gespräch durch den Eintritt seiner Schwester unterbrochen. Da wir schon vorher vereinbart hatten, daß sie mich nach der Derwentschen Villa hinüberkutschieren solle, so brachen wir sofort auf.
Endlich also sollte ich die Dame meines Herzens Wiedersehen! Dies Glück erschien mir so hoch, daß ich selber kaum es für wahr halten mochte.
Nachdem wir dem Diener unsere Namen genannt hatten, wurden wir in einen reich mit Blumen geschmückten, großen Salon geführt. Hier also hauste May Derwent.
Mit gespannter Teilnahme sah ich mich um. Diese Stühle hatten ihre schlanke Gestalt getragen — an diesem Tisch hatte sie gesessen und geschrieben — diese Teppiche hatten die Eindrücke ihrer Füßchen