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vorher abgesperrt werden. Während dieser Zeit vollzieht sich die Ankunft und Abfahrt der dem allgemeinen Verkehr dienenden Züge an den Bahnsteigen I. und II. Der Weg zu den Bahn­steigen, sowie zu den Fahrkartenschaltern und Gepäckräumen ist durch den Eingang in die linke Bahnhofhalle von der Friedrichsstraße her zu nehmen. Den Reisenden, die Fahrkarten zu lösen und Gepäck aufzuliefern oder abzuholcn haben, wird empfohlen, sich tunlichst bald auf dem Bahnhof einzufinden. Die Prüfung der Fahrausweise der auf dem Bahnsteig 1l ankom- menden oder abfahrenden Reisenden erfolgt aus­schließlich an der Sperre dieses Bahnsteiges und nicht an den Warteräumen. Die rechtsseitigen Warteräume und Wirtschaftsgelasse (am Bahn­steig I II) sowie die Mittelhalle des Bahnhofs werden für den allgemeinen Verkehr gesperrt, in die linksseitigen Warteräume und Wirtschasts- gelasse werden nur Reisende mit Fahrkarten, nicht aber Inhaber von Bahnsteigkarten zugelassen.

Kleinaspach OA. Marbach 31. Aug. Wie sich ein schlauer Durchbrenner Zivil­kleider zu verschaffen weiß, das hat man lautNeckarecho" hier erfahren. Unter strömendem Regen und bis auf die Haut durchnäßt, erschien bei Verwandten ein bayerischer Infanterist aus Würzburg und brachte vor, in der Nähe ein- guartiert zu sein und sich auf einer Urlaubsreife zu befinden, um seine Verwandten hier zu besuchen. Dem bayerischen Krieger wurde nun ein Zivil­anzug, in dem er sich recht wohl fühlte, verabreicht, um die Uniform trocknen und reinigen zu können. Nun sollte auch noch das Großmütterchen besucht und Abschied von ihr genommen werden, was in Zivil abgemacht wurde. Als nach längerer Zeit der Marsjünger in Zivil, dessen Uniform in­zwischen getrocknet und gesäubert war, nicht erschien, wurde nach ihm gesehen, aber er war nicht mehr zu finden. Der Zivilanzug gefiel ihm scheints besser, denn er suchte in diesem das Weite, und ließ seine Uniform zurück. Jede Verfolgung war erfolglos. Man hat es ohne Zweifel mit einem Deserteur zu tun. Er ist von Eßlingen und sein Name bekannt.

Göppingen 31. Aug. In dem Schnell­zug Nr. 19 StuttgartUlmMünchen, der mit einer Geschwindigkeit von 70 kn, die Station Göppingen durchfährt, befand sich auch der Bäckermeister Leinz von hier, der nur eine Fahrkarte bis Göppingen hatte. Er sprang laut Remszeitung" während der Fahrt aus dem Zug, wobei er so zu Boden geschleudert wurde, daß er schwere Verletzungen davontrug. Er konnte wohl noch zu Fuß nach Hause wanken, doch ist nicht ausgeschlossen, daß er an den inneren Verletzungen noch lange zu leiden hat.

Friedrichshafen 31. Aug. Die heutige Bodcnseefahrt des Kaisers von Oester­reich fand bei böigem Wetter und bedecktem Himmel statt. Das Kaiserschiff wurde von der Bevölkerung der Uferstädte lebhaft begrüßt. Hier in Friedrichshafen herrscht seit Mittag ein großer Fremdenverkehr, besonders in der mit Fahnen reich geschmückten Friedrichstraße, wo zur Mittagsstunde die Kapelle des 122. Jnf.- Regiments dem Grafen Zeppelin vor dem Deutschen Hause ein Ständchen brachte. Als der Graf auf den Balkon trat, wurde er mit endlosen Hochrufen begrüßt. Inzwischen hatte sich der Menschenstrom in die Umgebung des Schloßhofes verzogen, wo die Menge an der Schloßterrasse jeden Verkehr unmöglich machte. Die Bucht mit den zahlreichen Booten und fest­lich geschmückten Extradampfern bot ein sehr bewegtes Bild. Um '/?2 Uhr rückte unter klingendem Spiel die vom Jnf.-Reg. Nr. 122 gestellte Ehrenkompagnie am Schloßportal auf, wo sich bereits zahlreiche geladene Gäste, darunter die Fürstin von Fürstenberg mit ihren Kindern, eingefunden hatte. Lange vor Ankunft des Kaiserschiffes hatten die zum Empfang befohlenen Herren vor dem Schloßportal, sämtliche in großer Galauniform, Aufstellung genommen. Es waren erschienen Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker, Oberhofmarschall Graf Schenk von Stauffenberg, Oberstallmeister Frhr. Geyr von Schweppenburg, Oberbofmeister Frhr. v. Reischach, Generaladjutant v. Bilfinger, Flügeladjutant v. Marval, Kabinetts­sekretär Frhr. v. Gültlingen, sowie Graf Zeppelin, die Spitzen der Staatsbehörden und Stadt- schultheiß Mayer. Um 2 Uhr traten der König in österreichischer Husarenunisorm mit dem Bande des Stephansordens, Herzog Albrecht in österreichischer Jnfanterieuniform, der neben dem Bande des Stephansordens noch das goldene Vließ angelegt hatte, und Fürst zu Wied in württcmbergischer Dragoneruniform aus dem Schloßportal. Der König trat sofort auf die Fürstin von Fürstenberg zu und begrüßte sie und ihre Kinder. Dann wandte er sich zu Graf Zeppelin und unterhielt sich längere Zeit mit dem Grafen aufs lebhafteste. Dann schritt der König die Ehrenkompagnie ab, die ihn mit Hurrarufen begrüßte, und verweilte noch längere Zeit in lebhafter Unterhaltung mit seiner Um­gebung. Inzwischen hatte die Sonne das Ge- wölke durchbrochen, und das Kaiserschiff näherte sich in rascher Fahrt. Bei der letzten Wendung des Schiffes erstattete Herzog Albrecht dem König Meldung und der König begab sich mit dem glänzenden Gefolge zum Landungssteg, wo die kgl. Fahrzeuge in leuchtendem Sonnenschein in Flaggcngala prangten. Als der österreichische Sonderdampfer Kaiserin Elisabeth näher kam,

konnte man den Kaiser Franz Joseph, der die Uniform seines württcmbergischen Infanterie­regiments mit den Abzeichen eines Generalfeld­marschalls, sowie das rote Band des Kronordens angelegt hatte, und einen sehr frischen und rüstigen Eindruck machte, schon in dem unter der Kommandobrücke gelegenen Mittelgang erkennen. Punkt 2 Uhr 15 Minuten traf das Schiff ein. Die Begrüßung zwischen dem Kaiser und König war überaus herzlich. Nachdem der Kaiser den Herzog Albrecht und den Fürsten zu Wied begrüßt hatte, wurden ihm vom König sämtliche Erschienenen vorgestellt, an die er einige Worte richtete. Besonders lang unterhielt sich der Kaiser mit dem Grafen Zeppelin, der sein lebhaftes Bedauern über das Nichterscheinen des Luftschiffes am heutigen Tage äußerte. Dann schritten die Monarchen unter den Klängen der österreichischen Kaiserhymne die Front der Ehrenkompagnie ab, deren Vorbeimarsch hierauf erfolgte. Am Ein­gang in den Schloßgarten erwarteten die Königin und die Fürstin zu Wied den erlauchten Gast, der sich tief'zum Handkuß hinabneigte. Unter­dessen war auf dem Schloß die österreichische Kaiserstandarle gehißt worden. Der Kaiser ver­weilte eine Stunde in herzlichem Verkehr im Kreise der württembergischen Königsfamilie, um sich dann wieder zum Schloßhafen zurückzubegeben. Vor der Abfuhrt stellte der Kaiser auch der Königin seine Umgebung vor, und zwar befanden sich im Gefolge des Kaisers erster Oberhofmeister Fürst v. Montenuovo, Generaladjutant Graf Paar, Major v. Bolfras, Major Gras v. Manzani und Major Graf v. Hoyos, Oberst Marzutty und Hofreisekassier Zeller. Außerdem waren anwesend der vom württembergischen Hof beglaubigte öster­reichische Gesandte Graf v. Bolesta-Kozjebrodzky, der Sekretär der Gesandtschaft Graf v. Calice und Statthaltereirat Graf v. Meran. Als der Kaiser sich von der Königin verabschieden wollte, reichte diese dem Kaiser den Arm, um ihn zum Landungssteg zu geleiten. Die Militärmusik intonierte wieder die österreichische Hymne. Der Kaiser winkte dann den Regimentskommandeur heran und ließ sich sämtliche Offiziere der Ehren­kompagnie verstellen. Nachdem beide Monarchen sich von den Umgebungen verabschiedet "harten, geleitete der König seinen Gast zum Dampfer, wo beide nochmals ihrer herzlichen Freude über die Zusammenkunft Ausdruck gaben. Als der Kaiser bereits das Schiff betreten hatte, wünschte ihm der König noch eine glückliche Heimfahrt und blieb mit der Königin noch lange auf dem Landungssteg vor dem Schloß, als das Schiff sich schon ziemlich weit entfernt batte. Sowohl bei seiner Ankunft wie bei seiner Abreise war der Kaiser von Oesterreich Gegenstand enthusiastischer Ovationen.

Das Haus gegenüber.

Kriminal-Roman von E. Kent.

(Fortsetzung.)

Wenn Sie sicher sind, daß es Ihrer Frau genehm wäre, mich bei sich zu sehen, so nehme ich Ihre Einladung mit größtem Vergnügen an."

Warum sollte sie denn etwas dagegen haben, Sie bei sich zu sehen?" fragte er.

Ein Grund wäre allerdings nicht vorhanden; Sie sagen mir ja aber, Ihre Frau sei infolge des Mordes sehr aufgeregt und nervös; darum möchte ich ihr nicht lästig fallen, wenn auch nur die geringste Gefahr wäre, daß meine Anwesenheit ihr den tragischen Vorfall zu lebhaft ins Gedächtnis rufen könnte."

Atkins sah mich mit einem langen forschenden Blick an, schien aber dann zur Ueberzeugung zu gelangen, daß ich keine bloße Ausrede gebrauchen wollte, und sagte:

Unsinn, Herr Doktor! So unvernünftig ist meine Frau denn doch nicht. Ich bin überzeugt, sie wird sich sehr freuen, Sie zu sehen. Also vergessen Sie's nicht: wir erwarten Sie morgen abend sieben Uhr!"

Schön! Ich komme also" . . .

Ich habe diesen an und für sich unbedeutenden Vorfall so ausführlich berichtet, weil mir das Gesicht des jungen Mannes noch lange nachher gar nicht wieder aus dem Sinn wollte. Ich stellte alle möglichen und unmöglichen Vermutungen auf, um mir sein verändertes Aussehen zu er­klären. Hatte er etwa den Verdacht, der Ermordete sei ein Freund seiner Frau gewesen, und sie könne als Schuldige in Beziehungen zu seinem Tode stehen?

Ich fühlte, wie furchtbar ihn solch ein Gedanke martern müßte, und wäre deshalb am liebsten ihm sofort nachgegangen, um ihm zu sagen, daß mein erster Verdacht sich begründet gefunden habe, und daß ich jetzt

von Argots Schuld völlig überzeugt sei. Ich unterließ dies aber doch, weil ich befürchtete, ich könnte durch ein unvorsichtiges Wort ihm ver­raten, daß ich den Grund seiner Aufregung vermutete. Nachdem ich im Klub mit einem alten Schulkameraden ruhig zu Abend gespeist hatte, ging ich langsam die Madison-Avenue hinunter nach meiner Wohnung zu. Die Avenue machte mit ihren langen Reihen von Häusern, die fast alle für die heißen Monate geschlossen waren, einen außerordentlich trübseligen Eindruck. Obwohl es kaum 9 Uhr sein konnte, waren die Straßen in diesem Stadtteil beinahe ganz menschenleer; denn wer es irgend ermög­lichen konnte, war der Hitze des Tages entflohen. Der Abend war dunkel, dunstig und heiß. Als ich in der Nähe meiner Wohnung angelangt war, sah ich, wie der Seiteneingang des Rosemere-Hotels vorsichtig geöffnet wurde. Ein von einem dichten Schleier umhüllter weiblicher Kopf spähte hinaus. Ich dachte mir sofort, es werde Madame Argot sein, und so war es auch. Nachdem sie sich überzeugt hatte, daß ihr Herr und Ge­bieter nicht in Sicht war, huschte sie über die Straße hinüber und ver­schwand in meinem Hause. Ich beschleunigte meine Schritte, um sie nicht warten zu lassen, und gleichzeitig kam cs mir vor, als hörte ich hinter mir jemanden schnell laufen. Ich drehte mich plötzlich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Es war niemand zu sehen, als ein sehr dicker Mann, den ich ein paar Augenblicke vorher überholt hatte. Ob er inzwischen mir näher gekommen war, als cs bei seiner langsamen Gangart eigentlich anzunehmen gewesen wäre das konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Jedenfalls war er noch so weit von mir entfernt, daß ich seine Gesichtszüge nicht unterscheiden konnte. Ta ich aber sicher war, daß cs nicht Argot sein konnte, so wartete ich sein Näherkommen nicht ab.

In meinem Wartezimmer fand ich Madame, immer noch dicht ver­schleiert, zusammengckaucrt auf einem Stuhl in der Ecke sitzen, wo sie nicht von der Straße aus gesehen werden konnte. Ich sagte ihr, sie möchte iu mein Sprechzimmer gehen, trat ans Fenster und beobachtete

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