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eines Vertrauensamtes erteilt wird. Für künftige Fälle gleicher Art hat die Respektierung dieser Parteiansicht als Grundlage einer Ausübung von Vertrauentsämtern zu gelten." — Gegen die Schwäbische Tagwacht wurde folgende Resolution angenommen: „Die heutige Versammlung bedauert, daß die Tagwacht in Sachen des Ausflugs nach Friedrichshafen keine klare bestimmte Haltung eingenommen hat. Die Versammlung ist der Meinung, daß das Zentralorgan die Pflicht hat, in solchen Fragen in sachlicher, aber bestimmter Weise Stellung zu nehmen und Halbheiten ein für allemal zu unterlassen." — Die mitangegriffenen Landtagsabgeordneten Fischer und Hildenbrand hatten vergeblich die Versammlung zu einer milderen Auffassung zu bewegen versucht. Die Abstimmungen ergaben bei etwa 300 Abstimmenden eine Mehrheit von 50—60 Stimmen gegen sie.
Herrenberg 14. Aug. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 140 Stück Milchschweine, Erlös pro Paar 35—50 30
Stück Läuferschweine Erlös pro Paar 60 — 80 ^, Verkauf gut.
Eßlingen 14. Aug. Zu dem Mord und Selbstmord erfahren wir noch folgendes: Die Schüsse, die Fabrikant Stiefelmayer abgab, wurden von Hausleuten gehört, die die verschlossene Türe aufbrechen ließen. Sie fanden das achtjährige Mädchen aus dem Boden liegend. Das zweijährige Mädchen lag im Hemd auf dem Tisch, wo es zweifellos schlafend hingetragen worden war. Die Frau lag im Schlafzimmer am Boden. Stiefelmayer selbst war vor dem Waschtisch zusammengesunken. Er hatte offenbar vor dem Spiegel stehend auf sich gezielt. Der Revolver lag auf dem Stuhl neben ihm, sämtliche sechs Kugeln waren abgeschossen. Der sofort herbeigerufene Arzt, der bei dem noch mühsam atmenden Stiefelmayer den Luftröhrenschnitt machte, ließ ihn und das nur noch schwach atmende Kind ins Krankenhaus schaffen, wo beide, wie bekannt, nach kurzer Zeit starben. Ueber den Grund zur Tat wird bekannt, daß Stiefelmayer seit längerer Zeit mit geschäftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wozu auch hauptsächlich die allgemeine geschäftliche Depression beitrug. Sicher war seine Frau mit der Tat einverstanden, da ein Kampf nicht vorausging. Stiefelmayer hatte einen guten Stamm tüchtiger und zuverlässiger Arbeiter, die ihn verständnisvoll unterstützten. Schließlich hatten sie an gestundeten Löhnen etwa 3500 bei ihm stehen und nachdem die hiesige Verwaltungsstelle des Metallarbeiterverbandes in dankenswerter Weise wiederholt vermittelt hatte, beschlossen sie letzten Samstag die Arbeit niederzulegen. Stiefelmayer ^ --
glaubte, das Geld herbeischaffen zu können, und so nahmen sie am Montag die Arbeit wieder auf, um sie am Mittwoch, als es nicht der Fall war, endgiltig niederzulegen. Die Verwaltung des Verbandes hat in ihrer letzten Sitzung beschlossen den Arbeitern 33°/° ihres Guthabens auszubezahlen. Zunächst erhielt jeder Arbeiter 10 ^ Vorschuß. In zwei zurückgelassenen Briefen hat Stiefelmayer sich über seine Verhältnisse ausgesprochen und den Wunsch geäußert, daß alle vier Tote verbrannt werden mögen.
Gmünd 15. Aug. Daß Katzen Fische stehlen und aus dem Wasser heraus roh verzehren, ist nicht allgemein bekannt, sonst hätte sich ein hiesiger Gasthosbesitzer besser vorgesehen. Er hatte ein Dutzend Forellen in seinem Brunnen und diesen mit einem Brett bedeckt. Zwei Katzen schoben den Deckel beiseite und lauerten auf die Forellen, bis diese an die Oberfläche kamen, worauf sie die Fische mit einem Tatzenschlag aufs Pflaster warfen und bis auf die Gräten vertilgten. Da der Schaden nicht übermäßig ist, ist auch das Lehrgeld noch glimpflich ausgefallen.
Schramberg 15. Aug. Der Schramberger Firmenstreit, in dem schon zwei richterliche Entscheidungen vorliegen, kann als beendet angesehen werden. Die beklagte Firma hat zu ihrer beanstandeten Bezeichnung „Deutschamerikanische Uhrenfabrik G. m. b. H." den Zusatz beigefügt „vorm. K. Mayer und Söhne". Verwechslungen mit der „Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik" dürften nunmehr ausgeschlossen sein.
Ulm 14. Aug. Gestern wurde hier ein Pferdedieb verhaftet, der am Donnerstag nachts in Bühl bei Günzburg ein auf 1400 ^ bewertetes Pferd gestohlen und in Kesselbronn gegen Aufgeld vertauscht hatte. Er heißt Josef Pfaller und ist schon wegen anderer strafbarer Handlungen verfolgt.
Vom Lande 14. Aug. „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird." An der zu erwartenden Bierpreissteigerung wird sich das Sprichwort bewahrheiten. Die Großbrauereien glaubten, zwei Fliegen auf einen Schlag zu fangen. Das Blaß sollte kleiner gemacht werden und dazu der Preis erhöht. Das wäre alles schön und gut, wenn das Bier trinkende Publikum mittun würde. Bei uns in Süddeutschland wird dies keineswegs der Fall sein. Die Biertrinker lassen sich eines gefallen: Entweder kleineres Maß aber kein Ausschlag, oder altes Ma^ und mäßigen Aufschlag, aber keineswegs beides zusammen. Die Konkurrenz wird übrigens auch sorgen, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es gibt auf dem Lande draußen manchen Kleinbrauer, der trotz Malzsteuererhöhung altes Maß und die alten Preise beibehalten wird.
Die anderen Wirte, die Achskunden der größeren Brauereien, werden dann schon auch ein Wörtchen mitsprechen. Einen Teil der Steuer könnten wohl die Brauer schon auch selbst tragen und nicht alles aus die Konsumenten abwälzen wollen. An dem Braugeschäft muß trotz alledem noch etwas herauskommen. Welche Summe läßt sich nicht der eine oder andere Brauer kosten, um einen neuen Achskunden zu gewinnen! Wenn die Erhöhung des Preises mit Maß und Ziel geschieht, werden sich die Konsumenten darein schicken.
Badisch Rheinfelden 15. Aug. Zu dem Zusammenstoß zwischen arbeitswilligen und streikenden Fabrikarbeitern wird berichtet: Am Freitag Abend sollten aus Frankfurt a. M. eingetroffene Arbeitswillige in die Fabrik geführt werden. Unterwegs kam es zu einem Wortwechsel zwischen den streikenden Arbeitern und den Aufsehern, der in ein Handgemenge ausartete. Der Fabrikmeister Fischer, der die Führung des Arbeitswilligentrupps übernommen hatte, machte von seinem Revolver Gebrauch. Ebenso wurde aus der durch ein Steinbombardement angegriffenen Fabrik geschossen, wobei der Italiener Agamo Geoli getötet wurde. Der Vorarbeiter Ottinger erhielt einen Schuß in die Brust und dürfte kaum mit dem Leben davonkommen. Die Staatsanwaltschaft aus Waldshut verbrachte den ganzen gestrigen Tag hier, um den Tatbestand festzustellen. Seit heute früh hält das aus Konstanz kommende Militär die Brücke zwischen Schweizerisch und Badisch Rheinfelden, sowie den Bahnhof besetzt.
Breslau 14. Aug. Seit heute früh wird der Schutzmann Emil Ludwig vermißt. Man vermutet, daß er von Zuhältern in die Oder geworfen wurde. Ludwig hatte Nachtdienst in einer äußerst unsicheren Gegend, die zum größten Teil von Dirnen bewohnt wird. Als er eine Verhaftung vornehmen wollte, wurde er von Zuhältern überfallen und überwältigt. Bisher wurde nur der Helm aufgesunden. Ludwig ist verheiratet und Vater von 2 Kindern.
Breslau 14. Aug. Der vermißte Schutzmann Ludwig wurde heute Nacht als Leiche in der Oder aufgesunden. Der Leiche waren die Augen ausgestochen und der Körper furchtbar zugerichtet. Im Laufe des Tages wurden die auf der Weißgerberstraße wohnhaften Prostituierten paarweise nach der Polizei geführt, um Aussagen zu Protokoll zu geben. Die Prostituierte Helene Hermann erklärte, in der Nacht gesehen zu haben, wie 2 Männer einen Schutzmann auf dem Erdboden würgten, dabei habe der eine ausgerufen: „Ich steche das Aas über den Haufen".
sofort nach dem Leichenschauhause, um das Opfer des Rosemere - Mordes zu sehen. Sie erkannte in ihm augenblicklich Herrn Maurice Greywood.
Merkwürdigerweise hat die Polizei Zweifel an der Richtigkeit dieser Rekognoszierung, obwohl sie zugibt, daß eine andere Spur, die sie verfolgen könnte, nicht vorhanden ist. Man hat indessen Frau Greywood, die Mutter des jungen Künstlers, benachrichtigt und erwartet für morgen ihre Ankunft aus Maine, wo sie den Sommer zubringt.
Die Leute im Rosemere-Hotel versuchen immer noch, in alberner Weise ein Geheimnis aus der Mordtat zu machen, und verweigern jegliche Auskunft (usw. usw.).
Brief von vr. Frederic Cooper in Beverley an vr. Charles K. Rowland:
Sonntag abend, den 13. August.
Lieber Charley!
Als ich in der heutigen Zeitung las, in dem im Rosemere-Hotel aufgefundenen Ermordeten sei der Maler Maurice Greywood erkannt worden, wußte ich sofort, warum Du Dich so sehr für unsere arme May interessiertest. Ich merke jetzt, daß Du von Anfang den Verdacht gehabt hast, der Ermordete sei ihr nicht unbekannt gewesen, und Dein letzter Brief, der die Beschreibung ihres „Freundes" enthielt, beweist mir zweifellos, daß Du alles genau wußtest mit Ausnahme seines Namens — denn die Beschreibung paßt ganz genau auf Greywood und auf keinen anderen. Wie Du Deine Entdeckungen gemacht hast, kann ich mir nicht vorstellen; indessen erinnere ich mich, daß man vom Fenster Deines Sprechzimmers aus die Tür des Hotels beobachten kann, und so mag es ja sein, daß Du von diesem Beobachtungsposten aus verschiedenes gesehen hast, was Du Dir nachträglich zusammenreimtest. Aber daß Du die Wahrheit entdeckt hast, ist eigentlich viel weniger überraschend als die Wahrheit selbst. Denn diese ist in der Tat unglaublich. May Derwent ist gänzlich außerstande, irgend einen Menschen zu töten, einerlei welcher Anlaß dazu vor
handen sein möchte. Sie ist einer unehrenhaften Handlung gänzlich unfähig — und vor allen Dingen: sie ist gänzlich unfähig, eine Intrige durchzuführen. Sie ist die Reinheit selber. Darauf schwöre ich. Und doch — mit welchen Tatsachen haben wir es hier zu tun! Ein Mann, der als ihr erklärter Bewerber allgemein bekannt ist, wird tot in einem an ihre Wohnung anstoßenden Zimmer aufgefunden — tot, mit einer Wunde im Herzen, noch dazu mit einer Wunde, die, wie aus deinem eigenen Zeugnis hervorgeht, durch eine Strick- oder Hutnadel verursacht ist! Und bevor wir versuchen, seinen Mörder oder seine Mörderin ausfindig zu machen, müssen wir zunächst nach einer vernünftigen Erklärung dafür suchen, wie er überhaupt im Rosemere-Hotel sein konnte. Wie auffällig, daß er zufällig in das Hotel kam, als May sich in ihrer Wohnung befand, während sie nach der Meinung ihrer Mutter auf dem Wege nach Bar Harbor war! Wen konnte er denn in jenem Hause besuchen wollen außer ihr?
Glücklicherweise scheint bis jetzt noch niemand daran gedacht zu haben, sie mit Greywoods Tod in Verbindung zu bringen. Meine Schwester hat sich den ganzen Tag über in allerlei Vermutungen ergangen, bei wem er wohl zu Besuch gewesen sei, als er seinen so tragischen Tod fand. Aber früher oder später wird die Wahrheit bekannt werden — und dann? Diese Möglichkeit mag ich mir selbst in meiner Einbildung nicht ausmalen.
Und nun, da Du bereits so viel entdeckt hast und, wie ich glaube, ebenso aufrichtig wie ich den dringenden Wunsch hast, dem armen Mädchen zu helfen, so will ich Deiner Bitte Nachkommen und Dir alles berichten, was ich in bezug auf diese traurige Angelegenheit habe herausbringen können. Ich weiß wohl, ich laufe Gefahr mißverstanden zu werden; man — vielleicht sogar mein Freund Charles Rowland — wird mich unverzeihlicher Indiskretion anklagen. Aber ich bin der Meinung, in einem solchen Falle können die gewöhnlichen Anstandsregeln nicht maßgebend sein; um ein Geheimnis zu bewahren, muß man zuweilen vielleicht ein Beichtgeheimnis verletzen.