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sondern teilweise auch der Geschichte des ganzen Landes ist. Die Geschäftsordnung selbst ist durch die Erfahrungen des Berichterstatters und der übrigen Kommissionsmitglieder und ihre Sachkenntnis, ferner durch die Berücksichtigung der Ordnung, die sich die andern Parlamente aller Länder ge­geben haben, zu einem vorbildlichen, modemen und gerechten Werke geworden. Ich glaube, wir dürfen sicher sein, daß uns das Gesetz, das wir uns soeben selbst gegeben haben, auf lange Zeit hinaus treffliche Dienste leisten wird. Wir danken dem Berichterstatter und der Kommission. Gröber dankte seinerseits herzlich den Kollegen und dem Präsidenten. Es sei zu viel der An­erkennung. Er habe die Absicht gehabt, durck seine Arbeit den Dank für das zum Ausdruck zu bringen, was er in diesem Hause für sein Leben gelemt habe. Remb old-Aalen (Z.) betonte, außer den Kommissionsmitgliedern gebühre noch einem Manne der Dank des Hauses, dem Präsidenten v. Payer. Als Vorsitzender der Kommission könne er Zeugnis dafür oblegen, daß die überaus tüchtige Mitwirkung des Präsi­denten und sein scharfes Urteil volle Anerkennung verdienen. (Bravorufe.) Präsident v. Payer erwiderte, nun sei es genug des Dankes. .(Heiter­keit.) Die gemeinsame Geschäftsordnung beider Kammem der Ständeversammlung wurde auf Vorschlag des Abg. Remb old-Aalen gleichfalls en bloe angenommen und sodann die Sitzung nach 1'/« ständiger Dauer geschlossen. Morgen Etatsreste.

Stuttgart 12. Aug. Wie der Staats­anzeiger aus Schloß Friedrichshafen meldet, hat der König den Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens v. Fleischhauer zum Abschluß der ständischen Verhandlungen über den Entwurf eines Volksschulgesetzes telegraphisch beglückwünscht und ihm die Krone zum Großkreuz des Friedrichs­ordens verliehen.

Stuttgart 12. Aug. Der weitere ge­schäftsführende Landesausschuß des Landes­verbands der Wirte Württembergs nahm gestern in einer Sitzung im Hotel Royal Stellung zu der bevorstehenden Bierpreiserhöhung. Es war nur eine Vorbesprechung. Die Bier­brauer sind bis jetzt an die Wirte mit Forderungen nicht herangetreten.

Stuttgart 12. Aug. Der heute früh kurz nach 3 Uhr eingetroffene Pariser Schnellzug ist bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof auf der über die Kronenstraße führenden Brücke mit der badischen Lokomotive auf einen Postwagen aufgefahren, der zu weit in einem Rangier­gleis vorgeschoben worden war. Die Insassen des Postwagens retteten sich durch Abspringen. Der Lokomotivführer und der Heizer blieben auf der Maschine, wurden aber ebenso wenig wie die andern Beamten und Paffagiere des Zuges verletzt. Der Anprall war weithin hörbar und

hatte einen erheblichen Materialschaden, sowie eine zeitweilige Sperrung der beiden Gleise im Gefolge. Der Zug setzte mit einer Verspätung von 20 Minuten die Fahrt nach München- Wien fort.

Stuttgart 12. Aug. Der Polizei­bericht schreibt: Vorgestern abend hat in der elterlichen Wohnung in Gaisburg ein 20jähriges Mädchen in einem Schwermutsanfall Lysol ge­trunken und ist nach einer halben Stunde an den Folgen gestorben. In einem Baumgut bei Heslach wurde gestern nachmittag ein 62jähr. Taglöhner von hier erhängt aufgefunden.

Vom Zabergüu 12. Aug. Die Ernte ist in vollem Gange und verspricht nach Qualität und Quantität ganz gut zu werden. Man sieht sogar schon Erntewagen mit Haber einführen, wogegen der Dinkel erst in einigen Tagen Hanz zeitig wird. Leider stellen sich auch schon wieder Unfälle ein. So wurde der 10jährige Junge des Bauern Bamesberger von Güglingen von dem Knecht beim Oehmdmähen tief in den Fuß geschnitten. In Hausen hieb sich beim Sicheln die Tochter des Bauern Sigloch so schwer in die Hand, daß sie ins Bezirkskrankenhaus ver­bracht werden mußte. Der Gemeindepfleger von Hausen stürzte vom Scheuerboden und brach sich Rippe und Achsel.

Vom Zabergäu 12. Aug. Die Gegend zwischen Leonbronn und Lauffen a. N., dem Stromberg und dem Heuchelberg, wurde schon in früheren Zeiten das kleine Italien genannt und nicht mit Unrecht. Wie hinter dem Gott­hard die frühesten Baumfrüchte am bäldesten reifen, so auch im Zabertal gewisse Sorten der frühen Gartenfrüchte. An reifen Aepfeln gibt es jetzt den virginischen Rosenapfel, den eigentlichen Jakobiapfel und den Charlamowski zu Güglingen, von Eisenbach und Ochsenbach kommen reife Pfirsiche, zu Leonbronn kann man türkische Kirschen vom Baume pflücken, an Birnen sind das Gaishirtle und die Franksurterin am Fallen. Pflaumen und Reineclauden gibt es reife in allen Sortierungen. Auch bei den Kar­toffeln sind verschiedene Sorten jetzt reif. Die gelbe Lauffener ist abgecrntet, nun kommen die Kaiserkronen und die Schneeflocken, nachdem die Königin der Frühen auch schon bälder eingeheimst wurde. In wenigen Wochen kommt die schmack­hafte Kuppinger Kartoffel. Von jetzt ab gibt es immer Abwechslung, die eine reife Baum- oder Bodenfrucht löst die andere ab, bis endlich der richtige Herbst mit heurigem Segen an Birnen und Wein herbeikommt.

Tuttlingen 12. Aug. Dienstag abend versuchte eine hiesige Arbeitersfrau sich mit ihren drei Kindern in der Donau zu ertränken.

! Die Tat konnte verhütet werden. Zerrüttete

! Familienverhältnisse bilden den Grund.

Wilhelms erstanden war, gewaltsam zu beseitigen, Abstand genommen hat. Vielleicht hat auch ihn eine geheime Scheu abgehalten, sich an dem frommen Mann und seinem Kloster zu vergreifen, wie er auch gegen einen so hartnäckigen Gegner wie Bischof Adalbero von Würzburg Großmut walten ließ. Auch ahmte Wilhelm das Beispiel kriegerischer Aebte wie derjenigen von St. Gallen und Reichenau nicht nach und führte den Kampf mit geistigen Waffen. Mit dem weltlichen Schwert war ihm nicht beizukommen. Nur Propaganda macht man für Ideen, wenn man versucht, sie mit brutaler Gewalt zu unterdrücken, sie müssen geistig und moralisch überwunden werden. Auch mit einer Zerstörung des Aureliusklosters wäre nichts gewonnen gewesen; um so wirksamer wäre die Agitation der Mönche unter dem Volk geworden, wenn sie als Märtyrer ihrer Ueberzeugung dagestanden wären.

1V. Das Verhältnis zu Cluny.

Indem Abt Wilhelm sein Kloster unter den unmittelbaren Schutz des Papstes stellte, in demselben eine strenge Sittenzucht handhabte und mittelst dieser auf sittlich-religiöse Erneuerung des Volkslebens hinzuwirken sich bemühte, bewies er mit allen diesen Bestrebungen von Anfang an seine Geistesverwandtschaft mit der schon seit dem Jahre 910 vom Kloster Cluny eingenommenen Richtung. Auch darin zeigt sich Ueber- einstimmung, daß Wilhelm aus Hirsau einen ähnlichen Mittelpunkt einer großen Kongregation zu machen suchte, wie es jenes berühmte Schwester­kloster im Laufe von 2'/- Jahrhunderten geworden war, ein Versuch, der allerdings nicht gelingen konnte, weil schon damals das deutsch-nationale partikularistische Auseinanderstreben einen bemerkenswerten Unterschied gegenüber der französischen Zentralisierungstendenz bildete, weil die Bischöfe mit Eifersucht gegen die Versuche, ihre Auffichtsbefugnisse einzu- s chränken, reagierten, vor allem aber, weil keine ebenbürtige Persönlichkeit

Unterkochen 12.Aug. Das der Aktien­brauerei Reff in Heidenheim gehörige Lastauto­mobil, das gestern mittag von Unterkochen nach Ebnat fuhr, wollte im Walde, etwa 500 Mtr. oberhalb dem Märzental-Steinbruch anhalten. Da die Bremsen versagten und die Straße dort eine starke Steigung hat, rannte es rückwärts und stürzte den etwa 67 Mtr. hohen Abhang hinab, blieb jedoch in einer Tiefe von zwei Meter an einigen stärkeren Bäumen hängen. Das Auto war umgefallen. Leere Fässer und über 1000 Flaschen (fast alle zertrümmert) lagen in der Tiefe. Die Begleiter des Autos retteten sich durch Abspringen. Das Auto ist stark be­schädigt.

Frankfurt a. M. 12. Aug. Zu Ehren des Majors v. Parseval fand gestern abend im Weinrestaurant derJla" ein Festmahl statt. Der Präsident der Ausstellung, Geh. Kommerzien­rat Gans, gab der Freude Ausdruck, daß die Ausstellung wenige Tage nach dem Grafen Zeppelin auch den zweiten Mann begrüßen dürfe, der unter den deutschen Luftschiffern einen hohen Rang einnehme. Man solle nicht fragen, ob das starre oder das unstarre System das bessere fei, sondern sich nach dem Goetheschen Wort der Tatsache freuen, daß Deutschland zwei solche Kerle" besitze.

Frankfurt a. M. 12. Aug. Das Par­seval-Luftschiff ist bei seiner heutigen achten Fahrt von derJla" aus durch einen nieder­gehenden Luftstrom zu einer vorzeitigen Landung gekommen. Es gelang dem Führer des Luft­schiffes, dasselbe innerhalb der Stadt auf einen freien Platz zu dirigieren, wobei sich besonders die Anwendung der Rückwärtssteuerung bewährte. Die Hülle konnte jedoch nicht davor bewahrt werden, an einem der umliegenden Häuser an­zustoßen, sodaß es nötig wurde, das Luftschiff zu entleeren. Die Gondel ist vollkommen un­beschädigt. Irgend eine Verletzung von Personen ist nicht erfolgt. Da die Hülle erst in Reparatur genommen werden muß, dürste der nächste Auf­stieg des Parsevalluftschiffes nicht vor 10 Tagen erfolgen.

Dresden 12. Aug. Der König erließ gestern eine Aufsehen erregende Verfügung, indem er wegen der durch die schlechte Witterung ver- anlaßten späten Ernte die Uebungen der auf dem Uebungsplatz Zeithain zusammengezogenen Ka­vallerie-Division abzubrechen befahl, um die Feld­früchte zu schonen. Sämtliche Kavallerie-Regi­menter sind infolge dessen nach ihren Kasernen zurückgekehrt.

Oppeln 12. Aug. Zuverlässigen Mit­teilungen zufolge, sind die Insassen des auf russischem Gebiet niedergegangenen Ballons nach der Revision der Pässe ohne jede Belästigung freigelaffen worden. Eine Beschießung oder

vorhanden war, die nach Wilhelms Ausscheiden als Nachfolger an seine Stelle treten konnte.

Die Besuche Ulrichs von Zell und Abt Bernhards werden wesentlich dazu beigetragen haben, daß Wilhelm fortan in direkte Verbindung mit Cluny trat, und daß sich ein Verkehr zwischen beiden Klöstern an­bahnte. Wenn die Vorrede zu dem Buch über die Hirsauer Kloster­verfassung recht hat, so wäre es Abt Bernhard gewesen, der Wilhelm dazu bestimmt hat, in Tonsur und Tracht der Mönche das Vorbild ClunyS nachzuahmen. Er soll auch nach der Rückkehr von seinem Legationsposten Wilhelm und sein Kloster dem Abt Hugo in Cluny angelegentlich empfohlen haben. Letzteres ist jedenfalls unrichtig, denn Bernhard, der im Jahre 1079 dem Papste nach Beendigung der ihm in Deutschland aufgetragenen Funktionen Bericht erstattete, hat seinen Lauf beschlossen, bevor er in der erwähnten Richtung für Hirsau arbeiten konnte; er wurde auf der Reise von Rom nach Marseille unterwegs am 20. Juli 1079 durch Fieber weggerafft. Daher ist es ganz ausgeschlossen, daß das ihm zu­geschriebene Buch über die Klosterordnung in Cluny von ihm verfaßt ist. Das umfangreiche Werk Ulrichs von Zell über die älteren Gewohnheiten des Klosters Cluny, in das auch die Gebräuche anderer Klöster hinein­gearbeitet sind, kann bei Abt Bernhards Tod noch gar nicht fertig gewesen sein, und doch setzt das unter Bernhards Namen geschriebene Buch die Arbeit Ulrichs voraus und bezeichnet einen weiteren Fortschritt auf dem Weg der Verschärfung der Mönchszucht im Sinne geistloser Veräußerlichung und gehäufter, alle sonstige Tätigkeit lahm legender Andachtsübungen. Es kam ja nicht selten vor, daß man ein Buch, um es zu empfehlen, mit dem Namen eines berühmten Mannes als angeblichen Verfassers schmückte.

Wilhelm entschloß sich, dieCluniazensische Ordenstracht einzuführen, obwohl die Mönche des Mutterklosters Monte Casino zu der in Cluny