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Verletzung der Insassen oder des Ballons hat nicht stattgefunden. Als der Ballon in Sicht kam, haben die russischen Grenzsoldaten nur die üblichen Signalschüsse abgegeben, worauf die Patrouillen zusammenkamen und den Luftschiffern beim Landen behilflich waren. Der Ballon, um den es sich handelt, ist der Ballon „Tschudi", Eigentum des Berliner Vereins für Luftschifffahrt. In der Gondel befanden sich die Herren Dr. Brinckmann und Meister.
Berlin 12. Aug. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht nachfolgendes Handschreiben des Kaisersan den früheren Kriegsminister v. Einem:
„Nachdem ich Sie Ihrem Wunsch entsprechend durch meine anderweitige Ordre vom heutigen Tage von dem Amt als Staats- und Kriegsminister enthoben habe, versetze ich Sie hierdurch unter Belassung in dem Verhältnis st Is. 5i,it6 des Kürassier-Regiments v. Prilsen, Westfälisches Nr. 4, zu den Offizieren von der Armee mit der Anweisung ihres dienstlichen Wohnsitzes in Münster. Es war mir noch vor kurzem eine Freude, Ihnen durch Verleihung meines hohen Ordens vom Schwarzen Adler ein Zeichen meiner besonderen Anerkennung Ihrer Amtsführung als Kriegsminister zu geben. Heute bei Ihrem Scheiden aus dieser verantwortungsvollen Stellung, in welcher Sie sich hochverdient gemacht haben, kann ich mir nicht versagen, Ihnen nochmals aus warmem Herzen meinen königlichen Dank auszusprechen für alles, was Sie als Kriegsminister geleistet haben. Ich wünsche, Ihre vielbewährte Kraft der Armee zu erhalten und werde Ihnen demnächst eine Kommandostelle in der Armee übertragen. Ich beauftrage Sie hierdurch mit der Vertretung des beurlaubten kommandierenden Generals des 7. Armeekorps.
Breslau 12. Aug. Großes Aufsehen erregte in Bartenstein in Ostpreußen die Verhaftung des stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers und Hauptmann der Reserve, Justizrat v. Schimmelpfennig, der unter dem Verdacht steht, bedeutende Summen unterschlagen zu haben. Die Verhaftung erfolgte auf dem Postamte, als v. Schimmelpfennig seine Postsachen abholen wollte.
Bartenstein 12. Aug. Zu der Verhaftung des Justizrats v. Schimmelpfennig wird noch mitgeteilt, daß in den Bureaus, die geschlossen worden sind, von dem Untersuchungsrichter eine eingehende Durchsuchung vorgenommen wurde. Man vermutet, daß es sich um Unterschlagungen von mehreren Hunderttausend Mark handelt, die in Verbindung mit der v. Janson- schen Güterverwaltung auf Schloß Gerdauen gebracht werden.
Innsbrucks. Aug. Im Zillertal fanden mehrere Wetter-Katastrophen statt. Alle
Wildbäche sind aus den Ufern getreten. Viel Vieh wurde getötet und die Ernte völlig vernichtet. Die Arlberger Reichsstraße ist durch niederstürzende Erbmassen verschüttet. Der Verkehr ist auf eine Woche unterbrochen. In Werfen sind zwei große Gehöfte durch Blitz eingeäschert worden.
Stockholm 12. Aug. Es wird täglich klarer, daß derAusstand vollständig mißlungen ist. Keinen der öffentlichen wichtigsten Dienste war es möglich, zum Stillstand zu bringen. Morgen werden in der Hauptstadt 3 Straßenbahnen wieder in vollem Betrieb sein. Zahlreiche Telegramme aus der Provinz melden vom Rückgänge des Ausstandes.
Melitta 12. Aug. Die Zahl der Riffbewohner, welche an dem heiligen Krieg gegen Spanien teilnimmt, wächst täglich. Man zählte gestern Abend auf den umliegenden Ge- birgsspitzen 473 Signalfeuer, mittels deren die Stämme miteinander korrespondieren. Die Zahl der kampffähigen Riffbewohner wird auf mindestens 30000 geschätzt.
Kapstadt 12. Aug. Die beiden englischen Kreuzer, welche Nachforschungen nach dem verschollenen transatlantischen Dampfer Waranta anstellten, sind unverrichteter Sache zurückgekehrt. Man glaubt nunmehr, daß der Dampfer, welcher 300 Passagiere an Bord hatte, untergegangen ist.
Konstantinopel 12. Aug. Die Konsuls der Schutzmächte in Canea überreichten gestern der provisorischen Regierung folgende Erklärung: Behufs Bannung einer unmittelbaren Gefahr in der gegenwärtigen Lage und um die Wiederbesetzung Kretas durch internationale Truppen zu vermeiden, ist es unumgänglich notwendig, daß der Hirttrm guo aus der Insel im Augenblick der Räumung strikte beobachtet werde, namentlich bezüglich der seit Räumung erfolgten Hissung der griechischen Flagge. Die Antwort der provisorischen Regierung wird bis Samstag Abend erwartet.
Vermischtes.
Ruhe für den Grafen Zeppelin! Von einer mit den einschlägigen Verhältnissen wohlvertrauten Persönlichkeit wird geschrieben: Die große Popularität und Liebe, deren sich der tapfere Held vom Bodensee im deutschen Volke erfreut, gibt sich in diesen Tagen aus Anlaß der eben vollendeten und weiterhin geplanten großen Fahrten und insbesondere auch anläßlich der leichten Erkrankung des Grafen Zeppelin in überaus lebhafter Weise kund. Man wird sich darüber freuen dürfen, im Interesse sowohl des greisen, solange verkannten Erfinders, als auch des deutschen Volkes selbst, das in idealer Begeisterung für einen großen Mann und sein Werk sich selbst erhebt. Einem aufmerksamen
beliebten Aenderung nicht gut gesehen und erklärt hatten, diese neue Tracht gefalle weder ihnen noch irgend jemand, der der Regel gemäß leben wolle, und obwohl sie den Hohn herausforderte, wie er in einem Spottgedicht der Mönche in Lorsch zum Ausdruck kam, oder auch Entrüstung hervorrief, weil man der alten Tracht eine geheimsinnige Beziehung auf Christi Kreuz oder auf die Benediktinerregel zu verleihen wußte. Die Hirsauer Mönche ihrerseits waren auch nicht verlegen in der Kunst, mittelst Anwendung von allerlei Spielereien ihrer Tracht eine große Bedeutung beizumefsen; man wollte eine Ähnlichkeit mit den drei Flügelpaaren der Cherubim entdecken, wie ja das ganze Leben des Mönchs ein in Gleichheit mit den Engeln, in übermenschlicher Reinheit geführtes sein sollte. Das wallende Obergewand mit den weiten Aermeln fiel besonders in die Augen und war geeignet, auf die Sinne des staunenden Volkes zu wirken. Dem Uebelwollen, mit dem gegnerischerseits besonders heftig die ungewohnte Tracht angegriffen wurde, lag wohl hauptsächlich die Empfindung für die Absicht Wilhelms zu gründe, schon durch diese auffallende Aenderung das Zeugnis abzulegen, daß das ganze mit der Regel zerfallene Leben in den Klöstern, wie es sich allmählich gestaltet hatte, nach innen und außen einer gründlichen Erneuerung bedürfe, wenn es seinem hohen Zweck entsprechen wolle.
Wenn nun behauptet wird, Wilhelm habe nicht bloß die Tracht, sondern auch die Klosterregel von Cluny eingeführt, so wird ganz übersehen, daß Cluny gar keine andere Regel hatte als die allen Benediktinerklöstern gemeinsame, die Regel des berühmten Ordensstifters Benedikt von Nursia, und daß die Gebräuche oder Gewohnheiten, die sich auf dem gemeinsamen Grund dieser Rege! als nähere Bestimmungen oder Auslegungen derselben in den verschiedenen Klöstern gebildet haben, eine große Mannigfaltigkeit aufweisen. Sie bleiben sich sogar in einem einzelnen Kloster nicht gleich, sondern paffen sich neu auftauchenden Anschauungen
Beobachter können aber doch kaum die weniger erfreulichen Momente entgehen, die diese sonst so schöne Bewegung mit sich bringt. Sie bestehen vor allen Dingen in der Unzahl von Zuschriften, die fortdauernd an den Grafen Zeppelin aus allen Teilen Deutschlands gerichtet werden. In der Flut dieser kunterbunt eingehenden Huldigungsadressen, Beglückwünschungsschreiben, Einladungen, Ratschläge, Anerbietungen, Bittgesuche und dergleichen mehr, muß er schier ertrinken. Ganz besonders unangebracht erscheint es, wenn jetzt der Strom der Postzusendungen direkt an das Krankenhaus nach Konstanz geleitet wird, wo der alte Herr noch einige Tage als Rekonvaleszent weilen muß. Sicherlich ist sein Befinden keineswegs unbefriedigend, aber etwas Ruhe und Schonung ist ihm nach den Strapazen und Beanspruchungen der letzten Tage sehr dienlich. Ueberdies ist die Arbeitskraft eines Grafen Zeppelin doch zu kostbar, als daß sie auch nur zu einem nennenswerten Bruchteil durch die Erledigung der fraglichen Korrespondenz absorbiert werden dürfte. Die eminent aktive, selbsttätige Natur des Grafen und zugleich seine höfliche, liebenswürdige Art zwingen ihn aber, wenigstens die Kontrolle über die eingehende Post und ihre Beantwortung, soweit es irgend tunlich ist, nicht aus der Hand zu geben. Es wäre deshalb sehr zu wünschen, wenn jeder, der sich an den Grafen Zeppelin in irgend einem Sinne glaubt wenden zu müssen, vorher ernsthaft mit sich zu Rate gehen wollte, ob gerade er die zwingende Ursache dazu hat, die so naiv in den meisten Zuschriften als selbstverständliches Faktum angenommen zu werden scheint.
Gottesdienste.
10. Scnnla- «««k Hri«tk.. 15 August. Vom Turm: 12. Pred'gilied: 286. Uhr: Predigt, Stadtpfarrer Schmid. 1 Udr Christenlehre mit den Tö chtern. Montag, 16. August. 7 Uhr vormitt.: Erntebetstundr, Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die Wetteibeschädigten des Landes bestimu t.
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und wechselnden Bedürfnissen an; gerade auch in Cluny haben sich, wie aus Ulrichs Darstellung zu sehen ist, die verschiedenen Aebte immer wieder Aenderungen vorzunehmen erlaubt, die ihnen zweckmäßig erschienen. Wenn sich Abt Wilhelm so lebhaft für die in Cluny herrschenden Gebräuche interessiert hat, daß er ihre schriftliche Aufzeichnung durch Ulrich wünschte, so folgt daraus noch lange nicht, daß er sie in seinem Kloster eingeführt oder gar seine Mönche sklavisch daran gebunden hat. Ganz wesentlich unterschied sich die Hirsauer Klosterordnung von der cluniazensischen in zwei wichtigen, bereits erwähnten Punkten, nämlich in der Ausschließung von Knaben und in der Verwendung von dienenden Laienbrüdern. Beides war gut, solange Abt Wilhelm seine Mönche so energisch in Tätigkeit gesetzt hat, wie wir sehen werden, beides aber mußte, als die Zeit der Erschlaffung eintrat, um so rascher zur Herbeiführung des Ruins beitragen. Wenn keine Erziehungsarbeit zu leisten war, und wenn alle äußerlichen Geschäfte den Mönchen von den Bärtlingen abgenommen wurden, dann mußten, nachdem der Geist, der alle zu beleben und jeden mit einem seiner größeren oder geringeren Befähigung entsprechenden Arbeitspensum zu beschäftigen und in Bewegung zu setzen verstand, der sichtbaren Welt entrückt war, Stagnation und Mechanismus überhand nehmen. Es ist uns überhaupt nicht bekannt, in welcher Ausdehnung unter Abt Wilhelms Leitung die religiösen Uebungen vorgenommen wurden; daß aber kein Uebermaß derselben von ihm begünstigt wurde, dafür bürgt schon seine eigene Vergangenheit, es wird aber auch bewiesen durch alles, was er nach verschiedenen Richtungen hin durch seine Mönche zustande gebracht hat. Daß sie ganz aufgehen in gedankenlosem Psalmensingen, so daß kaum ein paar Stunden des Tages zu nützlicher Arbeit übrig bleiben, und daß von dem goldenen Spruche: „Bete und arbeite" der zweite Teil zu streichen, oder auf einen winzigen Bruchteil zurückzuführen sei, lag sicherlich nicht im Sinne des rastlos tätigen Mannes. (Forts, folgt.)