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84. Iahrg«-.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
rrscheinungstage.' Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis !v Lsg, pro Zeile für Stadt u, Lezirksorte! außer Bezirk LS Pfg,
Freitag, den 13. August 1909
Bezugspr.i.d. Stadt ^jährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. r/^jährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
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Unterreichenbach 13. Aug. Vor etwa 6 Wochen wurden in hiesigem Orte zur Nachtzeit in Gärten mehrere Rostenstöcke am Stamm a b - geschnitten und Gemüsepflanzen beschädigt. Auch ein beladener Heuwagen wurde umgeworfen, das Seil durchschnitten und Deichsel und Wiesbaum in die Nagold geworfen. Die Tat erregte in hiesigem Orte allgemeine Aergernis. Es wurden jetzt die Täter in 3 Burschen von Dennjächt ermittelt und von deminUnterreichenbach stationierten Landjäger an das Kgl. Amtsgericht Calw ein- geliesert. Weiterem Vernehmen nach haben dieselben die Tat bereits eingestanden und sind nun vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Aus dem Bezirk Leonberg 12. Aug. Ein unliebsamer Gast, der Typhus hat sich in einigen Ortschaften des Bezirks eingestellt, ohne, daß bis jetzt der Erreger dieser gefährlichen Krankheit festgestellt werden konnte. Die Wasserverhältnisse in unserem Bezirk sind die denkbar besten, da der größte Teil der Ortschaften Quell- wafserversorgung hat. Das erste Opfer der Krankheit, ein junger Mann starb gestern im Bezirkskrankenhaus in Leonberg. Die Stadt Leonberg selbst ist, wie voriges Jahr, auch dieses Jahr von der Seuche frei.
Leonberg 12. Aug, In Gerlingen suchte sich ein verheirateter Bürger namens Johs. Roth mittels Lysol zu vergiften. Er schwebt in Lebensgefahr und dürfte kaum mit dem Leben davonkommen. — Nach neuester Meldung ist er bereits gestorben. Roth wurde entmündigt und sollte in eine Anstalt gebracht werden, was wohl den Grund zu der unseligen Tat gab.
Stuttgart 12. Aug. Die Zweite Kammer begann heute die Beratung über die
Revision ihrer Geschäftsordnung. Der Berichterstatter Gröber (Z.) gab einen Ueberblick über die Entwickelung der Geschäftsordnung seit 1821 und erinnerte dabei insbesondere an die damalige Tätigkeit des Abgeordneten und Dichters Uhland, der 17 Protokolle in musterhafter Weise verfaßt hat, die sich nachträglich gefunden haben. Der Redner griff dann aus dem Entwurf einige wichtige neue Bestimmungen heraus und besprach u. a die Fragen der Fraktionsvertretung in den Kommissionen, der Kommissionsberichterstattung, der Behandlung von Eingaben und Interpellationen sowie von Anträgen. Neu sei die Möglichkeit der Wiederholung von Abstimmungen über nicht schriftlich Angebrachte Anträge. Die Handhabung der Disziplin unterscheide zwischen Rüge und Ordnungsruf. Zugelassen sei auch die Ausschließung aus der Sitzung. Hoffentlich brauche von dieser Bestimmung nie Gebrauch gemacht zu werden. An dem Werke mitzuarbeiten, sei für alle Kommissionsmitglieder eine Freude gewesen, weil man sich stets verständigt habe in freiem Zusammenarbeiten. Nur in einem einzigen Punkte sei eine Meinungsverschiedenheit geblieben. Möge die neue Ordnung wirken zur Förderung der gemeinsamen Arbeiten zum Wohle unseres Vaterlandes. (Bravorufe!) Liesching (V.) bemerkte, ein großes Werk liege dem Hause zur Annahme vor. Es sei aufgebaut auf Bedürfnissen und Erfahrungen. Sein Hauptvorzug liege in seiner Bodenständigkeit einerseits und in der Berücksichtigung der Erfahrungen des Reichstags und des Auslands andererseits. Der Entwurf enthalte eine Reihe von Verbesserungen. Er schlage die en bloc-Annahme des Entwurfs vor, die berechtigt sei durch die Mitarbeit erfahrener Männer und die außerordentliche Arbeit des Berichterstatters. Dem Berichterstatter möchte er
für seinen außerordentlichen Fleiß, den er mit seinen Erfahrungen geleistet habe, den Dank aussprechen. Die geleistete Arbeit werde für andere Parlamente vorbildlich sein und stelle eine historische Fundgrube für den württ. Parlamentarismus dar. (Zustimmung.) Vizepräs. Kraut (BK.) erkürte sich mit der sn bloe-Annahme einverstanden. Dem Dank gegenüber dem Berichterstatter schließe er sich gerne an. Gröber habe es verstanden, die Verhandlungen in der Kommission zu einem Genuß zu machen. Dr. Lindemann (Soz.) sprach seine Befriedigung darüber aus, daß den Minoritäten ein Schutz gegen Vergewaltigung zuteil geworden sei. In einigen Fällen hätte dieser Schutz allerdings noch größer sein sollen. Gröber verdiene aufrichtige Bewunderung für die geistvolle Art, wie er das reiche Material für die Geschäftsordnung nutzbringend gemacht hat. Seine Partei trete auch für sn b!oc-Annahme ein. Möge eine Geschäftserleichterung und eine Stärkung des Parlamentarismus aus diesem Werke folgen. Dr. Hieb er (D. P.) stimmte ebenfalls für en dloe-Annahme und dankte gleichfalls aufrichtig dem Berichterstatter; Rembold-Aalen (Z.), erklärte, auch seine Partei stimme zu. Der Redner erinnerte mit Humor und unter der Heiterkeit des Hauses an die frühere Amtskleidung der Abgeordneten. Das Jahr 48 habe diese Einrichtung weggefegt. Nun habe man die Fraktionen rechtlich anerkannt. Wie schön wäre es wenn jede ihre Amtskleidung hätte, die nicht bloß schwarz zu sein brauche (Heiterkeit.) Nach Annahme der Geschäftsordnung führte Präs. v. Payer aus: Der Berichterstatter hat, seine Aufgabe in weitestem Sinne erfassend, uns nicht bloß einen Bericht gegeben, sondern uns ein Buch geschrieben, von dem wir sagen dürfen, daß es eine ebenso wertvolle als interessante Bereicherung der Geschichte nicht bloß dieses Hauses,
Abt Wilhelm in Hirsau i«ss-l«9i.
v. Hirsauer Klostergäste im Jahr 1077.
(Fortsetzung.)
Wie wenig es diesen päpstlichen Legaten an hohem Selbstbewußtsein fehlte, bewies Abt Bernhard damit, daß er den Erzbischof aufforderte, Zeit und Ort zu einer Unterredung festzustellen, zu der auch die in den Sprengeln der Bischöfe wohnenden weltlichen Herren einzuladen seien, und daß er den 14. Januar als Termin setzt, bis zu welchem die Boten der Bischöfe sich in Hirsau einzufinden haben. Sollte aber der König das Gespräch zu verhindern suchen, so gebietet der Abt in apostolischer Machtvollkommenheit, ihm allen Gehorsam aufzukündigen und vor der Berührung mit ihm als mit einem offenen Feinde Christi und Diener des Antichrists alle Rechtgläubigen ferne zu halten. Die Bischöfe gaben auf diese herrische Sprache des kühnen Abts die einzig richtige Antwort: sie schwiegen und fühlten sich nicht bewogen, der Zitation des Legaten Folge zu leisten. Noch hatten sich die deutschen Bischöfe, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl treu zum König hielten, nicht in den Gedanken gefunden, willenlose Sklaven und urteilslose Bediente des Papstes zu sein. Den Bann gegen den König auszusprechen war den. Legaten nicht gestattet; dies hatte der Papst sich selber Vorbehalten; es ist ein irriger Bericht, daß der andere Legat, der Kardinaldiakon Bernhard, der bei den sächsischen Aufrührern arbeitete und an Feindseligkeit gegen Heinrich I V seinen in Hirsau operierenden Kollegen noch zu überbieten suchte, den Bannstrahl gegen den König geschleudert habe. Aber gegen den König Bischöfe und Volk aufwiegeln, alles vorbereiten, daß der Papst den vernichtenden Schlag gegen den König tun könne, das war das Geschäft, dessen Besorgung der Papst von ihnen erwartete. Mit Abt Bernhard war Gregor VII besonders zufrieden. Nicht alle Legaten wußten sich seine Gunst zu erwerben. Als z. B. zwei Jahre
später einer derselben, Bischof Petrus von Padua, die Bereitwilligkeit König Heinrichs zu demütigem Gehorsam gegen den Papst berichtete, wurde sein Bericht als ein Lügengewebe bezeichnet, er aber fiel in Ungnade und wurde seines Amtes entsetzt. Ob Abt Wilhelm bis zu demselben Grade von Unversöhnlichkeit gegen den König fortging wie der Papst und seine Legaten, ist eine andere Frage.
Beweisen alle diese Besuche Hirsauer Klostergäste im Jahre 1077, als was für ein einflußreicher und mächtiger Kämpfer Abt Wilhelm kirch- licherseits beim Beginn des Jnvestiturstreits eingeschätzt wurde, so liegt ein nicht weniger sprechendes Zeugnis für seine Bedeutung in einem weiteren Besuche, der in demselben Jahre zwar beabsichtigt, aber nicht ausgeführt wurde. Bischof Wernher von Straß bürg, von feindseligen Absichten gegen das Kloster Hirsau erfüllt, schickte sich zu einem Kriegszug an, um das Kloster zu zerstören. Wernher war ein Graf von Achalm und war, während seine Brüder Kuno und Liutold, die Gründer des Klosters Zwiefalten, zu Abt Wilhelms treuen Verehrern gehörten, einer der eifrigsten Anhänger des Königs, der kurz zuvor ihn und seine Nachfolger im Bistum mit der dem Herzog Berthold entzogenen Grafschaft im Breisgau belehnt hatte. Daß Bischöfe und Aebte sich persönlich an die Spitze ihrer Streitmacht setzten, war damals nichts Seltenes. Aber nur widerwillig leisteten die Kriegsleute ihrem Bischof Heeresfolge, da ein Zug gegen Hirsau unternommen werden sollte; es wandelte sie die Furcht an, die Zerstörung des frommen Klosters werde die Strafe des Himmels auf sie herabziehen. Wernher erreichte auch sein Ziel nicht. Unterwegs wurde er von einem Unwohlsein befallen; als er in seinen Harnisch gekleidet sich auf sein Ruhebett niederlegte, raffte ihn ein plötzlicher Tod weg. Erschüttert brachten seine Leute die Leiche nach Straßburg zurück, und die Gefahr für Hirsau war abgewendet. Von nun an blieb das Kloster unbehelligt. Man hat sich gewundert, daß König Heinrich von jedem Versuch, den gefährlichen Gegner, der ihm in der Person Abt