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der Kleinen und des Büttelstandes. Der durch den Antrag entstehende Ausfall finde seine Deckung in einem Ueberschuß des Steuerertrags gegen­über der Summe, die an das Reich zu zahlen ist. Dem Aufsaugungsprozeß entgegenzutreten, sei die Pflicht des Staates. Den selbstgemachten Haustrunk müsse man möglichst schonen. Liesch ing <V.) betonte, seine Partei werde alle Anträge ablehnen, mit Ausnahme des Zentrumsantrags zum Schutz des Haustrunks, der eine Steuer gar nicht wert sei. Finanzminister v. Geßler er­widerte auf verschiedene Ausführungen der Vor­redner. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde sodann unter Bravorufen angenommen. Die nun folgende Abstimmung ergab die Ableh­nung des Antrags Tauscher und des Antrags Strobel. Der Antrag des Zentrums wurde mit 40 gegen 36 Stimmen des Zentrums und des Bauernbundes abgelehnt und der Kommissions­antrag auf Zustimmung zum Regierungsentwurf angenommen. Zugestimmt wurde auch dem An­trag des Zentrums zu Gunsten des Haustrunks. In der Schlußabstimmung wurde das Gesetz mit 58 gegen 11 Stimmen der Sozialdemokraten bei zwei Enthaltungen (v. Kiene, Schock) angenommen. Morgen Steuererhöhungen.

Stuttgart 9. Aug. Die am Freitag abend in einer Baukantine von drei Italienern gestochenen zwei jungen Arbeiter, deren Ver­letzungen erst lebensgefährlich erschienen, befinden sich auf dem Wege der Besserung.

Stuttgart 9. Aug. Mit dem Abbruch des Adjutanturgebäudes in der Neckarstraße ist heute begonnen worden. Damit rücken die Vor­arbeiten für den Bau desneuenHoftheaters wieder um ein kleines Stück vorwärts. Das Gebäude muß bekanntlich zur Abrundung des Areals abgebrochen werden.

Feuerbach 9. Aug. In der Mitte des neuen Tunnels Feuerbach-Nordbahnhof ist heute abend 8 Uhr durch Einsturz des Gerüstes der Stollen vermutlich durch Erdrutsch in einer Strecke von 16 in eingestürzt. Ein Maurer bemerkte die Gefahr noch rechtzeitig und stieß Warnungsrufe aus, so daß die Arbeiter Zeit zum Flüchten hatten. Vom Maurerpersonal fehlt niemand. 34 Mineure werden ver­mißt, von denen man aber nicht bestimmt weiß, ob sie zur Zeit des Einsturzes an der Unglücks­stelle gearbeitet hatten. Da mit den Aufräumungs­arbeiten erst begonnen werden kann, wenn durch Absprießen einer weiteren Einsturzgefahr vor­gebeugt ist, so ist über das Schicksal der Ver­mißten Sicheres überhaupt nicht zu erfahren. Lebenszeichen oder Hilferufe wurde bis heute abend 10 Uhr nicht gehört. Wie wir erfahren, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sich ein Erd­

arbeiter unter den Erdmassen befindet. Ob noch weitere Arbeiter verunglückt sind, darüber bestehen, wie gesagt, nur Vermutungen. (Stuttg. Mpst.)

Obertürkheim 9. Aug. Auf dem Bahn­gleis zwischen hier und Mettingen wurde in vergangener Nacht ein schrecklich verstüm­melter Leichnam eines ca. 30 Jahre alten Mannes aufgefunden. Die Persönlichkeit konnte bis jetzt nicht festgestellt werden. Der Leichnam wurde nach Eßlingen, da der Unfall sich auf Eßlinger Markung ereignete, ins Hospital geschafft.

Obertürkheim 9. Aug. Zu dem Unglücks­fall bei Obertürkheim ist noch zu berichten: Aufgefunden wurde heute nacht 1 Uhr auf dem Bahngleis bei Posten 15, kurz vor Obertürkheim, die verstümmelte Leiche eines 2530jährigen kräftigen Mannes. Der Körper und die Kleider waren vollständig zersetzt, der Schädel war zer­trümmert, ebenso der Unterleib, der rechte Ober­arm und die Beine waren abgerissen, letztere mehrmals gebrochen. Die Leiche wurde etwa 150 w weit geschleift, Tuchfetzen und Fleischteile waren weithin zerstreut. In der Tasche fand man 11.20 ^ an Geld, das Taschentuch ist mit R. S." gezeichnet. Wie der Unglücksfall vor sich ging, ist noch nicht aufgeklärt.

Eybach OA. Geislingen 9. Aug. Durch einen von den Bergen herabrollenden ziemlich großen Stein ist gestern nachmittag im Felsentale hier ein Tourist aus Eßlingen am Kopfe sehr schwer, doch nicht lebensgefährlich verletzt worden, so daß er ca. eine halbe Stunde bewußtlos auf dem Platze liegen blieb. Mittelst Fuhrwerks wurde er in das Bezirkskrankenhaus Geislingen übergeführt, wo ihm die erste ärztliche Hilfe zu Teil wurde. Noch gestern abend wurde er in seine Heimat gebracht.

Ulm 9. Aug. Am Sonntag sprach auf Einladung der Volkspartei der Abgeordnete Storz vor etwa 300400 Personen im Saalbau. Auch die nationalliberale (Deutsche) Partei und der Jungliberale Verein waren eingeladen. In fast zweistündiger Rede behandelte er die Reichs- sinanzreform und die neue politische Lage. Nach Ansicht des Referenten ist die Zeit gekommen zum Zusammenschluß der liberalen Elemente zum Kampfe gegen die Reaktion; sogar ein Kampf mit den Sozialdemokraten gegen die Reaktion sei nicht zu verachten. Erfreulich sei, daß sich die Kreise, die mit den Handels- und industrie- feindlichen Gesetzen der jetzigen Reichstagsmehrheit nicht einverstanden seien, sich im Hansabund zusammengefunden hätten. Der Abgeordnete Wieland erklärte, daß auch er eine Einigung des Liberalismus begrüßen würde. Der Führer der Ulmer Deutschen Partei, Scheffold, erklärte sich mit den Ausführungen der Vorredner ein­

gewordene Malzmenge vorsieht: für die ersten 250 Dz. 65°/°, für die folgenden 1250 Dz. 80°/°, für die folgenden 1500 Dz. 90°/°, für die folgenden 2000 Dz. 95°/° und für den Rest 100°/« des Steuersatzes. Das Gesetz soll am 1. Oktober 1909 in Wirksamkeit treten. Dr. Lindemann (Soz.) erstattete den Kommissions­antrag. Remb old-Gmünd (Z.) begründete einen Antrag seiner Partei auf Einfügung eines neuen Satzes von 70° ° für eine Malzmenge von 250500 Dz. Außerdem sollen Privat­brauer für die ersten 5 Dz. Malz nicht 30, sondern 20°/« des Steuersatzes zahlen. Der Redner wandte sich weiterhin gegen einen soz. Antrag, der den Ruin der kleinen Brauereien bewirken, aber dem Publikum keinen Nutzen bringen würde. Ströbel (B.K.) beantragte für die kleinsten Brauereien mit nur 250 und weniger Doppelzentner einen Satz von 60 °/°. Finanzminister v. Geßler sprach sich gegen die Anträge Rembold und Ströbel aus. Auch die Regierung habe die ganz kleinen Brauereien begünstigt. Keine dieser Vergünstigungen reiche aber dazu aus, um diese irrationellen Betriebe vor dem Absterben zu wahren. Das sei be­dauerlich. Der Antrag des Zentrums bedeute einen Ausfall von jährlich 170 000 -^7. Keil (Soz.) begründete den Antrag seiner Partei, die Sätze folgendermaßen festzusetzen: 70, 75, 80 und 90°/°, und das Gesetz erst am 1. April 1910 in Kraft treten zu lassen. Der Höchstsatz für den Doppel­zentner Malz sollte nicht 22, sondern 20 ^ be­tragen. Der Zug zum Großbetrieb dürfe nicht mit steuerlichen Maßnahmen unterbunden werden. Den Anträgen Rembold und Ströbel könne seine Partei nicht zustimmen. Finanzminister v. Geßler erklärte, der Antrag der Sozialdemokratie auf eine veränderte Staffelung, passe sich unseren Verhältnissen, wie sie sich historisch entwickelt haben, nicht an. Aussicht auf Annahme habe der Antrag, der 565 000 ^ Verlust bedeute, nicht. Der andere Antrag, das Gesetz später in Kraft treten zu lassen, hätte einen Ausfall von 2 Millionen zur Folge. Storz (V.) be­tonte, er halte die Skala des Entwurfs für richtig, bedaure aber den Höchstsatz von 22 der über denjenigen der Nordd. Brausteuer­gemeinschaft hinausgehe. Kübel (D. P.) hob hervor, die Finanzlage gebiete leider diese Steuererhöhung. Einer weiteren Schonung der kleinen Brauereien bedürfe es nicht. Dr. Rübling (BK.) befürwortete einen Höchst­satz von 25 Bei einer Verteuerung des Glases Bier um 1 wären die Brauereien dann immer noch auf ihre Kosten gekommen. Dr. v. Kiene (Zentr.) empfahl den Antrag seiner Partei. Die Zwischenstufe sei notwendig und schließe sich an das bisherige Recht an. Sie bringe den Schutz

es ist ihm am königlichen Hofe nicht gut ergangen. Weder der König selber noch ein Priester von königlichem Reichtum, an den er gleichfalls einen Auftrag zu bestellen hatte, haben sich freigebig gegen ihn gezeigt, obwohl er am nötigsten Mangel litt. Ulrich aber, eingedenk eines Rats, den der heilige Hieronymus gibt, Mönche sollen sich selten etwas schenken lasten, wenn jemand ihnen etwas geben wolle, bitten aber sollen sie nie­mals, hat ein Schloß an seinen Mund gelegt und die genannten Personen um nichts angesprochen, da sie aus freien Stücken nichts spendeten. In Hirsau wird er jetzt aber reich entschädigt für allen ausgestandenen Mangel. Darbend kommt er an. Was hat aber Wilhelm getan? Er hat nicht gewartet, bis Ulrich ihn um etwas angesprochen hat, sondern hat für alles gesorgt und ihn genötigt, anzunehmen, ob er wollte oder nicht. Als Ulrich, vom Bart belästigt, nach einem Barbier fragt, duldet der Abt nicht, daß ein anderer ihm diesen Liebesdienst erweise, er hat den Jugendfreund eigenhändig rasiert; als dann der Gast Messe lesen wollte und um einen Ministranten bat, hat Wilhelm sich persönlich auch zum Meßdiener hergegeben. So ahmte er den nach, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Dem Kloster Cluny zugetan als einem zweiten Paradies bat Wilhelm, Ulrich möchte seine Belehrung über die dortigen Einrichtungen zu Ende führen, was auch geschah.

Mit der mündlichen Berichterstattung nicht zufrieden, veranlaßte Wilhelm den Freund, eine Schrift über die Klostereinrichtungen in Cluny abzufassen. Auch diesen Wunsch erfüllte Ulrich und schrieb ein Werk, das den Titel führt:Die älteren Gewohnheiten des Klosters Cluny"; im ersten Buche wird der Gottesdienst geschildert, im zweiten über die Behandlung der Novizen Auskunft gegeben, im dritten die Lebensweise der.Mönche beschrieben. In der an Wilhelm gerichteten Widmungs­zuschrift versichert Ulrich denselben, daß er täglich seiner gedenke; Gewöhnung und Liebe lasten nicht zu, daß er an einem einzigen Tag dieses Andenken unterließe. Er belobt Wilhelm, daß er grundsätzlich Knaben von der Aufnahme in das Kloster ausschließe. Im Interests der

Ordenszucht liege es, nur Novizen aufzunehmen, die freiwillig und in reiferen Jahren eintreten und aus reinem Gehorsam gegen Christus der Welt entsagen. Das Kloster sei nicht als ein Nest anzusehen, in dem Weltleute ihre Mißgeburten und Enterbten unterbringen, um sich selber der Verpflichtung der Pflege und Erziehung zu entschlagen, die frommen, gottgeweihten Seelen aber sollen nicht mißbraucht werden zu Dienstmägden und Ernährern. Ferner wird Wilhelm belobt, daß er das schwächere Geschlecht ferne halte. Es gab nämlich Klöster, die für Mönche und Nonnen zugleich bestimmt waren, womit Anlaß und Versuchung zu Unordnung gegeben war. Was aber Ulrich in Hirsau am meisten eingeleuchtet hat, ist das Institut der Bärtlinge oder dienenden Brüder. Wilhelm hat es zwar nicht eingeführt; es soll aus Vallombrosa stammen und soll von Einsiedeln aus nach Hirsau verpflanzt worden sein, aber Wilhelm hat es jedenfalls als der erste in großem Umfang verwendet. Unter ihnen waren Söhne edler Geschlechter, die sich freiwillig selbst erniedrigten, und auf keinen andern Lohn wartend als auf den himmlischen, den Mönchen die niederen Dienstleistungen abnahmen, damit diese sich ungeteilt ihrem geistlichen Berufe widmen könnten. Nur wünscht Ulrich, daß die Bärt­linge nicht außerhalb des Klosters ihre Wohnung haben. Wilhelm konnte aber erst im neuen Kloster Raum für sie beschaffen, wo das spätere Winterrefektorium und die über demselben errichteten Wohnräume ihnen überlasten wurden. Ferner hält Ulrich dafür, daß auch die Bärtlinge die Mönchstracht bekommen; denn wenn sie den Schriftkundigen dienen, so werden sie auch der Schriftkundigen Lohn erwarten.

Schließlich gibt Ulrich einen nicht ganz unbedenklichen Rat. Wilhelm war erfüllt von mutigem Gottvertrauen, das auch in Zeiten der Be­drängnis ihn nicht zu schänden werden ließ; zugleich aber war er ein vorsichtiger Hausvater und Verwalter des seiner Aufficht anvertrauten Klosterbesitzes. Ulrich meint nun, Wilhelm sollte behufs Versorgung der zahlreichen Mönche sich nichts daraus machen, auch Schulden aufzunehmen. Er beruft sich auf einen von Cluny ausgegangenen Abt Gerard, der ein