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verstanden, dankte noch dem Referenten, der den Reichstagswahlkreis vorzüglich vertrete, und glaubte, jetzt schon erklären zu können, daß bei der nächsten Wahl Herr Storz wieder der richtige Mann sein werde.

Gmünd 9. Aug. In nicht geringe Auf­regung wurde gestern früh die hiesige Einwohner­schaft gesetzt, da schon wieder die Kunde von einer Bluttat die Stadt durchlief. Dem Neben­weg der Grabenpromenade entlang sieht man die Erde auf einer hundert Meter langen Strecke mit Blut getränkt. Wie polizeiliche Ermitt­lungen ergaben, schleppte sich dort in der Nacht ein lediger 33 Jahre alter Kutscher, namens Alois Frei, dahin, bis er in der Nähe der Wald- stetter Brücke bei dem dort aufgestellten Kreuz zusammenbrach. Der Unglückliche wurde morgens um drei Uhr tot aufgefunden. Den Todesstoß erhielt er in der Ziegelgasse mit einem Messer in die Hauptschlagader des Oberschenkels. Der Täter, ein verheirateter Silberarbeiter, wurde bereits dingfest gemacht. Die Tat gesteht er ein, macht aber Notwehr geltend, da er von drei Männern überfallen worden sei.

Hall 9. Aug. Es steht nunmehr end- giltig fest, daß das Militärluftschiff Groß II" während der Kaisermanöver bei dem, zuderGemeindeGailenkirchengehörendenGliemen- hof in seiner zerlegbaren Ballonhalle stationiert wird. Die Halle kommt binnen weniger Wochen aus Berlin dort an und wird alsbald aufgebaut.

Friedrichshafen 9. Aug. lieber2III" schreibt Dr. Eckener in derFrankfurter Ztg.": 2 III", der jetzt nach der Ueberführung des Gerippes in die schwimmende Halle schnell seiner Vollendung entgegen geht, wendet sich nunmehr intensiver das Interesse der Fachleute und des großen Publikums zu. Die Erwartungen scheinen vielfach geteilt zu sein. Die Einen meinen, in ihm ein neues, erheblich verbessertes Modell sehen zu sollen, andere verkünden, es werde ein Schwester­schiff des2 II" sein. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Die Dimensionen und die Bau­ausführung sind genau die gleichen wie beim 2 II", dessen Konstruktion sich ja vortrefflich bewährt hat. In der alten Bauhalle lassen sich größere Luftschiffe nicht ausführen. Erst in der neuen Halle wird man in keiner Weise mehr behindert sein. Neu sind nur einige Verstärkungen, welche die erheblichen stärkeren Motorkräfte des 2111" erfordern. In diesen stärkeren Motor­kräften liegt der einzige, freilich sehr bedeutungs­volle Fortschritt. Statt der beiden 110 ?8-Motoren kommen zwei 150 ?8-Motoren zur Verwendung, die eine größere Geschwindigkeit garantieren. Wenn der2 II" mindestens 13 Metersekunden Eigengeschwindigkeit entwickelte, so muß der

2III", da bei gleichen Schiffs-Dimensionen die Geschwindigkeiten sich wie die dritten Wurzeln der verfügbaren Motorkräfte verhalten, mindestens 14,5 Sekundenmeter erhalten. Das ist von ganz bedeutendem Wert, namentlich in Bezug auf die dynamischen Potenzen und damit auf das Dauer­flug-Vermögen des neuen Fahrzeugs, ganz ab­gesehen von seiner Fähigkeit, auch noch bei etwas frischeren Winden vorwärts zu kommen als der 2II". So würde ein2 III" ohne Zweifel die Fahrt am Montag von Frankfurt nach Köln ganz bequem und glatt durchgesührt haben. Den Mehrbedarf an Betriebsmaterial gleicht ein solches Fahrzeug schon dadurch aus, daß es mit noch weniger Ballast auf die Reise zu gehen wagen darf, als langsamere Schiffe. Allerlei geplante Verbesserungen in Bezug auf Größe und Form, Propeller und Kraftübertragung und dergleichen werden erst bei künftigen Modellen zur Aus­führung kommen. Der Termin der Erstaufstiege kann naturgemäß noch nicht völlig feststehen. Bekannt ist, daß mit2111" für den 28. August eine Reise nach Berlin, dann schon am 1. Sept. wieder eine Paradefahrt vor dem Kaiser Franz. Josef hier auf dem Bodensee und am 4. Sept. ein Probeflug mit Reichstagsabgeordneten geplant ist. Ob das alles programmäßig so abgewickelt werden kann, wird natürlich vor allem von der Wetterlage abhängen, die gerade am Ende des Monats August, beim Abschiednehmen des Hoch­sommers, erfahrungsgemäß sehr kritisch sein kann.

Frankfurt a. M. 10. Aug. Der Par­seval-Ballon hat heute seine erste Sturmfahrt gemacht. Die Fahrt ging zunächst nach Homburg, dann zurück über Vilbel, wo es regnete und starke böige Winde auftraten. Der Ballon hatte starke Kümpfe mit dem Winde zu bestehen, hielt sich aber trotzdem gut und kehrte um 11 ^ Uhr zur Ausstellung zurück, wo er landete. Bei dem ersten Flugversuch mit dem Euler-Flieger geriet der Apparat in den Erdanker des Zeppelin- Schiffes auf dem Flugfelds. Die Maschine wurde vollständig zertrümmert. Der Lenker August Euler selber blieb unverletzt.

Berlin 9. Aug. Der Kaiser ist um 11.10 Uhr vom Lehrter Bahnhof nach Cleve abgereist.

Berlin 10. Aug. Heute um 3 Uhr 10 Min. nachmittags ist ein Signal-Ballon des Luftschiffer-Bataillons in einer Höhe von etwa 500 Metern geplatzt und her unter ge stürzt. Es handelt sich um einen kleinen alten Ballon, der zur Prüfung des Konsistenz des Gases auf­gelösten zu werden pflegt. Der Materialschaden ist demnach nur unbedeutend. Verletzungen von Personen sind bei dem Unfall nicht vorgekommen.

Berlin 10. Aug. Die Erörterungen im Bundesrat über die Erhebungen Lothringens zu einem selbständigen Bundesstaat, stehen vor ihrem Abschluß. Gutem Vernehmen nach wird voraussichtlich eine Erweiterung der Selbstver­waltung der Reichslande zugestanden werden. Die Entschlüsse des Bundesrats liegen noch nicht vor. Zweifellos aber ist, daß an einen von Berlin unabhängigen Bundesstaat, wie ihn Elsaß-Lothringen wünscht, zur Zeit nicht zu denken ist.

Berlin 10. Aug. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt offiziös: Obgleich Deutschland an der schwebenden Kreta-Frage nicht unmittelbar interessiert ist, vielmehr die Zuständigkeit der Schutzmächte zur Regelung der Angelegenheit anerkennt, hat die kaiserliche Re­gierung doch im allgemeinen Friedens-Interesse wie bisher so auch jetzt in Konstantinopel und j ebenso auch in Athen freundlich zur Mäßigung ! geraten.

Stockholms Aug. Heute abend werden die Lithographen sämtlicher Städte Schwedens mit Ausnahme von Vexjö und Visby, die Arbeit einstellen. Dagegen erklärten die Arbeiter der hiesigen Eiswerke den in einer Versammlung am Freitag gefaßten Ausstandsbeschluß für un- giltig, weil verschiedene fremde Personen an der Versammlung teilgenommen haben, und beschlosten, den Eistransport am Dienstag in vollem Umfang wieder aufzunehmen. Ebenso beschlossen die Arbeiter der größten Fabriken von Norrköping und ca. 100 Arbeiter der Eisenwerke von Gefle, die Arbeit wieder aufzunehmen. Auch die hiesige Straßenbahngesellschaft will den Betrieb heute in beschränktem Umfang wieder aufnehmen.

Athen 9. Aug. Die Antwort Griechen­lands auf die Note der Türkei soll am Dienstag übergeben werden. Die Vertreter der Mächte hatten wiederholt Besprechungen mit dem Minister­präsidenten und dem Minister des Aeußern. Die öffentliche Meinung hofft, daß die Vermittlung der Großmächte, an die sich Griechenland ge­wandt hat, die Türkei hindern wird, darauf zu bestehen, Griechenland in eine Frage hinein­zuziehen, deren Lösung von den Mächten abhängt.

Konstantinopel 7. Aug. Der General­oberst Freiherr von der Goltz ist vom Sultan in Abschiedsaudienz empfangen worden, der ihm auftrug, den Kaiser freundlich zu grüßen, und die Hoffnung aussprach, daß der General bald für lange Zeit zurückkehren möge.

Sicklameteil.

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ungefärbt.

einfacher Mann ohne gründliche wissenschaftliche Bildung sei und doch trotz den Schulden, die er mache, nie von der göttlichen Huld im Stiche gelasten werde. Obwohl die Franzosen unbeständig sind und nichts vom Glanz der Tugenden haben, sind doch Leute unter ihnen, die so reichlich geben, daß Gerard im Bälde heimzahlen kann, was er schuldig ist. Wenn man aber einen Schutzvogt habe wie Abt Wilhelm an Graf Adalbert, brauche man nicht ängstlich zu sein; der Graf würde nicht wagen, hart zu sein, wenn er wüßte, daß Schulden da sind, zumal die Fürsprache der frommen Gemahlin Wiltrud eintreten würde; der Graf aber, wenn er nichts geben würde, würde auch nichts empfangen.

Ein weiterer hochangesehener Gast im Jahre 1077, der eine längere Reihe von Monaten im Aureliuskloster zubrachte und von hier aus päpstliche Politik trieb, war einer der beiden Legaten, deren Aufgabe war, darauf hinzuarbeiten, daß Gregor VII als Schiedsrichter in der Frage des Königtums das entscheidende Machtwort sprechen könne, Abt Bernhard vom Kloster St. Viktor in Marseille, dem bedeutendsten Tochterkloster Clunys. Nachdem er zu Augsburg mit Gegenkönig Rudolf das Osterfest gefeiert hatte, machte er sich auf die Reise nach Rom, um dem Papst Bericht zu erstatten, wurde aber unterwegs von einem An­hänger Heinrichs IV, dem Grafen Ulrich von Lenzburg (in der Nähe von Aarau), mit seinem Begleiter, einem Mönch Christian, ausgeplündert und auf seiner Burg in Gewahrsam gehalten. Abt Hugo verwendete sich beim König für den Legaten, indem er ihm vorstellte, daß er als ein unmensch­licher Verächter des heiligen Stuhls erscheine, indem er so große und heilige Männer Gottes, die wegen der von ihnen vertretenen gerechten Sache eingekerkert seien, geradezu in Haft zu lasten befohlen habe. Der König ordnete daraufhin die Freilassung des Legaten an. Der Chronist will wissen, nicht um Gottes willen habe er das getan, sondern bloß aus Rücksicht gegen den ungestüm warnenden Mahner. Es fei dem Legaten auch nichts von seinen entwendeten Habseligkeiten zurückgegeben worden, und halbnackt sei er mit dem begleitenden Mönch in die treue Pflege Abt

Wilhelms gekommen; dieser allerdings habe ihn in der liebevollsten Weise ausgenommen und er sei beinahe ein ganzes Jahr dageblieben und habe in gutem Wohlbefinden den Zeitpunkt abwarten hönnen, an dem er un­gefährdet die Heimreise antreten konnte. Diese rührende Erzählung wird wohl die Leiden des Gefangenen in etwas übertriebener Schilderung ausmalen. Wäre er wirklich so entblößt gewesen, und hätte nichts anderes gesucht als Verpflegung, so wäre die Reise nach dem entfernten Hirsau nicht nötig gewesen; z. B. St. Blasien, das auch ein Mittelpunkt der gregorianischen Partei war und von Lenzburg nur halb so weit entfernt als Hirsau, hätte ihm dargeboten, was er nötig hatte. Der, wenn auch nicht auf ein ganzes, doch wohl auf ein halbes Jahr sich erstreckende Hirsauer Aufenthalt hatte einen wichtigeren Zweck. Der päpstliche Legat wird in dem Aureliuskloster eine Art Hauptquartier erblickt haben, von dem aus er seinen Feldzug gegen den König leiten und, von Abt Wilhelm beraten und unterstützt, aufs wirksamste die Gemüter für die Sache des Papstes bearbeiten konnte. In welcher Weise er diese Aufgabe zu erfüllen beflissen war, ergibt sich aus einem uns erhaltenen Schreiben, das er gegen das Ende des Jahres an Erzbischof Udo von Trier und an die zu seinem Metropolitansprengel gehörenden Bischöfe von Metz, Toul und Verdun gerichtet hat. Erst am 30. September hatte der Papst eben diesen Bischöfen vorgestellt, wie er selber aus Gerechtigkeitsliebe sich unparteiisch verhalten habe, obwohl der König Gewalt und Unrecht ver­übe. Jetzt aber hat er den Legaten aufgefordert, es den Bischöfen zur Pflicht zu macken, sich ohne Zögern vom Papst zu trennen. Indem der Legat diesem Auftrag nachkommt, gibt er seiner Verwunderung Ausdruck, daß der fromme Eifer in den Bischöfen nicht stärker entbrannt sei, um den argen in Kirche und Reich erwachsenen Uebeln zu steuern; es könne doch ihrer Klugheit nicht verborgen sein, wer der sei, der vor Himmel und Erde in offener Gewaltherrschaft einhergetreten sei. Unter heftigen Ausfällen auf den König beklagt es der Briefschreiber, daß bei Udo und seinen Bischöfen der Gehorsam allzuspät sich einstelle. (Forts, folgt.)