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Der ganze Vorfall beweist jedoch, daß die neuen städtischen Vorschriften über die Fahrgeschwindigkeit der Automobile im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs durchaus berechtigt sind.
Stuttgart 29. Juli. In der letzten Versammlung des hiesigen Wirtsvereins kam man auf die Zündholzsteuer zu sprechen. Es wurde angeregt, die Zündhölzer ganz aus den Wirtschaften zu entfernen. Durch Plakate soll das Publikum darauf aufmerksam gemacht werden, daß Feuer am Buffet zu haben ist. Ein Wirt teilte mit, daß er Zündhölzer bereits aus seiner Wirtschaft entfernt habe, und dafür einen Gasschlauch habe anbringen lassen. Nach seiner Erfahrung betrage der Gasverbrauch 1 während sein Zündholzverbrauch in Zukunft 2 ^ 40 ^ betragen würde.
Stuttgart 29.Juli. Vor der Strafkammer hatten sich heute die Eheleute Sigloch und der Polizeidiener und Fleischbeschauer E. Höger, alle aus Zazenhausen, wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu verantworten. Ende Februar hatten die Siglochs von einem kranken notgeschlachteten Kalb Fleisch an mehrere Personen ohne Entgelt) abgegeben, aber freiwillige Gaben angenommen. Höger, dem das Fleisch zur Besichtigung vorgelegt worden war, hatte nichts zu beanstanden. Die Eingeweide hatte er jedoch nicht gesehen, da sie S. vorher beseitigt hatte, H. hatte auch nicht danach gefragt. Infolge des Genusses von diesem Fleisch waren 12 Personen erkrankt, während ein 78jähr. Mann und ein 12jähr. Knabe an Fleischvergiftung starben. Während die Eheleute Sigloch geltend machten, der Fleischbeschauer und der Metzger hätten das Fleisch für gesund erklärt, gab Höger an, daß ihm die Angeklagten die Notschlachtung verschwiegen hätten. In dem Verkauf des Fleisches seitens der Siglochs erblickt die Anklage ein Verschulden, denn sie hätten gewußt, daß es von einem kranken Tiere stamme und daß cs nicht ordnungsgemäß untersucht sei. Bei Höger erblickt sie eine grobe Pflichtverletzung darin, daß er eine genaue Untersuchung unterließ und sich die Eingeweide nicht vorlegen ließ. Das Urteil lautete jedoch gegen alle Angeklagten auf Freisprechung. — Höger war erst kurz vorher als Fleischbeschauer angestellt worden; diese Besichtigung mar seine erste Amtshandlung.
Feuerbach 29. Juli. Heute nachmittag wurde in Gegenwart von Vertretern der staatlichen Behörden die erste Probefahrt der Vorortsbahnen auf der Linie Feuerbach- Stuttgart und Feuerbach-Cannstatt ausgeführt. Die umliegenden Gebäude hatten
beflaggt und der Wagen selbst war geschmückt. Die feierliche Eröffnung findet am Samstag statt.
Sa lach OA. Göppingen 29. Juli. Aus geringfügiger Ursache fingen mehrere Italiener in einer hiesigen Wirtschaft Streit an. Als Waffen wurden nicht nur Steine, sondern auch Messer benutzt. Die anwesenden deutschen Gäste trieben die Italiener in die Flucht, die alsbald von der Polizei verfolgt wurden. Auf der Straße nach Eislingen gelang es, sie einzuholen. Zwei der Beteiligten wurden sofort verhaftet.
Friedrichshasen 29. Juli. Gestern nachmittag wurde wegen schlechten Wetters mit 2 11 nur eine dreiviertelstündige Fahrt gemacht. Ein nahendes Unwetter mahnte zur schnellen Heimkehr. Es wurde die Höhensteuerung erprobt und bis zu 530 m über dem See dynamisch aufgestiegen; alles funktionierte vorzüglich. Nach der Fahrt wurde das Luftschiff 2 ll von Oberst Schmiedecke im Auftrag des Reiches abgenommen. Von heute ab gehört somit 2 ll dem deutschen Reich.
Friedrichshafen 29. Juli. Professor Zeno Diemer aus München, der wie bekannt, vom Prinzregcnten den Auftrag erhalten hat, ein Bild von der Landung des Reichsluft- schiffes 21 bei Oberwiesenfeld für das Deutsche Museum in München anzufertigen, ist hier eingetroffen, um dem Grafen das Probebild vorzulegen. — Gräfin Zeppelin und Gräfin Brandenstein-Zeppelin find zu achttägigem Aufenthalt hier eingetroffen.
Friedrichshafen 29. Juli. Bekanntlich war die Dresdener Technische Hochschule die erste, die den Grafen Zeppelin zum Ehrendoktor, promovierte. Der Graf ließ in den letzten Tagen an seine Kommilitonen eine Einladung ergehen zur Besichtigung des 2 II und der Neuanlagen. Heute nachm. V« 2 Uhr trafen nun 40 Studenten aus Dresden hier ein. Der Graf empfing sie am Bahnhof, begleitete sie sofort zum neuen Gelände, gab ihnen ein Frühstück in der Zelthalle und zeigte ihnen darauf die im Bau befindliche Riesendoppelhalle. Hierauf fuhr er mit seinen Gästen im Dampfboot nach Manzell, um ihnen die Reichsluftschiffhalle und das Flugschiff zu zeigen. — Heute vormittag waren 60 Offizere des Freiburger Reserveoffizierkorps hier und besichtigten unter Führung von Dir. Colsman das neue Gelände. Diese Herren schlossen sich heute nachm, den Dresdner Studenten zur Besichtigung des Luftschiffes an. — Heute findet kein Ausstieg statt, aber voraussichtlich wird 21! morgen eine Höhenfahrt machen, um das schlechte Gas herausdrücken und dann eine Nach
29. Juni in Mainz; alle Versuche, durch Entgegenkommen die Abtrünnigen zu besänftigen, auch das kühne Unternehmen, die Sachsen durch militärische Machtentfaltung zu bezwingen, waren fehlgeschlagen. Als dann die Fürsten am 16. Oktober in Tribur zusammenkamen, während der gebannte König sich nach Oppenheim zurückgezogen hatte, und sich eidlich verpflichteten, Heinrich IV nicht mehr als König anzuerkennen, wenn er nicht bis zum Jahrestag der Fällung des Banns vom Fluche losgesprochen sei, schien des Königs Sache verloren, denn die Fürsten hielten die von ihnen gestellte Bedingung für unerfüllbar. Dem König, der von allen Seiten sich im Stiche gelassen sah, blieb kein anderer Ausweg, als dem Papste gegenüber alles zurücknehmen, was er gegen ihn unternommen hatte, Gehorsam zu versprechen und die vom kirchlichen Gesetz geforderte Genugtuung zu leisten. Da von den Fürsten der Papst flehentlich gebeten wurde, nach Deutschland zu kommen und den Streit zu schlichten, und der Papst diese Einladung annahm und auf 2. Februar des folgenden Jahrs sein Erscheinen in Augsburg in Aussicht stellte, so tat Eile not, wenn Heinrich IV zuvorkommen und durch Leistung der Kirchenbuße die Lossprechung vom Banne erlangen wollte. So brach er auf und überschritt um die Zeit des Jahreswechsels von seiner treuen Gemahlin Berta begleitet bei grimmiger Winterkälte von Burgund aus den Gebirgspaß. In der Lombardei war die Zahl der Feinde Gregors VII größer als in Deutschland; in wenigen Tagen hätte dem König eine ansehnliche Truppenmacht zur Verfügung gestanden, wenn er mit Gewalt hätte Vorgehen wollen. Der Papst, bereits auf dem Wege nach Deutschland, brannte vor Begierde, dort als Schiedsrichter über die Geschicke des Reichs zu entscheiden, wartete jedoch vergeblich aus das Geleite der deutschen Fürsten, denen es mit ihrer Einladung nach Augsburg nicht so ernst gewesen war. Auf die Kunde von des Königs Ankunft auf Italiens Boden flüchtete sich der Papst, feindselige Absichten argwöhnend, nach Kanossa auf das feste Schloß der Markgräfin Mathilde, der getreuesten Magd des heiligen Petrus. Heinrich aber erschien ohne päpstliche Einladung vor der Burg und stellte sich, die Januarkälte nicht achtend, drei Tage nach einander
füllung vornehmen zu können, damit das Fahrzeug mit guter Füllung seine Reise nach Frankfurt und Köln am Freitag abend oder in der Frühe des Samstags, je nach der Wetterlage, antreten kann. Voraussichtlich wird Dir. Colsman der einzige Passagier sein; Graf Zeppelin übernimmt selbst die Führung, die Mannschaft ist die alte, Militär geht nicht mit.
Dom Landtag.
Zum Kommissionsantrag, betreffend die Verstaatlichung der Stuttgarter Handelsschule, Sitzung vom 8. Juli, Berichterstatter v. Gauß, gab Abgeordneter Staudenmeper- Calw seiner Ansicht wie folgt Ausdruck:
Meine Herrn, wenn die Kommission ursprünglich die Regierung nur um Erwägung ersucht hat, ob und unter welchen Bedingungen den Lehrern an der höheren Handelsschule in Stuttgart Pensionsberechtigung eingerüumt werden könne, so möchte ich diesem Antrag in keiner Weise entgegentreten. Nun hören wir aber soeben, daß die Kommission diesen ursprünglichen Antrag dahin ausgedehnt hat, daß gleichzeitig die Regierung auch ersucht wird, die Umwandlung der Stuttgarter Handelsschule in eine staatliche Fachschule zu prüfen.
Meine Herrn, diesem letzteren Teile des Kommissionsantrages muß ich entgegentreten. Ich will zunächst davon absehen, ob der jetzige Zeitpunkt der allgemeinen großen Finanznot dazu angetan ist, dem Staate weitere Unterrichtsgebiete zur Uebernahme in staatliche Fürsorge anzu- empsehlen, aber ich glaube kaum, daß die Staatsregierung nach Lage der Sache Neigung haben wird, derzeit solch schwerwiegenden kostspieligen Fragen näher zu treten, so sehr wir alle wohl auf dem Standpunkt stehen, daß die Ausbildung der jungen Kausleute auch staatlicherseits nach Möglichkeit gefördert werden soll. Insbesondere aber, meine Herrn, ist es mir fraglich, ob es empfehlenswert und gerechtfertigt wäre, staatliche Mittel dazu zu verwenden, blühenden Privatanstalten auf dem Gebiete des Handelsschulwesens Konkurrenz zu machen und sie, die große eigene Mittel aufgewendet und in ihren Anstalten festgelegt haben, empfindlich zu schädigen, möglicherweise sogar dem Ruin entgegenzuführen. So besteht z. B. bekanntlich eine Privathandelsschule in Calw seit langen Jahren. Sie ist aus ganz kleinen Anfängen herausgewachsen und hat sich emporgearbeitet zu einem blühenden, im Jn- und Auslande angesehenen Institut, sie hat einen großen Stab tüchtiger Lehrer und bildet gleichzeitig zwischen 200 bis 300 Schüler aus. Im
mit nackten Füßen, das wollene Gewand des Mitleid erregenden Büßers auf dem bloßen Leibe, Einlaß begehrend vor dem Burgtor ein, bis der Papst, von seiner Umgebung gedrängt, sich überwunden hatte, bis in ihm selber der rücksichtslose Politiker von dem Priester besiegt war, der dem königlichen Büßer die Gnade der Vergebung nicht versagen durfte. Es hat ihn einen harten Kampf gekostet, bis er endlich die verschlossene Pforte öffnen ließ, um den reuigen Sünder loszusprechen.
Es ist vom Standpunkt des modernen Empfindens aus geurteilt, wenn man in dieser ergreifenden Szene vor Kanossa den Tiefpunkt der Schmach für das deutsche Königtum erblickt. Den Zeitgenossen ist diese Art der Beurteilung fremd gewesen; denn kein Mensch sah damals eine Erniedrigung der königlichen Würde in dieser üblichen Form der Bußleistung. Heinrichs Freunde betrachteten sie als einen lobenswerten Beweis seiner Frömmigkeit und großen Demut; seine Gegner aber, die ihm alles denkbar Schimpfliche nachsagten, haben ihm nicht die Demütigung zum Vorwurf gemacht, sondern haben nur die Aufrichtigkeit seiner Buße bezweifelt, sie als eine erheuchelte dargestellt, sich aber damit auf ein Gebiet begeben, das dem menschlichen Urteil nicht zugänglich ist, und sich zu Richtern über die verborgenen Regungen des Herzens aufgeworfen. Papst Leo IX hatte einst in demselben Büßergewand die Stadt Rom betreten, bevor er sich die Tiara aufs Haupt setzte. Heinrich IV war aber nicht der einzige Büßer, der fick vor Kanossa einfand. Auf verschiedenen Wegen hatten sich auch die deutschen Bischöfe, die der Papst gebannt hatte, auf die Reise gemacht und befreiten sich vom Fluche, indem sie in demselben Aufzug wie ihr König als gnadenflehende Büßer sich vorstellten. Nicht allen war es geglückt, ans Ziel zu kommen. Bischof Ruopert von Bamberg war von Herzog Welf gefangen genommen worden und wurde bis in den August hinein in einer festen Burg in Gewahrsam gehalten. Bischof Theoderich von Verdun aber wurde von Graf Adalbert von der Burg Calw aus ergriffen und nicht eher entlassen, als bis er durch hohes Lösegeld und durch einen Eid, weder mit geistlichen noch mit weltlichen Waffen sich rächen zu wollen, sich befreit hatte.