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Amts- mö AnzeigMatt für den Oberamtsbezirk Calw.
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Die Kämpfe der Spanier in Marokko.
Im nördlichen Marokko liegen sich die Spanier und ein kriegerischer Volksstamm, die Rifbevölkerung, in den Haaren. Der Ursprung des Konfliktes liegt in einem ziemlich abenteuer- lichen Geschäft. Zwei Gesellschaften, die Com- pania espanio del Rif und die ebenfalls spanische, aber von französischem Kapital getragene Gesellschaft Nord-Africain hatten sich zu der Zeit, wo der sogenannte Roghi, der nach der Herrschaft über das Maurenland strebende Bu Hamara, am Rif gebot, von ihm die Erlaubnis zum Betrieb der Eisen- und Bleilager in der Gegend von Beni Buifrur erteilen lassen. Bu Hamara hatte eine geschäftliche Beteiligung an diesen Unternehmungen sich ausbedungen. Die beiden Gesellschaften bauten für ihre Zwecke Eisenbahnen: die Nord-Asricain im Hafen von Meülla, die Rif-Gesellschaft von diesem Punkte aus auf eine Länge von 30 Kilometer über Masusa und Nador in der Richtung nach dem Gebiet der Beni Buifrur, also in südöstlichem Bogen brs zu den hinter einer Lagune gelegenen Erzstätten. Am Anfang, als Bu Hamara am Rif noch das Heft in der Hand hatte, ging alles glatt; als aber die dortigen Stämme sich gegen ihn wandten, wurden auch die dort beschäftigten spanischen Bergleute angegriffen, ihr Material verwüstet, so daß sie im Oktober v. I. das Feld räumen mußten. Dem Gouverneur von Melilla, dem General Marina, gelang es nach langwierigen Verhandlungen mit den Kaids der Stämme, daß vor einigen Wochen die Arbeiten wieder ausgenommen werden konnten. Die Bergleute standen unter dem Schutz der Streitmacht von Melilla, die Sicherheitswachen aussandte, und die Angelegenheit gab zu weiteren Besorgnissen keinen Anlaß mehr. Da kam es,
Freitag, den 30. Anti 1909.
daß der jetzige Anführer der maurischen Harka, der Kaid Chaldi, einen Angriff auf die spanischen Bergwerke wagte, weil ihm ein Anteil an den Geschäften der Bergwerksgesellschaften versagt wurde. Dabei wurden vier Spanier getötet und damit die nationale Ehre verletzt. Die Aussendung von Truppenmassen zur Züchtigung der Kabylen galt als selbstverständlich. Freilich nicht für alle Spanier. Die Gegner des Kabinetts wollten nicht zulassen, daß die spanischen Machtmittel zur Verfügung eines Unternehmens gestellt würden, das im Frieden nicht einmal spanisch war und schlossen daraus, daß vielleicht Frankreich gedroht haben könnte, selbst einzugreifen, wenn Spanien sich nicht dazu entschlösse. Daraus wurde erwidert, wohl seien die Bergrechte im Hinblick auf die Akten von Algeciras anfechtbar, bei der eigentümlichen Lage am Rif jedoch wäre eine Gerechtsame am Rif, die nicht von Roghi ausgegangen, wesenlos erschienen. Es ist immer eine mißliche Sache um die Vermischung von Politik und Geschäft ; allein wer die spanischen Verhältnisse kennt, weiß, daß dies zu den stänoigen Einrichtungen des öffentlichen Lebens gehört. Nun, die Spanier mögen die Sache, soweit die innere Politik in Frage kommt, unter sich ausmachen. Da die Preßzensur sehr strenge ausgeübt wird, ist man auf die nicht immer einwandfreien amtlichen Depeschen ange wiesen. __
TagesMNigrettei!.
Stuttgart 28. Juli. Dem Vernehmen nach wurde in der gestrigen Sitzung der Finanzkommission nach längeren Darlegungen des Ministerpräsidenten Dr. v. Weizsäcker entsprechend einem Antrag des Abgeordneten Kraut beschlossen, den Tarif für die 4. Wagenklasse von 2 auf 2,3 cZ pro Kilometer zu erhöhen.
BezugSpr.i.d. Grubt'/^jährl. in. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. */«jährl. Mk. 1.20. im Fernverkehr Mt. 1.80. Beslellg. in Würlt. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
Stuttgart 29. Juli, lieber die gestrige Sitzung der Finanzkommission, die beschlossen hat, den Tarif für die 4. Wagenklasse von 2 auf 2,3 ^ zu erhöhen, ist, nach dem „Staatsanzeiger", noch nachzutragen, daß der Ministerpräsident als Zeitpunkt für die Erhöhung den 1. Januar 1910 genannt und betont hat, daß sich aus der Erhöhung keine Schwierigkeiten im Grenzverkehr ergeben würden. Geplant sei auch noch eine Erhöhung der Preise der Monatskarten und des Expreßguttarifs. Bei dem Satz von 2,3 Z sei für 1909 noch eine Mehreinnahme von 300 000 und für 1910 eine solche von 1300 000 in Aussicht zu nehmen, wozu infolge der Erhöhung der Monatskarten noch kämen 1909 10 000 1910 35 000 und infolge
Erhöhung des Expreßguttarifs 1909 20 000 ^ und 1910 85 000^. Der entscheidende Grund in der Tarifänderung liege in der gesamten finanziellen Lage des Landes. Unter Hinzurechnung der Verzinsung und der Amortisation stehe die Eisenbahnverwaltung vor einem jährlichen Defizit von 5—6 Millionen.
Stuttgart 29. Juli. Heute nachmittag nach 2 Uhr stieß in der Schloßstraße der Straßenbahnwagen Nr. 112 mit einem Privatautomobil zusammen, das in übermäßig schneller Fahrt von der Kanzleistraße kommend die Schloßstraße passierte. Hätte der Straßenbahnwagenführer nicht sofort die Bremse angezogen, so würde der Straßenbahnwagen das Automobil nicht in dem Hinteren Rad, sondern in der Mitte getroffen haben und ein schweres Unglück wäre unvermeidlich gewesen. So wurde das Automobil nur etwas auf die Seite geschleudert, ohne wesentlichen Schaden zu nehmen, während der Straßenbahnwagen ganz unbeschädigt blieb, und glücklicherweise niemand verletzt wurde.
7 Abt Wilhelm in Hirsau io« 9 —1091.
8. Verlauf -es JnvesttturstreitS wahren- -er Lebenszeit Abt Wilhelms.
Als Abt Wilhelm seine Romreise antrat, hatte Heinrich IV siegreich den Aufstand der Sachsen niedergeschlagen und war im Begriff seine erste Fahrt nach Rom zu vollziehen, um sich von Papst Gregor VII die Kaiserkrone aufs Haupt setzen zu lassen. Als Wilhelm fünf Monate später in sein Aureliuskloster zurückkehrte, fand er die größte Zerrüttung im Deutschen Reiche vor. In dieser Veränderung offenbart sich die Wirkung, die der furchtbare Schlag zustande gebracht hatte, mit dem der Papst auf der Fastensynode den König getroffen hatte. War Wilhelm in Rom von der die ganze Versammlung hinreißenden Beredsamkeit des Papstes überwältigt worden, so hatte er jetzt vor Augen, wie des Papstes Wort die Kraft hatte, das mächtigste Reich der damaligen Welt zu zertrümmern. Der Papst selber war überrascht von der zermalmenden Kraft seines Bannstrahls, und diese Erfahrung trug nicht wenig dazu bei, sein stolzes Machtbewußtsein gegenüber der königlichen Schwäche und gegenüber allen irdischen Gewalten grenzenlos zu steigern.
Zunächst wuchs die Erbitterung des Königs, als ihn die Nachricht von der unerhörten Maßregel, von der er betroffen worden war, erreichte; er erhielt sie in Utrecht, wo einer der in seinem Gefolge sich befindenden Bischöfe, Pibo von Toul, am Osterfest dem Volke den Bann des Papstes über den König verkündigen und mit der Erklämng von der Absetzung des Papstes erwidern sollte. Aber der Schrecken erfaßte den beauftragten Bischof, der mit anderen Genossen in der vorhergehenden Nacht die Flucht ergriff, so daß Bischof Wilhelm von Utrecht selber die Verkündigung vornehmen mußte. Da aber an demselben Tage die Stiftskirche durch einen Blitzstrahl in Asche gelegt wurde, erblickte die erschütterte Menge hierin ein Strafgericht Gottes. Des Königs Lage wurde unhaltbar. Die Bischöfe, die entschiedene Anhänger Heinrichs IV
waren, hatte der Papst gebannt und für abgesetzt erklärt, so den Erzbischof Siegfried von Mainz; den unentschiedenen aber und denen, die nicht mit Willen sondern gezwungen und aus Furcht vor drohender Lebensgefahr ihre Unterschrift in Worms gegeben hatten, wurde der Weg zur Umkehr von dem klugen Papste bequem gemacht; es wurde ihnen ein Termin gesetzt, bis zu welchem sie ihre Unterschrift als in Uebereilung und unter dem Zwang der Umstände vollzogen zurückziehen, Genugtuung geben und darauf hin wieder zu Gnaden angenommen werden können. Des Papstes Aufforderung hatte den von ihm gewünschten Erfolg; die Bischöfe beugten sich, einer nach dem andern. Den weltlichenFürsten aber, voran den drei süddeutschen Herzogen, Rudolf von Schwaben, Wels von Bayern und Berthold von Kärnten, die längst dem durch sein hochfahrendes Wesen sie verletzenden König innerlich grollten, war die Bannung des Königs ein willkommener Anlaß, sich zu seinen Feinden zu schlagen. Alle Unzufriedenen bemühten sich, die kaum gedämpfte Flamme des sächsischen Aufstands zu schüren, die besonders wegen der vom König errichteten Zwingburgen bald neu aufloderte. Am verderblichsten aber wurde für den König die vom Papste aufgestellte, von den Klöstern strenger Richtung und von gelehrten Schriftstellern in kirchenrechtlichen Abhandlungen allenthalben verbreitete Anschauung, daß jede Berührung mit einem Gebannten die Wirkung habe, dem Berührenden gleichfalls den Bann zuzuziehen. So kam es, daß wer in der päpstlichen Theorie gefangen war, jeden Umgang, jede Annäherung an den König aufs ängstlichste mied, wodurch derselbe auch ganz abgesehen von der päpstlichen Absetzungserklärung tatsächlich regierungsunfähig wurde. Seine zerversichtliche Stimmung, in der er an „Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern den falschen Mönch," geschrieben hatte: „Ich Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unfern Bischöfen, wir sagen dir: Steige herab, steige herab!" mache einer großen Niedergeschlagenheit Platz. Die Fürsten hatten seiner Einladung zu einem Reichstag in Worms auf 15. Mai keine Folge geleistet; ebensowenig erschienen sie trotz aller Bitten am