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der Anstellung von Beamten. Der Redner befür­wortet dann die in einer Resolution der Kommission beantragte Aufhebung des Kollegialsystems bei der Domänendirektion und bittet den Finanzminister, einer gewissen Anordnung im Finanzministerium ein Ende zu machen. Finanzminister v. Geßler tritt zunächst den letzteren Vorwürfen entgegen, ist aber mit den Vorrednern damit einverstanden, daß die Gewährung von Belohnungen zwar einzuschränken ist, an einen Wegfall sei aber gar nicht zu denken, da eine Ueberarbeit der Beamten zu gew'ssen Zeiten nicht zu vermeiden sei, wofür eine entsprechende Entschädigung durchaus am Platze sei, zudem es sich um keine allzu große Summe handle. Mit der Herausgabe einer amtlichen Dienstaltersliste für die Beamten seines Ressorts und der Nachgeordneten Kollegien ist der Minister im Prinzip einverstanden. Einer Aufhebung des Kollegialsystems bei der Do­mänendirektion steht der Minister sympathisch gegen­über, verspricht sich aber von ihr keine besonderen Ersparnisse. Auch die angeregte Einschränk ng der Gewährung für Reisesprsen findet feine Billigung Abg. Dr. Hieb er (natl.) begründet nochmals den Standpunkt der Finanzkommisfion, die eine Ver­einfachung in der Verwaltung beantragt. Abg. Strobel (Bbd.) beantragt, die großen Güter der landwirtschaftlichen Zentralsttlle zu unterstellen und nicht der Domänendirektion, wie dies die Kommission verlangt. Finanzminister v. Geßler tritt dem entgegen. ES entspinnt sich eine längere Debatte, bei der der Abg. Graf (Ztr.) die langsame Art, wie Beamte befördert werden, bemängelt. Finanzminister v. Geßler versichert nochmals, daß bei der Besetzung von vakanten Stellen im Finanz- ministerinm in gleicher Weise wie bei den anderen Ministerien verfahren werde. Gewisse von den Vor­rednern angeführte Fälle werde er untersuchen. Nachdem Abg. Ströbel (Bbd.) nochmals seinen Standpunkt bezüglich der Unterstellung großer Güter unter die landwirtschaftliche Zentralstelle dargelegt, wendet sich der Abg. Keil (Soz) besonders gegen die Gewährung von Belohnungen an die Beamten zumal diese hauptsächlich bei einer ganz bestimmten Kategorie immer wieder zu finden seien, was eine steigende Unzufriedenheit unter den übrigen Beamten zur Folge haben müsse. Besonders zu verwerfen sei aber, daß alle diese aufgewendeten Gelder aus der Rechnungslegung nicht zu ersehen seien. Hierauf werden die Titel 18 mit den von der Kommission vorgeschlagenen Resolutionen angenommen. Zu Kap. 8a beantragt die Kommission statt der dort geforderten 14 Oberkontrolleure des inneren Dienstes nur 12 zu bewilligen. Im Laufe der sich entspinnenden De­batte wirft der Abg. G r a f (Z.) dem Finanzminister vor, daß bei der Besetzung von Stellen nicht sach­liche, sondern persönliche Gründe oft maßgebend seien und führt zwei Fälle dafür an. Gegen diese Vorwürfe wendet sich der Finanzminister mit aller Entschiedenheit. Abg. Keil (Soz.) legt den Stand­punkt der Kommission in Betreff der Streichung der 2 Stellen dar und wirft dem Abg. Graf vor, er habe sich bei seiner Beschwerde zum Wortführer ganz bestimmter Personen gemacht. Zu dem Titel liegt ein Antrag Baumann-Hiller vor, die Regierungs­vorlage wiederherzustellen. Der Antrag wird abge­lehnt. Somit ist der Kommissionsantrag (12 Stellen) angenommen. Ohne Debatte werden dann die Titel 915 des Kap. 88 angenommen, ebenso Kap. 99 und 100. Bei Kap. 101 Tit. 1 will die Kom­

mission nur 39 statt 43 Bauamtswerkmeister bewil­ligen und statt 8 Kanzlistenstellen nur 6. Abg. Dr. Hieber als Berichterstatter begründet den Stand­punkt der Kommission. Eingegangen ist ein Antrag, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Abg. S ch m i d - Neresheim begründet ihn. Der Antrag wird abgelehnt und der Kommiffionsantrag ange­nommen mit einer Resolution der Kommission. Die weiteren Titel des Kapitels werden ohne Debatte genehmigt, ebenso sämtliche Titel des Kap. 103 mit einer Resolution der Kommission, die eine redaktio­nelle Aenderung Vorsicht. Es weiden ferner ohne Erörterungen angenommen die Tit. 15 und 6a des Kap. 105. Zu Tit. 6d beantragt die Kommission die geforderten 48 000 für den Umbau des Hauptzollamts in Friedrichshafen abzulehnen. Der Kommissionsantrag wird angenommen, die Position ist also abgelehnt. Beim Kap. 107 (Bezirksfinanz­verwaltung) beantragt die Kommission statt 73 Kon- troll- und Verwaltungsbeamtenstellen nur 68, aber statt 52 Finanzsekretärstellen 53 und statt 47 Kanz­listenstellen nur 42zu bewilligen. Abg. Dr. Hieber erstattet das Referat über die Kommissionsverhand- lnngen. Im Laufe der Debatte ersucht Finanz­minister v. Geßlerum Annahme der Regierungs­vorlage. Sämtliche Kommissionsanträge werden angenommen. Nächste Sitzung morgen Vorm. 9 Uhr.

Tübingen 15. Juli. Friedrich Weiß, Sohn des Rößleswirts von Stammheim OA. Calw, der am 24. Mai d. I. seinen Vater er­schossen hat und diese ruchlose Tat unumwunden einräutnt, ist, nachdem die psychiatrische Univer­sitätsklinik auf Grund längerer Beobachtung sich dahin ausgesprochen hat, Weiß sei ein hochgradig schwachsinniger Mensch (er ist auch körperlich un­normal) und habe sich bei Begehung seiner Tat in einem Zustand von krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden, durch welche seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen sei, gemäß ß 151 St.G.B. außer Verfolgung gesetzt worden, es soll aber Vorsorge getroffen werden, daß Weiß dauernd in einer Irrenanstalt verwahrt werde.

Ebingen 15. Juli. Gestern nachmittag fuhr einem hiesigen Braucreibesitzer sein eigener Hund, eine Dogge, ins Gesicht und zerriß ihm derart die Wange, daß er ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen mußte.

Welzheim 15. Juli. Der Mörder seiner Frau, der Bauer Jakob Rau von Alfdorf, hat sich vorgestern abend, wie bereits gemeldet, selbst dem Landjäger gestellt. Gestern früh ist er ans hiesige Amtsgericht eingeliefert worden. Traurige Familienverhältnisse haben den Mörder wohl zu seiner Tat veranlaßt. Seine Frau war die Witwe seines Bruders und um 12 Jahre älter als er. Schon seit Jahren miß­handelte er seine Frau, sodaß sie schon einmal gerichtliche Hilfe gegen ihn in Anspruch nehmen mußte. Der Tat ging ein Wortwechsel voraus, bei dem sich Rau derart aufgeregt hatte, daß er förmlich schäumte. Als Waffe benützte er einen 2 Kilogramm schweren Stein, mit dem er seinem Opfer durch mehrere wuchtige Schläge den Schädel

zertümmerte, sodaß der Tod sofort eingetreten sein muß.

Heilbronn 15. Juli. Die Heilbronner Zeitung schreibt: Ein fast unglaublicher Vorgang hat sich am Sonntag abend zwischen 6 und 7 Uhr auf einem Wagen in der Karlstraße ereignet. Auf dem vorderen Perron des Wagens hatten vier jüngere Offiziere Platz genommen. Drei von diesen Herren scheint nun das Tempo mit dem der Führer seinen Wagen führte, nicht rasch genug gewesen zu sein. Sie bemächtigten sich, trotz des Widerspruchs des Straßenbahn­führers der Stromkurbel und ließen den Straßen­bahnwagen in polizeiwidrigem Tempo die Karl­straße hinaussausen. Der Wagen fuhr so schnell, daß der ebenfalls auf dem Perron stehende Steueraufseher Seher vom Wagen geschleudert wurde und sich eine Verletzung der Hand zuzog. Die Straßenbahndirektion hat eine Verfolgung der Angelegenheit eingeleitet. Unfaßbar erscheint es, daß es den beiden Angestellten der Straßenbahn nicht gelang, die Herren von ihrem unüberlegten Tun abzuhalten und sie von der Straßenbahn zu weisen, wie es jedem Zivilisten geschehen wäre. Aber die respektvolle Scheu vor dem roten Tuch scheint da wieder einmal ihre Wirkung ausgeübt zu haben.

Pforzheim 15. Juli. In dem benach­barten Ort Pinache, einer alten Waldenser­niederlassung, brach gestern früh zwischen 7 und und 8 Uhr, in der Dampfziegelei von Johann Kienzle Feuer aus, das solche Ausdehnung annahm, daß in kurzer Zeit die Ziegelei bis auf den Grund nicdergebrannt war. Wohnhaus und Scheuer konnten nur mit Mühe gerettet werden. Der Schaden beläuft sich auf ca. 39 000

Landau a. d. Isar 15. Juli. Auf der Lokalbahn Landau-Amsdorf lösten sich von einem Personenzug vier mit Steinen beladene Wagen los und rasten mit furchtbarer Gewalt eine lange steile Strecke hinab. Ein Bremser hatte die Geistes­gegenwart, abzuspringen, wurde aber schwer verletzt. Die Wagen fuhren dann in Simbach in das Stationsgebäude hinein und rissen es um mehr als die Hälfte zusammen. Durch das Rasseln der Wagen und die Detonationen auf der Strecke wurden die auf dem Bahnhof Simbach arbeiten­den Leute aufmerksam. Auch die im Stations­gebäude und in der Restauration sich befindenden und an den Lagerplätzen anwesenden Leute, sowie die dort haltenden Gefährte flüchteten, sodaß ein größeres Unglück verhütet wurde. Der Material­schaden ist sehr groß.

Dresden 14. Juli. Die Kunde von einem Aufsehen erregenden Selbstmord durch­eilte heute Vormittag die Stadt. Der Mitinhaber der Weingroßhandlung H. Schönrock Nachfolger in Dresden und der Sektkellerei Bussard in Nieder-Lößnitz bei Dresden, Handelsrichter Edmund Grahl hat sich gestern Nachmittag in seiner Wohnung in Nieder-Lößnitz erschossen.

regel noch der in jedem Kloster eigentümlich modifizierten Anwendung derselben wohnt die Kraft inne, das Leben der Klosterinsassen ideal zu gestalten. Viel mehr kommt an auf die Persönlichkeit des Abts. Nichts anderes hat Cluny zwei Jahrhunderte lang so hoch emporgehoben und zu einem einflußreichen Zentralpunkt klösterlichen Lebens gemacht als die ununterbrochene Reihe vorzüglicher Aebte, die an der Spitze standen.

Obwohl bloß 15 Mönche da waren, und obwohl das Klösterlein erst seit wenigen Jahren bestand, traf es Wilhelm doch im Zustande der Zerrüttung an, weil der erste Abt Friedrich seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen war. Nach erst dreijähriger Amtsführung wurde er im Einverständnis mit den Mönchen durch Graf Adalbert seiner Stellung enthoben. Dem Berichte des Hirsauer Buchs, dessen frühesten Bestand­teile mindestens 60 Jahre nach diesem Vorkommnis ausgezeichnet wurden, fehlt es hier an Zuverlässigkeit. Dieser erste Abt soll eine streng asketische Lebensweise geführt haben und von großer Demut beseelt gewesen sein; aber aus lauter Eifer für die geistlichen Uebungen soll er sich nicht um die leibliche Versorgung der Mönche angenommen haben. Dieselben suchten nun den Grafen feindselig gegen ihren Abt zu stimmen und sollen nach gepflogener Verabredung ihn verleumderisch eines schmählichen Verbrechens, nämlich eines Ehebruchs, beschuldigt haben, um ihn vom Regiment wegzu­bringen, was ihnen mittelst Anwendung dieser Tücke beim Grafen auch gelungen sei. Der Abt habe alle Schmach geduldig über sich ergehen lassen und sei nach seiner Absetzung ganz demütig an Ort und Stelle geblieben, bis Abt Ulrich von Lorsch, ein alter Freund, ihm für den Rest seiner Lebenszeit auf dem Ebernsberg (jetzt Heiligenberg) bei Heidelberg ein Asyl eingeräumt habe. Es ist unmöglich, dieser Erzählung Glaub­würdigkeit beizu messen. Was für eine Ruchlosigkeit der Mönche müßte

man annehmen, wenn sie einer solchen Verleumdung fähig waren! Wie konnte der ungerecht Abgesetzte es mit seiner Ehre vereinigen, auch nur noch einen Tag mit den Verrätern unter demselben Dache zuzubringen! So viel wird richtig sein, daß Wilhelm keine erquicklichen Zustände vorfand, daß ein heilloses Zerwürfnis zwischen Abt und Mönchen die Bande der Ordnung und Zucht gelockert hatte.

Ein Mann wie Wilhelm, der eine Quelle nie versiegender Kraft und überirdischen Friedens in sich trägt, tritt nicht zaghaft in schwierige Verhältnisse ein, sondern mit der inneren Zuversicht, daß er Herr der Lage sein wird, weil er seine Stärke nicht aus sich selbst, sondern aus Gottes Kraft schöpft. Nie, auch in späteren Jahren nicht, als Hunderte unter ihm standen, trat ihm Widerstand entgegen, vor dem er hätte zurück­weichen müssen. Seine Geisteskraft im Bund mit einer unwiderstehlich wirkenden Liebe ließ keinen Versuch zur Unbotmäßigkeit aufkommen. Die Scheu vor der innern Hoheit des würdigen Abts, nicht weniger die dankbare Verehrung des mit rührender Fürsorge waltenden Vaters erzwang sich Gehorsam und trieb zu williger Nachfolge auf der Bahn der Entsagung und Heiligung. Wohl schmerzte und betrübte es ihn öfters, wenn er wahrnahm, daß etliche mehr nach der Klugheit des Fleisches als nach der geistlichen Einfalt wandelten, aber derartige Elemente schieden aus, sie ertrugen die Nähe des Gottesmanns nicht; darum konnte er im Sterben noch dankend hervorheben, der allmächtige Gott selber habe die Zwiespältigen abgetrennt und aus dem Kloster entfernt.

Für einen Mann von Wilhelms Geist und Tatkraft wäre es eine viel zu ungenügende Lebensaufgabe gewesen, ein Kloster mit bloß 15 Mönchen zu leiten. Aber rasch vermehrte sich die kleine Schar. Trug hiezu schon die Neigung der Zeit zu der klösterlichen Form der