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Im Allgemeinen dürfte aus den vorstehend geschilderten Ergebnissen der Steuerveranlagung nach nach altem und neuem Recht hervorgehen, daß auch in unserem Oberamtsbezirk die Hauptziele der Steuer­reform:Verschiebung der Steuerlast von den weniger tragfähigen Schultern auf die kräftigeren, sowie Milderung der Härten und Mängel der alte« Ertragssteuern, die bei unserem kleinbäuerlichen Besitz besonders fühlbar waren und eine Ver­besserung des Verhältnisses zwischen Staats« und Gemeindesteuerwesen erreicht worden sind.

Tagesrremgkeiteu.

:: Calw. Da die im Sommer nachmittags 2 Uhr stattfindenden Gottesdienste nach der bisherigen Erfahrung nur schwach besucht waren, so hat der Kirchengemeinderat beschlossen, daß vom nächsten Sonntag an statt des Nachmittags­gottesdienstes in den Sommermonaten, morgens 8 Uhr, ein Frühgottesdienst stattfinden soll.

Stuttgart 8. Juli. Die Zweite Kammer beschloß heute, das Gesetz betreffend die Herabsetzung der Zahl der Waisenrichter am 1. August in Kraft treten zu lassen. In der dann fortgesetzten Beratung des Kultetats machte sich ein frischerer Zug bemerkbar als gestern. Die Erörterungen galten zunächst den Schullehrerseminaren. Auf verschiedene Aus­führungen der Abgeordneten Löchner, Weber, Heymann und Schrempf betonte Minister v. Fleischhauer, die Regierung erkenne die Notwendigkeit des Internats an, sei aber doch der Meinung, daß jedenfalls für die älteren Jahrgänge eine freiere Bewegung gewährt werden müsse. Der Einführung der Gesetzes- und Bürgerkunde in den Lehrplan der Seminare stimme er zu. Weiterhin wurde eine Reihe von Kapiteln ohne nennenswerte Debatte rasch er­ledigt. Einen längeren Aufenthalt verursachte die Frage der Zusammenlegung der drei Kunst­lehranstalten auf dem Weißenhofareal. Nach Mitteilung des Kultministers wird den Ständen hierüber bald eine Vorlage für die Erwerbung des Grund und Bodens zugehen. Der Bau­kostenaufwand wird auf 4 Millionen, die Ein­nahmen aizs dem Verkauf der Kunstgewerbeschule auf eine Million geschätzt. Dem Bund für Heimatschutz wurde von mehreren Rednern übertriebene Agitation vorgeworfen. Den Bei­trag an den Gabelsberger Stenographenverein, der ihm von der Schule Stolze-Schrey nie gegönnt wurde, strich das Haus, um dem Systemstreit in der Kammer ein Ende zu machen. Ein Antrag auf Erwägungen über Verstaatlichung der höheren Handels­schule in Stuttgart wurde angenommen. Er­

ledigt wurden die Kapitel 7897. Morgen

Rest des Kultetats.

Welzheim 8. Juli. Wegen schweren Diebstahls, Körperverletzung und Hausfriedens­bruch wurde gestern abend der 27jährige Dienst­knecht Fried. Eglofs, seither in der Laufen­mühle, festgenommen und ans hiesige Amtsgericht eingeliefert. Eglofs, der seit Mai in der Lanfen- mühle im Dienst war, hatte auf 14. Juli gekündigt, wegen eines kleinen Unwohlseins wollte er aber schon gestern seinen Dienst verlassen und auch seinen Lohn erheben. Dadurch kam er mit seinem Herrn in Streit, in dessen Verlauf er ihn mit einer Hacke mißhandelte. Auch verließ er trotz mehrfacher Aufforderung das Haus nicht. Als er schließlich eine Zeit lang allein war, erbrach er mit derselben Hacke den Geldschrank und eignete sich das darin befindliche Geld an, um dann zu verschwinden, doch gelang es rechtzeitig, ihn noch zu verhaften.

Berlin 8. Juli. (Reichstag.) Tages­ordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Reichsfinanzreform und zwar zunächst die zweite Lesung der Novelle zum Reichs st empel- gesetz. Darnach soll eingeführt werden ein Check- ftewpel und eine Erhöhung des Effektenstempels. Ein jKompromißantrag der neuen Mehrheit will an Stelle der früher beschlossenen Kotierungssteuer eine Talonsteuer setzen. Ferner sollen nach diesem Kompromißantrag die Quittungen im Geldverkehr ebenso behandelt werden wie die Checks. Bei dem Effektenstempel sind von der Kommission eine Anzahl Erhöhungen vorgenommen worden. Der Umsatz- sten pel soll durch den Kompromißantrag beseitigt werden. Ein freisinniger Antrag will eine Anzahl von der Kommission beschlossener oder von der Regierung vorgeschlagener Steuersätze ermäßigen. Abg. Speck (Z.) begründet die von der neuen Mehrheit eingebrachte neue Form der Befitzsteuer und bezeichnet es als eine Forderung der Gerechtig­keit, daß die Besitzer des mobilen Kapitals stärker herangezogen werden als bisher. Redner kritisiert in weiteren längeren Ausführungen die bisher üb­liche Pumpwirtschaft, durch die der Geldmarkt in Deutschland zu stark in Anspruch genommen worden ist. Mit unserem Kompromißautrag wollen wir ein neues System der Besteuerung einführen. Redner erkennt an, daß die Talonsteuer zwar Härten ent­hält, glaubt aber, daß es die geeignetste Steuer fei. In seinen weiteren Ausführungen kritisiert Redner das Auftreten des Hansabundes und hält das Ein­greifen der Handelskammern in dieser Angelegenheit für nicht richtig. Redner empfiehlt einen von ihm eingebrachte« Antrag, wonach alle Staatspapiere getroffen werden sollen, die für Rechnung inländischer Besitzer ausgegeben oder in das Inland eingeführt werden. Zum Schluß bittet Redner, auch das mobile Kapital heranzuzichen und dieser Steuer

Einen Einblick in die Einkommens- Verhältnisse unserer Bezirksangehörigen gibt uns die Denkschrift in einer Uebersicht über das durch­schnittliche Jahresretneinkommen eines Eingeschätzten.

Nach der betreffenden Zusammenstellung be­trägt im Oberamtsbezirk Calw im Etatsjahre 1905 daS durchschschnittliche Reineinkommen eines Ein­geschätzten 1435 und pro 1906 1345 ^ Unser Oberamtsbezirk steht nach dieser Richtung unter den Oberämtern des Landes an 34. Stelle. Er steht unmittelbar hinter Stuttgart Amt und direkt vor Oberndorf. Was die entrichtete durchschnittliche Steuer auf einen Besteuerten des Oberamtsbezirks betrifft, so betrug dieselbe im Etatsjahre 1905 16 ^ 90 ^ und pro 1906 15 Das Oberamt Calw steh: hier an 40. Stelle, unmittelbar hinter Balingen und vor Besigheim.

Ein interessantes Bild über die Wirkung der Steuerreform erhalten wir durch Vergleichung des Steueranfalls nach den einzelnen direkten Steuer­arten vor und nach dem Inkrafttreten der Reform. Es soll deshalb im Nachstehenden gezeigt werden, wie die Steuerreform nach dieser Richtung in unserem Oberamtsbezirk gewirkt hat. Nach der betreffenden Uebersicht der Denkschrift betrug das Steueraufkom­men im Etatsjahre 1904 (1. April 1904 bis 31. März 1905) an: Grundsteuer 38 418 Gebäude- steucr 32 314 Gewerbesteuer 28 204 Kapital­steuer 43 384 Diensteinkommensteuer 17 574 zusammen 159894 ^ (Die Huudeabgabe, welche mit der Reform ganz auf die Gemeinden überging, hat pro 1904 dem Staate noch 5408 ^ ertragen.) Dem gegenüber beträgt das Steueraufkommen nach dem Stande vom 1. April 1905 an: Einkommen­steuer 112 534 Grundsteuer 16 957 Ge­bäudesteuer 16 911 Gewerbesteuer 9 081 Kapitalsteuer 18 905 zusammen 174 388

Bei einer Vergleichung des Steueraufkommens nach den verschiedenen Steuerarten unter altem und neuem Steuerrecht sehen wir deutlich wie infolge der Steuerreform eine Umbildung der alten direkten Staatssteuern, durch Herabsetzung der Steuerkapitale und der Steuersätze sich vollzogen hat und wie die allgemeine progressive Einkommensteuer zur Haupt­trägerin der direkten Steuerlast wurde.

Schließlich dürfte die verehrt. Leser noch interessieren in welchem Umfange die direkten Steuern im Oberamtsbezirk Calw für die Zwecke der Ge­meinden, Schulen und Kirchen herangezogen werden und zwar in dem Etatsjahre 1907. Die Denkschrift gibt hierüber eine Zusammenstellung, der wir ent­nehmen, daß die Umlage aller Gemeinden des Be­zirks auf Grund und Boden, Gebäude und Gewerbe 160 514 betragen hat. Die Gemetndekapital- steuer belief sich auf 9 934 An Gemeinde­einkommensteuer, welche bekanntlich höchstens 50°/» der Staatssteuer betragen darf, wurden zusammen 45 890 erhoben. Schulgemeivdeumlegen mußten im Oberamt Calw nicht erhoben werden. Die Um­lagen der. evangelischen Kirchengemeinden beliefen sich zusammen auf 1791 Für katholische Pfarr- gemeinden, mußten Umlagen nicht vollzogen werden.

Sinn in ihm zu wecken und zu nähren verstand, aber auch als ein Cha­rakter von seltener Lauterkeit und Entschiedenheit ihm voranleuchtete. Aus den zahlreichen Schriften, die Othloh verfaßt hat, gewinnen wir ein treues Bild seiner Persönlichkeit, indem er mit großer Offenheit die schweren inneren Anfechtungen und heißen Kämpfe schildert, durch die er sich zum Frieden der Seele hatte Hindurchringen müssen. Mancherlei Zerwürfnisse mit seiner Umgebung blieben dem unerschrockenen Wahrheits­zeugen nicht erspart. Er scheute sich nicht, auch seinem Abt Reginwald entgegenzutreten, der das Interesse des Klosters preisgab aus Furcht vor dem gewalttätigen Regensburger Bischof Gebhard, der sich an einer Verschwörung gegen Kaiser Heinrich III, obwohl er dessen Oheim war, beteiligt hatte. Auch das Üebelwollen einer großen Partei unter den Klosterbrüdern hatte er sich zugezogen, weil er gegen ihre Zuchtlosigkeit und Bequemlichkeit mit scharfer Rüge einschritt. Infolge der entstandenen Mißhelligkeiten entfernte er sich und widmete fünf Jahre lang andern Klöstern seine Dienste, bis er durch wiederholte Bitten sich zur Rückkehr nach St. Emmeram bewegen ließ.

Unbekanntschaft mit Othloh's schriftstellerischer Tätigkeit ist der alleinige Erklärungsgrund, warum er wegen einiger aus dem Zusammen­hang gerissener Stellen in den Übeln Ruf eines beschränkten Zeloten gekommen ist. Nur Haucksin seiner Kirchengeschichte Deutschlands macht eine rühmliche Ausnahme indem er gerecht über Othloh urteilt. Wenn er selber in späteren Lebensjahren sich auf die Beschäftigung mit der heiligen Schrift und mit den Kirchenvätern beschränkt hat, und wenn er Freunde weltlicher Weisheit tadelt, welche die heidnischen Schriftsteller und die Weltweisen, die nur mit leeren Begriffen umzugehen wissen, den Kirchenvätern vorziehen und Christus hinter Cicero oder Boethius hintan­setzen, so ist hiemit keineswegs eine Verachtung der klassischen Studien ausgesprochen. Er geht von der Ueberzeugung aus, daß erst wenn christliche Erkenntnis in dem Geist des Schülers gepflanzt ist, das Studium weltlicher Wissenschaft mit Nutzen betrieben werden könne. Jedenfalls wird jeder christlich gesinnte Freund der Wissenschaft mit Othloh darin einverstanden sein, daß bei aller geziemenden Würdigung der hohen Bildungsschätze, die wir den alten Griechen und Römern verdanken, doch

derjenige, der nach religiöser Gewißheit verlangt, aus diesen Quellen nicht zu schöpfen vermag, was er wünscht und sucht. In Wirklichkeit war Othloh ein Denker von nicht gewöhnlicher Kraft und Klarheit, der aus gründlicher Kenntnis der heiligen Schrift und aus innerer Erfahrung heraus eine Lebensanschauung gewonnen hatte, die ihn weit über die alltägliche Weisheit des gemeinen Menschenverstandes erhob.*)

Das schöne Denkmal der Liebe, das Wilhelm in den interessanten Vorreden zu seinen Werken über Astronomie und Musik seinem verehrten Lehrer und vertrauten Freunde gesetzt hat, stimmt ganz überein mit den Anschauungen und Gesinnungen, die Othloh in seinen eigenen Schriften niedergelegt hat. Ob die Unterredungen zwischen Othloh und Wilhelm, mit denen der letztere die beiden erwähnten Schriften eingeleitet hat, in Wirklichkeit stattgefunden haben, oder ob sie als bloße Einkleidung anzu­sehen sind, mag dahingestellt sein, jedenfalls dürfen wir annehmen, daß hier Othloh's Meinung treu wiedergegeben ist. Wilhelm wurde nämlich innerlich beunruhigt durch den Gedanken, er könnte sich durch sein eifriges Studium versündigt haben, weil er aus diesem Grunde den Anforderungen der Ordensregel zu wenig entsprochen und zuviel von den vorgeschriebenen frommen Uebungen versäumt habe. Othloh aber, der ihn zur Veröffent­lichung seiner naturwissenschaftlichen Forschungen aufgefordert hat, verwirft Wilhelms Beängstigungen und bezeichnet sie geradezu als ein Blendwerk des Teufels. Es sei erlaubt, erklärt er, und schicke sich für einen Mönch, bei Erforschung der Weltweisheit das Gold im Staube zu suchen und aus den klassischen Schriftstellern Perlen zu holen, wie einst die Israeliten beim Auszug aus Egypten ihren Feinden goldene und silberne Geräte entwendet haben. Wilhelm sei von Gott Wunderbares und vom mensch­lichen Scharfsinn bisher Unbegriffenes mitgeteilt worden, dessen Enthüllung Pflicht sei. Auch darauf weist Othloh hin, daß die Kenntnis der Psalmen nicht genüge; Kirchenväter wie Hieronymus und Gregor I haben über ein hohes Maß wissenschaftlicher Bildung verfügt, sonst hätten sie die heilige Schrift nicht so trefflich auslegen können. (Fortsetzung folgt.)

*) Heber Othloh's geschichtsphilosophischen Standpunkt vgl. bes. Beilage des Staatsanz. f. Württ. 1908 S. 21 f.