157.

Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtzbezirt Lalw.

84. Iahrgasg.

Erscheinungstaze: Montag, Lienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag, Jnsertionspreis >0 Big. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 4L Psg,

Nmttiche Bekanntmachungen.

Au die Ortsbehörden,

betr. die Veranstaltung van Wanderkochknrsen.

Die Ortsbehöcden derjenigen Gemeinden, in welchen die Veranstaltung von Wanderkochknrsen im Laufe des nächsten Winters beabsichtigt ist, wollen hierüber binnen 2 Wochen Bericht erstatten, damit für die Gewinnung der Lehrerin rechtzeitig Fürsorge getroffen werden kann. In den Berichten ist die ungefähre Zahl der Teilnehmerinnen, sowie die ge- wünschteZett zur Vornahme des Kochkurses anzugeben.

Mm vertraut zu den Herren Ortsvorstehern, daß sie in ihren Gemeinden fortgesetzt auf die Ab­haltung von Wanderkochknrsen hinwirken, damit die fo segensreiche Einrichtung immer mehr Boden ge­winnt und die weibliche Jugend in hinreichender Weise für ihre künftigen Aufgaben herangebildet wird.

Ealw, 9. Juli 1909.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Die Wirkungen der Steuerreform im Oberaultsbkjirk Ca!m.

Wir entnehmen der hierüber von der Regierung herausgegebenen umfangreichen Denkschrift, daß die im Jahr 1905, nach langen, harten parlamentarischen Kämpfen, in Kraft getretene Steuerreform dem ganzen Lande eine Mehrbelastung von etwas über 3 Millionen Mark gebracht hat. Wenn trotzdem 1290 Gemeinden unseres Landes, gegen­über ihrem bisherigen Aufkommen an direkten Staats­steuern, eine Entlastung erfahren haben, so er­bringen die Veranlagungsergebnisse den Beweis, daß die Reform das gehalten, was sie versprochen hat, nämlich eine gerechtere Verteilung der Steuer­last, größere Beweglichkeit des staatlichen Steuer- wesenS und endlich eine Verbesserung des Verhält­nisses zwischen Staats- und Gemeindesteuerwesen.

Ureilag, den 9. Juli 1909.

Wie nun die Steuerreform in den einzelnen Gemeinden unseres Oberamtsbezirks gewirkt hat, das soll den Lesern d. Bl. an der folgenden, vergleichen­den Gegenüberstellung des Gesamtaufkommens an direkten Staatssteuern in den beiden Etatsjahren 1904 und 1905 gezeigt werden.

Im Oberamtsbezirk Calw wurden im ersten Jahre der Wirksamkeit der Steuerreform von den 43 politischen Gemeinden nicht weniger als 26, das heißt genau 60°/° entlastet.

Es sind dies in alphabetischer Ordnung die

Gemeinden:

Agenbach mit einem Wenigeranfall

Altbulach

von

155

404 ,

Altburg

M

93

Bergorte

8

Dachtel

255

Deckenpfronn

§

159

Dennjächt

54

Ernstmühl

107

Gechivgen

124

»

Hirsau

1959

Holzbronn

r»

154

Liebenzell

273

Monakam

13

Möttlingen

351

Neuhengstett

219

Oberhaugstett

*

151

Oberkollbach

69

Oberreichenbach

71

Rötenbach

300

Simmozheim

568

Sowmenhardt

100

Speßhardt (Alzenberg)

142

Stammheim

405

Teinach

131

Unterhaugstett

95

k,

Unterreichenbach

215

Die Gesamtentlastung

dieser

26 Gemeinden

beläuft sich ans 6576 An der Spitze der ent­lasteten Gemeinden steht Hirsau mit 1959 In

Bezugspr.i.d,Stadt>/jjührl.m,Trügerl,Mk. i,2S, Postbezugspr, f, d, Orts- u. Nachbarortsverk. V.jährl, Mk, l, 20 , im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestell», in Württ. so Psg., in Bayern u. Reich 4L Pfg.

weitem Absprung folgten Simmozheim mit 568 ^., Stammhetm mit 405 ^ und Altbulach mit 404 In den übrigen vorstehend aufgeführten Gemeinden bewegt sich die Entlastung zwischen 8 und 351 Bei Berechnung des Anfalls an direkter Steuer pro 1904 ist die Hundeabgabe, welche bekanntlich mit der Steuerreform ganz auf die Gemeinden über­gegangen ist. inbegriffen.

Die Gemeinden, welche durch die Steuerreform im ersten Jahre ihrer Wirksamkeit 1905/06 eine Mehrbelastung an direkter Staatssteuer erfahren haben, sind folgende:

Calw mit einem Mehranfall

von 10851

Aichhalden

200

Althengstett

141

Brettenberg

95

Emberg

233

*

Hornberg

447

LiebelSberg

68

Martinsmoos

102

Neubulach

127

Neuweiler

163

Oberkollwangen

1104

Ostelsheim

92

Ottenbronn

24

Schmieh

764

Würzbach

660

Zavelstein

58

Zwerenberg

530

Die Gesamtmehrbelastung beläuft sich in diesen

19 Gemeinden auf 31 072 Stellen wir dieser Mehrbelastung die Gesamtentlastung mit 6 576 gegenüber, so ergibt sich für den ganzen Oberamts­bezirk eine Mehrleistung an direkter Staatssteuer von 24 496 An der Spitze der mehrbelasteten Gemeinden steht unsere emporstrebende Oberamts­stadt mit 10851 ^ Ja großem Absprung folgen ihr die Landgemeinden Oberkollwangen mit 1104 Schmieh mit 764 und Würzbach mit 660 In den übrigen Gemeinden bewegt sich die Mehr­belastung zwischen 24 und 530 ^

« Abt Wilhelm in Hirsau looo1091.

4. Wilhelms Lehrjahre.

Nur dürftige Nachrichten über Wilhelms Lebensverhältnisse während seiner Jugendzeit sind auf uns gekommen. Unbekannt sind uns das Jahr und der Ort seiner Geburt, selbst die Namen seiner Eltern. Wir wissen bloß, daß er aus Bayern gebürtig ist, und daß seine froinmen und an­gesehenen Eltern ihn schon in seinen Knabenjahren ins Kloster gebracht haben, woraus wir schließen können, daß er nicht ihr einziges Kind gewesen sein wird; doch findet sich von Geschwistern und Familienangehörigen in den uns zugänglichen Quellen keine Spur. Jedoch an zuverlässiger Kunde über das, was bei einem bedeutenden Manne viel wichtiger ist als der Verlauf seines äußern Lebens, über die Entwicklung und Richtung seines Geisteslebens und über die Vorbereitung zu seinem künftigen Lebensberuf, ist kein Mangel.

Das Regensburger Kloster, dem der Knabe Wilhelm dargebracht wurde, war dem heiligen Emmeram geweiht, einem Glaubensboten, von dem uns außer seinem Märtyrertod nichts Sicheres überliefert ist. Gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts hatte infolge Zusammenwirkens von Bischof und Abt eine gute Klosterzucht in St. Emmeram Eingang gefunden, der Wohlstand hatte sich vermehrt und das geistige und künstlerische Leben zu schöner Blüte entfaltet. Noch war der gute Geist nicht ausgestorben, wenn auch die frühere Höhe nicht mehr behauptet werden konnte, und manche Klage über Erschlaffung der Zucht laut wurde. Immerhin fehlte es Wilhelm nicht an Altersgenossen, die von ernstem Streben beseelt waren, und mit denen er Geistesgemeinschaft pflegen konnte. Zwei derselben gelangten später zu Ansehen und zu wichtigen Stellungen in der Kirche und beteiligten sich als Wilhelms Partei- und Gesinnungsgenossen. Eifrig, an den kommenden Kämpfen; beide machten nach Vollendung ihrer Studien

gemeinsam eine Wallfahrt ins heilige Land und traten nach der Rückkehr ins Kloster Cluny als Mönche ein. Es waren Ulrich von Zell, dem wir als wertem Gast im Kloster Hirsau wieder begegnen werden, und der Kardinalbischof Gerald von Ostia, der als päpstlicher Legat in den ersten Jahren des Jnvestiturstreits in Deutschland Verwendung fand, als solcher übrigens für seinen persönlichen Vorteil gut zu sorgen wußte. Alle seine Mitschüler übertraf Wilhelm an glänzender Begabung.

Was jene Zeit dem nach Wahrheit Strebenden zu bieten vermochte, eignete sich Wilhelms lebhafter Geist in vollem Umfang an. Was heut­zutage bei der unermeßlichen Ausdehnung sämtlicher Wissensgebiete keinem Sterblichen mehr möglich ist, den gesamten Wissensstoff seiner Zeit zu beherrschen, konnte damals gelingen, da die Theologie als die Königin der Wissenschaften galt, in deren Lichte alles erfaßt wurde. Wilhelm war einer der seltenen Menschen, die man mit dem Wort Universalgenie auszeichnen kann. Aber nicht auf unfruchtbares Wissen beschränkte sich dieser große Geist, Wilhelm war auch ein Meister in der Praxis. Nichts Menschliches blieb ihm fremd, auch in den Künsten war er zu- Hause. Ueber Astronomie und Musik hat er nicht bloß.Bücher geschrieben, sondern auch Instrumente konstruiert, welche die Bewunderung der Fachmänner auf sich zogen.

Von großem Einfluß auf die geistige Entwicklung und auf die ganze Lebensanschauung Wilhelms war der ausgezeichnete Lehrer, welcher der Klosterschule Vorstand. Er hieß Othloh und verdient umsomehr eine eingehendere Berücksichtigung, als er zu den vielen verkannten Größen gehört. Nachdem Othloh in verschiedenen Klöstern den Grund zu seiner Bildung gelegt, und sein glühender wissenschaftlicher Eifer ihm beinahe das Augenlicht gekostet hatte, trat er im Jahr 1032 unter Abt Burkhard als Mönch in St. Emmeram ein, wo ihm die Leitung der Klosterschule übertragen wurde. Um dieselbe Zeit mag es gewesen sein, daß Wilhelm eintrat, der in Othloh einen Lehrer vorfand, der den wissenschaftlichen