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Adolf Schiedmayer, den Titel eines Geheimen Kommerzienrats verliehen. Glückwunschschreiben sind auch eingegangen vom Minister v. Pischek, der Stadt Stuttgart, der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, der Stuttgarter Handelskammer, dem Gewerbeverein Stuttgart u. s. w. Im Geschäftshaus der Firma fand eine schlichte Feier statt, bei welcher Geh. Kommerzienrat Schiedmayer eine Adolf Schiedmayer-Stiftung überreichte, durch welche eine bereits bestehende Stiftung zur Unterstützung von Angestellten und Arbeitern von 8000 ^ auf 20 000 erhöht wurde.
Obereßlingen 14. Juni. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag drang ein Dieb in die Wohnung des Privatiers Metzger hier ein und stahl mehrere Kleidungsstücke, nachdem er sich vorher an Wein und Kuchen gütlich getan hatte. Als die Bewohner erwachten wollte er sich entfernen, wurde aber von mehreren zufällig von einer Hochzeit nach Hause gehenden hiesigen Einwohnern entdeckt, abgefaßt und der Polizei übergeben. Der Dieb ist der 55 Jahre alte Gipser August Brücker von Denkendorf. Er war erst vor kurzem aus dem Zuchthause entlassen worden, wo er 12 Jahre wegen versuchtem Raub und Mord zugebracht hatte.
Backnang 14. Juni. Der Schwäbische Stenographenverband hielt gestern hier seine Hauptversammlung ab, verbunden mit der des Schwäb. Lehrerverbandes der Ga- belsberger'schen Stenographie. Die geschäftlichen Beratungen, die sich u. a. auf die Feststellung einer Wettschreibordnung bezogen, fanden für beide Verbände am Abend zuvor statt. Gestern vormittag 10 Uhr wurden die üblichen Wettschreiben abgehalten, an denen sich über 200 Personen beteiligten. Die Festversammlung im Rathaussaal erfreute sich gleichfalls eines recht zahlreichen Besuches seitens der staatlichen und städtischen Beamten, vieler Lehrer und anderer Freunde der Gabelsberger'schen Stenographie. Auch der oberste Kurs des neuerrichteten Seminars war vollzählig erschienen. Nach einer Begrüßungsrede des Verbandsvorsitzenden, Stadtpfarrer Dürr- Weikersheim, hieß Stadtschultheiß Eckstein den Verband im Namen der Stadt willkommen. Lehrer Bühl hielt als Vorsitzender des Backnanger Vereins eine Begrüßungsansprache. Aus dem Bericht des Schriftführers, Mittelschullehrer Bubek-Stuttgart, ist hervorzuheben, daß der Verband im abgelaufenen Jahr um 75 Mitglieder zugenommen und in Verein und Schulen eine lebhafte unterrichtliche Tätigkeit entwickelt hat. Besonders wurde darauf hingewiesen, welch große Vorteile die Kenntnis der Stenographie nicht nur für den Kaufmann, sondern namentlich auch
für den Lehrer, schon während seiner Bildungszeit, noch mehr aber in seiner späteren beruflichen Tätigkeit gewähre, und es wurde der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die zuständigen Behörden in Würdigung dieser Tatsache den Unterricht in Stenographie wenigstens fakultativ im Seminar oder schon in der Prä- parandenanstalt einführen werde. Den Festvortrag hielt Professor Lachenmaier-Stuttgart über das Thema: „Deutsche Sprache und Stenographie". Der Vortrag begegnete nicht nur bei den Kunstgenossen, sondern auch bei den vielen anwesenden Nichtstenographen gespanntester Aufmerksamkeit und regstem Interesse. Der Vorsitzende dankte zum Schluß der Stadt und den Privaten für die freundliche Aufnahme und die tatkräftige Unterstützung, die die ganze Veranstaltung in Backnang gefunden hatte.
Bückingen O.A. Heilbronn 14. Juni. Gestern mittag wurde hier in der Großgartacher- straße ein etwa 12jähriges Mädchen von einem Automobil überfahren und ziemlich schwer verletzt. Die Insassen des Autos bemerkten den Unfall, fuhren aber trotzdem davon. Schnell wurde der Bahnwärter beim Uebergang bei Großgartach verständigt, dieser schloß die Schranken und das Auto mußte wieder hierher zurückkehren. Von der Polizei wurde dann festgestellt, daß das Gefährt einem Herrn Weiß aus der Nähe von Zeitz gehört.
Ulm 14. Juni. Der Schranne wären 1047 Ztr. Frucht zugeführt, die vollends zu nachstehenden Mittelpreisen verkauft wurden: Kernen 13.65 Weizen 13 Roggen 8.75Gerste 9.70 Haber 9.62-M, Erbsen 12.50 Wicken 10.75 Gegen den letzten Frachtmarkt hat der Ztr. Kernen um 15 und Roggen um 2 ^ aufgeschlagen. — Dem Schweinemarkt waren 250 Milchschweine und Läufer zugeführt. Elftere kosteten pro Stück 24—30 °^, letztere 45—55
Friedrichshafen 14. Juni. Das Reichsluftschiff 2 1, das bekanntlich in letzter Zeit einer gründlichen Reparatur unterzogen worden ist, die im Lauf dieser Woche beendigt sein wird, soll baldigst gefüllt und noch im Lauf dieses Monats nach Metz überführt werden. Schon morgen nachmittag treffen hier vom Luftschifferbataillon in Berlin ein: 1 Offizier, 3 Unteroffiziere und 25 Mann, um Füllungsarbeiten, die in der Zelthalle vorgenommen werden, vorzubereiten. Die Soldaten werden, wie früher, durch die Stadtverwaltung in Privathäusern untergebracht.
Darmstadt 14. Juni. Vor dem Schwurgericht hatte sich heute der Gärtner Friedrich Köhler aus Riedlingen in Württemberg
wegen Raubmordversuchs zu verantworten, begangen an seinem Freunde Friedrich Reichelt aus Frankfurt a. M. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 12 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.
Berlin 14. Juni. Der Kaiser reist heute Abend zur Begegnung mit dem Zaren mit großem Gefolge von Potsdam ab und begibt sich morgen, Dienstag abend, von Neufahrwasser an Bord der „Hohenzollern". Die „Hohenzollern" mit den Begleitschiffen geht dann sofort in See. Der Kaiser führt den ganzen Mittwoch über und trifft Donnerstag den 17. vormittags in den Schären ein.
Berlin 14. Juni. Die „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlicht heute Abend einen längeren Auszug aus der Begründung der Ersatzsteuer- Entwürfe. Darin heißt es u. a.: Die verbündeten Regierungen halten an dem Grundsätze fest, daß von dem neu aufzubringenden Steuerbedarf von 500 Millionen mindestens 100 Millionen ausschließlich aus die Schultern der besitzenden Klassen gelegt werden müssen. Auf Grund der gemachten Erfahrungen dürfte es eine andere allgemeine Besitzsteuer als die Erbschaftssteuer nicht geben und die Reichsregierung sei bereit, der Ausdehnung der Erbschaftssteuer eine Form zu geben, welche den vorgebrachten Wünschen Rechnung trage. Dementsprechend werde eine neue Vorlage eingebracht, die sich als Erweiterung der bestehenden Erbanfallsteuer auf das Erbe von Deszendenten und und Ehegatten in unbeerbter Ehe darstellen. Die durch diese neue Steuer gegenüber dem früheren Vorschläge entstehenden Ausfälle machten weitere Abgaben vom Besitz nötig und zwar in Gestalt einer Stempelabgabe beim Eigentumswechsel von Grundstücken, Erhöhung des Wechsel st empels und Einführung eines Checkstempels. Bei der Erbanfallsteuer bedeute ein sehr erhebliches Entgegenkommen die Freilassung des Gattenerbes in unbeerbter Ehe. Ferner soll bei der Besteuerung des Gatten- und Kindererbes der Mobiliar-Besitz völlig aus- scheiden. Um den kleineren und mittleren Besitz von der Steuer frei zu lassen, ist die Grenze, von der ab eine Erbschaftssteuer überhaupt erst eintreten soll, so gezogen, daß wenn der Wert des Gesamtnachlasses nicht mehr als 20,000 beträgt, Steuerfreiheit eintritt, gleichviel wie hoch der Anteil eines einzelnen Erben ist und daß im übrigen die Steuerpflicht für Kinder und kinderlose Ehegatten erst bei einem Erbanfall von mehr als 10,000 ^ beginnen soll. Der Mehrertrag der erweiterten Erbschaftssteuer ist auf 68 Diillionen zu veranschlagen, wovon nach Abzug
schon seine Vorbereitungen getroffen hatte. Das Ehepaar legte sich in der Nähe faul in das sonnendurchschienene Gras und sah belustigt den beiden Alten zu, die sich zu geschickten Köchen gewandelt hatten. Für Wolf Dietrich war es nichts Neues, aber Regina verfolgte alles mit dem größten Interesse, während der Gatte mit leiser Stimme die Erklärungen dazu gab.
„Jetzt scharrt Anton die glühende Asche zur Seite und gräbt, wo das Feuer brannte, ein Loch. Dieses wird mit den im See abgewaschenen, glatten Steinen ausgelegt, die er vorher in der Glut tüchtig erhitzt hat. Jetzt nimmt er die großen Kohlblätter zur Hand, tut Butter und Salz darauf und hüllt den Fisch sorglich hinein. Wie ein Wickelkind sieht er aus. Nun versenkt er die Forelle in das Loch, packt Steine darüber, und zuletzt bringt er die glühende Asche wieder an die alte Stelle. Mit einiger frischer Zufuhr erhält er ihr Glimmen, und in einer Stunde können wir unser Mahl beginnen."
„Wollen wir denn die ganze Weile so faul liegen bleiben?"
„Nein, wir klettern noch zu dem Ausguck hinauf, dort können wir alsdann, wenn wir die Landschaft genug bewundert haben, unsere Siesta fortsetzen. Vorher aber möchte ich um einige Schinkenstullen bitten, die vorderhand den größten Hunger stillen."
Es geschah alles nach seinem Wunsch, und dann kletterten sie wie ausgelassene Kinder über die Mauerreste weg zu dem kleinen Eckturm, der, noch leidlich erhalten, wenn auch ohne Dach, auf der Ringmauer aufsaß. Ein zierliches Birkenbäumchen wuchs aus einem Spalt hervor und läutete im frischen Wind mit allen goldenen Blättern zu ihrem Empfang. Hohes Gras überzog den erdbedeckten Boden, der noch keine Lücke aufwies, und die Fensterhöhlen bildeten den Lugaus ins weite Land.
„Wie weit man hier sieht!" rief Regina voller Freude.
„Siehst du Groß-Ellern?"
Regina schaute in der Richtung, die Wolf Dietrich angab, und sie entdeckte die Spitze des Turmes mit der Fahnenstange.
„Nun ich sehe noch etwas, was zu ihm gehört. Du siehst den Fluß
und darüber die farbige Höhe, die in dem Sonnenglanz bis hierher funkeln und leuchten."
„Ja."
„Und du bemerkst den geraden Strich, der sie vom Tal aufwärts durchschneidet."
„Ja, jetzt sehe ich es genau. Das ist die breite Schneise, und droben — ach, Wolf Dietrich, der alte Pavillon!"
„Wo wir Abschied nahmen, Regina."
„Abschied für immer, Wolf Dietrich."
Die junge Frau fiel ihm plötzlich aufschluchzend um den Hals und preßte ihn an sich, als solle er ihr wieder genommen werden.
„Mein liebes, liebes Weib!"
„Wenn ich jetzt von dir lassen müßte, mein Trautgesell, es wäre mein Tod. Trotz aller Liebe, die damals in mir war, ich kannte die Liebe dennoch nicht. Und als ich die Frau des andern wurde, da glaubte ich zu wissen, was ich mit dir verloren hatte, und konnte doch das Glück nicht ermessen, was ich jetzt halte."
„Wenn wir wieder daheim sind, wollen wir hin und Erinnerung feiern. Das alte Lusthäuschen hat unser erstes Glück gesehen und unfern ersten Schmerz, das ist für uns geheiligt."
„Könnten wir doch in Klein-Ellern bleiben. Ich fürchte mich vor der Rückkehr nach dem Schloß."
„Es geht nicht, Regina. Sei mein starkes, mutiges Weib und kämpfe die Vergangenheit nieder. Sie darf neben mir keine Stimme mehr haben. Sie ist nur traurig, eine Schuld birgt sie für uns beide nicht. Dein Opfer ist belohnt worden, Vater ist wieder rehabilitiert."
Regina stand am Bogenfenster und blickte in die sonnige Weite. Schwere Tropfen fielen aus den Augen, die so düster blicken konnten. „Eine Schuld birgt sie für uns beide nicht?" Sie fuhr zusammen. Schrie dort nicht eine rauhe Stimme nach ihr? Es war nur ein Raubvogel, der seine Kreise zog und nun auf seine Beute hinabstieß.
(Fortsetzung folgt.)