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in neun Fällen und Privaturkundenfälschung zu Monaten Gefängnis und wegen falscher Namensangabe zu 14 Tagen Haft.
Stuttgart, 5. Juni. (Wochenmarkt.) Dem Großmarkt waren heute 500 Körbe Kirschen zugeführt. Preis 12 bis 22 Pfennig per Pfund. Prestlinge kosteten im großen 50— 90 Pfennig. Im Einzelverkauf waren Kirschen im Durchschnitt um 5 Pfennig teurer. Auf dem Gemüsemarkt gab es Untertürkheimer Spargeln zu 50—90 Pfennig per Pfund, nach Qualität, Gurken zu 20—50 Pfennig, Kohlrabi zu 5—8 Pfennig, Bohnen zu 45 Pf., Brockelerbsen zu 15—18 Pf. per Pfund, Rhabarber zu 20— 25 Pf. per Bund. Der Wild- und Geüügel- markt verzeichnete Rehschlegel zu 4,50 Mk. bis 7 Mk., Rehziemer 5—8 Mk., Gänse zu 5— 5,80 Mk.
Vom Brackenheim er Amt 5. Juni. Die Traubenblüte hat begonnen und verspricht bei dem vollen Behang einen reichen Herbst. Auch das Ungeziefer der Weinberge tritt bis jetzt nicht zu häufig auf. Die Cichoriensaat ist gut aufgegangen, der Tabak wächst bei der günstigen, feuchtwarmen Witterung gut an. Tie Wiesen dagegen bleiben trotz des Regens etwas futterarm wogegen sich die Kleefelder ersichtlich erholen. Die Setzware, wie Angersen und Kraut ist gut ausgepflanzt und günstig auf den Grund gekommen. Von der Peronospora in den Weinbergen hört man bis jetzt glücklicherweise wenig. Gespritzt und geschwefelt ist so ziemlich in allen Weinbergen; in etwa zehn Tagen wird zum zweitenmal gespritzt.
Heilbronn 5. Juni. Ein eigenartiger Unfall ereignete sich in der Nähe der hiesigen Schießstünde. Ein Radler, der die Herrschaft über sein Fahrzeug an einer steilabfallenden Stelle verloren hatte, fuhr direkt in eine Abteilung Soldaten hinein und traf dabei einen Füsilier so heftig aus den Unterleib, daß er bewußtlos zusammenstürzte und ins Garnisonslazarett verbracht werden mußte.
Riedlingen 5. Juni. Gestern abend 2/<8 Uhr ging ein furchtbares Gewitter mit 15 Minuten dauerndem Hagelschlag über unsere Gegend nieder. Mit rasender Schnelligkeit bewegte sich aus Nordwesten eine schaurig schwarze Wolkenwand gegen die Stadt; der alsbald einsetzende Hagel fiel bis zur Größe von Taubeneiern, viele Fensterscheiben wurden zerschlagen, Dächer beschädigt, Telephonleilungen sind gestört, Garten und Feld bieten einen trostlosen Anblick; Roggen und Korn sind total vernichtet, bei der niederstehenden Gerste ist einige Hoffnung aus Weitergedeihen vorhanden, Kleefelder und Wiesen liegen zusammengetrescht da. Die ganze Gegend
glich gestern abend einer Winterlandschaft, so dicht lagen die Hagelschlossen und heute morgen noch liegen sie haufenweise herum. Der Schaden läßt sich augenblicklich noch nicht übersehen, doch dürfte er sehr erheblich sein.
Tuttlingen 5. Juni. Das gestern abend niedergegangene Gewitter hat in der Umgegend teilweise sehr großen Schaden, namentlich in den Gärten, angerichtet. Streckenweise lagen die Schloffen 15 Ctm. hoch.
Vom Lande 5. Juni. Nun kommt die Zeit, wo gefährliche Gewitter an der Tagesordnung sind. Für manche mag es daher gut sein, einiges zu erfahren, wie man sich bei einem Gewitter zu verhalten hat. Jedermann ist bekannt, daß der Blitz in der Regel in die höchsten Gegenstände einschlägt. Befindet sich nun während eines Gewitters irgend ein lebendes Wesen, sei es nun Mensch oder Tier, auf freiem Felde, so bilden sie den höchsten Gegenstand für diese Fläche. Ist also beim Anzug eines Gewitters jemand aus dem Felde, so mache er schleunigst, daß er nach Hause komme. Sollte ihm das nicht mehr möglich sein, so ist es das Beste, sich direkt auf den Boden zu legen, aber nie in der Nähe eines Baumes, Strauches, oder auch Streuhaufens und dergl., sondern etwa 10 Schritte von jedem höheren Gegenstände entfernt. Unter derartigen Gegenständen Schutz zu suchen, ist sehr gefährlich, wie oft es in Bäume oder auf Steinhaufen einschlägt, dafür braucht man wohl kein Beispiel anzusühren. Beim Heimgehen trage man nickt etwa eine Gabel oder Rechen und dergl. mit, sondern lasse sie liegen, bis das Gewitter vorüber ist. Wenn da eine Gabel oder Schaufel über die Schulter emporragt, so bilden diese Spitzen für den Blitz sehr gefährliche Anziehungspunkte. Laß sodann nie während eines Gewitters läuten. Im Zimmer selbst stelle dich nie neben Telefon- oder Wasserleitung, auch nie an ein Fenster oder an eine Türe. Gefährlich sind die Fenster namentlich, wenn eine Dachrinne oder ein Blitzableiter in der Nähe angebracht sind. Am besten hält man sich in der Mitte des Zimmers auf. Wohl mancher hätte vielleicht schon großes Unglück vermeiden können, wenn er diese einfachen Vorsichtsmaßregeln beachtet hätte.
Konstanz 4. Juni. Eine Wette von 25 000 Dollar gleich 100 000 hat ein Amerikaner namens Stan aus Losangeles in Kalifornien eingegangcn, daß er die Reise um die Welt zu Fuß in 3 Jahren machen werde. Gestern traf er hier ein. Am 15. September 1908 ist er in Losangeles abmarschiert und am 26. April in Havre auf europäischem Boden gelandet. Von hier marschiert er über Belgrad nach Petersburg
und durch Sibirien nach Japan und Amerika. Unterwegs muß er seinen Unterhalt selbst ver- verdienen.
Sigmaringen 6. Juni. Der sächsische Kronprinz und Prinz Friedrich Christian haben am Freitag einen Ausflug auf die Burg Hohenzollern gemacht. — Das schwere Gewitter, das am Freitag über der Stadt und der Umgegend niedergegangen ist und von starkem Hagel — die Schlossen fielen bis zu 20 ein hoch — begleitet war, hat in Gärten und Feldern sowie an den Bäumen schweren Schaden angerichtet. Auch Fensterscheiben wurden zertrümmert.
Köln 5. Juni. Bei Hersel unweit Bonn wurden gestern 2 Radfahrer, die in kurzen Abständen die Chaussee passierten, von Wegelagerern überfallen und beraubt. Die Räuber knebelten ihre beiden Qpfer und banden sie an einen Baum. Der eine der Ueber- fallenen wurde durch einen Schlag auf den Kopf schwer verletzt. Dann flüchteten die Räuber auf den Rädern der Ueberfallenen und gaben, als sie sich verfolgt sahen, mehrere Schüsse auf ihre Verfolger ab, die aber ihr Ziel verfehlten. Die Nachforschungen nach den Wegelagerern waren bisher erfolglos.
Düsseldorf 5. Juni. Die Strafkammer verurteilte den ehemaligen Trapistenpater Michael Bentz wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu 15 Monaten Gefängnis. Bentz hatte einen Großkaufmann zu Länder-Spekulationen in Südafrika, wo Bentz in einem Kloster war, animiert und ihn um eine Summe von 30 000 betrogen, nachdem er vorher eine Depesche gefälscht hatte.
Berlin 5. Juni. Es steht jetzt fest, daß Fürst Bülow den Kaiser bei seiner Zusammenkunft mit dem Zaren, die für die ersten Tage nach dem 15. Juni verabredet ist, nicht b egleiten wird, da er durch die kritische Situation im Reichstag in Berlin festgehalten wird. Dagegen werden in der Begleitung des Kaisers der Staatssekretär des Auswärtigen v. Schön und der Botschafter in Petersburg, v. Pourtales sein.
Berlin 5. Juni. An dem Frühstück im Reichskanzler-Palais am Freitag mittag nahm auch der Chef des Auswärtigen Amtes, Staatssekretär v. Schön teil. Man darf annehmen, daß hierbei auch u. a. die bevorstehende Begegnung des Kaisers mit dem Zaren zur Sprache gekommen ist. Irrtümlich ist die Meldung, die Zusammenkunft sei bereits auf den 19. Juni festgelegt. Der Tag ist noch nicht genau bestimmt, er wird jedoch sicher in die zweite Hälfte der dritten Juniwoche fallen.
Berlin 5. Juni. Zur Zeit finden im Reichs sch atz amte unter dem Vorsitze des
„Schändlich! So tief wurde sie, die Stolze, vor dem Richter gedemütigt."
„Nein, sie wurde nicht gedemütigt, denn ihre Aussage widersprach der meinen, und der Richter glaubte der ihren. Ich mußte mich bescheiden."
Ein tiefes Schweigen folgte. Sibylle wagte nicht zu erzählen, daß auf ihre furchtbare Anklage hin Regina vereidigt wurde. Sie fürchtete sich plötzlich vor dem schweigsamen Mann, den sie so bitter gehaßt hatte und der das Schlimmste noch gar nickt ahnte. Sie fürchtete sich auch vor Vetter Bernhard, denn sie kannte dessen Rücksichtslosigkeit, wenn ihm jemand in den Weg trat. Er würde Sorge tragen, daß sie aus Schloß Ellern verbannt würde, wenn sie nicht schwiege, und das wäre ihr Tod.
Scheu suchte ihr Blick den des Neffen, und als sie in diese schönen, klaren Augen blickte, kam ihr ihr Verdacht selbst ungeheuerlich vor. Aber da gewesen war er doch, und dann hatte Regina einen Meineid geschworen. Wenn sie es ihm verriet, so würde er sich vielleicht doch bedenken, eine solche Frau zu seiner Gattin zu nehmen. Doch mit der Erwähnung der eidlichen Aussage mußte sie sich auch zu der schweren Anklage bekennen, die diese bedingte.
Nein, das erschien ihr jetzt unmöglich, ihre künstlich gesteigerte Energie brach jählings zusammen, ihre Nerven versagten. Weinend sank sie auf den Seffel nieder und winkte Wolf Dietrich abwehrend mit der Hand. Sie wollte allein sein.
Wolf Dietrich ging davon, aber der Groll über Sibylles Härte überwog in dieser Stunde sein Mitleid. Er gewann die Gewißheit, daß sie nicht zu überzeugen mar, und er sagte sich, daß Regina um des Friedens willen Groß-Ellern verlassen hatte. Wer die Liebste kränkte, kränkte auch ihn, aber in Zukunft würde er sie vor Beleidigungen zu schützen wissen. Ihr Platz in Groß-Ellern sollte ihr unbestritten bleiben, an seiner Seite zog sie binnen kurzem hier wieder als Herrin ein, und wollte Sibylle mit ihr nicht Frieden halten, so mußte sie fortziehen. Eine andere Lösung gab es nicht. Gut, daß das Schloß so groß war und die Wohnungen so streng getrennt, daß man sich bequem aus dem Wege gehen konnte.
! Doch nun genug von den häßlichen Dingen, auf nach Klein-Ellern, ! wo Liebe und Glück ihn erwarteten!
j „Ich glaube,- du bist noch schöner geworden, Liebste", begrüßte Wolf Dietrich feine Braut, als sie zu seinem Empfang herbeieilte.
„Weil ich von dir geträumt habe, Wolf Dietrich."
„Und ich habe geschlafen wie ein Murmeltier."
„Warum kommst du so spät?"
„Ich mußte doch allerlei Menschen Audienz erteilen, und dann war ich auch bei Tante Sibylle."
„Du blickst so ernst."
„Wie sollt' ich nicht. Ich erfuhr aus ihrem Munde" . . .
„Was?"
„Wie du bleich wirst, Regina, so schmerzlich empfindest du noch die Kränkung? Mein armes Lieb, wie hast du um meiner Torheit willen leiden müssen. Man hat dich beleidigt durch schnöden Verdacht. Vor dem Untersuchungsrichter hat meine stolze Regina... Was fehlt dir? Beruhige dich, dies alles liegt jetzt weit hinter dir."
Wolf Dietrich nahm die Bebende an sein Herz und küßte ihren zuckenden Mund bis ein schwaches Lächeln ihn umspielte. Was wußte er von ihrer Angst, sich entdeckt zu sehen?
„Sei unbesorgt, jetzt bin ich zu deinem Schutze da. Wie durfte Tante Sibylle dem Untersuchungsrichter diese Aussage machen. Da sie mich, wie sie behauptet, bestimmt erkannt hat, so wußte sie ja, daß der von ihr Gesehene nicht mit dem Mörder identisch sein konnte. Also wozu diese Aussage, das war eine Familienangelegenheit, die mit dem Mord nichts zu tun hatte. Wollte sie mit dir darüber reden — gut, das lasse ich noch gelten, aber es vor das Forum eines Fremden, und zwar einer juristiscken Person zu bringen, ist mehr wie taktlos."
„Sprechen wir nicht mehr davon. Lassen wir überhaupt alles ruhen, was mit der furchtbaren Nacht zusammenhängt," bat die von ihrer Angst Befreite. (Fortsetzung folgt.)