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Zentner zum Versand kommen. Manche Bäume hängen so voll, daß man sie stützen muß. Am 13. Juni soll ein Kirschen-Erntefest verbunden mit einem Trachtenfest gefeiert werden, wobei alle im RemStal und auf dem Schurwald vorkommen­den Trachten vertreten sein sollen. Voraussichtlich wird der Verein zur Erhaltung der alten Trachten in Schwaben bei der Veranstaltung Mitwirken.

Ulm 23. Mai. Einem gelungenen Schwindel ist ein Bauer aus der hiesigen Gegend in Freiburg i. B. zum Opfer gefallen. Dort machten sich drei Italiener an ihn heran, von denen einer vorgab, daß seine verstorbene Schwester 36 000 mit der Bestimmung hinter­lassen habe, verschiedene Stiftungen in Deutsch­land damit zu bedenken. Auch eine Stiftung in Freiburg bekomme Geld. Dieses sei aber noch nicht eingetroffen. Da es an die Behörde avsgeliefert werden solle, möge der Bauer einst­weilen aushelfen. Der war wirklich so dumm und lieferte den Italienern seine Ersparnisse im Betrage von 132 aus. Die Schwindler verschwanden alsbald. Es gelang aber der Polizei, den Hauptbeteiligten hier zu verhaften.

Der gestrigen Schranne waren 1037 Ztr. Frucht zugeführt, die bis auf einen Rest von 37 Ztr. zu folgenden Mittelpreisen verkauft wurden: Kernen 13.33, Weizen 13, Roggen 8.80, Gerste 9.60, Haber 9.37, Wicken 11 -/L. Gegen den letzten Fruchtmarkt haben pro Zentner auf­geschlagen Kernen um 30 Weizen um 30 c-, Roggen um 13 Haber um 30 Abgeschlagen hat dagegen Gerste um 9 ^ Friedrichshafen 23. Mai. Der in Aussicht stehende Besuch einer Anzahl (man spricht von 100150) Reichstagsabgeord­neter zur Besichtigung des 2 II am 5. Juni hat das Zeppelinsche Bureau veranlaßt, bei den hiesigen Hotel- und Gasthofbesitzern über die Zahl der verfügbaren Quartiere Umfrage zu halten. Da zur Zeit kloch keine Kur- und Bade­gäste hier weilen, können in den verschiedenen Gast­höfen 400 Personen untergebracht werden, ganz ab­gesehen von den zahlreichen Privatquartieren.

Frankfurt a. M. 22. Mai. Bei der Preisverteilung im 3. Gesangswettstreit deutscher Männergesangvereine erhielt den Kaiserpreis (goldeneKette) der Kölner Männergesang­verein, den 2. Preis erhielt der Berliner Lehrergesangverein, den 3. die Bonner Liedertafel, den 4. Gesangverein Coblenz, 5. Concordia Essen, 6. Wiesbadener Männer­gesangverein, 7. Berliner Sängerverein, 8. Lieder­halle Karlsruhe, 9. Barmer Sängerchor, 10. Dort­munder Männersangverein, I I. Concordia Aachen, 12. Crefelder Sänger-Vereinigung.

Frankfurt a. M. 22. Mai. Der

Kaiser richtete aus Anlaß des 3. deutschen Gesangswettstreits folgenden Erlaß an den Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau:

Am Schluß der erhebenden Festtage in Frankfurt und Wiesbaden ist es mir ein Be­dürfnis, den Einwohnern dieser schönen Städte für den herrlichen und glänzenden Empfang zu danken, der der Kaiserin und mir von allen Seiten der Bevölkerung entgegengebracht wor­den ist. Die Beweise freundlicher Gesinnung, die uns überall, nicht zum wenigsten aus den Reihen der Jugend entgegenklangen, haben unserem Herzen wohlgetan und die Bande gegenseitiger Zuneigung, die uns mit diesen schönen Landesteilen und dessen Bewohnern seit langen Jahren verknüpfen, noch fester geschlungen. Mit besonderer Anerkennung gedenke ich der musterhaften Ordnung, die bei dem Zusammenströmen der großen Menschenmenge überall herrschte, und freue mich, auch den polizeilichen Organen für die umsichtige Handhabung ihrer schweren Auf­gabe meinen Dank aussprechen zu können. Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur allgemeinen Kenntnis zu bringen. Frankfurt a. M., Fest­halle, 22. Mai 09. Wilhelm I. U.

München 22. Mai. In einer gestern abend von Interessenten zahlreich besuchten Ver­sammlung, der auch Direktor Colsmann von der Zeppelin-Gesellschaft in Frie­drichshafen beiwohnte, wurde im Prinzip be­schlossen, in München eine Luftschiffhalle zu erbauen. Die Stadt soll hierzu den notwen­digen Boden im Umfang von 240 Tagwerk, also mit einem Durchmesser von etwa einem Kilo­meter, gratis zur Verfügung stellen. Die Finan­zierung des Unternehmens hat die Münchener- Handelskammer in Verbindung mit dem Han­delsverein übernommen. Uebrigens will man noch mit der Luftschiffer-Abteilung bezw. mit dem bayrischen Kriegsministerium wegen Förderung des Unternehmens in Verbindung zu treten, um die Kosten evtl, auf breitere Schultern noch zu verteilen.

München 22. Mai. Durch fast unglaub­liche U n s a u b e r k e i t der Geschäftsführung haben zwei hiesige Wurstfabrikanten die Aufmerk­samkeit der Behörden auf sich gelenkt. Infolge einer Anzeige der Fettlieferanten wurden die Läden und Arbeitsräume der beiden Meister revidiert und dort Wahrnehmungen gemacht, die die jüngst aufgedeckten Geheimnisse des Wurst­kessels noch weit in den Schatten stellen. Nicht nur wurde vereitertes und Pferdefleisch für die Wurstfabrikation verwendet, sondern das Speise­fett wimmelte auch von Würmern, die mit in das Fett gerieben wurden.

Berlin 22. Mai. 10 Stadträte und 20 Stadtverordnete der Berliner Stadt-Verwaltung sind mit dem Oberbürgermeister Dr. Kirschner und dem Bürgermeister Dr. Reicke nach Bremen gereist. Bon dort begeben sich die Herren nach Bremerhaven, um mit dem DampferFriedrich Wilhelm" des Norddeutschen Lloyd die Reise nach Southampton anzutreten. Die Herren kehren am 26. ds. nach Berlin zurück.

Vermischtes.

Sprachtorheiten. Der Deutsche müßte eigentlich so ziemlich alle Sprachen der Welt beherrschen, nur um seine Zeitung lesen und über ihren Inhalt sprechen zu können. Wer hätte noch nicht bemerkt, wie ganz gebildete Leute in Verlegenheit kommen, wenn sie etwa einen ausländischen Namen erwähnen sollen, über dessen Aussprache sie sich nicht vollkommen klar sind. Der Schreiber dieser Zeilen bekennt sich gerne schuldig, in solchen Fällen früher auch in Verlegenheit gekommen zu sein. Aber es ist ein Unsinn, der sich würdig all den anderen Lächer­lichkeiten anreiht, die wir aus Bildungsdünkel und Auslandsliebhaberei begehen. Warum sprechen wir fremde Orts- und Personennamen nicht einfach aus, wie sie geschrieben sind? Uns kann es doch ganz einerlei fein, wie man den Namen in seiner Heimat ausspricht! Welcher Franzose spricht denn Berlin so, wie wir es sprechen? Und in Paris trinkt alle Welt anstatt Münchener Bier" immer nurUiär«- cks Llunieb". Warum also geben wir uns da größere Mühe als der Franzose, als der Brite, als der Pole, als der Tscheche, die alle jeden ihnen vorkommen­den Ortsnamen und Personennamen sich selbst­herrlich mundgerecht machen? Wir wollen damit unsereBildung" erweisen. Das ists. Denn wir begreifen noch nicht wenigstens nicht praktisch, daß Bildung etwas anderes ist als Gelehrsamkeit, und daß mancher Mensch über recht viel Gelehrsamkeit verfügt, ohne doch auch nur mäßiggebildet" zu sein. Zudem aber sind wir in unserer Behandlung der fremdenWörter auch noch inkonsequent. Wir sagen zum Beispiel nicht Milano, sondern Mailand, nicht Genova, sondern Genua, nicht Napoli, sondern Neapel. Aber es wäre grauenhaft, wenn jemand einen französischen Ortsnamen so sprechen wollte, wie er für unseren Zungenbrauch geschrieben steht, oder wenn man mit Bezug auf einen britischen Namen das gleiche tun wollte. Da gäbe es gewiß zahlreiche Leute in der Zuhörerschaft, die ihre Nase bis zur Wurzel hinauf rümpfen würden über solchenBildungsmangel". Und gerade diese lächerliche Eitelkeit verschuldet, wenn man sich alle Gebiete überdenkt, auf denen sie wirksam

Ich hatte noch eine lange Unterredung mit dem Untersuchungsrichter. Der Mörder muß verfolgt werden."

Glaubst du an den Wilddieb?"

Wer sollte es denn anders gewesen sein, Sibylle? Wilhelm hatte doch keinen Todfeind."

Wer weiß?"

Du sprichst in Rätseln."

Hat dir der Amtsrichter nichts von dem Herrn erzählt, den ich in der Mordnacht kurz vor dem Unglück gesehen habe?"

Ja, aber er sprach von einem Mann. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß es der Mörder war."

Ich habe einen Herrn gesehen und glaubte, ihn auch erkannt zu haben, aber die eidliche Aussage Reginas straft mich Lügen."

Reginas eidliche Aussage? Davon ist mir nichts bekannt. Willst du dich nicht näher erklären, Sibylle?" fragte Ellern interessant und setzte sich in einen Sessel; er fühlte sich sehr abgespannt.

Ich wollte Regina gegen neun Uhr aufsuchen, fand aber ihre Zimmertür verschlossen und hörte eine Männerstimme."

Ihr Vater war bei ihr, wie ich annehme."

Nein, Krausneck war auf dem Wege zur Station, um Wilhelm abzuholen."

Dann gingst du den langen Gang zurück in den alten Bau und sahst den Mann."

Nein, den Herrn in einem Reisepelz."

Du willst doch nicht sagen, daß dieser Herr, den du gesehen haben willst, aus Reginas Zimmer kam?"

Das Zimmer meines Sohnes war in dieser Nacht unverschlossen, es konnte von der Terrasse aus einer, der ungesehen bleiben wollte, un­gestört auf diesem Wege das Zimmer Reginas betreten und wieder verlassen."

Ich verstehe dich wirkllich nicht, Sibylle, oder vielmehr ich will dich nicht verstehen," erwiderte der alte Herr, jetzt wirklich aufgebracht.

Vielleicht verstehst du mich, wenn ich dir sage, daß ich geglaubt habe, Wolf Dietrich zu erkennen."

Ellern sprang empor und blickte Sibylle an, als habe sie den Ver­stand verloren, dann sagte er mit unterdrücktem Zorn:Du weißt wohl nicht, was du sagst."

Mein Verdacht ist ja auch nicht bestätigt worden, denn Regina hat unter Eid ausgesagt, daß sie weder Wolf Dietrich noch einen anderen Herrn bei sich empfangen hat."

So weit hast du es getrieben, Sibylle, daß die arme Frau hat einen Eid leisten müssen. Hat das Unglück, das über dich gekommen ist, dich so verbittert, daß du Wolf Dietrich, dem du das Erbe deines Sohnes nicht gönnst, so furchtbar verdächtigst und Regina dazu?"

Ich war fest überzeugt, Wolf Dietrich erkannt zu haben."

Doch nicht gleich, Sibylle, sondern erst nachträglich, als der Mord geschehen war."

Ich glaubte zuerst nur an eine täuschende Aehnlichkeit, aber als das Furchtbare geschehen war, sagte ich mir, daß der Herr, den ich sah, nur Wolf Dietrich gewesen sein könne."

Und jetzt weißt du, daß du dich getäuscht hast. Wolf Dietrich ist den Morgen nach der Mordnacht von Bremerhaven abgefahren, wie ich von Kraußneck gehört habe. Dein Sohn hat ihm selber erzählt, daß sie in Berlin noch voneinander Abschied genommen haben."

Sibylle ging im Zimmer unruhig auf und ab, dann murmelte sie: Daß meine scharfen Augen sich so getäuscht haben sollen."

Es wäre besser gewesen, du hättest nicht so fest an deinen Scharf­blick geglaubt, dann wäre es Regina erspart geblieben, diesen Eid schwören zu müssen. Zu dem großen Leid auch noch solch schändlichen Verdacht auf sie zu laden, das hätte ich dir nicht zugetraut, Sibylle. Ich schäme mich in deiner Seele."

Und ich kenne keine Scham, wenn es gilt, den Mörder meines Sohnes zu finden." (Forts, folgt.)