Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamkbezirk Calw.

118.

84. IahrMK.

DAL

M4

LrscheinungStage: Montag, Tienstaa, Mittwoch. Donnerstag, Freitag und tz-amstag. Jnsertionspreis :v Dfg. pro Zeile für Stadt u. BezirkZorte: autzcr BezirL 12 Pfg.

Montag, den 24. Mai 1909.

^ Bezugspr.i.d. Stadt r/ijährl. in. Trägerl. Mk. 1.25. PostbezugSpr. j> f. d. Orts- u. Nachbarortsverk.' Zähr!. Mk. 1.20, im Fernverkehr !I Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg.. in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Amtliche Bckanntmachrrrrgen.

A« die Kgl. Ortsschnlinfpektorate.

Da sich für einen Zeichenkurs in Gechingen nicht genügend Teilnehmer gemeldet haben, soll der Kurs nunmehr in Calw stattfinden und zwar ganz­tägig (Mittwoch). Meldungen zu demselben sollten sobald als möglich eingesandt werden. Dabei wird angenommen, daß die Meldungen für Gechingen auch für Calw gelten, wenn nicht eine Zurücknahme erfolgt.

Die Kgl. Ortsschnlinfpektorate werden ersucht, daS Erforderliche zu veranlassen.

Calw, 2t. Mai 1909.

K. BeziikSschultnspektorat.

Schmid.

Tagesnenigkeite«.

Calw. Laut Bekanntgabe imStaats - anzeiger" wird Weltenschwann vom 1. Juni ab eine öffentliche Sprechstelle erhalten.

Stuttgart 22. Mai. Heute nachm ittag 3 Uhr fand das Leichenbegängnis des im Alter von 71 Jahren aus dem Leben geschiedenen Kom­merzienrats Gustav Gundert statt. Ein zahl­reiches Trauergefolge begleitete den Dahin­geschiedenen unter den Klängen eines Trauer- Marsches zur letzten Ruhestätte. Prälat 0. v. Weit brecht legte seiner Grabrede den Text von Johs. 21 zugrund und schilderte dann den Verstorbenen als einen echten Württemberger. Herb und doch gemütvoll, kantig und eckig, schlicht, einfach und wahrhaft, ein aufrecht deutscher Mann, bei dem ein Mann ein Wort und ein Wort eine Tat galt. Der Geistliche dankte dem Verstorbenen für alles, was er durch eine Reihe von Jahren für die Stiftskirche getan habe, denn mit dem Verstorbenen sei ein Mann dahingegangen, bei dem christlicher Glaube und christliche Lebensauffassung

die Wurzel seiner Tätigkeit gewesen sei. Nach dem Schlußgebet legte Kaufmann Reinhold Beringerim Namen des Konservativen Vereins eine prächtige Kranzspende mit warmen Worten nieder, ebenso wurden von dem Zentralverein der deutschen Lederindustrie und von dem Württ. Gerberverein unter ehrenvollen Nachrufen Kränze niedergelegt. Hierauf fand die ergreifende Feier durch einen Choral ihren Abschluß.

Stuttgart 22. Mai. Heute vormittag gegen '/s12 Uhr brach im Dachstuhl des Eis- hauses der Tivolibrauerei Feuer aus. Dieses Eishaus ist ein großes, etwa 20 vi hohes Ge­bäude, das zum Teil aus Backsteinen, zum Teil aus Holz errichtet ist und doppelte Außenwände besitzt, deren 80 ein breiter Zwischenraum zur Abhaltung der Hitze von außen her mit Sägmehl gefüllt ist. Das Giebeldach diente zur Aufnahme von Stroh- und Futtervorräten, die gleichfalls isolierend wirken und dort auch aus diesem Grunde untergebracht waren. Vom Dachstuhl ging das Feuer aus, wohl infolge Selbstentzündung des in großen Mengen aufgestapelten Stroh's. Es nahm sofort größere Dimensionen an und fand weitere Nahrung in der Asphaltbedeckung des Daches, sodaß der Dachstuhl binnen kurzem lichterloh brannte. Von der Berufsfeuerwehr wurden beide Löschzüge mit ihren Dampfspritzen alarmiert, von denen die eine in der Forst-, die andere in der Falkertstraße Aufstellung fand. Die Bekämpfung des Feuers wurde wesentlich dadurch erschwert, daß der Druck der gewöhnlichen Hydranten sich als völlig unzulänglich erwies. So blieb beinahe die ganze Arbeit den Dampf­spritzen überlassen. Die Wassermassen wurden teils von oben her durch das allmählich völlig ausgebrannte Dach, teils auch durch die für die Eisaufnahme vorhandenen Lucken gegen den Brandherd geschleudert, der sich auch auf das

seitliche Jsolierungsmaterial erstreckte. Es be­durfte einer mehr als Zstündigen angestrengten Tätigkeit, bis das Feuer vollkommen gelöscht war. Die freie Lage des Eishauses gestattete der durch einige freiwillige Mannschaften unterstützten Be^ rufsseuerwehr von allen 4 Seiten vorzugehen. Hätte nicht völlige Windstille geherrscht, so wäre unter Umständen das in der Nähe befindliche Dörrhaus kaum zu retten gewesen. Die vom Brandplatz nicht weit entfernte VillaMessina" des Geh. Hofrats v. Jobst war nicht gefährdet, aber zeitweilig stark in Rauch eingehüllt. In der Forst- und Falkertstraße sammelten sich, zumal zwischen 12 und 1 Uhr, ungeheure Menschen- masfen an, die durch ein großes Polizeiaufgebot in entsprechender Entfernung gehalten wurden. Der Gebäudeschaden dürfte nicht unerheblich, aber durch Versicherung gedeckt sein. Unangenehm wird die Brauerei, namentlich jetzt zu Beginn der heißen Jahreszeit, den Verlust ihres großen Eisvorrats (etwa 80 000 Ztr. soll das Gebäude enthalten haben) empfinden, im übrigen ist ihr Betrieb in keiner Weise gestört.

Kirchheim u. T. 22. Mai. Infolge der anhaltenden Trockenheit verspricht die Heuernte nur geringe Erträgnisse. Das Heu­gras zeigt ganz wenig Wachstum und der Klee hat unter den Maifrösten sehr notgelitten. Unter diesen Umständen ist die Nachfrage nach Dürr­futter eine große, die Heupreise sind rasch in die Höhe geschnellt, so daß jetzt schon für den Zentner Heu 5 .Ä bezahlt werden.

Strümpfelbach i. Remstal 22. Mai. Heuer steht hier eine ganz außerordentlich reiche Kirschen ernte in Aussicht, man schätzt, daß es auf der Markung Strümpfelbach 60007000 Zentner Kirschen geben wird. Mit den von auswärts, Schanbach, Lobenrot, Aichelberg herein­gebrachten Kirschen werden von hier ca. 10000

Regina.

Roman von I. Iob st.

(Fortsetzung.)

Stolz aufgerichtet standen die Frauen zur Seite des Sarges, aber als ob sie sich auch hier ihres Zwiespaltes voll bewußt war, stand Sibylle zur Linken und Regina zur Rechten. Kein Blick flog hinüber, die junge Frau suchte nicht Trost und Stütze bei der Mutter ihres Gatten, und diese wandte sich ihr nicht mit mütterlicher Sorge zu. Es mochte vielleicht manchem Tieferblickenden in der Trauerversammlung auffallen.

Below fuhr plötzlich aus seinem tiefen Sinnen auf. Hatte ihn nicht ein forschender Blick Reginas getroffen? Es war kein Zweifel, immer wieder heftete sich das dunkle Auge der Witwe mit seltsamer Unruhe auf ihn, um sofort wieder abzuirren, seine Gegenwart peinigte sie sichtlich. Es ist das böse Gewissen, das Gefühl einer schweren Schuld, das aus ihr spricht. Aber wo liegt sie? Wolf Dietrich war nicht hier gewesen, doch konnte sie sich nicht auch schuldig fühlen, wenn sie heimliche Liebe mit dem Vetter des ermordeten Gatten verband?

Der Aufbruch der Trauerversammlung unterbrach das Grübeln des Juristen, der Sarg schwankte die Treppe der Gruft hinunter, die beiden Damen verließen die Kapelle durch eine Tür, die die Verbindung mit dem Schlosse bildete. Man fand es nur zu begreiflich, daß sie sich zurück­zogen. Die Wagen fuhren vor, und es blieb nur der Kreis der intimsten Freunde und Verwandten zurück, die der Einladung von Kraußneck folgten, vor der Heimfahrt noch einen kleinen Imbiß im Schloß zu sich zu nehmen.

Auch Below gehörte zu ihnen, und er horchte hier und dort, aber da war kein Wort des Tadels zu hören, das Wolf Dietrich, den Anerben des Majorats getroffen hätte. Er schien ungewöhnlich beliebt zu sein,

man besprach natürlich seine Aussichten, und da war wohl keiner, der ihn nicht gern als Schloßherrn von Groß-Ellern gesehen hätte. Baronin Sibylle hatte anscheinend wenig Liebe, von der jungen Baronin sprach man kaum, sie war durch die lange Trauerzeit allen noch eine Fremde geblieben. Baron v. Ellern, ein Vetter des alten Barons und Onkel des Ermordeten, der in Mecklenburg ansässig war, blieb über Nacht. Er war der Aelteste seiner Familie und als solcher der Beirat der verlassenen Frau. Er forderte Below auf, ihn in das Zimmer des Verstorbenen zu begleiten, wo sie eine lange Unterredung hatten. Zuletzt wurden Eckardt und der Fischmeister Meinhardt ins Schloß befohlen, sie mußten über die Wilddiebe Bericht erstatten. Es wurde den beiden alten Beamten mit- geteilt, daß demnächst ein tüchtiger Kriminalbeamter kommen würde, um in der Rolle eines angestellten Inspektors den Spuren des Mörders zu folgen und unauffällig seine Nachforschungen zu betreiben. Zwei Unter­beamte würden ihm außerdem beigegeben, um das Revier zu bewachen, sie sollten sich in nichts von gewöhnlichen Forstarbeitern unterscheiden.

Die Krankheit Willerts erklärt ja zur Genüge diese Maßnahme, da in diesem Winter eine besonders große Abholzung vorgesehen ist und der tiefe Schnee die Arbeit sehr verzögert hat", stimmte der alte Förster bei.

Als die beiden Beamten das Zimmer verlassen hatten, empfahl sich auch der Richter; ein dringender Termin rief ihn fort, er hatte nichts mehr, was ihn hier festhielt. Von dem Verdacht der alten Baronin hatte er nichts erzählt; die Sache war und mußte für ihn erledigt sein. Der alte Herr ließ sich nunmehr bei Sibylle melden. Es war so vieles, was besprochen werden mußte.

Als er bei ihr eintrat, fand er die arme Frau in furchtbarer Erregung und sie rief ihm zu:Ich dachte schon, du seiest abgereist, ohne mich zu sprechen."

Aber Sibylle, es war mir nicht möglich, dich früher aufzusuchen.