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daß die ihnen zuteilgewordene Lohnerhöhung durch eine ungünstigere Diensteinteilung wieder ausgeglichen worden sei. (Morgen Fortsetzung.)
Stuttgart 12. Mai. Sämtliche an der Internationalen Lastwagen-Konkurrenz und der militärischen Prüfungsfahrt beteiligten Wagen werden morgen Donnerstag, den 13. Mai, von vormittags 11 Uhr bis abends 6 Uhr auf dem Gewerbehalleplatz ausgestellt sein.
Stuttgart 11. Mai. (Feriensonder - züge.) Im Laufe des Sommers werden folgende Feriensonderzüge nach und aus Württemberg ausgeführt: Am 10. 11. Juli von Berlin und Leipzig über Erfurt—Würzburg nach Stuttgart bis Friedrichshafen, am 14./15. Juli von Hamburg über Hildesheim—Bebra—Würzburg nach Stuttgart (Friedrichshafen), am 15.^16. Juli von Dresden (Leipzig) über Hof—Nürnberg nach Ulm und Friedrichshafen, sowie nach Stuttgart und am 24. 25. Juli von Stuttgart nach Berlin und Leipzig (über Würzburg-Erfurt), am 31. Juli bis 1. August von Leipzig über Hof—Nürnberg nach Ulm und Friedrichshafen, sowie nach Stuttgart und am 7./8. August von Westfalen und den Rheinlanden nach Stuttgart und Friedrichshafen. Ferner werden zu einem am 16.U7. Juni von München über Nürnberg, Würzburg nach Hamburg und Bremen verkehrenden Feriensonderzug auch auf einigen größeren württembergischen Stationen Fahrkarten giltig ab Nürnberg und Würzburg aufgelegt. Wegen der Fahrpreise und des Fahrplans für den Feriensonderzug von Stuttgart nach Berlin und Leipzig wird das Nähere später durch Anschlag auf den Stationen bekannt gemacht werden.
Wangen-Stuttgart 11. Mai. Ein 25jähriger Knecht des Fuhrwerkbesitzers Glemser hier kam gestern abend ^9 Uhr bei der früheren Zementsabrik hier beim Abspringen von seinem schwer beladenen Fuhrwerk unter die Räder, wobei ihm der Kopf und Brustkorb vollständig eingedrückt und ein Fuß und Arm abgefahren wurden; auch der angehängte zweite Wagen ging über ihn weg. Der Tod trat sofort ein. Die Leiche wurde ins Leichenhaus nach Cannstatt verbracht.
Kirchheim u. T. 11. Mai. Ein Auto- molnlunfal , der leicht schlimme Folgen hätte haben können, hat sich am Sonntag auf der Straße Holzmaden-Jesingen ereignet. Fabrikant G. von Ö. war mit mehreren Gästen auf einer Tour begriffen, der Chauffeur scheint plötzlich die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren zu haben, sodaß das Automobil über die Straßenböschung in einen Wiesenplan hineinfuhr. Hierbei wurden die Insassen herausgeschleudert, gleichzeitig schoß eine Flamme empor, die durch Entzündung des Benzins entstanden zu sein scheint.
Einzelne Teilnehmer an der Fahrt haben leichte Brandwunden davongetragen.
Geislingen St. II. Mai. Gestern mittag benahm sich ein Stromer, der in dem benachbarten Kuchen vom Landjäger wegen Landstreicherei, und Zechprellerei verhaftet werden sollte, so ungebärdig, daß er gefesselt und auf einem Wagen hierher transportiert werden mußte. Vor dem Amtsgericht kam es nochmals zu einer- aufregenden Szene, da der sich ganz rabiat Gebärdende nur mit Gewalt durch mehrere Personen vom Wagen heruntergebracht und bewältigt werden konnte.
Pforzheim 11. Mai. Ein ganz merk- w ü r d i g e r Un g l ü cks f a ll hat sich gestern vormittag hier ereignet. Im Hause Partstraße 3 waren im dritten Stock die Kinder des Goldschmieds Blau allein in der Wohnung und machten Feuer. Nachbarn, die den Rauch sahen, wollten zu Hilfe kommen, verwechselten aber die Türe im vierten Stockwerk und schlugen diese, da sie geschlossen war, ein. Als die dort anwesende 29 Jahre alte Ehefrau Pauline des Goldschmieds Bischofs, eine Polisseuse, den Lärm hörte und die Beile sah, glaubte sie, Einbrecher wollten eindringen und schrie um Hilfe, und als sie keine Hilfe erhielt, die Leute vielmehr in die Wohnung eindrangen, stürzte sie sich aus lauter Angst aus dem Fenster des 4. Stocks 16 Meter hoch in den Hof hinab, wo sie mit schweren inneren und äußeren Verletzungen liegen blieb. Sie starb nach einer Stunde im Krankenhause. Eines der Kinder, der 3'/jährige Blau, hat schwere Brandwunden erlitten.
München 11. Mai. Die Polizei nimmt an, daß die beiden Juwelendiebinnen sich fälschlich als Baroninnen Rotge und Szegau ausgeben. Die Letztere versucht, die ganze Schuld von sich abzuwälzen und erklärt, sie habe keine Ahnung davon gehabt, daß ihre Gesellschafterin seit Jahren Juwelendiebstähle ausführe. Die angebliche Gesellschafterin gestand nach anfänglichem Leugnen: Seit Jahren reisen wir nur in Juwelendiebstählen und sind in vielen großen Städten gewesen. Wir kommen morgens und stehlen. Dann reisen wir mit den gestohlenen Juwelen schleunigst ab. Selten bleiben wir länger als einen Tag an einem Ort.
Berlin 11. Mai. DieFinanzkommis- sion des Reichstags beriet heute über den Entwurf der Subkommission und den neuen Entwurf wegen Aenderung des Tabaksteuergesetzes. Die Subkommission hat an Stelle der von den verbündeten Regierungen vorgeschlagenen Banderolensteuer einen Wertzuschlag auf den Zoll für die aus dem Ausland eingeführten Zigarren in Höhe von etwa 30 Proz. vorgeschlagen, deren Ertrag rund 30 Millionen gegen
77 Millionen der Regierungsvorlage beträgt. Von konservativer Seite wurde erklärt, sie müsse den Vorschlag der Subkommission ablehnen. Ein Bundesratsbevollmächtigter betonte, daß der Ertrag aus dem Tabak nicht so stark gekürzt werden dürfe, wenn Branntwein und Tabak insgesamt 275 Millionen einbringen sollen. Ein Sozialdemokrat verwarf den Vorschlag der Subkommission. EinFreisinniger lehnte die Banderole- und Fakturenwertsteuer ab und war für eine Zollerhöhung bis zu 36 Millionen. Die Reichspartei war gegen die Gcwichts- steuer und für die Banderole, während sich ein Zent rums Mitglied gegen letztere erklärte und ein anderes Mitglied stärkere Belastung der Zigaretten wünschte. Die Freisinnigen beantragten Erhöhung des Eingangszolles auf Tabak nach dem Gewicht. Hiergegen wandte sich Staatssekretär Sydow, weil der Antrag die Steuer sterilisiere und sie unfähig mache, fortschreitenden Verbesserungen des Tabaks Rechnung zu tragen. Demgegenüber habe der Vorschlag der Subkommission den Vorzug der Entwicklungsfähigkeit. Die Kommission lehnte bei der Abstimmung über die Tabaksteuer die Erhöhung des Gcwichts- zolles gegen die Stimmen der Freisinnigen und der Nationalliberalen ab und nahm den Wertzollzuschlag im Prinzip an (mit 16 Stimmen der Konservativen, der Reichspartei, der Wirtschaftlichen Vereinigung und des Zentrums).
Berlin 11. Mai. Tie Abstimmung über den Entwurf der Subkommission wurde nur als eine vorläufige betrachtet; der Entwurf soll nunmehr in allen Einzelheiten durchberaten werden. Sollte diese Beratung kein positives Ergebnis haben, so kommt man vielleicht auf die Banderole zurück. Die Einzelberatung des Entwurfs der Subkommission beginnt morgen vormittag.
Berlin 11. Mai. Die gestrige Konferenz beim Reichsschatzsekretär, an der die Oberbürgermeister der großen Städte, Vertreter der Wissenschaft, wie Professor Adolf Wagner und eine Reihe von Kommissaren der einzelnen Bundesstaaten, insbesondere auch Preußens, teilnahmen, beschäftigte sich sehr eingehend mit der Reichswertzuwachssteuer. Man gelangte zu dem fast einmütigen Ergebnis, daß die Frage einer Reichswertzuwachssteucr noch lange nicht genügend geklärt sei, um mit einer Vorlage an den Reichstag heranzutreten, daß ferner zweifellos die Erträgnisse der Steuer überaus großen Schwankungen unterliegen würden und die Steuer bei günstigster Schätzung höchstens 12'/r Millionen, bei noch optimistischerer und in besonders günstigen Jahren höchstens 2 0 Millionen bringen würde.
Ihr alter, leichtsinniger Papa hatte bei Sibylle großes Glück gemacht, er beherrschte, wenn er nur wollte, im Umgang mit älteren Damen ganz den Ton des Kavaliers der alten Schule. Sibylle war entzückt, man fand viele Berührungspunkte, alte Bekannte betreffend. Kraußeneck erzählte auf die amüsanteste Weise kleine Skandale aus der Hofgesellschaft und aus internationalen Kreisen, und zuletzt hatte er die alte Dame zu einem Spielchen zu zweit verleitet, bei dem sie sich so gut unterhielten, daß sie übereinkamen, diesem Abend einen zweiten in allernächster Zeit folgen zu lassen.
„Ein charmanter Unterhalter ist dein lieber Vater, Regina", sagte Sibylle beim Auseinandergehen. „Ich hoff, ihn recht oft bei mir zu sehen. Habt ihr euch auch so gut unterhalten wie ich?"
„Ja, Mama, wenn auch nicht so sehr wie du," neckte der Sohn.
„Dann ist es deine eigene Schuld, Wolf Dietrich ist ein kluger Mann, Vater, hielt große Stücke auf ihn."
Wilhelm antwortete hierauf nichts, er war wiederum Zeuge davon gewesen, wie Regina in der Gegenwart seines Vetters stets eine andere war. Sie zeigte keine Gefallsucht, keine Spur von Koketterie, aber sie erschien ihm dann stets wie von innen heraus von einem großen Glück verklärt, das bei Wolf Dietrich seinen Widerschein fand. Als er es dieses Rial nicht unterlassen konnte, Regina danach zu fragen, erklärte sie: „Wolf Dietrich hat eben meine ganze Sympathie, Wilhelm, ich fühle mich sehr wohl in seiner Gesellschaft. Bei Vater ist es ja ganz dasselbe. Im übrigen bedenke, wie ich ihm zu Dank verpflichtet bin, daß er sich des alten Herrn so rührend annimmt."
In dieser Nacht lag Wilhelm sehr lange wach, er grübelte über eine Lösung, die er nicht zu finden vermochte.
Von diesem Tage an herrschte ein reger Verkehr zwischen Groß- und Klein-Ellern. War bei Sibylle endlich wieder die Sehnsucht nach
frischem Leben erwacht nach der langen ernsten Zeit? Sie war es hauptsächlich, die sich den Besuch der beiden Herren erbat, und konnte Wolf Dietrich nicht mitkommen, so erschien Kraußneck allein. Der alte Herr lebte ordentlich wieder auf in der Luft dieses großartigen Haushaltes. Er sonnte sich an dem Glanz der Stellung, die seine Tochter einnahm, und er verstand es auch vorzüglich den richtigen Ton im Verkehr mit seinem Schwiegersohn zu treffen. Sibylle konnte bald seine Gesellschaft nicht mehr entbehren, sie brauchte ihn zu allerhand Dienstleistungen, sie gab ihm Aufträge, die er auf das beste besorgte, und ihr kleines Spielchen gewann immer mehr an Reiz für sie.
Wilhelm beobachtete dieses alles mit offenen Augen, auch dem Verkehr seiner Frau mit Wolf Dietrich legte er nichts mehr in den Weg, er selber war sehr liebenswürdig gegen den Vetter, was dieser zu seiner Verwunderung bei sich konstatierte. So schien alles in größter Harmonie zu sein, und man beschloß darum, das Weihnachtsfest gemeinsam zu verleben. Im großen Saal des Schlosses standen die Weihnachtsbäume, in jeder Ecke einer, deren Zweige bis zur Decke ragten. Sibylle hatte bestimmt, daß trotz der Trauer alles genau so gemacht werde wie sonst. Auf langen Tafeln lagen die Gaben für die Beamten und die Dienerschaft. Regina hatte alles pünktlich besorgt. Im anstoßenden kleinen Saal war die Bescherung der Familienglieder, zu der sich auch Wols Dietrich und Kraußneck einfanden. Hier stand ein Christbaum, den die junge Frau nach Sibylles Angabe mit besonderer Liebe geschmückt hatte. Die Lichter sollten erst angezündet werden, wenn die allgemeine Bescherung beendet war. Die alte Dame war dieser ferngeblieben, teils der Trauer wegen, dann aber auch in dem kaum eingestandenen Gefühl, daß eine andere an ihre Stelle getreten war. Und cs war auch gut so, denn sie wäre wohl eifersüchtig geworden, wenn sie Zeugin der Liebe und Verehrung geworden wäre, die allseitig und offenkundig Regina dargebracht wurden. (Forts, folgt.)