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Aus dem Landtag.

In der 171. und 172. Sitzung des Land­tags am 24. und 27. April stand zur Beratung Kap. 38, Titel 22 b: Für die technische Beratung von Gemeinden und Gewerbetreibenden bei Her­stellung elektrischer Anlagen oder An­schaffung von Maschinen (jährlich 7 000 -V7). Landtagsabgeordneter Staudenmeper ergriff in beiden Sitzungen das Wort, um sich über diesen Titel zu äußern. Da er hiebei Fragen überden GemeindeverbandElektrizitätswerk Calw" erörterte, so sind seine Ausführungen von besonderem allgemeinem Interesse für unfern Bezirk, indem sie die Stellungnahme des Ab­geordneten zu verschiedenen Punkten des geplanten Werkes erkennen lassen. Die beiden Reden haben folgenden Wortlaut:

1) am 24. April :

Meine Herrn, wer die Entwicklung der Elekiri- zität und deren Benützung zu Beleuchtungszweckin und zum Betriebe von Maschinen verfolgt hat, derw.rd ins­besondere in der lrtzien Zeit beobach tet haben, daß das Bedürfnis nach elektrischem L:cht und nach elektrischer Kraft in rap idem Matze sich ausdehnt, und daß es neuer­dings insbesord.re auch die Landwirtschaft ist, die sich zu ihrem Betriebe dieses modernen Hilfsmittels zu bedienen beginnt.

So ist man denn auch von der anfänglichen Versorgung einzelner Werke oder Städte und Ge­meinden mit elektrischer Energie nach und nach zur Gründung großer elektrischer Zentralen übergcgangen, von denen teils auf genossenschaftlicher Grundlage, teils durch Bildung von Gemeindevecbänden, die der staatlichen Aufsicht unterstehen, eine größere An­zahl von Gemeinden von einem Punkte aus ge­meinschaftlich mit elektrischer Kraft urd mit Licht versorgt werden. Einer drr größten Verbände dieser Art ist wohl die von unserem Herrn Kollegen Guoth mit so großer Ausdauer ins Leben gerufeneGlek- trizitärsgesellschaft Herrenberg", von der wir nur hoffen wollen, daß sie ihrem Begründer nach so vielen Mühen und Unannehmlichkeiten noch recht viel Freude und vollen Erfolg bringen möge. (Sehr richtig! Beifall.)

Neuerdings hat sich auch in meinem Bezirk, und zwar auf das Drängen einer Anzahl ländlicher Gemeinden, ein bis jetzt ca. 70 Gemeinden der Oberämter Calw, Nagold, Neuenbürg, Leonberg und Freudsnstadt umfassender Gemeindeverband meines Wissens der erste dieser Art in unserem Lande unter dem NamenElektrizitäts­werk Calw" gebildet, der die benötigte elektrische Kraft teils durch Erbauung eines größeren Wasser­werks, teils mittels Dampfkraft gewinnen will. Die Kosten dieses Unternehmens allein sind auf 2^/i Millionen Mark veranschlagt.

Bei derartig großen Unternehmungen hat sich nun der Mangel einer unabhängigen staatlichen Beratungsstelle sehr empfindlich fühlbar gemacht. Manche Bedenken interessierter Kreise bei Aus­führung einer derartigen Anlage, hervorgernfen zum Teil durch Veröffentlichung von Personen und Firmen, die sich bei der Berufung von technischen Hilfskräften oder bei der Vergebung von Arbeiten und Lieferungen benachteiligt glauben, kämen nicht auf oder wären doch bölder wieder zerstreut, manche Unannehmlichkeiten blieben den Förderern derartiger gemeinnütziger Unternehmungen das heißtge­meinnützig", wenn sie gehörig fundiert und gut geleitet sind! erspart, wenn die Projekte von Auszug an einem von den vielen sich begreiflicher­weise herandrängenden Firmen völlig unabhängigen staatlich bestellten Fachmann zur Prüfung und zur Begutachtung vorgelegt werden könnten.

Aus diesen Gedanken heraus und in Anbe­tracht der außerordentliche großen Summen, die seitens der Gemeinden und einzelner Verbände in solchen Unternehmungen festgelegt und das muß auch ausgesprochen werden manchmal auch ris­kiert werden, und in Anbetracht ferner des Um­standes, daß der Staat, der den beteiligten Ge­meinden die Genehmigung zur Aufnahme der ent­stehenden Schulden erteilen muß, gewissermaßen moralisch für solche U nternehrnungen mitverantwortlich ist, begrüße ich und begrüßen meine politischen Freunde die uns vorliegende Exigenz von 7000 Mk. für eine derartige Beratungsstelle und werden ihr unsere Zustimmung erteilen, wenn wir auch Zweifel darüber haben, ob um diesen Betrag, in dem auch noch die Kosten von Hilfskräften und sonstiger Dtenstbedürfnisse inbegriffen sind, es möglich sein wird, eine erstklassige Kraft zu bekommen, die nach meiner Meinung unter allen Umständen nötig ist.

Wir sprechen dabei aber die bestimmte Er­wartung aus, daß der anzustellende Techniker in der elektrotechnischen Wissenschaft nicht nur theoretisch vorgebildet sein muß, sondern daß ihm auch durch

eine längere praktische Tätigkeit die nötige Er­fahrung zur Seite steht, um Gemeinden, Industrielle und Kleingewerbetreibende nach jeder Richtung hin erfolgreich zu beraten, was nach der Begründung für diesen Titel ja auch die Ansicht der Regierung zu sein scheint.

Was wir aber insbesondere verlangen müssen, ist, daß der anzustellende Techniker sich von den Firmen, die sich mit der Erstellung von Elektrizitäts­werken und mit der Lieferung von elektrischen Maschinen und Waren befassen, absolut frei hält (Dr. v. Kiene: Sehr richtig!) und nach dieser Seite hin völlig unabhängig bleibt, damit man nicht, wie man im 'Volksmund zu sagen pflegt, den Bock znm Gärtner fetzt. (Heiterkeit.)

Auch wünschen wir keineswegs, daß der neue Beamte seine Aufgabe darin erblicken wöge, in überstürzender Weise möglichst viele elektrische An­lagen ins Leben zu rufen, sondern daß er auf eine gesunde und normale Entwicklung dieser modernen Einrichtung hinarbnte und die ihm vorgelegten Projekte insbesondere auch nach ihrer wirtschaftlichen Seite einer ganz genauen Prüfung unterzieh;. Auch die Ausbildung von Handwerksmeistern, die sich mit der Installation von elektrischen Einrichtungen befassen wollen, durch Abhaltung von Handweiker- kursen dürfte eine nützliche und empfehlenswerte Aufgabe des neuen Technikers sein

Wenn derselbe seine Aufgabe in dieser Weise auffaßt und durchführt, dann, meine Herrn, sind wir überzeugt, daß seine Tätigkeit auch zum Wohle unseres Landes ausschlagen wird. (Beifall)

2) am 27. April:

Meine Herren, nur wenige Worte! Der Herr Präsident der Zentralstelle für Gewerbe und Handel hat in seinen Ausführungen auch den neugegründeten GemeindeverbandElektrizitätswerk für den Bezirk Calw" erwähnt und dabei von einem Erlaß gesprochen, der von der Zentralstelle an das Oberamt Calw in dieser Sache ergangen sei. Me'ne Herrn, ich kenne diesen Erlaß nicht, ich habe aber von ihm reden hören bei der konstituierenden Versammlung des Gemeindc- v-rbands, die vor wenigen Wochen in Ca?w statt- gcfunden hat, und da vermute ich, daß die Zentral­stelle in diesem Erlaß wohl die Rentabilität des Werkes beanstandet und äußerste Vorsicht in der Sache angeraten hat. Meine Herrn, hier befinde ich mich in vollem Einverständnis mit dem Herrn Präsidenten. Auch ich halte bei einem derartigen großen Unternehmen äußerste Vorsicht für notwendig; ich habe das auch kürzlich, am letzten Samstag, in meinen Ausführungen noch besonders ausge- svrochen. Aber, meine Herrn, die Förderer dieses Unternehmens, die in dieses durch eine Anzahl ländlicher Gemeinden, die eben absolut elektrisches Licht und elektrische Kraft für ihre Betriebe wollen, hineingedrängt worden sind, sind auch der Meinung, sie haben äußerste Vorsicht in dieser Sache walten lassen. Sie haben die Wasserwerksanlage unter Leitung und Prüfung eines hervorragenden Beamten der Mintsterialabteilung für den Straßen- und Wasserbau entwerfen lassen, sie haben die elektrischen Anlagen selbst durch einen anerkannt sehr tüchtigen Elekt otechniker, der insbesondere, wie ihnen nach näheren Erkundigungen gesagt worden ist, in Herrenberg sich vorzüglich bewährt habe, anfertigen lassen, und diese beiden Herren versicherten in dieser konstituierenden Versammlung, daß ihre Berechnungen mit äußerster Vorsicht aufgestellt seien, und daß sie, soweit das nach menschlichem Ermessen überhaupt möglich sei, glauben versichern zu können, daß die aufgestellten Voranschläge tatsächlich nicht werden überschritten werden.

Nun hat sich allerdings in diesem Stadium der Sache das Fehlen einer staatlichen Beratungs­stelle äußerst unlieb bemerkbar gemacht. Sehr gerne würde dieser Gemeindeverband einen staat­lichen Techniker mit der Prüfung der Voranschläge beauftragt haben, aber es war eben keiner da, und so haben sie die Voranschläge einem Techn ker, der am hiesigen Polytechnikum angestellt ist und in dem Rufe eines hervorragenden Sachverständigen steht, übertragen und, wie mir gesagt wird, habe dieser Techniker ausgesprochen, daß je länger er sich mit der Prüfung der Sache befasse, je mehr sei er von der Ausführbarkeit und Rentabilität des Unter­nehmens überzeugt.

Wenn der Herr Präsident dann insbesondere beanstandet hat, daß in den Satzungen des Elek­trizitätswerkes Calw die Bestimmung enthalten sei, daß erst nach 5 Jahren von der Inbetriebsetzung des Werkes an mit den Abschreibungen begonnen werden soll, so kann ich diese Einwendung nicht für richtig anerkennen. Daß ein derartiges großes Unternehmen nicht vom ersten Moment an mit einer sicheren Rentabilität rechnen und große Ab­schreibungen machen kann, meine Herrn, das liegt wohl auf der Hand. Das ist bet allen großen kaufmännischen Gründungen wohl ebenso. Diese Werke sind eben genötigt, das, was sie in den ersten

Jahren, bis sie richtig eingeführt find, zu wenig verdienen, um abschretben zu können, daß sie das später, wenn das Werk richtig im Gange ist, nach­holen, und deswegen sind die Abschreibungen vom fünften Jahr an in den Satzungen auch höher eingestellt, als sie sonst notwendig wären. Es ist ganz selbstverständlich, daß bei der Vorsicht, mit der insbesondere unsere ländliche Bevölkerung der­artigen neuen Unternehmungen gegenübersteht, von Anfang an die Beteiligung an solchen Unternehmungen eine verhältmäßig geringe ist, sich aber von Jahr zu Jahr steigert. Das zeigt insbesondere auch der Betrieb der Genossenschaft Herrenberg ganz deutlich und bei allen Zentralen, die bis jetzt ins Leben gerufen worden find, hat sich das gezeigt, und so hofft der Gemeindeverband Calw, daß das auch bei seinem Unternehmen der Fall sein werde.

Meine Herrn, wenn ich den Herrn Präsidenten recht verstanden habe, so hat er die Meinung aus­gesprochen, es habe eine Verschleierung der voraus­sichtlichen Erträgnisse stattgefunden. Meine Herrn, das kann ich nicht zugeben. Bei der konstituierenden Versammlung in Calw wenigstens sind die voraus­sichtlichen Einnahmen und Ausgaben ganz genau, Posten für Posten, den anwesenden Gemeindever­tretern vor getragen worden und der Vertreter der Zentralstelle, der bei diesen Verhandlungen war und dem der Vorwurf gemacht wurde, daß die Zentralstelle in dieser ungerechtfertigten Weise vor- gegangen fei, hat erklärt, diese Aeußerung der Zentralstelle sei auf Grund ganz anderer Berech­nungen erfolgt, als sie heute vorgetragen worden seien; wenn die Zentralstelle von diesen Verhält­nissen, wie sie jetzt bestehen, Kenntnis gehabt hätte, daun e wohl die Sache anders gehandhabt worden. Also, meine Herrn, nach meiner Meinung immerhin ein Beweis dafür, daß der Erlaß der Zentralstelle ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse und nicht auf Grund der neuesten Berechnungen erfolgt ist und das ist zu bed .uern.

Meine Herrn, ich will zum Schluffe noch ein­mal erklären, daß ich ganz damit einverstanden bin, wenn man bei solchen Unternehmungen sehr vor­sichtig zu We-ke geht, ich möchte die Regierung sogar bitten, dies zu tun, aber gerade deswegen wollen wir ja diese neue Beratungsstelle schaffen. Mit dem Standpunkt meines Freundes Käß, der den Titel noch einmal an die Kommission zur Be­ratung zurückverweisen will, erkläre ich mich ein­verstanden.

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