.1,' 109. Amts- und Anzeigeblatt für den Gberaintsbezirk Lalrv. 81. Z-d-Mg.
Erschcinungstage: Montag, Dienstag. Mirtivvch. Donnerstag, Freitag und Samstag. JnserlionLpreis 10 Dfg. pro Zeile für Stad: u. Bezirksorre: außer Bezirkt?. Pfg.
Mittwoch, den 12. Mai 1909.
Bezngspr.i. d. Stadt Vijährl.m. Trügerl. Mk. 1.25. Poftbezugspr. f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. '^iährl. Mk. 1 . 20 . im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
TsFcsrrerügkrUes.
v. Tessin, Legationssekretär Frhr. v. Gültlingen
* Calw 12. Mai. Die Automobilfahrt der Internationalen M otorla st wagen- K o n - kurrenz und der militärischen Prüsungs- fahrt fand heute programmäßig statt. Um */s8Uhr kam der erste Wagen hier an, dem dann die anderen in größeren oder kleineren Abständen folgten; im ganzen 50 Wagen. Die größere Zahl fuhr um 10 Uhr hier durch. Es waren leichte Omnibuswagen und außerdem Lastwagen mit Anhängewagen. Die Belastung betrug bis zu 300 Zentner. Eine große Zuschauermenge verfolgte das interessante Auffahren der Wagen an der Stuttgarter Straße hinauf. Fast alle Lastwagen überwanden mit Leichtigkeit die Steigung, einige wenige konnten nur durch mehrmaligen Anlauf auf die Höhe kommen; 1 Wagen wurde defekt und mußte schnell repariert werden. Die Wagen liefen sehr ruhig und verursachten außerordentlich wenig Geräusch: die Omnibusse zeichneten sich durch schöne und leichte Bauart aus; die Lastwagen waren sehr kräftig gebaut und zur Aufnahme eines großen Gewichts sehr gut eingerichtet. Die Fahrt verlief für die Zuschauer und die Marktbesucher ohne jeden Unfall. Die Bischoffstraße war für den Zutrieb von Vieh gesperrt; Wagen und Vieh hatten den Weg durch die Bahnhof-, Bad- und Lederstraße zu nehmen.
Stuttgart 1l. Mai. Der König und die Königin haben sich heute Vormittag 10 Uhr 10 Min. mit Sonderzug zu zweitägigem Besuch des badischen Hofes nach Karlsruhe begeben. Das Gefolge besteht aus der Palastdame Gräfin Urküll, Hofdame Freiin v. Palm, Generaladjutant Freiherr v. Bilsinger, Oberhofmeister Freiherr v. Reischach, Kammerherr Frhr.
und Flügeladjutant Hauptmann Dörtenbach.
Stuttgart 11. Mai. Die Zweite Kammer sttzte heute nachmittag die Beratung des Postetats fort und knüpfte längere Erörterungen an die Forderung von 4 weiteren Expeditorstellen, die von der Kommission gestrichen worden sind, deren Genehmigung jedoch von dem Abg. Baumann (DP.) beantragt wurde; während Kraut (BK.) namens seiner Freunde die Streichung von sämtlichen 17 Stellen verlangte. Keil (Soz) betonte, man dürfe ohne zwingenden Grund die Gradunterschiede innerhalb der Beamtenschaft nicht künstlich vermehren, wie das hier nicht aus dienstlichen Gründen, sondern zu Avaucementszwccken geschehe. Ministerpräsident v. Weizsäcker bestritt, daß es sich hier um etwas Neues oder um eine Aende: ung in Gehaltsordnung handle. Der finanzielle Mehraufwand würde sehr gering sein. Er befürwortete warm die Genehmigung der reuen Süllen. Lieschin g (V) empfahl den Kommissionsantrag, 10 Stellen zu genehmigen, Graf-Stuttgart (Z) die Regierungsvorlage. Kraut (BK.) wies auf die ungünstige finanzielle Lage des Landes hin. Er habe das Gefühl, baß schon viel zu viel gehobene Stellen geschaffen worden seien. Fahre man so fort, so führe das zu einem schlimmen Ende. Die Vorsicht gebiete Zurückhaltung. Auch finanziell handle es sich nicht um einen Pappenstiel. Dr. v. Kiene erklärte es im Interesse des Hauses für wünschenswert — um nicht die Bedeutung der eigenen Beschlüsse der Regierung gegenüber herunterzufetzen — daß mindestens der Kommisstonsantrag angenommen werde, für den genügend sachliche Gründe sprechen. Der Antrag Baumann sei gleichfalls gerechtfertigt. Nach weiterer Debatte wurde der Kommisstonsantrag angenommen, was zur Folge hat, daß statt 155 Postsekretären auf gehobenen Stellen deren 157, sowie statt 594 bezw. 629 Postsekretären deren 596 bezw. 631 bewilligt werden. Weiterhin wurde ein Antrag der Kommission angenommen, die Bitte der Postmeister vom 16. März 1909 um Uebertragung der Expeditor« stellung an eine Anzahl Vorstände von bedeutenden
Postämtern ll. Klasse der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Feuerstein (Soz) beantragte, daß in die Gehaltsstufen von 2600 und 2800 sämtliche Postassistenten einrücken können, nicht bloß die vormaligen Telegraphisten und Kanzleiassistenten. Der Antrag wurde später wieder zurückgezogen, da die Frage in Verbindung mit dem Elsenbahnetat beraten werden soll. Mater-Rottweil (Z) befürwortete die Exigenz für die Post- ruterbeamten in gehobenen Diensten, die sogenannten Oberpostschaffner und wünschte eine ausgedehntere Sonntagsruhe für die Postunterbeamten. Graf (Z) stellte den Antrag, die Regierung zu ersuchen, in Erwägungen darüber einzutreten, ob und inwieweit die Fahrgebühren derBohnpostschaffner gleich wie beim Eisenbahnfahrpersonal nls pensionsberechtigtes Einkommen dem Gebalt gleichgestellt werden können. Rembold-Aalen (Z.) bedauerte, daß ältere Unterbeamte von jüngeren Vorgesetzten häufig unhöflich behandelt werden. Ministerpräsident v. Weizsäcker verurteilte jede grobe Behandlung. Man komme mit einem ernsten Ton weiter als mit einem groben. Die höheren Beamten befleißigen sich mehr der Höflichkeit als die nikdfigeren und diese sollten durch Höflichkeit zeigen, daß sie befähigt sind, zu avancieren. Den Antrag Graf wolle er in weitere Erwägung ziehen. Fischer (Soz.) unterstützte den Antrag Graf und verlangte gleichfalls höfliche Behandlung der Unterbeamten. Der Redner wandte sich ferner gegen die geheimen Personalakten. Ministerpräsident v. Weizsäcker erwiderte, daß Personalakten im Sinne des Vorredners überhaupt nicht existieren. Baumann (D. P.) hoffte, diese Frage bei anderer Gelegenheit näher erörtert zu sehen. Dr. Mülberger (D. P.) regte im Interesse der Sonntagsruhe der Beamten an, besondere Briefmarken einzuführen mit der Aufschrift: Am Sonntag nicht zu bestellen! In Belgien habe man damit gute Erfahrungen gemacht. Präsident v. Majer erwiderte, eine solche Neuerung könne nur im Einvernehmen mit der Reichspostverwaltung getroffen werden. Hierauf wurde der Antrag Graf angenommen. Für die Landpostboten und Briefträger wurde von mehreren Rednern eine Besserstellung gewünscht und unter anderem kritisiert,
Regina.
Roman von I. Job st.
(Fortsetzung.)
„Gern, Regina, denn es wäre gar nicht im Sinne meines lieben Mannes gehandelt, wenn ich ihn als Fremden behandeln würde."
„Vielen Dank, Mama", antworte Regina und drückte einen Kuß auf die zarte Hand.
„Wird Wolf Dietrich nicht mitkommen?"
„Natürlich Mama. Denke nur, er geht neuerdings mit dem Gedanken um, den Abschied zu nehmen und ganz in Klein-Ellern zu bleiben. Er meint, daß die Güter jetzt im Wertsteigen und bessere Zeiten kämen."
„Warum nur Wolf Dietrich nicht heiratet? Er kann doch überall anklopfen, ich kenne viele auch sehr vermögende Mädchen, die ihm nur zu gern als Hausfrau nach Klein Ellern folgen würden", berichtete Sibylle und faßte Regina dabei scharf ins Auge.
„Das wäre allerdings das beste für ihn, Mama," sagte Regina scheinbar unbefangen, „nur fürchte ich, er ist in diesem Punkt etwas schwerfällig. Du mußt ein wenig nachhelsen."
„Also er will Landmann werden! Das ist mir ganz neu und völlig unbegreiflich. Klein-Ellern ist ja so verschuldet, daß er dort kaum das Leben hat", meinte Wilhelm.
„Ein armer Assessor ist auch nichts Schönes, und als Gutsbesitzer hat er doch seine Freiheit."
„Eine schöne Freiheit, wenn ich die Zinsen der Gläubiger Herauswirtschaften muß. Man bleibt nicht ewig Assessor, und später stehen ihm dank seiner Geburt die besten Stellen offen. Er ist ein kluger Kopf."
„Weißt du, was er täte, wenn er Geld hätte?"
„Nun?"
„Er würde fremde Länder erforschen. Er hat wie so viele Deutsche den Wandertrieb."
„So, — dazu muß er aber Geld haben."
„Könnte er nicht als Assessor an einem Konsulat angestellt werden ?"
„Gewiß, aber das ist sehr kostspielig, das können sich nur reiche Leute gestatten. In diesem Fall gibt es nur die freie Reise."
„Das nenne ich eine große Kurzsichtigkeit von der Regierung. Sie hat doch am meisten Nutzen davon, wenn tüchtige Leute hinausgeschickt werden."
„Und zu denen rechnest du auch Wolf Dietrich?" fragte Wilhelm, der mit eifersüchtigem Staunen die wachsende Lebhaftigkeit seiner Frau beobachtete, die seinem Vetter ein so großes Interesse entgegenbrachte.
„Daran zweifelst du doch auch nicht, Wilhelm", erwiderte sie verwundert. „Es ist eben ein Jammer, daß ihm seine Flügel so beschnitten sind. Das Schicksal hätte den Prachtmenschen auf einen andern Platz stellen sollen."
„Vielleicht aus den meinigen, wie, Regina?"
Eine dunkle Röte überflutete das Gesicht der jungen Frau, dann wurde sie ganz blaß, und ihre Hände krampften sich vor Erregung zusammen, doch ne sprach kein Wort, denn sie wußte, daß sie zu viel sagen würde.
Das Schweigen wurde peinlich, und Wilhelm schämte sich seiner gehässigen Worte, denn auch Sibylle hatte ihn tadelnd angesehen. Sie dachte daran, was ihr geliebter Ellern dazu gesagt haben würde, und das ließ sie herzlicher als sonst zu Regina sagen: „Bringe mir deinen Vater nur recht bald, liebes Kind, es wird mich freuen."
So kam es denn, daß schon zwei Tage daraus der Schlitten von Klein-Ellern angefahren kam und die beiden Herren herführte. Und als sie wieder schieden, konnte Regina sich eines wirklichen Erfolges erfreuen.