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die Nahrungsmittelchemiker Dr. Metzger und Dr. Rau dahin aus, daß das Pulver kein Ersatz für Eier sei, es stelle lediglich ein treibendes Backpulver vor. Die Strafkammer war gleich dem Schöffengericht der Ansicht, daß in den Inseraten zur Irreführung geeignete Angaben enthalten sind und verwarf die Berufung kostenpflichtig. — Die geschiedene Dienstmagd Lina Kaiser von Seegrüben (Schweiz) lernte im März in Zürich einen Schreiner kennen, dem sie sich gegenüber als Tochter reicher Leute ausgab. Sie schwindelte dem jungen Mann vor, sie habe ein Vermögen von 1'/- Mill. Franken und bekomme sofort 80000 Franken als Heiratsgut, auch sprach sie davon, sie wolle in einem Stuttgarter Krankenhaus eine Stelle als Doktorin annehmen. Durch die Vorspiegelungen veranlagte sie den Schreiner, mit ihr ein Verhältnis einzugehen und mit ihr eine Reise durch die Schweiz und nach Stuttgart zu machen. In Stuttgart zeigte sie ihrem „Bräutigam" gefälschte Briefe vor, in denen die baldige Ausfolge ihres Vermögens in Aussicht gestellt war. Der betrogene junge Mann wendete für die Reise usw. fast seine gesamten Ersparnissen auf. Die Strafkammer verurteilte die geriebene Schwindlerin zu 2'/- Monaten Gefängnis, unter Anrechnung eines Monats Untersuchungshaft.
Heilbronn 6. Mai. Der Gip serstrei k, der sich nun fast einen Monat hinzog, ist endlich durch Vermittlung des Gewerbegerichts, das als Einigungsamt angerufen wurde, beendet. Die von den Arbeitern geforderte IV-ständige Mittagspause wurde nicht bewilligt, dagegen eine Erhöhung des seitherigen Stundenlohntariss von 40—46^ auf 42—48 Auf dieser Grundlage
ist ein neuer Tarif abgeschlossen worden.
Heilbronn 6. Mai. Heute vormittag 4 Uhr sind iin Hofe der Maschineninspektion des Hauptbahnhofs die Heizhausarbeiter Baumhauer und Fach dadurch verunglückt, daß sie bei einer Rangierbewegung zwischen die Puffer eines Wagens und eines feststehenden Wagenkastens gerieten. Baumhauer wurde so schwer verlebt, daß er nach Verbringung ins Krankenhaus alsbald st a r b. Fach konnte seine Wohnung selbst aufsuchen.
Oehringen 6. Mai. Ladeninhaber, wegen zu späten Ladenschlusses angeklagt, sind von der Strafkammer Hall fr ei ge sprachen worden. Die K. Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. In der Begründung wird geltend gemacht, die Angeklagten hätten sich nicht über einen zum gesetzlichen Tatbestand gehörigen Tatumstand geirrt, sie hätten sich vielmehr im Irrtum über eine dem Strafrecht angehörende Rechtsnorm befunden.
Eßling en 6. Mai. Die Filialapotheke in Neuenbürg soll in eine Vollapotheke umgewandelt werden. Der bisherige Inhaber der Filialapotheke, Apotheker Bozenhardt in Neuenbürg, hat auf die Weiterführung hauptsächlich deshalb verzichtet, um dem langjährigen Verwalter der Filialapotheke, der wohl zu den ältesten Mitarbeitern zählt, die Möglichkeit zu geben, sich selbständig zu machen.
Tübingen 6. Mai. Aus Anlaß des V. Württembergischen Abstinententags, der Samstag und Sonntag hier stattsindet, ist im unteren Saale des neuen Rathauses die Wanderausstellung des Schwäbischen Gauverbands gegen den Alkoholismus untergebracht, die acht Tage geöffnet bleibt. Ein Sekretär ist angestellt, der regelmäßig Vorträge hält und das Publikum durch die Ausstellung führt. Es wird.überhaupt eine rege Propagandatätigkeit für die Antialkoholbewegung entfaltet, die auch unter Professoren und Studentenschaft Anhänger hat. In unserer feuchtfröhlichen Musenstadt ein selten Bild. Eine Guttemplerloge ist erst vor kurzem gegründet worden. Heute, morgen und Samstag hält ein unermüdlicher Vorkämpfer für die Sache der Abstinenten Pfarrer a. D. Votier von Stuttgart nachmittags auf einem freien Platz an der Stiftskirche öffentliche Versammlungen ab, in denen er in „Poesie und Prosa" für eine Trinkreform eintritt.
Berlin 6. Mai. (Reichstag.) Auf der Tagesordnung steht der Antrag Speck, den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage alsbald eine Vorlage zu machen, welche für größere Mühlen zum Schutz der kleinen und mittleren, unabhängig von der einzelstaatlichen Besteuerung eine Reichssteuer einführt, die das jährlich ver- mahlene Quantum mit einer steigenden Abgabe belegt. Abg. Speck (Ztr.) weist zur Begründung hin auf die außerordentliche Abnahme der kleinen Mühlentriebe, noch im Laufe des letzten Dezenniums infolge der Konkurrenz der Großbetriebe. Man sage, die Ursache der Abnahme der kleinen Mühlen sei deren technische Rückständigkeit. In solcher Allgemeinheit könne das aber nicht gelten. Der Versuch, die Kleinbetriebe zu schützen gegenüber der Herren-Moral müsse jedenfalls gemacht werden. Das Verschwinden der kleinen Mühlen, das auch eine Gefahr sei für unsere Volksernührung wegen der Gefahr einer Kartellbildung der Großmühlen, müsse aufhören. Dazu solle die Umsatz-Staffelsteuer dienen. — Auf Vorschlag Dr. Rösickes (kons.) wird ein dem Antrag Speck ähnlicher konservativer Antrag nicht zur Debatte gestellt. Abg. Rösicke (kons.) schließt den Ausführungen des Vorredners
ja bei den Thronerben. Zu Lebzeiten des Vaters den Regierungsgeschäften meist fern gehalten, oft aus leicht verzeihlicher Eifersucht, zeigen sie nach der Thronbesteigung einen übertriebenen Eifer, und ihre Methode läuft sicherlich der ihres Vorgängers diametral. Es ist menschlich und daher begreiflich. Ich muß bekennen, habe ja auch stets nach meinem eigenen Kopf gehandelt. Die Jugend läßt sich schlecht raten, sie muß ihre Erfahrungen allein machen. Aber ich denke, ich weiß ein Mittel, um ihn vor Ueberarbeitung zu bewahren, ich werde den Termin der Hochzeit nicht mehr hinausschieben lassen. Wozu? Ich will Regina noch im Kranz und Schleier sehen. Auf was soll sie denn warten? Sollen etwa die Totenglocken ins Hochzeitgeläute klingen? Nein da sei Gott vor. Und sie würden die schönste Zeit ihres Lebens nur scheu zu genießen wagen in dem Gedanken an mich und die trauernde Mutter. Sieh mal hin, Wolf Dietrich, dort kommt die schöne Braut, die ich so lieb gewonnen habe wie mein eigenes Kind. Ich will sie nur in lichten Kleidern sehen, sie schmückt sich auch mir zuliebe. Wenn ich mir das kommende Glück der beiden ausmale, Wolf Dietrich, dann bäumt sich alles in mir auf in dem Gedanken, jetzt scheiden zu müssen.
Wolf Dietrich konnte dem Onkel nur noch die Hand drücken, dann erhob er sich, um Regina zu begrüßen. Sie war wunderbar gefaßt bei dieser ersten Wiederbegegnung, nur die Farbe auf ihren Wangen erlosch, unb ihr Auge irrte zur Seite, als seine traurigen Blicke auf ihr ruhten.
„'Nun, Regina, ist Wilhelm noch immer nicht fertig auf der Kanzlei? Du bist so blaß, mein Töchterchen, wohl aus Sehnsucht nach dem Herzallerliebsten. Das muß anders werden, ich werde ihn mal ins Gebet nehmen." So scherzte der Kranke eine Weile fort, bis Sibylle kam und sie ablöste.
„Ich denke, es. wird Zeit, daß du dein Zimmer aufsuchst, Ellern, um noch vor Tisch ein kleines Schläfchen zu halten. Du bleibst doch zum Essen hier, Wolf Dietrich?"
„Ich habe den Ausreißer schon fest gemacht, Sibylle, er wollte wirklich wieder fort", sagte der alte Baron. „Und damit ich nachher
an. Die kleineren Mühlen müßten gegen den Großkapitalismus geschützt werden. Das Großkapital suche sich auf Kosten der kleinen Mühlen zu bereichern. Notwendig sei, die Neuerrichtung von Großmühlen zu erschweren. Schon das sei eine Hilfe für die kleineren und mittleren Betriebe. Abg. Neuner (natl.) Für mich und einen großen Teil meiner Freunde steht fest, daß die Binnenmüller sich in einer Notlage befinden und daß ihnen Hilfe zu. teil werden muß, wenn sie nicht der Aufsaugung durch die Großmüllerei unterliegen sollen. Wir wollen diese keineswegs in ihrer Entwicklung hemmen, aber Auswüchse müssen beschnitten werden, und solche Auswüchse bestehen. Bayern ist schon mit einer Steuer pro Tonne von 6 bis 60 ) aufsteigend vorgegangen. Ein solche Steuer muß vom Reiche ausgehen. Das Beste ist, die beiden Anträge an eine Kommission zu verweisen. Reichsschatzamts-Direktor Kühne teilt auf eine Anfrage des Vorredners mit, daß seit 1885 bis 1905 die Zahl der ganz kleinen Mühlen bis zu 500 Tonnen Verarbeitung um 11,8°/» abgenommen habe, die der Mühlen von 500 bis 4500 Tonen habe nur eine Abnahme von 3,5°/» zu verzeichnen, während die mittleren Mühlen von 4500 bis 30 000 Tonnen um 5I"/o zugenommen haben. Bei den Mühlen von 30 bis 90000 Tonnen ist eine Zunahme von 119"/o zu verzeichnen und endlich bei den ganz großen Mühlen von mehr als 90 000 Tonnen eine Zunahme von 75°/>i. Eine erhebliche Abnahme liege also nur bei den ganz kleinen Mühlen vor. Weitere Erhebungen seien im Gange. Eine Stellungnahine der Reichsregierung zu der Frage der Mühlenumsatzsteuer habe bisher noch nicht stattgefunden. Bäurischer Bevollmächtigter Dr. B urch ardt erklärt, die bayrische Regierung stimme einer solchen Reichssteuer zu, aber unter der Voraussetzung, daß der Ertrag an die Bundesstaaten abgeführt werde und daß nicht daraus direkt eine Vermögenssteuer werde. Abg. Kämpf (Frs. Vp.) Nach den Erklärungen vom Regierungstisch kann man von einem Rückgang der mittleren und kleinen Mühlenbetriebe nicht sprechen. Ich bin gegen jede Umsatzsteuer; auch die Warenhaussteuer war verfehlt. Wenn ein gangbarer Weg zur Erhaltung der kleinen und mittleren Betriebe gefunden werden sollte, so treten wir mit Ihnen für deren Erhaltung ein. Die großen Müllereien sind für die Bolks- ernährung unentbehrlich. Das Endergebnis der Mühlenumsatzsteuer würde eine Verteuerung von Mehl und Brot sein. Abg. Ga mp (Rp.) Für den kleinen Bauer ist der kleine Müller der günstigste Abnehmer. Sonst muß er das Getreide in die Stadt bringen, wo er dem Zwischenhändler in die Hände fällt. Der Landarbeiter kann nach Wegfall der Kleinmühlen seinen Brot
recht frisch bin, will ich jetzt Ordre parieren. Dort kommt schon der getreue Anton, gegen den komme ich sowie so nicht auf. Auf Wiedersehen, Kinder, langweilt euch nicht zu sehr miteinander. Aber dafür ist ja gesorgt, dort kommt Wilhelm wie ich sehe."
Am Arm des Dieners schlich der Kranke langsam seinem Zimmer zu, es war ein trauriger Anblick. Und wenn die Seinigen gesehen hätten, wie kraftlos sich Ellern auf sein Bett fallen ließ, sie wären erschrocken gewesen. Dort ruhte er nun, zum Tode erschöpft, bis zur Hauptmahlzeit, die um sieben Uhr eingenommen wurde. Bei ihr fehlte er selten, wenn er auch fast gar nichts zu sich nahm. „Was wollte denn Eckardt bei dir?" fragte Sibylle Wilhelm. „Er kam mit finsterem Gesicht an mir vorbei und war so in Gedanken, daß er mich fast übersehen hätte."
„Ach, es war wegen des Willert, Mama. Diese ganze Angelegenheit muß doch jetzt ruhen, da Vater so krank ist. Bis zum Frühjahr bleibt Eckardt ja noch."
In diesen Worten lag eine so traurige 'Nebenbedeutung, daß Sibylle fürchtete, in Tränen auszubrechen, und um diese vor den Kindern zu verheimlichen, ging sie in ihr Zimmer, um sich dort ungesehen auszuweinen. Die drei sahen ihr traurig nach, doch als Regina, des Vorwandes nur zu froh, Miene machte, ihr nachzueilen, hielt Wilhelm sie zurück.
„Nein, Regina, du bleibst. Wir haben uns ja heute kaum gesehen, und was soll Wolf Dietrich denken, wenn du die Pflichten als Wirtin so schlecht erfüllst. Mama ist selbstverständlich entschuldigt. — Wie findest du Vater, Wolf Dietrich?"
„Traurig verändert, Wilhelm."
„Ja, ja, ich glaube jetzt auch, daß die Aerzte recht behalten. Er wird wohl das Laub nicht mehr fallen sehen."
Es war eine Weile still unter ihnen, Regina kämpfte mit ihren Tränen, sie wollte sie dem Verlobten verbergen, da es ihn stets ungeduldig machte.
(Fortsetzung folgt.)