Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden. Minister v. Pischek und auch Redner der links­stehenden Parteien bekämpften die Anträge. Morgen Fortsetzung.

Stuttgart 22. April. (Strafkammer). Der schon öfters vorbestrafte ledige Agent Anton Karl von Heilbronn befaßte sich nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt mit der Ver­mittlung von Darlehen. Zwei Malermeister, die zur Ausführung einer größeren Arbeit Geld brauchten, beauftragten ihn mit der Beschaffung eines Darlehens von 500 auf Wechsel. Karl verkaufte die Wechsel und verbrauchte den Er­lös für sich. Einen Wechsel setzte er gegen ein Faß Wein um. Die Malermeister haben nicht nur kein Darlehen erhalten, sie müssen vielmehr noch als Aussteller und Akzeptanten die Wechsel einlösen. In einem andern Falle behielt er den Erlös aus einer Forderung gleichfalls für sich. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen Untreue und Unterschlagung zu l Jahr 5 Monaten Ge­fängnis, unter Anrechnung von 1 Monat 15 Tagen Untersuchungshaft.

Zazenhausen O.-A. Cannstatt 22. April. Wie in Erinnerung sein dürfte, erkrankten vor einigen Wochen mehrere Einwohner in Zazenhausen an dem Fleisch eines für den Ge­nuß untauglichen Kalbes, worüber die behörd­liche Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Nun geschah es unlängst, daß bei dem Besitzer des geschlachteten Tieres ein StuttgarterPolizei­beamter" erschien, der ihm in nicht mißzuver- stehendcr Weise klar zu machen suchte, wie die unangenehme Geschichte aus der Welt zu schaffen sei und auchzur Deckung der vorläufigen Un­kosten" etwa 60 erhielt. Doch bald stiegen Zweifel in dem Geldgeber auf, und auf seine Erkundigungen mußte er sich sagen lassen, daß er einem Schwindler ins Garn gegangen. Den polizeilichen Nachforschungen gelang es laut Zuffenhauser Airzeiger", den eifrigenKriminal­schutzmann" in Zuffenhausen festzunehmen allwo er das ehrsame Gewerbe eines Händlers betreibt. Er hat bereits ein Geständnis abgelegt.

Ludwigsburg 2l. April. Im Handels­register des hiesigen Amtsgerichts ist die Firma Luftsahrzeug-Motorenbau, G. m. b. H. in Bissingen a. Enz" eingetragen worden. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Fahrzeugmotoren und deren Zugehör für Lust- und Wasserfahrzeuge, sowie der Vertrieb dieser Erzeugnisse. Das Stammkapital der Ge­sellschaft, zu deren Geschäftsführer Ingenieur Karl Keßler in Kissingen a. Enz bestellt ist, be­trägt 50 000

Neckarweihingen OA. Ludwigsburg 22. April. Am letzten Montag nachmittag trieben sich im hiesigen Wiesental, gegen Marbach hin, drei aus der Zwangserziehungsanstalt

Schönbühl entwichene, dürftig gekleidete Bürschchen im Alter von 15 und 16 Jahren umher. Feldschütz Enz verhörte sie; ihre falschen Aussagen veranlaßten ihn jedoch, vorerst von einer Verhaftung abzusehen. Ta sie sich aber nach ihrem Weggang in den Hörnleswald flüch­teten, so verfolgte er sie von neuem. Einer von ihnen ergriff die Flucht; die beiden anderen dagegen legten nach einem neuen Verhör das Geständnis ab, daß sie seit morgens 4 Uhr ohne jegliche Nahrung und planlos umherirren. Hierauf lieferte Enz sie an das Stadtschultheißenamt Marbach ein; der dritte wurde mit Hilfe eines Landjägers noch am selben Abend in Sicherheit gebracht. Eine telefonische Anfrage in Schön­bühl bestätigte die Aussagen der Flüchtlinge, woraus ihre Einlieferung an die Anstalt sofort erfolgte. (Ludwigsb. Ztg.)

! Weil im Schönbuch 22. April. Im ! Gemeindewald brach gestern ein Waldbrand ; aus, der aber bald gelöscht werden konnte.

! Entstehungsursache unbekannt.

! Pfullingen 22. April. Die bürger- ^ lichen Kollegien berieten in ihrer letzten Sitzung den Bau einer elektrischen Straßenbahn von Reutlingen noch Pfullingen und nahmen dem Plan gegenüber eine sympathische Haltung ein. Vorausaussichtlich dürfte zur Ausführung die Wasserkraft der im städtischen Eigentum be­findlichen Kunstmühle Verwendung finden.

Rottweil 22. April. Der Besitzer des Hotels Lamm ist durch die gegenwärtigen miß­lichen Verhältnisse und infolge gänzlichen Mangels an eigenem Betriebskapital zahlungsunfähig ge­worden und in Konkurs geraten. In dem Be­trieb des Hotels findet nur insofern eine Aenderung statt, daß er von dem hintersten Hypotheken­gläubiger Herrn Ernst Sutter, Markgräfler Wein­kellerei in Mühlheim und Schopfheim, übernommen wird.

Leutkirch 22. April. Das Opfer eines Schwindlers wurde dieser Tage Bäckermeister Knobel von Engerazhofen. Ter vielfach vor­bestrafte und arbeitsscheue Mensch I. Leiprecht von Leutkirch entlehnte bei seinem zukünftigen Dienstherr ein Einspännersuhrwerk, um seinen Koffer in Urlau zu holen. Leiprecht wußte nichts besseres zu tun, als mit Roß und Wagen zu verschwinden. Auch gab ihm Knobel noch 50 .>//, um damit für ihn Einkäufe zu besorgen. Im bayrischen Kreuztal ließ Leiprcht das Ge­fährt stehen, mit den 50 ^ aber verschwand er spurlos.

Metz 22. April. In Mols he im und Umgebung sind 40 Personen an Vergiftungs - erscheinungen erkrankt, die auf Torten­genuß zurückzuführen find.

Berlin 22. April. Auf Veranlassung

senken sich zum Flußbett der Gave hinab, die in vielen Windungen das schöne Tal durchströmt. Jenseits erhebt sich eine bebaute Hügelkette, mit Landhäusern und kleinen Dörfern, mit Weingärten und immergrünen Fichtenhainen geradezu übersäet. Mit einem einzigen Blick faßt man das herrlichste Landschaftsbild zusammen: Das saftige Grün der Täler und Hügel, dahinter die höher aufstrebenden Berge, die schwarzblauen Fels­wände der Pics, die ihre weißen Gletscherhäupter in das ätherische Blau des südlichen Himmels strecken und von dem majestätischen Schneedom des Pic du midi von Pau überragt werden.

In dem freundlichen, in Weinberge förmlich eingebetteten Juraneon hatten Marie und Berg sich seit ihrer Flucht niedergelassen. Berg war vor Jahren einmal einige Wochen in Pau gewesen, und die freundlichen Erinnerungen daran bestimmten ihn, den Ort jetzt wieder auszusuchen, da es galt einen schönen, von Deutschen wenig besuchten und für seinen Zustand wohltuenden Aufenthalt zu suchen. Pau selbst mit seinem leb­haften Fremdenverkehr versprach ihm nicht die Ruhe, deren er dringend bedurfte. Er hatte sich ein kleines Landhäuscken gemietet, das inmitten eines großen schattigen Gartens und etwas abseits von der Chaussee lag, die vom Tal herauf zu den Bergen und Quellen von Haux Bonnes führt.

Während Berg in den ersten Tagen sich lebhaft angeregt und ge- kräftigt fühlte, stellten sich bald die Anzeichen eines eigenartigen Verfalls ein. Er wurde vergeßlich, er mußte mitten im Satz abbrechen, weil er überhaupt nicht mehr wußte, was er hatte sagen wollen, und der ganze Zustand flößte Marie die lebhafteste Besorgnis ein.

Der Arzt, den sie gleich zu Anfang zu Rate gezogen hatte, äußerte sich zurückhaltend, bis die eingehende Beobachtung des Kranken ihm er­laubte, eine Diagnose zu stellen. Dann sagte er Marie die Wahrheit: Er hatte Gehirnerweichung festgestellt. Wie lange das Leben erhalten werden könne, das vermochte er nicht zu sagen, Rettung sei aber ausgeschlossen. I

der Mitglieder der Finanz-Kommission, wird versucht werden, durchzusetzen, die beiden freien Sitzungstage zusammen zu legen. Die Finanz-Kommission setzte die Beratung derBrannt- weinsteuer-Vorlage fort, mußte aber bei 8 33 abbrechen, da die konservativen Mitglieder zu einer wichtigen Fraktions-Sitzung zusammen berufen wurden. Es wird seit mehreren Stunden über die Stellungnahme der Konservativen zu der Erbanfallsteuer verhandelt. Es verlautet, daß sich nur wenige Mitglieder der konservativen Fraktion, man spricht von 9, für die Erbanfall­steuer ausgesprochen haben. Die Beschlüsse, die die Finanz-Kommission zu einigen Paragraphen faßte, sind nur provisorisch.

Berlin 22. April. (Reichstag.) Zur Beratung steht der Antrag Ablaß und Genossen, den Reichskanzler um ungesäumte Einbringung einer Vorlage zu ersuchen, betreffend Ab­änderung des 8 11 des Zolltarifgesetzes dahin, daß 1) die Geltungsfrist der Einfuhrscheine auf höchstens 3 Monate herabgesetzt wird und 2) die Geltung der Einfnhrscheine auf die Waren­gattungen beschränkt wird, für die bei der Ausfuhr der Einfuhrschein erteilt wurde. In Verbindung damit werden auch mehrere, auf das Einfuhrschein- Wesen bezügliche, die Verminderung einer über­mäßigen Getreide-Ausfuhr betreffenden Petitionen zur Beratung gestellt. Die Kommission beantragt Ueberweisung dieser Petitionen, die zumeist von Müllerei-Verbänden und Handelskammern her­rühren, an den Reichskanzler zur Erwägung. Abg. Günther (frs. Vp.) empfiehlt die Resolution Ablaß zur Annahme. Daß diese Einfuhrscheine gegenwärtig gradezu den Charakter von Wert­papieren gewonnen hätten und zur Zollzahlung j bei der Einfuhr von Kakao, Kaffee, Petroleum benutzt werden könnten, sei ein Unfug, durch den der Reichsfiskus schwer geschädigt werde. Un­leugbar sei auch, daß grade diese Art der Ver­wendung der Einfuhrscheine zur übermäßigen Steigerung der Getreide-Ausfuhr und so zur Verteuerung des Brotgetreides führe. Das gegen­wärtige System des Einfuhrscheinwesens müsse unter allen Umständen beseitigt werden, denn es habe zur Folge, daß Deutschlands Bevölkerung von guten deutschen Getreideernten überhaupt nichts mehr hat. Inzwischen ist ein Antrag Weber und Genossen (natl.) eingegangen, Punkt 2 der Resolution Ablaß dahin zu fassen, daß die Geltung der Einfuhrscheine fortan nicht mehr auf Kaffee und Petroleum ausgedehnt werden dürfe. Abg. Speck (Ztr.) bemerkt: Die Aufhebung des Identitäts-Nachweises sei 1894 erfolgt, um einen Ausgleich zwischen Gebieten mit schlechter und solchen mit guter Ernte zu ermöglichen. Habe der Osten eine reichliche, der Westen eine schwache Ernte, so sollten die Einfuhrscheine ! es dem Westen ermöglichen, Getreide einzu- ! führen. Das Einfuhrschein-System sei keineswegs

Marie hörte das ziemlich ruhig an. Nicht, daß der Zustand des Vaters ihr gleichgültig gewesen wäre! Aber sie raffte sich nur schwer aus der dumpfen Gleichgültigkeit auf, in der sie die erste Zeit nach der

Flucht verharrte. Nicht denken nicht denken-das war fast ihre

einzige Lebensregel geworden, und in der dumpfen Trauer über ihr ver­lorenes Glück war sie ebensowenig für neue Heimsuchung wie für neue Glückeshoffnungen zugänglich. Aber das war doch nur in der ersten Zeit so. Tann erfuhr auch sie die Wunder dieser herrlichen Natur. Ihr urgesundes Wesen konnte sich nicht dauernd gegen all die Schönheit ringsum verschließen; die wunderbare Luft durchströmte ihre Brust mit frischestem, kräftigstem Leben, und das Auge sah sich nicht satt an dem zaubervollen Landschaftsblide.

Sie saß nickt stunden- sondern fast tagelang im Garten, versunken in Schauen und Genießen, den Blick auf das alte, stolze Bearnerschloß da drüben und wieder auf die unvergängliche Herrlichkeit der Hochgebirgs- welt gerichtet. Und wenn abends die jäh hereinbrechende Dunkelheit über den Tälern lag, während hoch oben die Kuppen der Pics in einer wundervollen Lichlflut glühten und gleich Flammenzügen zum Tal her­niederredeten von der Herrlichkeit der Welt dann erfaßte sie eine namenlose Sehnsucht in die Weite, eine Bewegung, die sie zu stillem Weinen zwang, ohne daß sie selbst die Ursache dieser Tränen hätte nennen können. Und dann auch gedachte sie mit brennender Sehnsucht des Geliebten in der Heimat, dann erstand seine Gestalt mit greifbarer Lebendigkeit vor ihrem Geiste, und in dem heißen Seelenumfangen kam ihr immer wieder das alte Trennungsweh, und sie empfand es fast als ein Unrecht, daß sie allein hier sein und allein diese Paradiesschönheiten genießen mußte.

(Fortsetzung folgt.)