382
Alles andere ist keine Fütterung, sondern wird nur zum Zwecke der Honigfälschung gereicht." Hätte diese präzise Bestimmung der Chemiker z. Zt. der Reichsgerichtsverhandlung Vorgelegen, so wäre das Urteil jedenfalls anders ausgefallen. In diesem Jahre feiert der Bezirksbienenzüchterverein Calw sein 25jähr. Bestehen u. gedenkt solches durch eine Bezirksausstellung im August zu feiern.
Herrenberg 19. April. In vergangener Nacht gerieten junge Burschen von Gültstein aus Eifersucht mit anderen in Streit. Auf dem Felde bei Gültstein zog der Hausknecht Schuster in der Post hier das Messer und stach den Jakob Oster nieder, ein anderer wurde weniger schwer verletzt. Oster starb in der Wirtschaft nach kurzer Zeit.
Böblingen 19. April. Die Erklärung des Abg. Roth zur Nachlaßsteuer veranlaßte die Stuttgarter Leitung des Bundes der Landwirte, eine Versammlung hier auf gestern nachmittag einzuberufen. Der Versammlung ging eine Sitzung der Vertrauensmänner des Bezirks voraus, in der auf Antrag des Abg. Schrempf eine Entschließung angenommen wurde, die dem Abg. Roth überreicht werden wird.
Stuttgart 19. April. Zur Einführung von Wanderarbeitsstätten in Württemberg wird dem „St.-A." geschrieben: In den Bezirken des Landes werden zur Zeit die Amtsversammlungen zusammenberufen und überall steht auf ihren Tagesordnungen auch die Frage der Einführung von Wanderarbeitsstätten oder die Verwilligung von Beiträgen zu den Gründungskosten. Erfreulicherweise haben bis jetzt die Amtsversammlungen, in deren Bezirken die Gründung von Wanderrabeitsstätten in Aussicht genommen ist, eine sehr freundliche Haltung zu der Sache eingenommen. Die Amtsversammlung von Heilbronn ist die erste gewesen, welche die Gründung einer Wanderarbeitsstätte und zwar einstimmig beschlossen hat. Rasch folgten die Amtsversammlungen von Ludwigsburg, Ulm, Böblingen, Herrenberg, Aalen und Crailsheim nach, so daß ein verheißungsvoller Anfang gemacht ist. Folgen die Oberamtsbezirke, in denen die Amtsversammlungen in nächster Zeit stattfinden werden, diesem erfreulichen Beispiel, so kann eine zweckmäßige und wirksame Regelung der Wanderarmenfürsorge in unserem Lande in Aussicht genommen werden. Dann wird es möglich sein, ein lückenloses Netz von Wanderarbeitsstätten zu ziehen, das für das Gelingen einer geordneten Wandererfürsorge die notwendige Voraussetzung bildet. — Von den Ausschüssen der vier Landarmenbehörden haben bis jetzt drei die Unterstützung der Wanderarbeitsstätten zugesagt und es steht zu erwarten, daß auch in den Vollversammlungen der Landarmenbehörden die Mitwirkung in dieser wichtigen Frage be
schlossen werden wird. — Die Gemeindeverwaltungen der in Betracht kommenden Städte haben ebenfalls, soweit bis jetzt eine Beschlußfassung herbeigeführt worden ist, fast überall die Mitwirkung bei der Einführung der Wanderarbeitsstätten beschlossen. Einige Stadtverwaltungen sind auch dem „Verein zur Förderung der Wanderarbeitsstätten in Württemberg" als Mitglieder beigetreten, ein Beispiel, das im Interesse der Sache nur dringend zur Nachahmung empfohlen werden kann.
Stuttgart 19. April. Die Staatsanwaltschaft vermutet, daß der am Ostermontag früh hier in dem Eisenlagerschuppen der Firma Hahn L Keller auf dem Areal der ehemaligen Pragziegelei ausgebrochene Brand von einer Person gelegt worden ist, die zuvor in einen in dem Gebäude befindlichen Bureauraum zwecks Stehlens eingestiegen war und nach Entwendung von sieben Zwanzigmarkstücken zur Verdeckung des Diebstahls den Brand gelegt hat. Der Gebäudeschaden wird vorläufig auf 40 000 der Mobiliarschaden auf 50 000 geschätzt.
Stuttgart 19. April. (Pferdemarkt). Die Zahl der zu Markte gebrachten Pferde belief sich Heuer auf etwa 1000, ist also etwas größer als im letzten Jahre; aber ein Teil der Stände rings um die Garnisonskirche blieb doch noch leer. Hinsichtlich der Quantität der Pferde hat der Stuttgarter Markt gegen früher nicht unwesentlich eingebüßt, dagegen läßt sich erfreulicherweise konstatieren, daß die Qualität der Pferde von Jahr zu Jahr eine bessere wird. Die abgetriebenen Mähren, die früher reihenweise vorhanden waren, sind nur noch in verschwindend wenig Exemplaren vorhanden. Ueberall sieht man die breiten, kräftigen und gedrungenen Formen der schweren Arbeitspferde, wie Nor- männer und Belgier, neben dem kaltblütigen Schlag tauchen aber die kräftigen, edelgezogenen Oldenburger und Holsteiner Pferde, deren hervorragende Eigenschaften der Württ. Pserdezucht- verein längst erkannt hat, immer mehr auf. Auch unter den Luxuspserden, die in den Privatstallungen untergebracht sind, sind neben dem englischen Blut diese Rassen glänzend vertreten. Der Fremdenverkehr war bei dem prächtigen Frühlingswetter ein - sehr bedeutender, und auf dem Markt ging es lebhaft zu. Vormittags bewegte sich der Handel in engen Grenzen, nachmittags dagegen wurden ziemlich viele Käufe abgeschlossen und zwar, wie man hört, zu guten Preisen. Von der Kommission wurden die 25 als Gewinne für die Pferdemarktlotterie bestimmten Pferde angekauft. — Der mittags auf dem Schloßplatz stattfindende Korso hatte viel Publikum angelockt; die Bierbrauereien paradierten mit ihren solid angeschirrten schweren Gäulen, ebenso die Transportgeschäfte. Auch eine Reihe von Lastautomobilen beteiligte sich
am Korso, sowie auch die Feuerwehr und andere städtische Fuhrwerke. Eigentliche Luxusfuhrwerke waren nur sehr spärlich vertreten. Der König sah sich den Korso vom Balkon des linken Schloßflügels aus an. — An dem üblichen Pferde- markt-Efsen im Hotel Marquardt nahmen der König und die Herzöge Robert und Ulrich teil. Nachmittags fuhr der König nach dem Pferdemarkt, zunächst nach der städtischen Reithalle, wo er sich die für die Lotterie angekauften Pferde und sodann noch verschiedene Luxuspferde vorführen ließ. Später begab sich der König nach der Gewerbehalle, um hier die Wagen- und Geschirr-Ausstellung zu besichtigen. — Vom Hundemarkt ist nicht viel zu sagen, von Rassehunden war wenig zu bemerken. Der Handel in großen Hunden, in Doggen, Leonbergern u. s. w. scheint sehr zurückgegangen zu sein, wenigstens sah man in der Hauptsache nur mittlere und kleinere Hunde, die den Mangel an Rasse durch rührende Anhänglichkeit an ihre Besitzer ersetzten. (St. Mpst).
Stuttgart, 19. April. Der Polizeibericht schreibt: Gestern vormittag 9 V« Uhr wurde die Leiche einer alten Frau aus dem Neckar geländet und nach dem Steigfriedhof gebracht. Es liegt Selbstmord vor.
Stuttgart 19. April. (Strafkammer.) Der ledige 25 Jahre alte Küfer Karl Mödinger von Strümpfelbach wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, öffentlicher Beleidigung und Körperverletzung zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Er faßte am 31. Dezember in Eßlingen bei seiner Vorführung auf das Oberamt einen Schutzmann am Hals und schlug mit den Fäusten auf ihn ein, gegen andere Schutzleute stieß er mit den Füßen und beleidigte sie aufs gröblichste. Mödinger ist wegen Roheitsvergehen schon öfters vorbestraft; er wird als unbotmäßiger und gewalttätiger Mensch geschildert. Er war schon in verschiedenen Irrenanstalten zur Beobachtung seines Geisteszustandes untergebracht; eine Geistesstörung konnte aber nicht konstatiert werden.
Rottenburg 19. April. Auf Wurmlinger Markung landete am Samstag Mittag glatt der Ballon des Oberrheinischen Luftschiffervereins „Graf von Wedel", der mit vier Herren von Straßburg aufgestiegen war. Bei Nagold war bereits eine Zwischenlandung erfolgt, man stieg aber durch Ausgabe von Ballast wieder bis zu 3000 in Höhe, wo eine Temperatur von 15° 6 herrschte. Der Ballon wurde verpackt, wobei die Dorfbewohner, die natürlich in Massen herbeigeeilt waren, wacker mithalfen, und von Rottenburg per Bahn nach Straßburg befördert. Auch die vier Insassen traten von da die Heimreise an.
Schwenningen 19. April. Vorgestern abend wurde ein etwa 8 Jahre alter Knabe von einem Automobil überfahren und sofort getötet.
was hats denn gegeben? Wir sind hier natürlich ungeheuer beunruhigt. Warum verreist denn der kranke Mann mitten im Winter? Und dann, das böse: „Abgereist, unbekannt, wohin." Was soll das heißen? Das ist doch eine Flucht, die muß wie alles in der Welt doch einen Grund haben. Horst, mein Sohn, Du weißt näheres darüber! Du mußt was wissen, denn Du warst doch bis zuletzt vor Weihnachten im herrlichen Frankfurt. Also tu uns die Liebe: Setz dich nieder und schreibe uns einen Schreibebrief, in dem zu lesen steht, was Du zu Melden weißt. Und beherzige aus Barmherzigkeit den Spruch: Was getan sein soll, das tue bald. Ich warte mit Ungeduld, denn ich muß reisen.
Handschlag in Treuen Hinko.
Horst las den Brief des Schwagers einige Male. Er hatte ihn erwartet, denn es lag doch nahe, daß man von ihm Auskünfte einfordern würde, er hatte sich sogar schon eine Ausflucht ausgedacht, denn seinen Herzensroman mit Marie wollte er dem Papier nicht anvertrauen. Hinko bekam nur ein paar kurze Briefzeilen. Horst, schrieb, daß er auch nichts wisse. Bergs seien bei Nacht und Nebel fort, und er könne nur vermuten, daß sie nach dem Süden gegangen seien. —
In der Folge bekam Horst viel zu tun. Die Zahl der wirklich Gesunden war erschreckend klein, die Zahl der Kranken, die sich zum Kranksein nicht die Zeit nahmen, uoverhältnismäßig groß. Er lernte den Fluch der Hausindustrie in seiner ganzen Furchtbarkeit erkennen, und er sehnte nun mit aller Kraft den Augenblick herbei, an dem die Fabrik wieder in Betrieb genommen und allem Elend der Heimarbeit ein Ende bereitet werden konnte.
Inzwischen aber gestaltete sich seine aufopfernde Tätigkeit äußerst unbefriedigend für ihn selbst. Die Leute hatten kein Vertrauen zu ihm; das war von allem Anfang an so gewesen, und der Tod Christel Hun- stocks hatte den ersten Anstoß dazu gegeben. Dann waren noch drei
andere im Dorfe gewesen — Todeskandidaten wie der Christel, die der Verschlechterung der Lebensbedingungen erlagen und zu den allen er immer erst gerufen wurde, wenn es nichts mehr zu helfen gab. Auch die starben und so setzte sich die Meinung fest, daß er ein Todbringer sei. Seine Anordnungen wurden nicht befolgt, wenn sie den Leuten nicht selbst aus irgend einem Grunde einleuchteten, und so kam es, daß er auch in akuten Fällen Mißerfolge hatte, die ihm selbst wehe taten.
Er sprach mit Manders oft über diese Zustände, und der wurde nicht müde, den sinkenden Mut des Arztes wieder aufzurichten. Manders tat auch redlich das Seine, den Einfluß des Arztes zu stärken, und er konnte gelegentlich ganz gewaltig gegen den Unverstand seiner Pfarr- kinder donnern. Aber viel erreichten sie beide nicht — es stellte sich sogar die Wirkung ein, daß nun auch der Pfarrer einige Einbuße an Ansehen erlitt.-
Unter diesen Umständen konnte Horst ruhig zur Hochzeit Inges nach Magdeburg fahren — er sagte sich mit schmerzvoller Bitterkeit, daß kein Mensch im Dorf ihn entbehren werde.
Horst fuhr mit leeren Händen nach Magdeburg. Er hoffte in Magdeburg etwas für die Schwester zu finden. Selbst zu dem erbetenen Hochzeitsgedicht hatte er keine Stimmung gefunden, und Hinko mußte auf das Vergnügen, angedichtet zu werden, vorerst wieder verzichten. Paul war besser daran. Er gefiel sich schon ein wenig in der Rolle des reichen Bruders, und so hatte er denn aus Berlin eine prachtvolle Uhr aus echter Bronze verschrieben. Die kostete bare dreihundert Mark, das hatte er Pastors mit vielem Behagen erzählt und man sah ihm die Freude darüber an, daß er ein solches Geschenk machen konnte, ohne sich Harum Entbehrungen auferlegen zu muffen.
In Magdeburg wurden die Brüder von dem Brautpaar auf dem Bahnhof empfangen. Inge strahlte förmlich in ihrem jungen Glück, und