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Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtzbezirk Calw.
84. ZahrglM-.
ErschLinung Donnerstag, 10 Pfg. pro Zeile
»tage: Monta; Freitag und § für Stadt u. Hezi
enstag, M
Zamstag. Hnserrionspreis rksorte; außer Bezirk 12 Psg.
Dienstag, den 20. April 1909.
BczugSpr.i.d.Stadt- ,jährl.m.rrägerl.Mk. 1.25. PostbezugSpr.
d. Orts- u. NachbarortSverk. -.Nährl. Mk. 1 . 20 , ini Fernverkehr ^!k. r.so. Bestellg. in Württ. so Psg., in Bayern u. Reich 42 Psg.
Amtliche Bekanntmachungen».
BekauutmaÄunq,
betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Bäckereien und solchen Konditoreien, in denen neben den Konditorwaren auch Bäckerwaren hergcstellt werden.
Die Ortsvorsteher werde» unter Hinweis auf die Min.-Verfügung vom 12. I!I. 09, Reg.-Bl. S. 43, veranlaßt, die betr. Bestimmungen den ortsansässigen Bäckern und Konditoren zur Kenntnis zu bringen, ihren Betrieb kontrollieren zu lassen und für die Abstellung etwaiger Anstände bis 1. Juli ds. Js. Sorge zu tragen.
Die Erledigung des Auftrags ist im Schultheißenamtsprotokoll zu bestätigen.
Calw, 19. April 1909.
K. Oberamt.
Amtmann Rippmann.
Tagesnemstketten.
X. Calw 19. April. In der Generalversammlung des Liberalen Vereins, die am Samstag abend im Adler stattfand, wurde nach Erstattung des Geschäftsberichts und nach Vornahme der Neuwahlen, die keine Aenderung ergaben, aus ein Referat des Schriftführers über die politische Lage hin folgende Resolution angenommen:
„Der Liberale Verein Calw bedauert die durch den Starrsinn der Konservativen und der Agrarier hervorgerufene Verzögerung der Reichsfinanzreform und erwartet, daß die Abgeordneten der linksliberalen Parteien ihre Zustimmung nur dann geben, wenn mindestens 100 Millionen durch direkte Steuern, als deren gerechteste Form die Nachlaß- oder Erbschaftssteuer angesehen wird, aufgebracht werden."
-6 Calw. Am letzten Sonntag hielt der Bienenzüchterverein des Bezirks Calw in der Dreiß'schen Brauerei seine 25. Generalversammlung ab. Der Vorstand Herr Kaufmann Knecht begrüßte die zahlreich erschienenen Imker. Im Rückblick auf den Winter sagte er, daß dieser für die Ueberwinterung im allgemeinen recht günstig war, und daß die Völker da, wo sie richtig eingewintert wurden, auch gesund und stark ins Frühjahr kamen; das gegenwärtige Frühlingswetter wirke sehr fördernd auf ihre Entwicklung. Wo es natürlich im Herbst am Futtervorrat fehlte, sind die Völker dem Hungertod verfallen, da in diesem Winter, mit seiner lang andauernden Kälte, nicht gefüttert werden konnte. Nach diesem Rückblick hielt Herr Lehrer Kömpf von Stammheim einen recht belehrenden Vortrag über den „Anfang in der Bienenzucht". Der Redner schilderte die Hauptpunkte, die jeder angehende Imker zu beachten hat, in leicht verständlicher Art und erwarb sich durch, den, Vortrag den reichen Beifall der Versammlung. Der Rechenschaftsbericht des Kassiers, Herr Buck, lautete recht günstig. Die Zahl der Vereinsmitglieder beträgt z. Zt. 215 und zeigt, daß im Bezirk reges Interesse für die edle Imkerei vorhanden ist. Sodann kam das vom Vereine gegen die Nagolder Honigverkaufsgenossenschaft geführte Vorgehen zur Besprechung. Der Verlauf der Sache ist folgender: Die Honigverkaufs- genosscnschaft Nagold mit dem Vorstand Reichert an der Spitze, ließ durch einen bezahlten Hausierer auch im Bezirk Calw größere Mengen Honig verkaufen. Von derselben Genossenschaft bezog auch Herr Andler zum Hotel Hirsch in Teinach. Da der Käufer aber an der Reinheit und Echtheit desselben zweifelte, brachte er dem Vorstand Herrn Knecht in Calw, eine Probe zur Begutachtung. Dieser erklärte sofort,
daß der Honig ein Zuckerfülterungsprodukt fei, worauf Herr Andler bei Herrn Reichert Beschwerde erhob. Hr. Reichert erklärte, daß der Honig nicht von ihm, sondern von seinem Freunde Schultheiß Weimer in Pfrondorf fei; der Honig wurde aber sofort zurückgenommen, da die Herren scheints die Garantie für reinen Blütenhonig, die sie beim Verkaufe schriftlich gaben, nicht aufrecht erhalten konnten. Vor Rückgabe des Honigs wurde aber amtlich eine Probe entnommen und zur Untersuchung an das chemische Laboratorium des Politechnikums Straßburg eingesandt, das den Honig als ein durch Zuckerfütterung gefälschtes Produkt erklärte. Leider konnten bis jetzt die HH. Verkäufer strafrechtlich nicht verfolgt werden, da nach einem Reichsgerichtsspruch vom März 1908, Honig, der durch Zuckerfütterung produziert wird, nicht als Nahrungsmittelfälschung angesehen werden könne. Sämtliche Jmkervereine Deutschlands und jeder reelle Imker gehen aber mit diesem Rechtsspruch nicht einig. Auch sämtliche anwesende Imker verurteilten das Füttern von Zucker, soweit es zur Honiggewinnung betrieben wird, und gaben einstimmig unserem Vorstand zudem Vorgehen gegen die Honigverkaufsgenossenschaft Nagold ihren Beifall. Die Vereinigung deutscher Nahrungsmittelchemiker hat in ihrer Versammlung vom Mai v. Js. in Bad Nauheim erklärt: „Honig als Nahrungsund Genußmittel ist der durch die Arbeitsbienen von den verschiedensten lebenden Pflanzen aufgesaugte, in der Honigblase der Biene verdichtete und fermentierte Saft, der in die Waben lWachszellen) zum Zwecke der Ernährung des Bienenvolkes abgeschieden wird." Ferner: „Die Fütterung der Bienen in und außerhalb der Bienenwohnung ist nur gestattet, soweit sie zur Erhaltung des Lebens der Bienen und ihrer Brut notwendig ist.
Eine Lüge.
Roman von Ludwig Rohmann.
(Fortsetzung.)
Paul brach das Gespräch, das ihn mit lebhaftem Unbehagen erfüllte, kurz ab. „Lassen wirs gut sein," sagte er schroff. „Einstweilen hat Papas eigene Eintragung für mich mehr Beweiskraft als die Mutmaßungen, zu denen Horst sich versteigt. Ich für meine Person bin nicht undankbar genug, einen Mann grundlos zu verdächtigen, der mir Gutes erwiesen hat. Ich kann nur wiederholen, mir kommt die Abreise wirklich nicht so unbegreiflich vor, daß ich zu Verdächtigungen meine Zuflucht nehmen müßte." Er ging ohne Gruß hinaus. Horst ließ sich immer wieder durch Pauls Ungezogenheiten in Empörung Hineintreiben, und jetzt war er außer sich, weil Paul auch Manders seine Zurechtweisung hatte zuteil werden lassen. Aber er wußte auch, daß mit Paul nichts anzufangen und daß es unnütz war, ihm mit Gründen höherer Art zu kommen, er glaubte ja doch, was ihm beliebte. So bat er denn Manders für Paul um Entschuldigung. Manders lächelte gütig: „Ach, das darf Sie nicht erregen, und mich kränkts auch gar nicht. Es kommt ihm nur auf die augenblickliche Wirkung an, wenn er seine Trümpfe ausspielt, und im Grunde ist er selbst nicht von dem überzeugt, was er behauptet. Vermutlich läßt er nun doch all das sich durch den Kopf gehen, was Sie gesagt haben, und ganz gewiß prüft er die Situation darauf, ob sich etwa ein Vorteil daraus ziehen läßt. — Lassen wir ihn also — jede Eigenart hat ihre Berechtigung, und wir wollen ihm die seinige nicht streitig machen."
Sie gingen in die Wohnstube, wo die Pastorin mit den Kleinen spielte und mit hohen Lobesworten all die Siebensachen bewunderte, die
extra vom Himmel gebracht
das Christkind für die kleinen Herrschaften hatte. Paul hatte das Pfarrhaus verlassen.
Xlll.
Niein lieber Horst!
Also auf dem Eichsfeld willst Du Dich niederlasfen? Sonderbar — sonderbar! Inge und ich — wir sind einfach sprachlos ob der Kühnheit und Absonderlichkeit Deines Entschlusses. Denn dazu gehört doch Courage, sich mitten auf dem Lande und noch dazu da, wo es am traurigsten ist, zu vergraben und aller Weltsreude zu entsagen. Na, Du willfts einmal und da wollen wir beide, meine Inge und ich, Dich nicht irre machen. Alles Gute denn für die Zukunft. Und geht's doch schief — Du hast eine Schwester, die Dich anbetet — mehr fast, als mir lieb sein sollte, denn von rechtswegen darf Inge Bornemann doch nur mich anbeten, nicht wahr? Na also, sie betet Dich trotzdem an; und ich bin Dir gut, lieber braver Kerl, und gehts schief — besinne Dich, daß wir daheim in München immer noch ein warmes Platzerl für Dich haben. Nun ists nämlich beschlossene Sache: Wir ziehen nach München. Draußen in Tutzing Hab ich ein famoses Häuschen entdeckt, das zu haben ist; das kauf' ich, und im Februar ist Hochzeit. Gleich nach Neujahr fahr ich gen Süden, indes Inge hier bei Muttern bleibt. Ich besorg derweil in München das Nötige, und am fünfzehnten des Hornung, während die Welt ringsum im Karnevalsrausch befangen liegt, wollen wir still und sinnig unsere Hochzeit feiern. Leg' Dir ein Hochzeitsgedicht zurecht, Bruderherz! Ich denk es mir wundervoll, auch einmal angedichtet zu werden. — So, und nun die Hauptsache: Was ist in Frankfurt los? Inge hat geschrieben, Mutting und ich haben geschrieben, und alle haben wir die Briefe prompt zurückbekommen mit der freundlichen Auskunft der Post: „Adressat abgereist, unbekannt, wohin." Ja, Menschenkind,