351
Ansicht, daß nach den neuesten Erfolgen des Reichslustschiffes 2 I, durch die die unbedingte Sicherheit des Landens auf festem Boden erwiesen sei, nunmehr bestimmte Schritte für die Einrichtung der Linie zu machen seien.
München 8. April. Der Hochwasserschaden in Bayern ist nunmehr von den Behörden festgestellt worden. Der Gesamtschaden beträgt darnach für die Privateigentümer über 8 Millionen Mark. Dazu kommen noch etwa anderthalb Millionen Mark für zerstörte Gemeindebauten und Anlagen.
Belfort 8. April. An der deutschfranzösischen Grenze fand gestern ein Lokal- Termin in Sachen Delaire statt, der bekanntlich bei einem Jagdausflug am 14. März auf deutschem Gebiet erschossen worden war. Der deutsche Jagdaufseher Berger, der in Verdacht der Täterschaft geraten war, wurde den französischen Jagdteilnehmern gegenüber gestellt. Der Lokal-Termin ergab, daß der getötete Diener von einer Kugel getroffen worden war, als er nach der französischen Grenze flüchtete und daß er keinen Gebrauch von seiner Waffe gemacht hatte. Die französischen Zeugen haben sich bereit erklärt, vor dem Schwurgericht in Mühlhausen im Elsaß zu erscheinen.
Paris 8. April. Die französische Regierung erfuhr von einem Anschläge des Expräsidenten Castro von Venezuela. Man weiß, daß er Schiffe und Waffen bestellte und die Absicht hatte, in den Gewässern von Martinique den Oberbefehl über die von ihm an- geworbenen Mannschaften zu übernehmen. Diese Nachricht traf hier ein, bevor Castro in Fort de France französischen Boden betrat. Dort wurde ihm'vin Kabeltelegramm der französischen Regierung vorgelegt, demzufolge er angewiesen wurde, Martinique so rasch als möglich zu verlassen und an Bord eines nicht französischen Schiffes zu gehen. Castros Verlegenheit ist nun groß, da auch englische und amerikanische Dampfer ihm die Aufnahme an Bord verweigern. Castro hofft, an Bord eines südamerikanischen Dampfers ausgenommen zu werden.
Lille 8. April. In der Nähe von Fournier landete gestern neuerdings ein deutscher Ballon, in dem sich drei Artillerie- Offiziere befanden. Die Offiziere erklärten, in Wiesbaden aufgestiegen und infolge des starken Windes über das Ziel Hinausgetrieben worden zu sein. Der Ballon wurde beschlagnahmt.
Rotterdam 8. April. Königin Wilhel- mina ist völlig wohl auf; sie ergeht sich bei günstiger Witterung täglich im Garten des Haager Schlosses. Täglich treffen Geschenke für den erwarteten Thronfolger ein, die die Königin
besichtigt, um dann noch am selben Tage den Gebern telegraphisch zu danken. Die Frauen der Provinz Friesland schenkten ein in Pergament gebundenes sogenanntes Babybuch, in das die Geschichte des ersten Lebensjahres des königlichen Sprößlings eingetragen werden soll. Der bekannte Frauenarzt Professor Ko uv er aus Utrecht, der mit dem Hofarzt die Geburtshilfe leisten soll, schläft seit einigen Tagen im Schlosse.
London 8. April. Nach einem Telegramm aus Konstantinopel ist bei den dort lebenden Persern die Nachricht aus Teheran eingetroffen, daß vor einigen Tagen auf dem Schreibtisch des Schahs ein Sprengkörper entdeckt wurde. Der Schah und seine Vertrauten sind aufs höchste erregt, weil man eine Verschwörung gegen das Leben des Schahs annimmt, deren Mitglieder bis in seine unmittelbare Umgebung reichen müssen, zum Mindesten aber in der Lage sind, sich Zugang zum Palast zu verschaffen. Unter den Bediensteten des Hofes sind Verhaftungen in großer Anzahl vorgenommen worden. Ueber das Ergebnis der sofort eingeleiteten Untersuchung ist bisher nichts bekannt geworden.
Rom 8. April. Das italienische lenkbare Luftschiff des Grafen Da Schio unternahm gestern Abend erfolgreiche Flugversuche in einer Höhe von 200 bis 400 Metern. Das Luftschiff gehorchte stets dem Steuer. Die Versuche mußten aber infolge einer Motordefektes unterbrochen werden. Beim Landen erlitt das Luftschiff einige kleine Beschädigungen.
Messina 8. April. Gestern Abend 9 2/» Uhr erfolgte ein heftiger Erdstoß, dem ein donnerähnliches Geräusch voranging.
Genua 9. April. Eine im hiesigen Hafen ausgebrochene Feuersbrunst vernichtete Warenvorräte im Werte von anderthalb Millionen Lire.
Innsbruck 8. April. Das Landes-Fest- Komitee der Jahrhundertfeier in Vorarlberg wird an den Grafen Zeppelin eine Einladung richten, anläßlich der im August stattfindenden Festlichkeiten und der Anwesenheit Kaiser Franz Josefs mit seinem Luftschiff nach Bregenz zu kommen.
Wien 8. April. Die Erklärung der montenegrinischen Regierung, die in der vorgestern erteilten Antwort auf die italienische Note enthalten war, hat hier durchaus befriedigt. Die montenegrinische Regierung hat gestern dem italienischen Kabinett und den anderen Mächten, darunter der Wiener Regierung eine Note zukommen lasten, in der sie ihre Bereitwilligkeit zur Wiederaufnahme der freundschaftlichen Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn ausspricht. Die Note ist von Wien aus in ent
gegenkommender Weise beantwortet worden und Oesterreich hat sich zur Abänderung des Artikels 29 des Berliner Vertrages bereit erklärt. Somit ist jetzt der aus der Annexion Bosniens und der Herzegowina entsprungene Konflikt mit den beiden serbischen Staaten erledigt. In den nächsten Tagen werden hier die Noten der Mächte erwartet, in denen die bereits mündlich von allen Kabinetten hier ausgesprochene Anerkennung der Annexion auch schriftlich erklärt wird. Die deutsche Note ist bereits eingetroffen.
Belgrad 8. April. Prinz Georg erklärte, nicht früher Serbien verlassen zu wollen, bevor ihm nicht die vom Minister Paschitsch zugesagte 1 Million Francs ausgezahlt sei.
Gemeinnütziges.
Einfassungspflanzen für den Garten. Als schönste ausdauernde Einsaffungs- pflanzen werden von Garteninspektor Wocke im praktischen Ratgeber empfohlen: Buchsbaum, schottischer Efeu, Leberblümchen, Grasnelken, Federnelken, Karpathen-Glockenblume, Steinbrech, Gänsekresse, Alpenkresse, Frühjahrsphlox, Thymian und andere. Wir empfehlen allen Gartenfreunden, die ihren Garten mit hübschen Einfassungspflanzen schmücken wollen, sich den Aufsatz über die schönsten und besten Einfafsungspflanzen vom „praktischen Ratgeber in Frankfurt a. O." schicken zu lasten. Die Zustellung erfolgt kostenfrei.
Standesamt Calw.
Geb orene.
1. April. Karl, S. d. August Heinrich Füll, Hilfs-
Kremsers.
2. „ Hermann Wolfgang, S. d. Theodor Eber
hard Mezger, Dr.med. und prakt. Arzt. 5. „ Karl Ludwig, S d. Franz Xaver Reise-
nauer, Fabrikarbeiters.
5. » Hermann Walter, S. d. Heinrich Modest,
EtsenbahnschaffnerS.
7. » Kurt Georg, S. d. Georg Wilhelm Eber
hardt, Bankkasfiers.
Gestorbene.
4. April. Paultne Helene Großmann, T. d. Michael
Friedrich Großmann, Zigarrenmachers, 3'/, Jahre alt.
5. „ Charlotte Holzinger geb. Müller, Tag-
löhnerS Ehefrau, 67 Jahre 4 Mon. all. 7. „ Christian Rtemann, Fabrikarbeiter, S. d.
Christian Gottlieb Riemann, Fabrikarbeiters, 21 Jahre 11 Mon. alt.
Reklameteir.
Sss Lesie fün Kinkel'Xi's nUe.
Romanphrase wahrmachen und mit dem Geliebten überall hingehen könnte, selbst bis ans Ende der Welt. Aber er wollte sie doch nicht in Ver-- suchuug führen, und er wollte ihr noch weniger ansinnen, den Vater allein zu laffen. Er war ja den Leuten daheim nicht verpflichtet; er beklagte sie, aber das durften sie von ihm nicht erwarten, daß er sein Glück daran geben oder seinem geliebten Mädchen und ihrem Vater auferlegen werde, die den beiden erspart werden konnten.
Also in Frankfurt wollte er seßhaft werden, und die Vorbedingungen waren ja auch äußerst günstig. Er war Spezialist für Halsleiden, und damit allein schon war er dem allgemein gebildeten Arzt um einiges voraus; aber dann kamen doch auch die Beziehungen der Familie Berg hinzu, die, wie wenig sie auch gepflegt wurden, am Ende doch wertvoll waren. Na, und wenn die auch nicht viel bedeuten sollten, er traute sich's zu, sich auch ohne sie eine Position zu schaffen.
Marie war glücklich in dem Gedanken, daß sie in Frankfurt bleiben durfte. Sie liebte ihre schöne Vaterstadt, und alle glücklichen Erinnerungen, die sich aus der glücklichen Jugend aufgesammelt hatte, machten sie ihr teuer. Und dann kam als Hauptsache die Rücksicht auf den Vater hinzu. Der wurzelte fest im Boden der alten Reichsstadt, den hätte sie also allein dort zurücklafsen müssen — und das ging doch gar nicht, zumal jetzt nicht, da er liebevolle Pflege notwendig hatte. Im Hause war ja Platz übergenug. Wenn dem alten Manne die Räume, die er für sich brauchte, reserviert wurden, dann war alles getan, was zur Vorbereitung der Hochzeit nötig war, und im übrigen blieb alles beim alten.
Berg hatte merkwürdigerweise nichts von dem bemerkt, was um ihn vorging und wie es mit Horst und Marie stand. Die verkehrten selbstgewiß und stillfroh mit einander, und es kostete sie gar keine Mühe, Unvorsichtigkeiten in Gegenwart des Vaters zu vermeiden. Aber trotzdem war die absolute Unbefangenheit Berg auffällig. Er hätte doch schon aus
einer gewissen Wahrscheinlichkeit heraus annehmen müssen, daß die beiden jungen Menschen sich innerlich nahe rücken mußten im täglichen Verkehr und in der Gemeinsamkeit der Sorge um ihn. Oder nahm er das auch an und ließ die beiden in heiterer Zuversicht gewähren? Horst glaubte nicht daran; er neigte vielmehr der Annahme zu, daß die geistigen Fähigkeiten des alten Herrn durch den Schlaganfall herabgesetzt seien und daß er wirklich völlig arglos das Verhältnis der beiden zu einander ansehe. Daß diese Annahme richtig war, das sollte er bald erfahren.
Es war am „goldenen Sonntag", dem letzten vor dem Feste. Berg, der längst wieder das Bett verlassen durfte, saß in einem beauemen Lehnstuhl, nahe beim Fenster, und Horst leistete ihm Gesellschaft, während Marie in die Stadt gegangen war, um allerlei Einkäufe für den heiligen Abend zu machen. Horst las Berg eine Zeitung vor; mit Auswahl natürlich, denn Aufregendes mußte vermieden werden und Börsennachrichten waren einstweilen noch nicht unter die erlaubte Lektüre mit einbezogen. Horst las, und die eine oder andere 'Nachricht wurde auch besprochen, knapp und ohne viel Worte, denn Berg hatte immer noch einige Mühe, eine Konversation zu führen, und gelegentlich verließ ihn mitten im Satz die Fähigkeit, seine Gedanken festzuhalten und fortzuspinnen. Die Dämmerschatten im Zimmer verdichteten sich, und Horst hatte einige Mühe, die Buchstaben zu erkennen. Er rückte näher zum Fenster und las weiter, weil er durch das Lesen den alten Mann der Notwendigkeit einer anderen Unterhaltung überhob. Aber als er dann wieder einmal aufsah und eine Zwischenfrage an Berg richtete, bemerkte er, daß dieser eingeschlafen war. Er ließ das Blatt zur Erde fallen und verhielt sich ruhig auf seinem Platz. Der Frieden der Dämmerstunde spann seinen Zauber auch um ihn und sinnend und träumend malte er sich die Zukunft aus, die er hier in diesen lieben Räumen mit Marie verleben sollte.
(Fortsetzung folgt.)