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26 Jahre alte, verheiratete Ankuppler Stoll beim Rangieren vom Trittbrett eines Wagens abspringen, hierbei geriet er in das andere Gleis, auf dem im gleichen Moment der Orientexpreßzug heranbrauste. Stoll wurde erfaßt und so schrecklich verstümmelt, daß der Tod sofort eintrat.
Sulz a. N. 16. März. Heute nachmittag fand in Aisteig durch die Gerichtskommission die Obduktion der Leiche der verstorbenen Witwe Steidinger statt. Sie ergab einen Rippenbruch und einige leichtere Verletzungen an der Brust. Der Schwiegersohn Merkel wurde in das hiesige Amtsgerichtsgefängnis abgeführt.
Rottweil 16. März. Frhr. v. M ü n ch wird gegen die Abweisung der Anfechtungsklage gegen seine Entmündigung Berufung einlegen,
Friedrichshafen 16. März. „!< 1" machte heute früh o Uhr eine glänzend gelungene Landung auf festem Boden, hielt sich, nur von Soldaten gehalten und nicht verankert, eine Stunde auf dem Platze und erhob sich dann wieder in die Lust, um nach der Halle zurückzukehren. Bei der Landung streifte ein Seitensteuer an einen Obstbauin und mußte abgenommen werden, trotzdem verlief die Rückfahrt tadellos. Generalleutnant v. Lyncken, Major Groß und andere Offiziere nahmen daran teil.
— Graf Zeppelin erhielt von der Großherzogin-Witwe Luise von Baden ein längeres Telegramm, worin sie den Grafen hcrzlichst beglückwünscht zu den neuen erfolgreichen Fahrten und die Hoffnung ausspricht, daß auch alle ferneren Fahrten von völligem Gelingen gekrönt sein mögen. — Aus Köln wird dem „Berl. Lok.-Anz." berichtet: Graf Zeppelin wird in den nächsten Tagen mit dem Bail eines neuen Luftschiffes beginnen, das wesentliche Verbesserungen und größere Dimensionen als die bisherigen ausweisen wird. Das Aluminium-Material, das die Firma Karl Berg in Evenking in Westfalen liefert, ist nach Friedrichs- Hafen abgegangen. Das Gewicht des Materials beträgt etwa 10 000 Kilogramm. Das wird dann den 3" geben, denn der 2" ist nahezu rlugbereit fertig.
Pforzheim 16. März. Schon wieder trug sich in der Nähe der Stadt ein schweres Verbrechen zu. Der hiesige 66 Jahre alte Privatier und frühere Bijouteriesabrikant Hermann Laux hatte Sonntags einen Ausflug in den Schwarzwald gemacht. Als er abends allein heimkehrte, versäumte er den Zug in Birkenfeld und ging zu Fuß in der Dunkelheit auf der Landstraße heimwärts. Ein Unbekannter, der Laur am Billetschalter beobachtet hatte als erden Geldbeutel zog, holte ihn ein und schlug ihm mit einem schweren Gegenstand auf den Kops, so daß Laur die Straßenböschung hinab- nel. Der Räuber sprang ihm nach und suchte
ihn zu erwürgen, was ihm aber bei der starken Gegenwehr des noch rüstigen Mannes nicht gelang. Darauf schlug er seinem Opfer das Nasenbein entzwei und den Kopf wund, beschädigte ein Auge und stieß ihm einige Rippen ein, worauf er ihm den Geldbeutel mit einigen Mark Inhalt raubte. Der Ueberfallene kam ivieder zu sich und machte sich einem vorübergehenden Bahnwart bemerklich, der ihm Hilfe brachte. Laur schwebt in Lebensgefahr. Der Täter entkam. Ein Verdächtiger ist in Wildbad verhaftet worden.
Berlin 16. März. «Reichstag.) Nachdem die Beratungen betr. das Weingesetz heute zu der Annahme des Restes des Gesetzes geführt hatten, wurde die Etat-Beratung fortgesetzt beim Spezial-Etat des Reichs-Militärgerichts. Die Kommission hat hier verschiedene Abstriche vorgenommen. Unter anderem hat sie einen zweiten Adjutanten für den Präsidenten des Reichs-Militärgerichts gestrichen, auch ebenso je 600 -// Zulagen für 11 außeretatsmäßige Mitglieder des Militärgerichts. Abg. v. Elern ikons.) beantragt sowohl den zweiten Adjutanten wie jene Zulagen für außeretatmäßige Mitglieder wieder herzustellen, dagegen von den Kanzlei- Sekretärstellen 3 (statt nur 2) als künftig wegfallend zu bezeichnen. Abg. Semler (natl.) befürwortet diesen Antrag. Präsident des Reichsmilitärgerichts v. Linde bittet um Annahme des Antrages. Mit offenbar ganz schwacher Mehrheit (gegen Zentrum und Sozialdemokraten) wird der Antrag von Elern und Genossen angenommen. Eine weitere Debatte entsteht beim Titel Reichs-Militärgericht nicht. Es folgt der Militär-Etat. Abg. Häusler (Zlr.) betont, daß sich doch viel sparen und der Etat sich namentlich auch durchsichtiger gestalten ließe, sparen an Dienstwohnungen, Reisen und anderen Gebührnissen. Die Zentralstelle kümmere sich um zu viele Kleinigkeiten. Die Kommission schlage deshalb auch eine Anzahl Resolutionen vor. Abhilfe sei nötig gegen den Mangel an Militärärzten und Veterinärärzten. Die Berufssicherheit unserer Offiziere müsse auf eine feste Basis gestellt, das Pensions-System geändert und zu dem Behufs das bisherige Kapitulations- und Protektionswesen beseitigt werden. (Sehr richtig im Zentrum). Dankenswert seien die Vorträge in der Armee über Landwirtschaft, bedauerlich dagegen das Gewicht, das immer noch auf die Kavallerie als Waffe für Massenangriffe gelegt werde. Disziplin müsse sein, aber dazu bedürfe es nicht eines solchen Parade-Drills. Das dritte Dienstjahr bei der Kavallerie sei unnötig. Abg. v. Lieb ert (Rp.): Wir stehen in recht ernsten Zeiten, jeden Augenblick kann der Krieg ausbrechen. In solcher Zeit dürfen wir bei unserer Rüstung nicht an sparen denken. Redner spricht sich sodann gegen die Idee der Ersetzung
der dritten Leutnants durch Feldwebel-Leutnants aus, deren Erwägung eine von der Kommission beantragte Resolution dem Reichskanzler anheimgibt. Zustimmen könne er der von der Kommission gewünschten Prüfung der Frage, ob die Zahl der Hilfsmusiker eingeschränkt werden könne. Sehr anerkennenswert sei das Bestreben Erzbergers, wo es nur angehe, inaktive Offiziere wieder in der Armee anzubringen. Auf jeden Fall, so schließt Redner, wird unsere politische Bedeutung im Auslande von dem militärischen Gewicht abhängen, das wir in die Wagschale werfen können. (Beifall.) Abg. Graf Oriola (natl.) meint, unsere Armee sei es, die uns den Frieden sichere. Er habe zu unserer Heeresverwaltung Vertrauen, auch in der Frage der Länge der Dienstzeit bei der Kavallerie. Das Aushilssmittel der Feldwebel-Leutnants zur Abhilfe gegen das Manquement im Offizzierkorps sollte man nur im äußersten Notfälle anwenden. Bei den Unteroffizieren sei vor allem wichtig die Sicherung der Zivil-Zukunst für unsere Kapitulanten. Daher sei zu begrüßen, daß die Kriegsverwaltung den Posten für den Kapitulanten- Unterricht erheblich vergrößert hat. Bayrischer General v. Gebsattel erklärt, daß die bayrische Regierung die Ansicht des Abgeordneten Häusler hinsichtlich der Dienstzeit bei der Kavallerie nicht teile. Hieraus erfolgt Vertagung.
Berlin 16. März. Die Novelle zum Strafgesetzbuch, die gestern dem Reichstage zugegangen ist, bringt neue Bestimmungen über Hausfriedensbruch, Ärrestbruch, Siegelbruch, Vereitelung der Zwangvollstreckung, Tierquälerei, Beleidigung, Kindermißhandlung, geringfügige Diebstähle und Unterschlagungen, sowie Erpressungen. Die Begründung stellt fest, daß die Novelle nur provisorischen Charakter hat und eine Anzahl dringender Uebelstände für die Zeit bis zum Zustandekommen einer umfassenden Reform beseitigen null.
Berlin 16. März. Professor Adolf Wagner sprach gestern im Augusta-Viktoria- Saal über die Reichs-Fi nanzreform. Da der Saal überfüllt war, behandelte Professor Delbrück gleichzeitig dasselbe Thema in den Spichernsälen. Die letztere Versammlung wurde später durch einen Polizeileutnant aufgelöst.
Paris 16. März. Die Post- und Telegraphenbeamten haben den Generalstreik beschlossen, der heute früh 7 Uhr beginnen soll.
Paris 16. März. Nach der gestrigem Versammlung der Post- und Telegraphenbcamten im Tivoli-Saal, welche von 4000 Personen besucht war und den allgemeinen Aus stand proklamierte, fand ein Ministerrat statt, in welchem man sich darüber einig wurde, daß das geeignetste Mittel, dem drohenden Ausstand vorzubeugen.
nach Paris berief; er sei mit dem Frühzug abgereist und lasse herzlich um Entschuldigung bitten. Herr Bornemann möge ihm die Freude machen, seine Rückkehr, die in etwa drei Tagen erfolgen werde, abzuwarten.
Horst war nicht nur enttäuscht, er konnte auch eine leichte Verstimmung darüber nicht los werden, daß aus der sehnsüchtig erhofften Unterredung nichts geworden war. Warten konnte und wollte er nicht — was hätte er auch in den drei Tagen anfangen sollen? So verabschiedete er sich gleich nach Tisch. Er mußte sich gefallen lassen, daß angespannt wurde, die Begleitung der Damen aber lehnte er bestimmt ab — ein kurzer Abschied sei für Inge und ihn selbst das Beste. —
Wie müde er auch war, es drängle ihn doch, am Abend noch an Paul und Manders zu schreiben. Er sprach von dem herzlichen Empfang und davon, daß Inge sich anscheinend sehr wohl fühle.
Dann sprach er von seinen Eindrücken; von Marie schwärmte er fast ein wenig, und auch Berg kam gut in seinem Urteil weg. Aber dann gestand er, daß es ihn Wunderbarermeise Mühe koste, diese Eindrücke sich lebendig zu halten. Aus der Entfernung wollte ihm manches doch anders erscheinen. Er komme sich direkt undankbar vor, daß ein leichtes Mißtrauen, für das er auch nicht die Spur eines Grundes finde, ihn immer wieder beschleiche. „Ich habe mir darum vorgenommen, an all das so wenig wie nur möglich zu denken und mich in die Arbeit zu stürzen. Zch fürchte, meine Nerven sind zu sehr überreizt, als daß ich einer so wichtigen Angelegenheit mich jetzt mit der nötigen Objektivität widmen könnte. Vielleicht erfahre ich in einigen Tagen doch etwas Neues, und dann wird sich ja auch wohl feststellen lassen, ob mein Mißtrauen gerechtfertigt ist oder nicht."
Fast gleichzeitig mit dem Briefe Horsts traf auch die erste Nachricht von Inge ein. Sie sprach mit Begeisterung von Marie und ihrem Vater, sie schilderte aus ihrem weichen Empfinden heraus, wie viel an Liebe und
Herzensgute sie in den wenigen Stunden schon erfahren habe, und daß ihr vor allem eines wohltue: Daß sie auch ferner Grund habe, an die Welt und die Menschen zu glauben.
Paul wußte mit den beiden Briefen nichts anzufangen. Es beunruhigte ihn, daß Horst wieder mit Zweifeln kam, nachdem man doch angenommen hatte, daß Herr Berg füglich nicht mit dem Tode des Vaters in Verbindung gebracht werden könne, und er neigte dann selbst der Annahme zu, daß Horst nervös sei und Gespenster sehe. Inge hatte da wohl doch das freiere Empfinden.
Er sprach mit Manders darüber. „Was meinen Sie, Herr Pastor, was sollten wir nun tun?"
„Warten," sagte Manders ruhig, „warten! Wir müssen Horst und Inge gewähren lasten, inzwischen wollen wir sehen, was hier für uns alles gerettet werden kann."
V.
Nun ja — warten! Das mußte man ja wohl, aber Paul fand sich schwer darein. Wenn er wenigstens ein Ziel vor sich gesehen, wenn er gewußt hätte, was jenseits des Harrens stehe. Wenn er irgend etwas hätte unternehmen können, was einer Zukunftsarbeit gleichsah! Aberstatt dessen sah er sich zur fürchterlichsten Untätigkeit verdammt, und einen Tag um den anderen verdämmerte er in stumpfer Trübsal.
Eines Morgens aber kam er zu Manders. „Herr Pastor, das ertrag ich nicht länger. Ich muß etwas tun, ich muß an die Zukunft denken und die Hände rühren."
Manders sah den erregten jungen Mann teilnahmsvoll an. „Nun ja, das müssen Sie wohl. Ich weiß nur leider gar nicht, was geschehen könnte."
(Fortsetzung folgt.)