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meister v. Gauß in längerer Rede des Stifters und entwarf ein Bild seines Wirkungskreises und seiner Familie. Im Laufe des Essens verlas Ratschreiber Sc eg er die verschiedenen Stiftungsurkunden. Ein von Lindenspür gestifteter Pokal, der sogenannte Goldene Löwe, machte die Runde, wobei jeder der Teilnehmer einen Spruch zum Besten geben mußte. Dabei sprach Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker auf ein gutes Einvernehmen zwischen Regierung und Stadt. Minister des Innern Dr. v. Pischek trank aus die liebe Heimatstadt. An dem Essen nahmen mehr denn sechzig Gäste teil. Es dauerte sehr lange, da die vielen Sprüche mitunter auch etwas lang ausfielen.
Stuttgarts März. Hier ist ein Hoch - stappler verhaftet worden, der den Inhaber eines Goldmarengeschästes in Gmünd unter- falscher Angabe um eine goldene Kette im Werte von hundert Mark betrogen hatte. Die Kette hat er dann in Cannstatt um 25, -N veräußert. Derselbe Schwindler hat auch schon früher in Untertürkheim Goldwarengeschäfte geprellt.
Cannstatt 2. März. In letzter Zeit sind hier wiederholt Kammerdiebstähle verübt worden. Gestern vormittag ist es nun gelungen, den Einbrecher in der Person eines ledigen Schuhmachers aus Achenweiler Oberamts Böblingen festzunehmen, als er in Stuttgart gerade wieder einen Kammerdiebstahl beging.
Oe hringen 2. März. Eine am letzten Sonntag hier tagende Versammlung zur Besprechung der Frage der Errichtung einer Ueber- landzentrale für Kraft und Licht im Bezirk Oehringen hat beschlossen, an die Fertigung von speziellen Plänen und Kostenvoranschlägen heranzutreten und zu diesem Zweck an die in Frage kommenden Gemeinden die Bitte um einen Beitrag von 105«—150 zu stellen. Mehrere
< Gemeindevertreter erklärten sich bereit, in ihren Kollegien diese Bitte zu befürworten.
Hohenhaslach 2. Mürz. Gestern vormittag geriet der 20jährige Knecht des Ochsen- wirts Wichtermann, Johann Mager von Münsingen, als er mit seinem Wagen, einen steilen Weg hinuntersuhr und der Wagen, da die Bremse versagte, ins Rollen kam, unter die Pferde und dann unter die Räder des Wagens. Es wurden ihm beide Oberschenkel gebrochen, ein Finger nahezu abgerissen und ein anderer verletzt. Auch am Kopf trug er erhebliche Verletzungen davon. Der Verunglückte wurde ins Bezirkskrankenhaus nach Vaihingen a.E. verbracht.
Göppingen 2. März. Gestern nachmittag ist aus dem Fenster des Hauses Jahnstraße 154 das zweijährige Söhnchen der Fabrikarbeiterin Oettinger in einem unbewachten
Augenblick auf die Straße gestürzt. Das Kind starb eine halbe Stunde nach dem Fall.
Göppingen 2. März. Am Sonntag abend legte sich ein lebensmüder junger Arbeiterin der Nähe des Bahnhofs zweimal auf die Schienen, um sich, wie er nachher sagte, aus Liebeskummer überfahren zu lassen. Er ist jedoch beidemal an seinem Vorhaben gehindert worden.
Luftkurort Wüsten rot 28. Febr. Heute stellten sich trotz dem vielen Schnee die Staren als Frühlingsboten hier ein.
K urhaus R u h estein i Schwarzwald) 28. Febr. Heute wurde hier bei den sehr günstigen Schneeverhältnissen der Schneeschuh - mettlauf des Skiklubs „Schwarzwald" abgehalten, veranstaltet von der Ortsgruppe Karlsruhe—Badener Höhe. Eine große Zahl der Teilnehmer kam voin Badischen mit Sonderzügen bis Ottenhöfen, ebensoviele mit dem Extrazug von Stuttgart bis Baiersbronn. Von da aus führte sie eine Menge von Schlitten vollends hieher ans Ziel. Die Wettläufe dauerten von früh 7 ,7 Uhr bis mittags 1 Uhr, zuerst großer Dauerlaus, dann Hindernislaus, Seekopfwettlaus, Jugendsprunglaus und großer Sprunglaus. Bei letzteren wurden Sprünge von annähernd 20 Bieter gemacht, was allgemein sehr bewundert wurde. Zuletzt folgte noch der Volkswettlaus, an dem über 100 Kinder, Knaben und Mädchen meist aus der Umgegend reilnahmen, sowie der Tamenlaus. Nach dem Nennen war gemeinschaftliches Festessen im Kurhotel Ruhestein, daran anschließend Preisverteilung. j
Ulm 2. März. Redakteur ln. Körner ^ gibt in der „Ulm. Ztg." eins Erklärung ab, der Nachstehendes entnommen ist: „Nachdem ich aus der Haft entlassen bin, las ich im „Ulmer Volksboten" einen Artikel, der meine Inhaftnahme in hämischer Weise glossiert. Ich nehme keinen Anstand zu erklären, daß ich bei Herausgabe der Faschingsnummer leichtfertig und unüberlegt vorgegangen bin, muß aber doch betonen, daß mich dieser Angriff von seiten eines Kollegen, der genau darüber orientiert ist, wie es zeitweilig auf einer Zeitungsredaktion zugeht, gewundert hat. Daß gegen das, was mir gegenwärtig passiert ist, auch der Herr Kollege vom „Ulmer Volksboten" nicht völlig gefeit ist, dürfte keiner weiteren Erörterung bedürfen. Derartiges ist auch schon vielen älteren und erfahreneren Kollegen — ich erinnere hier nur an den Herzog-Molitor- prozeß — passiert. Gegenüber den bereits hier und da auftretenden Versuchen, die Entgleisungen der Faschingsnummer im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl parteipolitisch auszubeuten, erkläre ich, daß die Faschingszeitung nur in einem ganz äußerlichen Zusammenhang zur „Ulm. Ztg." als politischer- Tageszeitung gestanden ist. Sie
ist daher auch der „Ulm. Ztg." nicht beigelegt worden, und ich selbst bin zur Herausgabe derselben nicht verpflichtet gewesen.
U l in 2. März. Der aus dem Eulenburgprozeß bekannt gewordene Psychiater l>i- mr-ck. Hans Fischer von Berlin hatte gestern einen Lichtbildervortrag über das Liebes- und Geschlechtsleben des heutigen Kulturmenschen angekündigt. Kurz vor Beginn dieses wurde bekannt, daß die Polizei die Abhaltung des Vortrags verboten habe. Die vielen Hunderte von Zuhörern, die sich schon eingefunden hatten, mußten sich wieder entfernen.
Ravensburg 2. März. Der Hauptgewinn der Thailfinger Kirchenbaulotterie im Betrag von 15 000 - // ist einem bedürftigen, kinderreichen Landwirt zugefnllen, der ihn gut brauchen kann.
Fried richs Hafen 2. März. Nachdem dieser Tage wieder weitere Wagen Wasserstoffgas von der chemischen Fabrik Griesheim in Manzell eingetroffen sind, ist gestern mit der Füllung des „7.!" begonnen worden. Bei günstiger Witterung findet nun, wie das „Seeblatt" berichtet, am Mittwoch oder Donnerstag ein Aufstieg des !" statt und zwar wird diesmal die Führung des Ballons in den Händen von Offizieren liegen. Mit der Bedienung der Motore werden die Biaschinisten des Groß'schen Ballons betraut werden. Das neue Luftschiff,//l I" geht seiner Vollendung entgegen. Gegenwärtig ist man damit beschäftigt, die zwei letzten Gerippe des Ballonetts zu montieren. —. Die Stadt steht im Zeichen des Militärs! Es sind zirka 120 Mann Luftschiffer hier, die größtenteils in der Stadt einquartiert sind. Militärisches Leben, Appell u.s.w. ist ein ungewobnter Anblick für uns. Die Soldaten sind vorerst für unbestimmte Zeit hierher kommandiert.
Weißenstein bei Pforzheim 2. März. Gestern nachmittag hat sich hier im Walde der 50 Jahre alte verheiratete Ratsdiener Jakob Wittenaner mit einem Revolver erschossen. Er hinterläßt eine Frau und mehrere Kinder.
Aus Baden 2. März. Am Samstag abend 8 Uhr ereignete sich auf Stadenhausener Markung am „Katzengraben" ein schweres Unglück. Der städtische Waldhüter und Jagdaufseher Otto Hottinger von Kleinlaufenburg begab sich am Samstag mit Weinhändler K unlo von Luttingen auf die Jagd nach Raubwild. Zur selben Zeit befand sich der Hilfsratsschreiber Tröndle von Rotze! am Rhein auf dem Anstand nach Wildenten. Als Tröndle mit seiner Beute die Böschung des Katzengrabens hinaufkletterte und das Gebüsch durchbrach, wurde er von Hottinger, der in der Dunkelheit vermeinte, einen Dachs zu sehen, bei nur ca. 8 m Distanz geschossen. Der Getroffene
deren kühle Geschäftlichkeit Ihnen bitter weh tun müßte und Sie sollen heute auch nicht allein sein. Horst und Paul habe ich gleich in der Frühe telegraphiert, aber vor Abend können sie kaum da sein, und wenigstens bis dahin sind Sie bei meiner Frau am besten aufgehoben. — Kommen Sie!"
Inge erhob sich, aber sie taumelte so stark, daß er sie kräftig stützen mußte.
Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie mit sanfter Gewalt über die Schwelle. Draußen blieb er einen Augenblick stehen, um die Tür hinter sich abzuschließen und den Schlüssel an sich zu nehmen. Da stand Lene, die Wirtschafterin, das Gesicht in die Schürze vergraben. „O, mein Gott, Herr Pastor, der arme, liebe Herr!"
Manders gab ihr die Hand. „Fassen Sie sich, 2ene, dem Herrn ist wohl, und uns allein wird Gott Helsen!"
Dann gingen sie. Nach ein paar hundert Schritten hatten sie das Dorf erreicht. Rechts und links unter den Türen standen die Leute — feiernde Arbeiter mit besorgten oder auch verdrossenen Mienen, verhärmte Frauen und schmutzige Kinder. Die Männer nahmen die Pfeifen aus dem Munde und lüfteten stumm grüßend die Mützen, als die beiden vorüberkamen. Nahe bei der Kirche lag das Wirtshaus, und dort standen etwa ein Dutzend Männer im Gespräch beieinander. Auch die schwiegen, als der Pastor und Jngeborg herankamen, aber einer trat, von den anderen ermuntert und geschoben, ihnen entgegen: Ein alter vergrämter Mann mit müden Augen und gebeugter Haltung.
„Gudd'n Dack!" Er zog die Mütze und wartete. Manders und Fnge blieben stehen. „Sie sinds, Hunstock," sagte Manders freundlich. Und dann erwiderte er den Gruß: ,-Guten Tag! Wenigstens wünschen dürfen wir uns, daß der Tag gut sei, in Wahrheit ist er ja wohl der schlimmste, der uns seit langer, langer Zeit autgegangen."
Ter Alte sah den Pastor angstvoll an. „Hidde früh ha' der Schulze gesait, daß d'r Herr sich erschossen hat-na, is er wohl dot?"
„Er ist tot," sagte Manders dumpf; „Gott wird ihm ein gnädiger Richter sein."
Hunstock ließ den Kopf hängen. „Was fall mant nu aber waren, Herr Pastor?!"
Da war also schon die Frage aus die Manders keine Antwort hatte. Was sollte nun werden. Nun gab er dem Alten die Hand. „Ich weiß nicht, Hunstock; aber wenn wir auch den Herrn Kommerzienrat verloren haben - der gute Gott lebt uns noch und wird schon alles zum Rechten wenden." Dann ging er mit Inge weiter, dem nahen Pfarrhaus zu, während Hunstock zu den Männern zurücktrat. Sie ließen die Köpfe hängen und gingen schweigend auseinander.
Die Pastorin empfing ihren Gast im Flur. Sie nahm Inge ohne viele Umstände in die Arme und gönnte ihr zunächst einmal Zeit sich auszumeinen. Frau Manders mar ein rundliches, freundliches Frauchen, wie sie eigentlich ins Pfarrhaus gehört. Wie viele wackere Pfarrfrauen es auch geben mag — zwei Typen kehren unter ihnen immer wieder. Zunächst einmal die schlanke, mit schmalem, nicht allzu frischem Gesicht, glatt gescheiteltem Haar und ernsten, wenn auch zumeist gütigen Augen. Die Pfarrfrau dieser Art hat bewußt Einfluß auf den Pfarrer; sie kümmert sich um die Gemeinde und bringt es vortrefflich fertig, dem einen und anderen, der's vertragen kann, in Vertretung des Pfarrers eine tüchtige Pauke zu halten. — Der zweite Typ aber ist von ganz anderer Art: Rundlich und rosig, immer fleißig und immer vergnügt. Die Würde, die ihr als Pfarrsrau zukommt, steht ihr nicht recht zu Gesicht, denn sie lacht gern und ihre Fröhlichkeit treibt den allzu strengen Ernst aus dem Hause. Dafür verbreitet sie denn unendlich viel Behagen um sich; es ist, als gingen Strahlen von ihr aus, die in die letzten Winkel des