207
schrie auf, taumelte einige Schritte, stürzte und starb alsbald in den Armen des verzweifelten, unglückseligen Schützen. Der volle Schuß — Schrot Nr. 3 — war in Hals und Brust gedrungen. Tröndle hinterläßt eine Frau und fünf Kinder. Der Ende der dreißiger Jahre stehende Mann war eine in der ganzen Gegend bekannte geachtete Persönlichkeit. Er war auch die Stütze feines hochbetagten Vaters, des Natsschreibers Tröndle in Rotzel. Hottinger, ein angehender Dreißiger, ist ein allgemein beliebter, überaus solider, eifriger und tüchtiger Mann. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er machte sofort selbst Anzeige und wurde in Haft genommen. Am Sonntag war das Gericht an der Unglücksstätte. Tie Leiche Tröndlcs wurde nach Rotzel gebracht. Zwei Familien sind durch das grausige Unglück in schweres Leid gekommen.
Berlin 2. März. (Reichstag.» Die Beratung des Kolonial-Etats wird fortgesetzt und zwar beim Etat für Kamerun. Abg. Goller (südd. Vp.) verlangt strickte Neutralität der Kolonialvermaltung in konfessioneller Hinsicht gegenüber den Missionen verschiedener Bekenntnisse. Herrn Erzberger müsse er Vorhalten, daß es nicht immer die besten Elemente seien, die sich an die christlichen Missionen heranmachten. Das l»abe inan in China beobachtet und bei den Negern sei es nicht anders. Erfreulich sei die Entwicklung der Bahnen in Kamerun. Abg. Erz- berger <Ztr.) meint, daß die große Masse des deutschen Volkes in den Kolonieen die Missions- Tätigkeit nicht missen möchte. Jedenfalls sei den Missionen durch die Kongo-Akte Schutz für ihre Tätigkeit gesichert. Staatssekretär Dern- burg bestätigt dies unter Hinweis auf Z 6 der Kongo-Akte und auf den gleichlautenden ß 14 des Schutzgebietsgesetzes. Der Etat sür Kamerun wird genehmigt. — Beim Etat für Togo verlangt Abg. Ledebour (Soz.), daß die Land- bestiinmungen, wie sie für Ostafrika bestehen, auch aus Togo ausgedehnt werden. Staatssekretär Dern bürg erklärt, eine entsprechende Verordnung sei bereits erlassen worden. Eine Kommission sei jetzt dabei, festzustellen, welches Land Kronland sei und welches Land Negern gehöre. Abg. Ledebour (Soz.) stellt in Abrede, daß jene Verordnung sich init der vorjährigen Resolution decke. Staatssekretär Dernburg: Eine Art Betriebszwang besteht, ein solcher Betriebszwang würde aber nicht angängig sein ohne Entschädigung. Der Etat für Togo wird genehmigt. — Zum Etat sür Südwestafrika beantragt die Kommission eine Resolution betreffend Entsendung eines Zivil-Kommissars behufs Erkundung der Verhältnisse im Owambo-Gebiet, insbesondere bezüglich der Arbeiterfrage, der Erschließung des Landes und eines etwa zu führenden Bahnbaues.
Abg. Semler (natl.) schildert die Entwickelung § der Dinge in Südwestafrika und die Erschwerung der Kriegführung dortselbst infolge Mangels an Bahnen. Eine Bahn Windhuk-Ketmanshop, wie sie auch von dem Oberstleutnant v. Estorff für zweckmäßig erklärt worden sei, würde für die Dauer große Ersparnisse möglich machen. Was ferner das Owambo-Land anlage, so sei zweifellos, daß die Entsendung eines Residenten nach dort uns unter Umständen kriegerische Verwickelungen mit den Owambos bringen könnten. Auch da sei daher in erster Linie nötig, mit einem Bahnbau vorzugehen. Für das Schutzgebiet Südwestafrika unerläßlich sei ein neues Prozeßrecht und ein obligatorisches Recht mit rücksichtslosem Hinweggehen über alle Entschädigungsforderungen. Bei der Ausbeutung der Diamant-Funde sei das Interesse des Reiches und der Kolonie zu wahren. Zum Schluß plädirt Redner für ein Denkmal zu Ehren dessen, ivas deutsche Truppen in Süd- westasrika getan. (Beifall). Staatssekretär De rn bürg: Wir werden diese Bahnen sobald bringen, als die Möglichkeit hierzu herangerückt ist. Die Ausrottung der Eingeborenen halte ich ! jedenfalls für einen sehr gefährlichen Standpunkt. Ueber das Erforderniß einer neuen Gerichtsverfassung werden wir uns schon in der Kommission einigen. Es wird in Bagatell-Sachen nach wie vor summarisch verfahren iverden. Bei Prozessen über 500 -// Objekt werden Bezirksamtmänner, also richterliche Beamte urteilen. Vor allem aber wird eine dritte Instanz in Deutschland entscheiden, ein eigener Kolonial- Gerichtshof. Bezüglich des Falles Raabe erklärt der Staatssekretär, er könne im Interesse der Unantastbarkeit des Richterstandes nicht ein- greifen. Bei den Diamanten halte er eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit für richtig. Abg. Erzberger (Ztr.) berührt zunächst kommunale Fragen in Südwestasrika. In der Owambo-Frage könnten seine Freunde die vermittelnde Resolution, die von der Kommission vorgeschlagen sei, acceptieren. Vor-einem schärferen, rücksichtslosen Vorgehen gegenüber den Owambos müsse entschieden gewarnt werden. Der dunkelste Punkt in unserer Kolonialpolitik sei bisher noch die Rechtsfrage gewesen. Er gebe aber zu, daß dort schwierige Verhältnisse herrschen Gouverneur v. Schuckmann erklärt, das Owambo-Land gehört größtenteils zu unserem Interessengebiet. Die Häuptlinge sind bereit, mit uns Verträge abzuschließen. Einem von mir abgeschickten Afrikaner ist dies auch gelungen. Wir glauben, daß unseren Beamten dort im Owambo-Lande nichts geschehen würde. Ich schüre keinen Krieg gegen die Owambo, aber diese werden uns auch garnicht angreifen. Viele tüchtige Beamte wollen nicht nach Südwestafrika. Sie sagen, bei dem kleinsten Versehen stellt man
uns im Reichstage an den Pranger. Unsere Richter sind gut, auch die Assessoren. Was schlecht ist, das ist das Strafrecht. Ueber die Selbstverwaltung werde ich gerne Ratschläge annehmen und ivas die Steuern anbetrifft ebenfalls. In Punkto der Ehen zwischen Weißen und Eingeborenen bin ich nicht so vermessen, daß ich diese Ehen verboten hätte. Das habe ich nicht gewagt. Die Ehen werden nur nicht eingetragen und die Missionare trauen sie nicht. Abg. Ablaß (frs. Vp.) bleibt bei seiner Ansicht, daß es in den Kolonien an Rechtsgarantieen fehle, weil die Anstellung von Richtern nicht ordnungsgemäß erfolgt, nicht etatsmäßig. Staatssekretär Dernburg widerspricht nochmals dieser Auffassung. Hieraus erfolgt Vertagung. Morgen 2 Uhr Fortsetzung.
Berlin 2. März. Die Finanzkommission des Reichstages trat heute Vormittag wieder zusammen. Es wurde sofort die Nachlaßsteuer zur Abstimmung gestellt. Der grundlegende 0 1 wurde abgelehnt. Dafür stimmten nur die Freisinnigen und 'Sozialdemokraten, dagegen alle anderen Parteien. Nach der Abstimmung gab Dr. Weber für die Nationalliberalen und Dr. Arendt für die Reichspartei die Erklärung ab, daß sie die Nachlaßsteuer zur Zeit ablehnen, sich aber ihre Stellungnahme für später Vorbehalten. Die Freisinnigen erklärten, daß sie an der 'Nachlaßsteuer sesthalten. Im weiteren Verlaus wurde auch die Reichsvermögenssteuer mit 18 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Staatssekretär v. Spdow erklärte, die Stimmung der verbündeten Regierungen bezüglich der Reichsvermögenssteuer sei durchaus fest. Zudem sei für dieselbe bei dem Reichstage keine Mehrheit vorhanden. Der bayrische Bundesrats-Bevollmächtigte erklärte, daß die Regierung sich Vorbehalte, auf die abgelehnte Nachlaßsteuer zurückzukommen. — Zur Erläuterung der heutigen Kommissions-Verhandlungen ist Folgendes nachzutragen: Das Viermänner-Kompromiß hatte gestern die Zustimmung der Nationalliberalen und der Reichspartei gesunden. Auch in der Fraktions-Sitzung der Konservativen fand sich nach sehr heftigem Widerstand zum Schluß eine schwache Mehrheit dasür. Dagegen gelang es in der Sitzung der linksliberalen Fraktionsgemeinschast nicht, eine positive 'Mehrheit für das Kompromiß zu gewinnen. Infolgedessen konnte auch das Kompromiß heute der Finanz-Kommission noch nicht vorgelegt werden.
in ksketeu von 28 ktz. »wkvLrt». Lsvorrnxta Uiselrlliixsll L 2.80 pro kein, IrrLttix, »as-
Kiedig noä ^ 3.80, wilä rwä »rowstisek.
Nk» Ssvk», vorm. Lostenbsöer,
Hauscs dringen und keine Schatten dulden. Ein halb Dutzend Flachsköpfe treiben um sie her im Haus, im Hof und Garten ihr Wesen und die Mama erzieht sie mit Lachen mehr als mit Strafen. Um die Sorgen des Pastors kümmert sie sich nicht direkt —sie hat keine Zeit dazu. Aber sie macht ihm das Leben leicht, sie umgibt ihn mit einer Fürsorge, die bei aller Umständlichkeit doch nichts Aufdringliches an sich hat. Auch ihr Einfluß auf den Pfarrer ist groß, nur wird er ungewollt und fast unbewußt geübt. Für alles Leid in der Gemeinde hat sie ein teilnehmendes Herz: sie gibt so gerne, daß man sie leichtsinnig schelten könnte, und ihrem herzenswarmen Trost kann kein Leid aus die Dauer widerstehen.
'Nun, Frau Manders war von der letzteren Art, und das Unglück bei Bornemanns hatte ihr Herz mit zitternder Teilnahme erfüllt. Und während sie nun das fassungslose Mädchen umschlungen hielt, wurden auch ihr die Augen feucht; aber sie kämpfte die Tränen tapfer nieder — damit war ja nichts getan. Sie suchte sich durch Blicke mit ihrem Mann zu verständigen, aber da merkte sie, daß er selbst tief erschüttert und über ihre Befürchtungen hinaus angegriffen war. Das veranlaßte sie, die Szene abzukürzen.
„Kommen Sie, Inge, Sie sind zu Hause!" Sie geleitete Inge in die Wohnstube und ließ sie sorgsam in einen Lehnstuhl gleiten. Dann schickte sie die beiden Jüngsten hinaus, die bis dahin gespielt hatten und nun mit großen Augen das weinende Fräulein aus der Villa anstarrten.
„Geht, Kinder — draußen isttz schöner als hier, und ich kann euch jetzt nicht brauchen." Manders war den Frauen in die Stube gefolgt. Er küßte die Kinder, die er am Morgen noch nicht gesehen hatte, und führte sie dann liebevoll zur Türe. „Gehl, und seid nicht zu laut!"
Inge suchte sich gewaltsam zu fasten. Frau Manders schickte den Pastor hinaus. „Tu mir die Liebe, Männe, und streck dich ein bißchen aus. Man sieht dirs an, wie erschöpft du bist."
Aber Manders schüttelte den Kops. „Nein, Liebe, ich muß wieder
hinaus." Dabei sah er sie bedeutsam an. „Ich habe der Lene versprochen, wieder zu kommen; sie ist allein mit dem Gesinde, und das tut nicht gut."
Frau Manders verstand, was er nicht wieder aussprechen wollte. Es mußte Besuch in der Villa geben — Herren vom Gericht und der Kreisarzt waren zu erwarten und da war es doch wohl gut, wenn ihr Mann zugegen war. So nickte sie ihm freundlich zu. „Aber ruh dich doch aus und sage der Lene, daß sie dir was Genießbares besorgt — ja? Du mußt mir versprechen, daß du das auch gewiß tun wirst."
Manders lächelte: „Ich will, du Gute!" Er drückte Inge die Hand und küßte seine Frau. „Zu Mittag bin ich wieder da." —
Auf der Villa traf er den Arzt bereits an, der aus Mühlhausen herübergekommen war. Ter hatte den Toten genau gekannt und wie alle Leute der Gegend verehrt und war sichtlich tief erschüttert, als er der Leiche gegenüberstand.
„Wann ist's geschehen ?" „Es schlug gerade drei, als ich gerufen wurde: also doch wohl kurz vorher." „Und wie fanden Sie ihn, Herr Pastor?"
„Fast so, wie jetzt — bewußtlos, aber doch noch mit schwachen Lebenszeichen. Zu tun gab es nichts mehr. Unser einer muß ja wohl auch ein wenig Arzt sein und meine paar Semester Medizin hätten mir vielleicht auch zustatten kommen können. Aber hier kam eben alle Hilfe zu spät und ich mußte mich darauf beschränken, die schwindenden Lebensäußerungen zu beobachten. — Um sieben war alles vorüber, ohne daß er auch nur einen Augenblick des Bewußtseins noch gehabt hätte."
Nachdem die notwendigen Feststellungen gemacht waren, bat Manders den Arzt ins Speisezimmer. Der alten Lene trug er aus, sür ein kleines Frühstück Sorge zu tragen. Als sie einander gegenüber saßen, schnitt auch der Arzt die Frage an: Was nun werden solle?
Manders zuckte die Achseln.
«Fortsetzung folgt.»