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auf Ihre Majestät die Königin der Kleinarbeit, mit welcher auf dem Gebiete der Wohltätigkeit, namentlich auf demjenigen der Unterstützung verschämter Armen, unsere Landesmutter ihrem hohen Gemahl stets treu zur Seite gestanden sei. Herr Pfarrer Murthum erfreute die Anwesenden durch Mitteilung von Erlassen, die König Friedrich vor 100 Jahren als Selbstherrscher in königlicher Selbstherrlichkeit an seine Untertanen hinausgegeben hatte und die ganz klar und deutlich zeigten, daß das geflügelte Wort „Hie gilt Württemberg in allwege" jetzt für das Volk weit größere Bedeutung habe als in der sogenannten „guten alten Zeit". Herr Ortsarzt Spengler erzielte durch einige kurze, aber sehr launige und witzige Worte den größten Heiterkeitserfolg des Abends. Die Zwischenpausen wurden in dankenswerter Weise durch Gesangsvorträge ausgefüllt, die unter der tüchtigen Leitung des Herrn Lehrers Geißler schön vorgetragen und mit großem Beifall ausgenommen wurden. Zum Schlüsse sagte Herr Schultheiß Braun nochmals allen Anwesenden herzlichen Dank dafür, daß sie durch ihre zahlreiche Beteiligung es ermöglicht haben, das Fest zu einem solch wohl- gelungenen zu gestalteil und machte den Schluß mit einem „Hie gut Württemberg allwege!" Zum Schluffe sei auch Herrn Hirschwirt Nufer noch bestens gedankt für die gute Bewirtung der Gäste. Hat er doch durch Darreichung guter Speisen und Getränke und nicht zuletzt durch gute rasche Bedienung wesentlich mit dazu beigetragen, daß sämtliche Festteilnehmer befriedigt nach Hause gingen in der festen Ueberzeugung: „Es ist schön gewesen, auch auf dem Lande weiß man Königs Geburtstag zu feiern."
allen Kirchen der Stadt erscholl feierliches Glockengeläuts. In die Stiftskirche bewegte sich um 10 Uhr in üblicher Weise vom Rathaus aus der Festzug unter Vorantritt der Stadtgarde. Die bürgerlichen Kollegien init Stadtdirektor Ober- regierungsrat Nickel und Oberbürgermeister v. Gauß an der Spitze schloffen sich an. Dann folgten staatliche und städtische Beamte, die Berufsfeuerwehr und Eisenbahn- und Postunterbedienstete. Nach dem Gottesdienst in der Schloßkirche nahm der König im Wilhelmspalast die Glückwünsche der Mitglieder des Kgl. Hauses, der Minister, des diplomatischen Korps, der Präsidenten der Ständekammern und der Vertreter der Stadt entgegen. Dem Gottesdienst in der katholischen Eberhardskirche wohnte der Präsident der Ersten Kammer an. Kirchenrat Mangold zelebrierte ein levitiertes Hochamt. Nach dem Gottesdienst in der evangelischen Garnisonskirche, zu dem die Generalität, zahlreiche Offiziere, Militürbeamtc und Mannschaftsabordnungen erschienen waren, fand in der festlich geschmückten Gewerbehalle große Paroleausgabe statt. In den Hochschulen und höheren Lehranstalten wurden besondere Feiern abgehalten. Zu den Festessen in den Ministerien waren die höheren Beamten geladen. Bei dem Festessen der bürgerlichen Kollegien im Rathaussaal brachte Oberbürgermeister v. Gauß das Hoch auf den König aus. Wie in früheren Jahren wurden auf der Weißenburg 61 Schüsse (entsprechend dem Alter des Königs) abgefeucrt.
Cannstatt 25. Febr. Der Neckar hat infolge der Kälte der letzten Nächte wieder eine Eisdecke. Es ist nun das viertemal, daß die Eisbildung in diesen: Winter eintritt.
Stuttgart 25. Febr. Zu Ehren des Geburtags des Königs hat die Residenz einen reichen Flaggenschmuck angelegt, der sich nicht nur auf die Hauptstraßen beschränkt, sondern bis in die äußersten Stadtteile ausdehnt. Gestern: abend fand in: Hofe des Wilhelmspalastes großer Zapfenstreich statt. Die heutige Feier wurde mit militärischem Wecken eingeleitet. Dem Wecken der Trommler und der Tagwache der Kavallerie folgte von sämtlichen Musikkorps gespielt ein Choral und die Königsweise.
Stuttgart 25. Febr. (Königs Geburtstag.) Der kirchlichen Feier in der Schloß- kirchc wohnten außer dem König und der Königin die Mitglieder des Kgl. Hauses, die Minister, das diplomatische Korps, der Geheime Rat, der Präsident der Abgeordnetenkammer und zahlreiche höhere Beamte an. Die Festpredigt hielt Oberhosprediger Prälat v. Kolb. Während des Segens gab eine in den oberen Anlagen aufgestellte Batterie 51 Ehrenschüffe ab und von
Heilbronn 25. Febr. Der amtliche Bericht über den vierten Heilbronner Pferd e- markt sagt: Tie Zufuhr von Pferden beträgt zirka 570 Stück, von denen 205 mit einem Gesamtwert von ca. 190 000 verkauft wurden. Zur Lotterie wurden 6 Pferde und Fohlen im Wert von zusammen 5435 -// angekauft. Eine Anzahl von Verkäufen, namentlich solche, die innerhalb der Stadt abgeschlossen wurden, sind gar nicht zur amtlichen Kenntnis gelangt. Der Handel war an beiden Markttagen ziemlich lebhaft. Der weitaus größere Teil der zugeführten Pferde bestand aus starken und mittleren Arbeitspferden — Normünner, Belgier, Landschlag — die guten Absatz fanden, auch war ein größerer Transport schöner norddeutscher Rassepferde vorhanden, von denen ebenfalls eine Anzahl abgesetzt werden konnte. Gut entwickelt hat sich auch der Wagen- und Sattlerwaren-Markt; die Ausstellung in der Wollhalle und Umgebung war recht zahlreich beschickt, insbesondere mit
Wagen, landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten aller Art; der erzielte Absatz hierin wird sich auf etwa 25 000 belaufen, einschließlich den Ankäufen zur Lotterie mit 5915 .//. Verschiedene Bestellungen aus spätere Lieferung sind erfolgt im Betrag von etwa 5000 . //. Der Markt hat Heuer wie im Vorjahr viele Interessenten gefunden, insbesondere aus dem württem- bergischen Unterland und den angrenzenden badischen Gebieten. Der IV und V. landwirtschaftliche Gauverband hat mit dem Markt eine Prämierung von Fohlen verbunden und mehrere Preise im Gesamtbetrag von 480 - // verteilt.
Rotten bürg 25. Febr. Auf das heutige Geburtsfest des Königs ist, lt. „Rottbg. Ztg.", wieder eine größere Anzahl Gefangener begnadigt morden und zwar allein aus dem hiesigen Landesgefängnis 17 Mann, eine Zahl, die seit drei Jahren nicht erreicht wurde.
Baiersbronn 25. Febr. Vorgestern abend brach zwischen 10 und 11 Uhr im Gasthof zun: „Rappen" Feuer aus. Einige Nachbargebäude waren stark bedroht. Der „Rappen" ist mit seinen 'Nebengebäuden vollständig niedergebrannt. Das Feuer dauerte bis zum andern Morgen. Der Gebäudeschaden betrügt 16 500 der Schaden an Nachbargebäuden ca. 300«» der Mobiliarschaden ca. 15 000 -//.
Geislingen 25. Febr. Vorgestern abend wurde in dem benachbarten Gingen eine schwere Untat begangen. Der 30jähr. Webereiarbeiter Straub von Voll, wohnhaft und beschäftigt in Kleineislingen, begab sich vorgestern mittag etwa um 5 Uhr nach Gingen, wo sein Schwiegervater Frank wohnt, um seine zur Zeit bei ihren Eltem lebende Frau zu besuchen; schon auf dem Wege soll er sich geäußert haben: „es müssen heute noch drei hin sein." Das Ergebnis des Besuches scheint Straub nicht befriedigt zu haben, denn etwa um ',-8 Uhr drang er wieder in das Haus ein und gab auf die in der Wohnstube anwesenden Personen vier scharfe Schüsse aus einem Revolver ab. Der etwa 23jührige Sohn des Frank erhielt eine Kugel in die Brust und einen Streifschuß am Arm und ist schwer verletzt; der 27 Jahre alte Tochtermann Ioh. Fischer bekam eine Kugel in den Arm und einen Streifschuß an den Rippen. Der Täter warf dann die Waffe weg und entfernte sich vom Schauplatz seines Verbrechens, wurde aber noch in der gleichen Nacht, morgens 2 Uhr, von Landjäger Ernst von Kuchen in seiner Wohnung in Kleineislingen verhaftet. Die Gründe der Tat sind ohne Zweifel aus eheliche Zwistigkeiten und auf Rachsucht zurückzuführen. — Fm übrigen handelt es sich um einen gewesenen Zuchthäusler: der Täter ist identisch mit dem Menschen, der seiner
sich sichtlich. Er trat von dem erschütterten jungen Mädchen hinweg in das Eckfenster und schien nicht nur Fräulein v. Gravenreuth Ruhe zu gönnen, sondern auch mit sich zu Rate zu gehen, was er unter diesen Umständen tun und sagen dürfe. Mit einmal und mit einein Blick, als sei ihm eine Eingebung geworden, kehrte er sich wieder zu seinen: schönen Gast und rief munter:
„Mein Dach soll Sie schirmen, Erika — so lange Sie selbst mir die Ehre geben wollen, hinter den alten Giebeln zu weilen. Ja, wenn Ihnen wirklich zumute ist, wie Sie sagen, so weh, so ratlos, so hilflos, so wüßte ich wohl einen Ausweg. Meine Oberforstmeisterei und zumal mein Haus ist ohne Herrin — ich habe Ihnen schon vor Jahren, als wir uns bei Ihrem Onkel, Werner v. Gravenreuth, trafen, gesagt, daß ich so alt ich bin, eine Hausfrau wie Sie jeden Tag an meinen Herd führen würde und, alles andere beiseite gesetzt, so glauben Sie doch wohl, daß auf die Gemahlin des Obersorsimeisters v. Lestwitz nicht der leiseste Schatten von Verleumdung, von gemeinem Argwohn der Welt fallen kann."
Erika fuhr aus ihren: Nachsinnen empor, sie sah zu spät nach dem Erkerfenster hin, den Zug von Jägerlist wahrzunehmen, der um die dünnen Lippen und die Augen des Oberforstmeisters schwebte. Und jetzt stand ihr Lestwitz gegenüber: straff, stattlich aufgerichtet in ritterlicher Haltung, mit ernster, gleichsam demütiger Miene. Aus ihren blauen Augen zuckte ein langer prüfender Blick, sie schauerte in sich zusammen, aber nur flüchtig, kaum sichtbar, dann richtete sie sich ganz entschlossen auf, tat einen Schritt nach dem alten Herrn hin und sagte mit fester klarer Stimme: „Ist das Ihr Ernst Ihre klare Meinung. Herr v. Lestwitz, so sage
ich nickt nein — doch überlegen Sie wohl, was Sie tun und wagen. Daß ick mit einem Ehrenmann wie Sie in einer Ehe nichts wage weiß ich!"
Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, die er bewegt und achtungsvoll küßte. An der Einwilligung in seine Werbung ermaß er erst die ° ^eides — ^6 krankhafte Ueberreizung ihres ganzen Jnnen- ügte daher ernst hinzu: „Ich darf nehmen, Erika, was Sic
mir frei und offen gewähren. Aber ich bedinge mir zweierlei, einmal, daß Sie bis morgen auch gegen Bodo über das schweigen, was hier zwischen uns vereinbart wird, er soll in den Beratungen über seine Schritte und sein Geschick nicht meinen, daß ich mir eine andere Autorität über ihn anmaßen will, als die des Freundes feines Vaters und seines eigenen väterlichen Freundes. Und sodann die Schritte, die zunächst getan werden müssen, um im nächsten Revier Klarheit zu schaffen — die bestimme ich! Sie wollen der Rückkehr in das Hagensche Haus ausweichen
— und ich sage Ihnen, dies muß dadurch geschehen, indem man erfährt, daß Sie meine Verlobte sind. Je weniger wir zögern, um so besser wird es sein und Sie müssen, wenn es ihr Ernst ist, mein Geschick zu teilen, sich morgen oder am liebsten noch heut Fräulein Christine Hagen, die auch meine große Freundin ist und darnach dem ganzen Hause des Kommerzienrats von mir als meine Braut vorstellen lassen. Ich weiß, was ich damit meine und will: zuerst Fräulein Christine, darnach die anderen
— Sie haben die Entscheidung in Ihre:' Hand, Erika!"
Sie sah ihn bange und fast mißtrauisch an, ihre fest aufeinander gepreßten Lippen versagten einem Widerspruch den Durchlaß. Und wie sie diese Lippen öffnete, erwiderte sie leise und doch merkwürdig fest: „Ich habe die Entscheidung schon in Ihre Hand gelegt, Lestwitz. Wo Sie mich als Ihre Braut vorstellen wollen, dahin folge ich Ihnen. Gegen Bodo will ick heute und morgen schweigen, doch auch er muß, ehe er geht, klar sehen, wie es zwischen uns beiden werden soll!"
Der Obersorstmeister ergriff beide Hände Erikas, Sie sah wohl, daß seine Miene dabei nicht die eines Bräutigams, sondern eines vorsorglichen Beschützers sei. Sie verstand seine innerste Meinung nicht völlig, sagte vielmehr mit Nachdruck: „Sie haben meint Wort, lieber, lieber Freund, und Erika v. Gravenreuth ist gewohnt, ihr Wort zu halten!" und sie atmete freier als zuvor, es kam ihr vor, als dürfe sie ihren Fuß wieder fester aufsetzen, ihr empörtes Selbstgefühl beschwichtigen.
(Fortsetzung folgt.)