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seien die Verhältnisse, aber nicht die Regierung schuld. Schick (ZK.) betonte, daß es sich heute nicht um die Aufstellung eines Progrcmms, sondern um die Schaffung eines durchführbaren Gesetzes handle. Er Kat für den RegierungSevtwurf ein. Minister v. Fleischhauer bestritt, daß die Ein­führung der Simultanschule eine bedeutende Kosten­ersparnis zur Folge haben würde, mit welchem Argument Hildebrand den sozialdemokratischen An­trag befürwortet hatte. Der KowmisftonSantrag werde sich in absehbarer Zeit nicht durchführen lassen. Der Minister sprach sich dann gegen den Ankag Schick auS, daß der Staat die den bedürf­tigen Gemeinden durch die Herabsetzung der Schüler­zahl entstehenden Mehrkosten übernehme. Der Abänderuvgsankag Lieschiug, statt bedürftige Ge­meinden zu sagen, Gemeinden, in denen die Ge- meiudeumlage mehr als 10°/» beträgt, sei für die Regierung niemals annehmbar, da das bei mehr als 50°/» aller Gemeinden, nemlich in 1039 der Fall sei und da der Ankag der erste Schritt zur Uebernahme der Schullasten auf den Staat sei und dabei viele Ungerechtigkeiten in sich schließen würde. Dem in einer Resolution ausgedrückten Verlangen, eine Ueberfilbt zu geben über die Höhe der ange- kündigten allgemeinen Beamtenaufbefserung, könne bei der Unsicherheit der Finanzlage nicht entsprochen werden. Er sehe auch keine Notwendigkeit ein. diese Frage mit der Novelle zu verquicken. Dr Wolf (B. K.) wies den Vorwurf zurück, daß die Konser­vativen an der Teuerung schuld seien. D'e Schuld trage vielmehr die Steigerung der Löhne. Ein Aschenbrödel sei die Volksschule nicht. Liesching (Vp) empfahl seinen Antrag. Bei einer Resolutstn würde alles ins Ermessen der Regierung gestellt werden. Löchner (Vp) hob hervor, daß die Bestimmungen über die Höchstschülerzahl nur für 42,7°/» aller Gemeinden aktuell werden würden. Dr. Mülberger (DP.) wies einige Angriffe der Abgeordneten Hildenbrand und Heymann zurück. Rembold-Gmünd (ZK.) befürwortete den Ankag Schick, der sich nicht bloß auf die persönlichen, sondern auch auf die sachlichen Lasten der Gemein­den beziehe. Minister v. Fleischhauer erklärte demgegenüber, er wolle keinen Zweifel darüber lassen, daß auch der Ankag Schick unannehmbar sei. Dr. Hieber (D. P.) bemerkte, das Zentrum werde das Gesetz ablehnen, es möge ausfollm wie es wolle, und begründete dann seinen Antrag, die Frage des procentualen Verhältnisses der Zahl der Lehrerinnen zu der der Lehrer der Volksschulkom- misfion zu überweisen. Tie etwa °/« Stunden in Anspruch nehmende Abstimmung zeigte in allen wesentlichen Fragen das Zusammengehen der Volks­partei, Deutschen Partei und Sozialdemokratie einer­seits, sowie von Zentrum und Bauernbund anderer­seits bei jeweils sehr geringer Stimmevdifferenz. Zunächst wurde der sozialdemokratische Antrag, die Höchstschülerzahl auf 40 festzusetzen, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Die Anträge des Zentrums auf Wiederherstellung der Regie­rungsvorlage zn den Alt. 8 und 9 (Höchst­schülerzahl 70) wurden mit 41 gegen 40 Stimmen deS Zentrums und des Bauernbunds abpelehnt und der Komm iss ionS antrag zu Art. 8(Höchst- schvlerzahl 60) mit 41 gegen 40, der zu Art 9 mit 42 gegen 38 Stimmen angenommen. Der Antrag Schick wurde nebst den zu ihm gestellten AbärdervngSonträgen abgelehnt. Die Resolutionen

wurden mit Ausnahme derjenigen betr. die Be­amtenaufbesserung angenommen, ebenso der Aukag Hieber. Morgen Fortsetzung.

Langenburg 12. Jan. Wie gefährlich da« Rodeln ist. wenn zuviel Personen fich auf dem Schlitten befinden, zeigt auch ein Unfall, der sich hier zugetragen hat. Ein hiesiger Bürger wollte, nachdem er drei weitere Personen auf den Schlitten genommen hatte, die alte Bäch- linger Steige hinobfohren. Unten stieß er mit solcher Wucht auf Langholzflämme, daß er einen doppelten Beinbruch erlitt.

Göppingen 12. Jen- Am Freitag vor­mittag wurde, wie j tzt eist bekannt wird, in einem Hause der Querstraße der ca. 60jährige Rentner Fr. Cloß an einem Gasofen fitzend, in seinem Zimmer tot aufgefunden. Die Mit- bewohner wurden durch den aus dem Zimmer drivpenden starken Gaigeruch dadurch aufmerksam, daß Cloß diese« noch nickt verlassen batte. Al« man die verschlossene Zlmmertüre öffnen ließ, war Cloß schon ganz erstarrt. Es gilt als wahr« scheirltch, dcß von Cloß unterlassen wurde, den Hahn de« Gasofens ror oder noch der Abstellung der Gasleitung zu schließen, sodaß nach Wiedcr- öffnung der Havp'hohms dar Gar durch den Ofen in da« Zimmer stiömen konnte.

Waldsee 12. Jan. Nachdem der Mörder Hofmeister am Freitag seinem Opfer gegenüber- gestellt und an den Tatort geführt worden war, wurde er in der hiesige AmtSgericktegefängni« kingeliefert. Wohl zeigte er angesichts seine» Opfer« einige Reue über seine Tat, doch scheint diese bessere Regung bald wieder verschwunden zu sein. Hofmeister trägt wenigster« jetzt ein ganz freche« Benehmen an den Tag. Nach seinen Angaben ging er mit der Ermordeten, mit der er vor Abbüßung seiner Zrchthautstrafe ein Ver­hältnis pehabt hotte, eilige hundert Meter auf der Straße von Echweirhausen heraus und fragte sie dann, ob sie ihn heiraten wolle. Al« die Ludwig dies verneinte, gab Hofmeister aus seirem Revolver drei Schüsse auf sie ab. Eine Kugel traf in die Schläfe und durchbohrte den Kopf bi« auf die Haut der anderen Seite, die zweite ging seitlinx« in den Nocken und die dritte in die Hüftengegend. Nach vollbrachter Tat lud der Mörder den Revolver wieder, um, wie er sagt, fich selbst zu erschießen. Doch Hobe ihm der Mut dazu gefehlt. Sodann sei er auf eine etwa 150 Meter vom Tatort gelegene Anhöhe gegangen, um den Verkauf der Socke aus der Nähe zu be­obachten. Von dieser Ar höhe herab habe er auch den Maßnahmen der Gericht«kowMission zvgeschout. Abend« ging er dann r ach Biberach, wo bekannt­lich seine Verhaftung im »goldenen Löwen" erfolgte.

Friedrichshofen 12. Jan. Heute find vom deutschen Kaiser hier verschiedene Dekora­tionen für des Personal de« Grafen Zeppelin eingelaufen. Mit dem Roten Adlerorden IV. Kl. wurden ausgezeichnet: Der Generalbevellmächtigte de« Grafen Zeppelin, Kaufmann Uhl and und

die Oberingenieure Dürr und Kober. Die Medaille des Roten Adlerorden« erhielten die Monteure Laburda, Schwarz und Käst und Buchhalter Lanz. Die Medaille der Kronorden« Bootsführer Marx, Portier Ko pp, Zimmer­wann Lorenz und Kutscher Pfeiffer. Die Jngeniere Stahl und Losch und die Luftschiff- kapttäne Hacker und Lau wurde« mit wert­vollen Busennadeln bedacht.

Au« Baden 12. Jan. Tie Pforz- hei wer stellten zu den vielen Wintersport­unfällen des vergangenen Sonntag« ein statt­licher Kontingent. Zur ächst der Stadt zogen fich sechs Personen beim Rodeln Wunden und Fuß- Verstauchungen zu, beim Schlittschuhlaufen brachen zwei Personen den Fuß und bei Neuenbürg fuhr eine Pforzheimer Dame mit dem Schlitten so an eine Telegraphenstange, dcß sie am Kopf schwer verletzt wurde'. mmvJn Baden.Baden ver­gnügte fich am Sonntag Profcssor Sach« vom dortigen Gymnasium mit Rodeln. Dabei rannte der Schlitten an einen Prellstein. Pro­fessor Sachs erlitt einen derartigen Stoß gegen die Brust, daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Nach Hause verbrecht starb er morgert 4 Uhr. Dem Verunglückten war der Brustkorb völlig eingedrückt. Auf dem betreffenden Schlitten fuhren außer Professor Sachs, dessen Frau, Sohn und Tochter.

Berlin 12. Jan. (Reichstag.) Präsident Graf Stolberg verliest das Glückwunsch-Tele­gramm, das er namens des deutschen Reichstages zur Ei öffnung des türkischen Parlamentes an dieses gerichtet habe, sowie die Antwort hierauf, ferner deu Telegrammwcchsel mit der italienischen Kammer anläßlich der Erdbeben-Katastrophe. Auf der Tages­ordnung stehen Petitionen. Eine Reihe von Bitt­schriften wird zunächst debattelos erledigt. Eine Petition des Verbandes der Bergarbeiter Deutsch­lands bittet zunäckst um die Zulassung der Be­rufung gegen die Urteile von Berggewerbegerichten, ferner um die Besitzung der Berggewerbegerichte mit 5 Mitgliedern und endlich um die Zulassung von Arbeitersekretären und dergleichen «IS Prozeß- Bevollmächtigte. Die Kommission beankagt, die Petition hinsichtlich der Berufungsfrage als Material, im Uebrigen zur Berücksichtigung an die Regierung zu überweisen. ES folgt sodann eine längere De­batte, nach welcher schließlich ein Antrag Trimbor» (ZK.) angenommen wird, wonach der Wunsch auf Besetzung der Gerichte mit 5 Mitgliedern zur Be- rücksichttgrng, die anderen Punkte aber als Material überwiesen werden sollen. Die Bauarbeiter-Schutz« Kommission München beantragt unter Bezugnahme auf die bisherigen guten Erfahrungen in Bayern die Anstellung von Frauen-Kontrolleuren aus dem Arbeiterfiande. Der Reichstag hat eine ähnliche Resolution schon im Dezember 1906 beschlossen, die aber fordert, daß die Krutrolleure durch Arbeiter gewählt werden. Vermut! ch mit Rücksicht auf diese Forderung Hot der BundeSrat beschlossen, dieser Resolution eine Folge nicht zu leisten. Die Re­gierungen von Preußen, Hessen und Baden hatten ihr widersprochen. Tie Petitions-Kommission be­antragt Verweisung der vorliegenden Bittschrift zur

arzündete, sprcch kr ror fich hin: .Die kicke Schörhkit, die uns den Wildling so ft ständig empfahl, wird fich wundern, wenn sie merkt, welch ein Bündel sie uns ausgepockt hat." Und dann dachte er, an den dunklen Länden de« großen Häuft« ewporsehend, wo nur wenige Fenster Licht or «prahlten, wie seltsam da« Heim sei, da« er fich in der ewigen Stadt ausgesucht habe. Er warf seine Zigarre wieder weg, al« die Glrcke vom Horpttor und dar Geräusch der eisernen Psörtcher« ihm ankündigten» dcß Fräulein Sdderhoven zurückkehre, und eilte der Dame bis zum Aufgang der Deppe entgegen. Sie begrüßte ihn lächelnd, ihr Gesicht war von dem geschäftigen Eifer gerötet, den fie bei Unterbringung de« armen Künstler- paare« entfaltet hatte.

Es machte keine Schwierigkeiten, den Leuten die Wohnung zu ver- schaffen, da die Vermieterin wich kennt," sagte fie schlicht. »Frar k Holter« und Cecca haben ein grcße« Zimmer, dar noch römischen Begriffen sogar hübsch und bequim cusgepottet ist. den Frau sah man an, daß fie niemal« auch nur soviel Lixu« gekonnt hat. Er bekam eben wieder einen Fieber- onfoll und wartete kaum ab, daß ich die Tür schloß, um fich krachend auf« Bett zu werfen. Soweit e« fich um sein Fieber und vielleicht um die Frau handelt, tun wir recht, erfüllen nur eine Pflicht; im übrigen, lieber Freund, flößt mir der Mann geringe Heffnur g ein, daß ihm wirklich zu helfen sei. Wer weiß, ob er je ein Maler gewesen ist, oder wenn, ob er fich noch einen nennen darf!"

»Nicht doch, liebe« Fräulein!" antwortete Friedrich Serland. »Seinen Namen habe ich gehört und noch vor zwei oder drei Jahren ein paar Blätter von ihm gesehen, wild eigentümliche Skizzen, die freilich die Com- pagna ander» darstellen, alr e» Lindemann.Frommel tut. Vielleicht ist er

doch ein wenig zu heben, wär'« auch nur um der Frau willen, die mit ihm sicher seit der ersten Liebschaft keinen guten Tag gaschen hat.

Gute Nacht für heute. Und unbesetzte er zögernd hinzu,und ich hoffe Fräulein Addenhovcn, Sie nehmen roch des wunderliche Erlebnis diese« Abends für rin Zeichen, Ihren Entschluß noch einmal, noch vielmal zu bederken. Sie sahen, wieviel besser und freier wir Draußenstehenden unserem Mitleid folgen dürfen, als die Schwestern vom Kreuz."

Sie waren unter diesem Gespräch die Treppe emporgestiegen, Klara Adder Hoven stand jetzt unter der Lc wpe des Vorsals, deren weißer Licht auf ihre klaren Züge fiel und da« mildironische Lächeln erkennen ließ, mit dem fie die Beschwörung de« jungen Landimanne« aufnahm. Sie reichte ihm die Hand zur Gutenacht und erwiderte ruhig:Erlebnisse werden immer verschieden gedeutet, Doktor Gerlond. Ich sehe in der Sorge für den armen Lantsmarn, die wie vom Himmel gefallen ist, nur eine Vor­bereitung für künftige Aufgaben. Ue d da wir wieder einmal nicht wissen, ob wir recht oder unrecht tun, so scheint es mir um so viel besser, wenn man fich in Gehorsam und Unterordnung de« eigenen Urteils hierüber be­gibt. Machen Sie kein so ängstliche« Gesicht, ich nehme nicht heute und nicht morgen den Schleier» wenn ich ihn überhaupt nehme. Gute Nacht noch einmal."

Sie wirkte dem Bekannten rech einmal von ihrer Tür aus freund- lich zu, Friedrich Gerlond sah ihr mit bekümmerter Teilnahme noch und stand einige Minuten allein auf dem erhellten Vorpletz, ehe er sich «nisckloß, sein Ztumer zu betreten. Nachdem er die Kerzen auf dem Morworkawin orgezürdet hatte, öffnete er seine Koffer und begann fich häus ich einzurichten. Doch indem er Kleiber und Wäsche, Bücher und