Berücksichtigung. Ein Antrag der Konservativen fordert Uebergang zur Tagesordnung. Abg. Wiede, berg (Ztr.) spricht für Berücksichtigung derPetition- Sbg. Pan ly (kons.) bittet um Ablehnung des SommisfionSantrageS im Interesse des Handwerks und der ganzen Industrie. Dann wird die Beratung abgebrochen. Morgen Rechnungssachen, Wechselstempelgesetz, ArbeitSlvsen-Unterstützung.
Berlin 12. Jan. Im Abgeordnetenhaus e hat heute der Finanzminister den Etat eingebracht. Au« der Begründungerede ist hervor, zuheben, daß der Fehlbetrag für 1907 71.8 Mill. Mk. beträgt, verui sacht in der Hauptsache, wie vorausgesehen, durch den ungünstigen Abschluß der Eisenbahnverwaltung. Die Hoffnung, daß die ungünstige Wirkung der wirtschaftlichen Depression im Vorjahre ebenso schnell überwunden werden könne, wie 1901 darf man nach den Ausführungen der Minister» nicht hegen. Der Schluß de« Etatsjahres 1908 hat keine Besserung sondern eher eine Verschlechterung in wirtschaftlicher Hinficht gebracht. Nach der Rede de« Ministers setzte dar Hau« die vor Weihnachten begonnene Bestechung der Interpellation und der Anträge wegen Linderung der Arbeitslosigkeit fort. Morgen wird dieser Gegenstand weiter beraten. Außerdem steht die Interpellation Rören betreffend Schaustellungen nackter Personen auf der Tagesordnung.
Magdeburg 12.Jan Bei seinen gestrigen Flugversuchen stieg der Ingenieur Grade mit seinem Apparat 4—5 w hoch und hielt fich dann trotz starken Windes auf 200—300 m langen Strecken 2 w hoch.
Peterrburg 12.Jan. GeneralStössel und Admiral Nebogatow haben ein Begnadigungsgesuch an den Zaren gerichtet. E« hat bisher indes noch nicht seine Beantwortung gefunden.
London 12. Jan. „Daily Chronlcle" beschäftigt fich mit der Reise des englischen Königrpaare« nach Berlin, von der das Blatt wichtige internationale Folgen erwartet. Da« Blatt bedauert dabei, daß auf beiden Seiten der Nordsee die Ruhestörer wieder tätig seien. In Deutschland, schreibt das Blatt, wird wieder von dem eisernen Ring gefabelt, der auf Eng- lands Betreiben um das deutsche Reich geschmiedet werde. Das ist absurd, um so absurder, wenn die Fabel von einem ehemaligen Chef des General- stabe« wiederholt wird. Niemals hat ein Minister Englands an eine Einzwängung Deutschlands gedacht. Die englische auswärtige Politik ist klar: sie beruht auf den beiden Pfeilern der Achtung vor dem öffentlichen R-cht Europa« und der Sympathie mit ollen auf einen liberalen Konsti- tuttonaliswu« gerichteten Bestrebungen. Auch Frankreich bilde keine Bedrohung für Deutschland.
Konstantinopel 12. Jan. Amtlich wird bestätigt, daß dar Einvernehmen mit Oesterreich- Ungarn in der Hauptsache vollkommen hergestellt ist. Morgen findet eine Sitzung des türkischen Parlaments statt, in welcher der
Großvesir Mitteilung über dt« Verständigung mit Oesterreich-Ungarn machen wird. Der Großvestr verfügt über eine absolute Majorität im Parlament und sonach ist die Annahme de» Vertrage« mit Oesterreich so gut wie gesichert.
— In Messina find die Ueberlebenden der Erdbebenkatastrophe bemüht, den Handel wieder ausleben zu lasten. Gestern wurden von den Quai« die Trümmer wegge schafft. Wagen und Mtetkutschen verkehren wieder. Die Firma Sorrentino beförderte auf dem Wasserwegs 30 000 Kisten Zitronen. Andere Handelrtreibends verfahren ebenso mit verschiedenen Waren. Man wünscht vor allem, daß der Hafen von Messina wieder hergestellt werde wie er vor dem Erdbeben gewesen ist. Dis Erdstöße dauern an. ohne indessen die Bevölkerung, die j tzt an die Erdstöße gewöhnt ist, in Schrecken zu setzen. Die städtischen Zivilstandsregister find vernichtet, aber es find Duplikatregister auf dem Gericht vorhanden, dis unversehrt zu sein scheinen. General Mazza telegraphierte au« Messtna: Trotz genauer Nachforschungen ist kein Ueberlebender mehr aufgefunden worden. Gestern wurden 24 geborgene Leichen beerdigt. Die Verteilung von Lebensmitteln erfolgt nach wie vor. Er werden täglich etwa 64000 Rationen an die Bevölkerung verteilt.
Vermischtes.
Ueber da« Ktrchenunglück im Kanton Wallis in der Schweiz schreibt man der »Reich«post". Während man fich noch nirgend« von dem furchtbaren Eindruck der Erdbebenkatastrophe von Messtna erholt hat, ereignet sich schon wieder neues Unglück und zieht die Aufmerksamkeit der Otffentlichkeit auf einen stillen, welt- entlegenen Fleck Erde in den Walliserbergen. Das Dorf Nax mit 483 Einwohnern liegt aus einem senkrechten Felsen oberhalb Brämtr, etwa 14 km südlich der Kantonrhauptstodt Sitten und steht von einer Höhe von 1302 m über Meer auf dos Rhonetal hinab. Im Jahre 1837 ist Nax am Vorabend der Lrndespatronrtager St. Moritz ein Raub der Flammen geworden; seither ist es wieder aufgebaut worden und zwar fast nur aus Holzhäusern. Die Kirche war damals verschönt geblieben. Es ist ein einfache« Gotteshaus ohne Luxus, beinahe zu klein, um die Pfarr- kindsr von Nox und Vernamtöge aufzunehmen. — Die abgehärtete Bevölkerung führt in diesem Bergdorf ein kärgliches Dasein; tagsüber arbeitet sie im Tale unten in Brämi« in den Reben und am Abend muß sie einen zwei Stunden langen steilen Weg nach Hause machen. Im Laufe de« Sonntags Gottesdienstes während der Predigt bemerkte ein Sänger von der Bühne» wie fich etwas vom Gewölbe lorlöste. „Was ist denn?" frug der Geistliche, und im Nu war da« Unglück geschehen. Auf einer Länge von 12 m etwa ron der Orgel gerechnet und auf einer Breite von 5—6 m ist da« Gewölbe
eingestürzt. E« besteht wie in vielen Kapelle« und Kirchlein der Walliserberge au» Tuffstein und Kalk und hatte eine Dicke von 12 <rm. Die vom Schreck erfaßte Bevölkerung konnte nicht fliehen, weil die Kirchentüren sich nach innen öffnen. — Rach der jähen Unterbrechung de« Gottesdienstes begann sofort dis Bergung der Loten und der Verwundeten. Die von Verna- Möge, da» b/i Stunden weiter taleinwärt« liegt, wurden sofort auf Schlitten nach Hause gebracht, cs waren 8 Tote. Zahlreiche Schwerverwundete waren dem Tode nahe. Gestern mittag hatte man bereits 30 Tote festgestellt. Darunter best den fich eine Mutter von 7 Kindern, ein 25- jähriger Vater eines unmündigen Kinde», ein 67jähriger Vater mit seiner Tochter, eine zweite Mutter von 7 Kindern. Der Pasthalter und gleichzeitig Organist ist mit Frau und Tochter unter den Trümmern begraben worden. Die Zahl der Verwundeten ist beträchtlich. Die Kirche selbst bot ein schreckliche« Bild. Stetnblöcke hatten die Bänke mit wenigen Ausnahmen zertrümmert; überall Blutlachen, die Wände mit Blut bespritzt. An dem Mtttelgang liegt ein Block von zirka 2,5 m Länge und 2.12 m Dicke, der auf dem Dache gelegen war, der glücklicherweise keinen Schaden verursacht hatte; wäre er etwa« mehr nach recht« gefallen, wären zirka zehn Personen mehr ge Stet worden. Unter den Trümmern lagen Rosenkränze, Gebetbücher, Hüte und beim Eingang die zerschmetterten Orgelpfeifen. Der Pfarrer auf der Kanzel blieb unversehrt. — Im Gewölbe war vor eintger Zeit einRß beobachtet worden; die Kirchenvorsteher hatten deshalb für den Frühling eine Reparatur der Kirche beschlossen. Da in Nox weder Telegraph noch Telephon zu finden ist, wurde die Nachricht durch einen Boten zutal nach Brämi« gebracht; erst von da konnte dann da« Unglück nach Sitten weitergemeldet werden. Sofort machten fich Aerzte, Apotheker und andere« Hilfspersonal auf den Weg; am späteren Nachmittag erschienen der Regierungspräsident de« Kantons Wallis, sowie die Gerichtes Hörden auf der Unglücksstätte. Heute hat nun der Staalsrat in außerordentlicher Sitzung eine erste Hilfe von 1000 Fr«, bewilligt.
Eine ruchlose Tat. Bei der Etn- sargung des verstorbenen 11jährigen Sohnes des Seltener« zum Moosanderl in Ergolding bei Regenrburg zeigte cs fich, daß der Sarg zu kurz bemeffen war. Der Schreiner Fischer nahm kurzerhand ein Beil, und während der Vater schaudernd dar Zimmer verließ, wurden der LeichebeideFüßeum soviel abgehackt, daß sie in den Sarg hinein paßte. Durch Kinder wurde die Freveltat ruchbar. Der Staatsanwalt beschäftigt sich bereit« mit der Angelegenheit.
BorauSsichtttche Witterung: "
Wechselnde Bewölkung, unbeständig, zeitweise unruhig, Niederschläge, zunächst noch mild, dann wieder kälter.
Hefte auipcckle und mit dem Geschick eine» Reiserfahrenen dem großen Gemach ein persönliches Gkpiäge zu verleihen begann, fiel ihm schwer aufs Herz, wie sittsam und gegen« olle Erwartung sein erster Tag in der ewigen Stadt verlausen sei. Die großen Bilder, die sein Auge aus- genommen, hatten seine Seele so gut wie garnicht bewegt — dafür war er, wie kaum js im Leben, binnen kurzen Stunden in lebendigen und sorge»vollen Anteil an fremden Lebenrschicksolen hineingezogen worden. Klara Aldenhoven und ihr Vorsatz, gegen den er ein innerste» Widerstreben empfand — Frank Holter« urd die unglückliche Frau de« Verwilderten, deren dunkle hilfesuchende Augen er fortwährend auf fich gerichtet sah, beschäftigten ihn mehr als Rom. Tozu kam die Ermattung eines arstrengenden Reisetages über ihn, er ließ von seiner Geschäftigkeit ab und suchte sein Lager. Ader roch im Niederlagen mußte er über die Wege rachfinnen, die Klara Adder Hoven in dies Haus geführt hatten und als er dar Licht löschte sah er plötzlich durch dos Dunkel goldene Haarwellen glänzen und dachte an dar junge Mädchen, die ihm am Abend gegenübergeseffen und mit so stürmischer Hast seine Hilfe für den kranken Landsmann gefordert hatte. Im Halbtraum meirte er in die blauen Augen Erika« v. Herbert, wie in die braunen seiner rheinischen Jugendfreundin und in die schwarzen Francesco» zu blicken. Plötzlich aber hob er den Krpf aus den Kissen und mit dem kräftigen Gedanken, daß er hier ernstlich an kein andere» Schicksal als an dar Kaiser Heinrichs, des Luxemburger», denken dürfe, gelang es ihm, olle wirren Erinnerungen und Holbträume zu verscheuchen und fich in den wohlverdienten traumlosen Schlummer hinüberzuwiegen.
2. Am dreißigsten Tage.
Durch dis schönen Anlagen des Monte Picio rollten am sonnigsten
Aprilnachmittag im gewohnten Kreirlauf die Hunderte der Wagen; auf der großen Terrcffe über der Piazza del Popolo und mter den breilästigen Bäumen beim Standort der Musik drängten fich die Scharen von Hörern und Gestern zusammen und aneinander vorüber. Das Frühlingslicht vom blauen Himmel tauchte alle Farben in neuen Glanz: die Hellen Gewänder der Damen in den offenen zweisitzigen Wagen schienen doppelt hell, die roten Kittel der Zöglinge de« Kollegium Germanikum leuchteten doppelt rot, die dunklen Hahnerfederbüsche an den Hüten der Bersaglieri schimmerten grün und golden und wo ein Sonnenstrahl auf den Haarschmuck einer Orangenhändlerin oder Stuhlvermieterin fiel, bl'tzte es in den dunklen Gruppen silbern auf. Die lauten Gesprächs der wandelnden Scharen über- tönten beinahe da« Militärs:chester, da« eben in den Klängen einer Doni- zettischen Kar tilene schwelgte. So bunt und laut da« Gedränge und Getümmel erschien, so leicht war es dennoch, fich in stillere Laubgänge zurück- zuziehcn, und Doktor Friedrich Gerland, der auf der ganzen Strotze von TrinitL dki Morti bi« zum gießen Rundteil vergeblich eine bessere Gesellschaft gesucht hatte, als er fich heute selbst war, schlug au« langjähriger Gewohnheit am Ende doch einen der einsamsten Pfade ein, der sich verlockend austat. Er stand von Zeit zu Zeit vor den prächtigen Ziersträuchern» die recht« und lir k« von ihm die Anlagen schmückten, mit so großer Aufmerksamkeit still, daß ein flüchtig Begegnender ihn leicht für einen besonderen Kenner der Rhododendron und Agaven geholten hätte, an denen dar Auge de« stattlichen Manne« hing. Er selbst wußte wohl, daß er mit diesem Anschauen Gedenken zu entrinnen trachtete, die ihn seit Stunden und heute nicht zum ersten Mal heimgesucht hatten.
(Fortsetzung folgt.)