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Reutlingen fleht in der geplanten Besteuerung von Elektrizität, Gas und von Beleuchtungsmitteln eine durch nicht» gerechtfertigte einseitige Belastung von Industrie und Gewerbe, die in ihren Wirkungen insonderheit dem auf den Elektromotor angewiesenen kleineren und mittleren Handwerker eine Sonder« gswerbesteuer aufladen würde; eine Steuer, welche nach den unsererseits angestellten Erhebungen bi« zu 200 "/<> der staatlichen Gewerbesteuer betragen würde. Sie richtet deshalb an die gesetzgebenden Faktoren der Reicher die dringende Bitte, dem vorliegenden Entwurf ihre Zustimmung zu ver« sagen. Die nächstfolgenden 4 Punkte der Tages­ordnung betrafen die in der Hauptsache durch die Gewerbeordnungtnovelle vom 30 Mai 1908 nötig gewordene Aenderung des Statuts der Kammer der Vorschriften zur Regelung der Lehrlingjwesrnr, der Gesellen, und der Meisterprüfungrordnung. Von den Aenderungen an der Gesellenprüfung», ordnung find u. a. zu nennen die Bestimmung, wonach die Gesellenstücke künftig in der Regel in fremder Werkstätte angefertigt werden müssen, eine nähere Regelung der Zeugnisfestsetzung und schließlich eine Aenderung dahin, daß künftig dar an die bestandenen Prüflinge zur Verabfolgung kommende Diplom die BezeichnungGesellen­brief" trägt und eine Zeugnirnote nicht mehr enthält. Von der neuen Meisterprüfungrordnung ist zu nennen ein Beschluß, wonach künftig als Vorbedingung für die Zulassung eine mindesten« 4jährige, in den Gewerben der Maurer, Zimmerer und Steinhauer eine mindesten« 5jährige Gesellen- zeit gefordert wird. Nach einem Berichte über das Ergebnis der heurigen Gesellenp üfungen haben sich an den Prüfungen im Frühjahr 1393, im Herbst 63, zusammen also 1456 L hrlinge beteiligt, darunter 118 Fabriklehrlinge, was gegen­über den Zahlen de« Vorjahr» einer Zunahme von 28 Prozent gleichkomwe. Die Kosten betrugen ») für die einzelnen Ausschüsse 6326 d) all­gemeine sachliche Ausgaben bei der Kammer ircl. Porti ca. 900 Ueber die Verhandlungen de« 9. Deutschen Handwerks- und Gewerbekammer­tage» erstattete der Vorfitzende Vollmer ein aus­führliche», beifällig ausgenommen» Referat.

Ettlingen 15. Dez. Ein junger Eltlinger, namens Wilhelm Käst, hat am 18. November, wie der tiefbetrübten Mutter au« Casablanca gemeldet wird, bei einem Gefecht der Franzosen gegen die Marokkaner sein Leben eingebüßt. Der junge Mann erlernte hier das Schreiner­handwerk und zog wohlgemut in die Fremde. Als er vor drei Jahren in das Militär pflichtige Alter etntrat, ließ er sich, anstatt in Deutschlar d zu dienen, von der Schweiz au» zur Fremden­legion anwerben. In dieser machte er den ganzen Feldzug gegen die Marokkaner mit. Einigemale haben auch ihn die Folgen des fieber- reichen Klimas ins Lazarett gebracht. Doch seine

junge, kräftige Natur hielt den Krankheiten Stand. Nun, am Schluffe de« Feldzuge« hat ihn noch eine feindliche Kugel in dem heißen Sande der afrikanischen Wüste eines ehrlichen Soldatentodes sterben lassen. Damit ist aber auch der einzige Sohn, die Hoffnung einer alten Mutter vernichtet.

Kuffstein 16. Dez. In vergangener Nacht gegen 1 Uhr entgleiste bet Goffensoß am Brenner ein Eilgüterzug, der über den Brennerberg herunterfuhr. Da« Unglück ereignete sich dadurch, daß der Zug in der Mitte in zwei Teile aureinanderriß. Bei der Entgleisung wurden die Kondukteure Neumoper und Schwaiger sofort getötet Zwei weitere Zugbeamte wurden lebensgefährlich verletzt. Der Materialschaden ist sehr bedeutend. Durch die Entgleisung entstand auf der Brennerbahn eine große Verkehrsstörung, die erst heute wieder behoben werden kann.

München 16. Dez. In Neuburg a d. D. hat sich der ledige Hauptmann Passavant vom 50. Jnfanterie-Regiment erschossen. Er war seit einiger Zeit nervenleidend und schwermütig.

Berlin 16. Dez. (Juwelendiebstahl.) In der vergangenen Nacht haben Einbrecher au« dem Geschäft der Juweliers Richter in der Steg­litzer kratze Juwelen im Werte von 30000 ^ gestohlen. Dis Diebe haben den ganzen Laden ausgeräumt.

Hamburg 13. Dez. Der Leutnant Frei­herr von Ompteda vom 31. Infanterie- Regiment in Altona hat sich heute Vormittag in seiner Dienstwohnung in der Kaserne erschossen.

N ew-Aork 16. Dez. Präsident Roose. v elt richtete an den Senat eine Spezial-Botschaft, die durch ihren starken Inhalt auffällt. Der Präsident bezeichnet die Behauptung, es sei beim Ankauf de« Panama-Kanals betrogen worden, als eine ganz gemeine Lüge und nennt den Eigen­tümer derWorld", Josef Pulitzer, einen Schurken und Verleumder, der alle Amerikaner mit Schmutz bewerfe.

New-Dork 16. Dez. Aus Venezuela wird gemeldet, daß die Holländer abermals einen venezolanischen Dampfer, der an der Küste Wachtdienst versah kaperten. Dies ist nunmehr da« dritte Schiff, das sie wegnehmen. In Venezuela selbst wächst die Unzufriedenheit de« Volkes mit der Regierung und der Ausbruch einer Revolution droht mehr als zuvor.

vermischte-.

Zur Reform der Invalidenver­sicherung. Zur Beratung von Verwaltung«, fragen der Invalidenversicherung trat vorgestern, wie dieNordd. Allg. Ztg" meldet, im Reichrvel sicherem giamt unter dem Vorfitz des P ästdenten Dr. Kaufmann eine Konferenz

von Vertretern der Landesverficherungrämter, I». validenverstcherungranstalten und zugelaffensn Kaffeneinrichtungen zusammen. Die Konferenz beschäftigte sich zunächst mit dem Mißstanb des Eintritts älterer Personen in die Versicherung, die alsbald um die Rente einkommen. Es bestand Einverständnis darüber, daß dis Verstcher- ungsträger der Angelegenheit ernste Aufmerksam, keit zuwenden müßten. Alrdann wurde eine Kommisston mit der Feststellung von Mustern für ärztliche Begutachtung und zu Anträgen auf Berücksichtigung von Invalidenrente beauftragt. Die Versammlung verwarf die Aufstellung ein- heitlicher Grundsätze für die Bewilligung von Heilverfahren. Mt Bezug auf den Alkohol- mißbrauch wurde eine sorgfältige Auswahl der in Fürsorge zu nehmenden Personen empfohlen. Ferner wurde die Nutzbarmachung der Fortschritte der medizinischen Wissenschaft für die Feststellung des Zustandes der Lungenkranken besprochen und eine lebhafte Beteiligung der Versicherung», anstalten an der Bekämpfung de« Lupus em- pfohlen. Dagegen wurde eine Beteiligung an den au« ärztlichen Kreisen angeregten Bestrebungen, leicht lungenkranke Arbeiter in Dsutsch-Süd- westafrtka anzufiedeln, nicht für angezeigt erachtet.

Präsident Castro hat einen Vertreter derBerliner Lokalanzeiger«" empfangen, der ihn über seine Meinung bezüglich der letzten au« Venezuela kommenden Nachrichten und die kriegerische Aktion Hollands befragen wollte. Der Berichterstatter fragte den Präsidenten, was er von den Gerüchten über eine venlzolanischs Re- volution halte. Er erwiderte lächelnd:Unsinn dann müßte ich doch auch etwas davon wissen, wenn es wahr wäre."Sie halten es für aus­geschlossen?"Ganz und gar."Und was sagen Eie zu dem Verhalten der holländischen Regierung?" Weiter kam der Berichterstatter nicht, denn der Präsident unterbrach ihn: Verzeihen Sie dis Unterbrechung, mein Herr, ich bin in Deutschland ein Gast; hier bin ich nicht P ästdent, sondern Privatmann. Eine Antwort als Privatmann könnte falsch verstanden werden, und als Präsident kann ich nicht ant­worten." Auf dis Frage, was er von der hol­ländischen Aktion halte, sagte der Präsident, daß er an der Richtigkeit der Zeitung»Meldungen zweifle.Ich glaube nicht, sagte der Präsident» daß Holland aktiv gegen Venezuela Vorgehen wird, denn es existiert keine Kriegserklärung und eine Blockade ist gleichfalls weder erklärt noch etabliert. Eine Vergewaltigung der kleinen venezolanischen Kiiegsschtffe ist nicht nur urqialifizierbar, sondern ist nichts andere» als Parasitentum, unwürdig einer zivilisierten aufgiklä-ten Nation. Dazu kommt, daß eine derartige Aktion den Abschluß des Übereinkommens beschränken wird, das die venezolanische Regierung durch ihre

den Schaffner, sondern öffnete sich gewar dt die Tür selbst, kletterte munter auf den Bahnsteig hinaus und rief den Vetter an, der sich durch eine Gruppe von etwa« unbeholfenen Landleuten erst durcharbeiten mrßte.

Grüß' Gott, Heinz!" fegte fie, ihm die Hand kameradschaftlich schüttelnd, und überflog mit einem schnell musternden Blicke seine stattliche Gestalt, an der auch nicht die leiseste Spur einer junggesellenhasten Nach­lässigkeit zu entdecken war. Die Tanten hatten sich also durchaus über- flüssigen Befürchtungen hlngegeben.

Du stehst ja bvllant aus! Dein Beruf scheint Dir gut zu bekommen!"

Ich danke, ja!' entgepnete er lakonisch. , Ist alle« mobil bei Euch?"

Alles tipp topp!" bestätigte sie,, die gern mit modernen Echlagnörtern in die Unterhaltung fuhr.

.Na, da« freut mich! Und nun möchte ich wissen, ob Du eine Erfrischung nötig hast!"

Nein, Vetter!" erklärte fie, an ihm vorüberlugend, als suche fie jemand.Aber ich hatte einer Penfionrfreur bin gleichfalls geschrieben. Es wäre schade, wenn fie nicht Zeit gehabt hätte!"

Nun aber ging ein fröhliche» Nr fruchten über ihre Züge.

Hallo, da kommt ja das Girl!" rief fie befriedigt und telegraphierte mit ihrem Botifitüchelchen zur Perrontüre hinüber. Und wie Heirz, von einer leisen Ahnung besä licken, ihren Blicken folgte, sah er wahrhaftig Fräulein von Lodencck etwa« zögernd und befangen, aber doch lächelnd zu ihnen herüberschreiten. Und roch einmal zog er artig den Hut.

Ihr kennt Euch hoffentlich schon, Herrschaften?" erkundigte sich die Cousine.

So halb und halb wenigstens!" sagte Heirz, während das Fräulein korrekt erkiä-te:Ich Halts noch nicht da» Vergnügen!

Da« verursachte ihr zwar ein sehr zwiespältige» Empfinden, weil es nicht ganz der Wahrheit entsprach; denn fie wußte ja ganz gut, wer der

schreckliche Mensch war. Aber er sollte sich doch nicht etwa einbildsn, daß er bisher irgend welches Interesse für fie gehabt hatte! Und vorgestellt waren sie sich nirgends, also ?

Hedwig Nordmann war darüber sehr verwundert.

Mein Gott, und ihr wohnt doch in einer Straße!" rief fie lachend. Dann muß ich Euch also in aller Form m t-inander bekannt machen? Gut! Wird besorgt! Zunächst hier mein teurer Cousin, Herr Doktor Bur- meister, gräßlich ernsthaft und unglaublich gelehrt! Heinz, mache eine anerkennende Verbeugung! Und hier: meine liebe Penstomfreundin, Fräulein Alpafia von Lodeneck, wegen ihre« fabelhaften Fleiß» der Liebling sämtlicher Lehrerinnen de« Institut«, ang«staunt von ihren Mitschülerinnen und verehrt von na da« geht Dich ja weiter nichts an, Vetter! Und nun spazieren wir zu dreien ein bißchen vor dem Zuge auf und ab, bi» -er weiterdampft! Dabei erzählst Du mir, Liebste, wie es Dir hier geht in diesem schrecklichen Nest, wo ich nicht einmal im Photographenkasten hängen, viel weniger begraben sein möchte!"

Drin Mundwerk scheint noch immer das alte zu sein, Hedwig!" warf Doktor Burmeister trocken bin.

Ja, Galt sei Dank!" erklärte fie.Aber unterbrich mich nicht fortwährend, alter Nörgler. Vorlärfiz ist meine Freundin an der Reihe. Also, Darling, beichte: War treibst Du? Singst Du? Tanzst Du? Läufst Du Schlittschuh? Und bist Du noch immer nicht verlobt?

,Aber Hedwig, H dwig! Welche Fragen!" rief Aspasta unwillig und fühlte, wie ihr die Röte wieder bis in den blonden Scheitel Hinausstieg. Du bist doch woh-hastig ganz die Alte geblieben."

Und Du bist noch immer da« holde Blüwlein Rührmichnichtan!" lochte ste.Er kommt eben so leicht niemand ars seiner Haut heraus!" Hältst Du es denn für etwa« so Fürchterliche«, sich zu verloben? Ich kann Dir sagen, es ist ein geradezu himmlisches Gefühl!" (Forts, folgt.)