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er gänzlich unverletzt blieb zur nicht geringen Erleichterung der befreit ausatmenden Zeugen des Vorfalls. (Lahr.-Ztg.)
Straßburg 14. Dez. Ein schreckliches Brandunalück ereignete sich am Samstag abend nach 7 Uhr in der Hechtengasse. Die dort im Hinterhause wohnenden Eheleuts Gumbert hatten sich au« der Wohnung entfernt, um Ein- läuft zu machen und ihre zwei Kinder im Atter von 9 Monaten und 2 Jahren allein zurückgslaffen. Auf bi« jetzt noch unaufgeklärte Weise brach nun während der Abwesenheit der Eltern in der Wohnung Feuer aus. das so rasch um sich griff, baß. als die Feuerwehr in Tätigkeit trat, die beiden Kinder bereits bis zur Unkennl lichkeit verbrannt waren. Als dis Frau um 8 Uhr allein zurückkam und das entsetzliche Bild sah, bekam sie einen Nervenanfall, so daß sie in die Nervenklinik gebracht werden mußte.
Berlin 15. Dez. Hinsichtlich der Bedürfnitfrage bei der Reichsfinanzreform wird an maßgebender Stelle mit aller Bestimmtheit erklärt, daß man nichts „vorgeschlagen" habe und deshalb auch von den verlangten 500 Millionen nicht« ablaffen könne, wenn wirklich einmal ganze Arbeit gemacht und auf lange Zeit hinaus eine Ordnung der Reichrfinanzsn erzielt werden soll. Wenn der Reichstag durchaus von der Gesamtsumme etwas abhandeln wolle, so bliebe eben nichts anderer übrig, als von der geplanten Aufhebung der Fahrkartensteuer und der Herabsetzung des Ortrportor auf 3, --Z, sowie von der bereit« genehmigten aber doch nur unter Vorbehalt festgelegten Herabsetzung der Zucker steuer von 14 auf 10 für 100 Kilogramm Abstand zu nehmen. Dadurch würde sich der Bedarf um etwa rund 50 Millionen Mark jährlich niedriger stellen.
— Präsident Castro weilt jetzt in Berlin. Der „Lok.-Anz.", der seine Mitteilungen recht oft aus den Reichrämtern empfängt, bringt zwar keinen Begrüßungsartikel, immerhin schreibt er: In Berliner politischen Kreisen steht man dem Besuch des Präsidenten Castro als dem eine« Privatmanns« entgegen, der sich zur Wiederhsr- stellnng seiner Gesundheit einige Zeit in Berlin aufhalten will. Zu irgendwelcher unfreundlichen Haltung gegenüber dem Präsidenten liegt nicht der geringste Anlaß vor, zumal keinerlei Zwistigkeiten zwischen Deutschland und Venezuela bestehen. Sollte Präsident Castro während seiner Berliner Aufenthaltes den Wunsch haben, mit den leitenden Stellen de« Reiche« in Berührung zu treten, so dürften etwaige Vorschläge, die er zur Sprache bringen würde, freundlichst angehört werden.
Berlin 15. Dez. Präsident Castro sandte nach seiner Ankunft dem Kaiser folgendes Telegramm: „Ich habe hismit die Ehre
Eurer Majestät anzvzeigen, daß ich au« Gründen meiner Gesundheit mich nach Ihrer Hauptstadt begeben habe. Ich bitte Eure Majestät meine Huldigung entgegen zu nehmen."
Haag 14. Dez. Der niederländischen Regierung ist die Wegnahme des venezolanischen Schiffe«, welches im Verdacht stand, Munition nach anderen Häfen zu führen, bestätigt worden. Mit dieser Beschlagnahme hat die niederländische Regierung mit der Ausübung von Re- pressalien begonnen, die, wie sie behauptet, den völkerrrechtlichen Grundsätzen nicht zuwider- laufen. Die Niederlande hoben das venezolanische Volk davon in Kenntnis gesetzt, daß sich die Repressalien gegen die Regierung Castros und nicht gegen die Bevölkerung richten. Es wird zugegeben, daß sich der Streitfall in einer neuen Phase befindet. Dar Gerücht von einer Kriegserklärung wird aber dementiert.
Vermischtes.
Schutz der heimifchenArbeit. Auf die Eingabe der vereinigten Gewerkschaften von Stuttgart über die Vergebung und Ausführung der Arbeiten zum Hoftheaternsubau hat die Zentralstelle für Gewerbe und Handel im Auftrag de« Finanzministeriums geantwortet, daß Vorsorge getroffen sei, daß bet Ausführung dieser Arbeiten, beim Abschluß von Verträgen usw. eins ungerechtfertigte Uebergehung einheimischer Geschäftsleute und Firmen vermieden werde. Die Beteiligung der Stuttgarter Archi- tektenfirma Schmohl und Stähelin biete dafür eine gewisse Gewähr. Eins grundsätzliche Ausschließung nichtwürttembsrgischer Geschäfte sei unterblieben, weil man vermeiden wolle, daß andere Staaten württewbergischer Firmen gegenüber dar Gleiche tun.
Wenn dis Kaiserin Weihnachtseinkäufe macht. Die Zeit vor Weihnachten ist für die Kaiserin nicht leicht. Fast täglich unternimmt Ihre Majestät lange Fahrten, um in den Geschäften, dis sich ihrer Kundschaft erfreuen dürfen, Einkäufe zu machen. Der Kreis der von ihr zu beschenkenden Personen ist begreiflicherweise ungemein groß, umfaßt er doch außer den Verwandten die meisten deutschen und europäischen Herrscher und deren Angehörige, die Hofstaaten und sonst noch viele Personen, deren das Kaiserpaar zum Christfeste au« Anhänglichkeit und Zuneigung gedenkt. Die Besuche in den Kaufläden dauern oft lange, da die Kaiserin sich nicht begnügt, den Ankauf diese« oder jenes Gegenstandes zu „befehlen", wie man in der Hofsprache sagt, sondern selbst prüft und vergleicht, ehe sie ihre Auswahl trifft. Und sie tut er in der lieben«, würdigsten Weise und meldet ihr Kommen oft
Reichstagsabgeordneter Dr. Hieber über die politische Lage. Auf dem oberschwäbischen Parteitag der nationalltberalen (Deutschen) Partei, de: am Sonntag in Biberach stattfand, hat Retchsv und Landtagtabgeordneter Dr. Hieber eine bemerkenswerte Rede Über die derzeitige politische Situation gehalten. Er führte u. a. au«: Es seien wieder Bestrebungen im Werke, den Kaiser über die Reichstagsverhandlungen vom November irre zu führen und ihm einzureden, daß er dem Reichskanzler doch zuweit Gehör geschenkt habe. Demgegenüber glaube er (Redner), daß alle deutschen Männer die Mahnung laut werden lassen sollten: „Miß- traue jedem, der dir schmeichelt!" — Eine Abweichung von der Linie, die der Kaiser am 17. November durch die Reichranzeigerkundgebung gezogen habe, würde eins zehnfach schärfere Kritik als bisher erfahren; solche Tage müssen dem deutschen Volke in Zukunft erspart bleiben, wenn nicht ein Schaden angerichtet werden solle, der nicht wieder gut zu machen sei. Jedenfalls fei zu wünschen, daß der 10., 11. und 17. November d«. Js. Früchte zeitigen mögen, über die sich noch Enkel und Urenkel freuen können. — Hinsichtlich der dem Reichrtag vorliegenden Steuerpläne führte der Redner aus: Es könne heute schon als abgelehnt gelten: die Elektrizität«, und Garsteuer und die Anzeigensteuer. Auch für die Weinsteuer dürfte sich eine Mehrheit kaum finden. Eine Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer sei nicht zu umgehen; doch werde die nationalliberale Fraktion nicht für die Banderolensteuer, sondern für die Erhöhung der Tabakzölle und der Gewichtssteuer sich aursprechen. Die nationalliberale Fraktion de« Reichrtag« stehe im übrigen auf dem Stand- punkt, daß nur dann eine große weitere Belastung de« Volk« durch indirekte Steuern zulässig sei, wenn auch die »ermöglichen Kreise in erheblichem Maße herongezogen werden, und da« werde sich, wenn die Nachlaßsteuer nicht auf Annahme rechnen könne, namentlich durch eine Reichrvermögenr steuer erreichen lassen.
Lahr 10. Dez. Bei einem hiesigen Photographen ging'« vorgestern, am Freitag, gar lebhaft zu, zahlreiche Landleute und auch Städter waren gekommen, sich abkonterfeien zu lassen, und im Atelier herrschte große Tätigkeit. Doch urplötzlich ein gewaltiger Wirrwarr — Schrecken und Bestürzung ergriff die Anwesenden, denn mit gewaltigem Krachen stürzte eine schwarze Gestalt au« der Höhe auf dar Glasdach der Atelier«, diese« durchschlagend. E« war ein Kaminfeger, der auf diese Weise allzuschnell seinen Ttandpb tz verlassen, glücklicherweise aber nach Zertrümmert» g des Glase« an einer den hohen Raum durchziehenden Stange hängen geblieben war, sodaß
Larmeisters Tracht«.
Eine heitere WeihnachtSgeschichte von Alwin Römer.
(Fortsetzung.
„Richtig! Und eine große Schwester hast Du auch, die immer noch stickt am Fenster, selbst wenn e« schon ganz dämmrig ist! Nicht wahr?"
Rolf nickte, zutraulicher werdend. Dieser Doktor gewann bei näherer Bekanntschft nicht weniger al« sein Automobil. Da« stand im Herzen de« Jungen sogleich fest.
„Wie heißt Du denn, kleiner Mann?" erkundigte sich Doktor Burmeister und drückte da» Bübchen auf den Sitz zurück.
„Rolf von Lodeneck!" gab er zur Antwort.
„Sehr angenehm!" quittierte der Doktor und nahm den Plctz neben ihm ein. „Du darfst noch ein bißchen mitfahren, wenn Du willst. Es geht bald nach Hause!"
„Aber nur bi« an die Ecke von der Himmeltorstraße!" bat er sin wenig beklommen. „Dort muß ich aussteigen!"
„Warum?" fragte der Arzt lächelnd.
„Daß Mama mich nicht darin steht! Und Spatz! Und die Spon- nageln!"
„Und weshalb dürfen die Dich alle nicht sehen?"
„Weil sie so große Angst haben vor dem „Drachen"!" platzte er offen heraus.
Doktor Burmeister lachte belustigt.
„Dar ist ja ein netter Name für unser schöne« Automobil!" sagte er. „Aber erzähle mir doch mal, wer der „Spatz" ist, der Dich auch nicht sehen darf, Freund Rolf!"
Rolf lugte glückselig zu ihm hinüber. Da» Wort Freund hatte ihn sehr stolz berührt.
„Spatz?" erklärte er dann. „Spatz ist meine Schwester!"
„Na. höre mal, das ist ja ein merkwürdiger Name! Läßt sie sich denn da« von Dir gefallen?"
„Wir nennen sie immer so, Mütterchen und ich!"
„Aber so kann sie doch unmöglich heißen?"
„Nein, sie heißt Aspafia, wie unsere Urgroßmutter geheißen hat. Daraus hat Väterchen „Spatz" gemacht, weil ihm dar zu lang gewesen ist, sagt Mütterchen!" plauderte der Kleine.
„Hm. dann empfiehl' mich nur Deinem Mütterchen urd dem Fräulein Schwester und bestelle ihr, ste möchte ihre Augen besser schonen. Der Arzt ließe es ihr sagen! Verstanden?"
„Ja!" erwiderte Rolf bedrückt. „Aber wenn ich ihr das bestelle, so weiß ste gleich —"
„Richtig. Dar geht also nicht. Dann werd' ich'« ihr also schon selber sagen müssen!" sagte Burweister lachend und nahm sich vor, die nächste Gelegenheit zu benützen, sich dem schönen, stolzen Geschöpf endlich zu nähern und dabei für Rolf eins Aufhebung der Freundschaftsverbot« mit seinem Auto zu versuchen.
Fräulein von Lodeneck war ihm nämlich schon in seinen ersten Halden, berger Lagen angenehm ausgefallen. Der schlichte Ernst, der in einem lieblichen Gegensätze zu ihrer frischen Jugend stand, erschien ihm überaus sympathisch. So sehnte er sich schon lange danach, mit ihr bekannt zu werden, doch es bot sich ihm keine Gelegenheit. Auch am Fenster saß ste selten zu den Tagvrzelten, wo er seinen Gruß hätte anbringen können. Sie war eben eine vornehme, zurückhaltende Natur. Der Ruf, hochmütig und eingebildet zu sein, den ste bei den Referendaren und Rechtsanwälten seine« Stammtisches genoß, erfüllte ihn zwar mit einiger Unruhe, die ihn äußerst vorsichtig sein ließ, aber es freute ihn doch auch, weil es ihm ein Beweis dafür war, wie apart ste sich hielt, und wie ihr die landläufige Oberflächlichkeit im Verkehr der Haldenberger Jugend zuwider war.
(Fortsetzung folgt.)