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die kleine Presse, die trotz ihrer Tarife fast bei jedem größeren Auftrag erst vm die Preise feilschen muß, und deshalb können sie mit einem relativ niedrigeren Ausschlag auf ihre Zeilenpreise auS- kommen, um die Steuer hereinzuholen.

Wenn dieNordd. Allg. Zeitung" das nicht einsehen kann, so wird die Begründung der Steuer- Vorlage, die ihr das Reichsschatzamt mit auf den Weg gegeben hat, dadurch noch nicht wenigerabsurd".

Ganz unnötig regt sich das offiziöse Blatt über den Abdruck des Briefes eines Zeitungsverlegers im Vereinsorgan des V. D. Z -V, demZeitungs­verlag", aus, der sich mit Vorstellungen an den Vertreter seines Wahlkreises im Reichstag wendet. Selbstverständlich handelt es sich hierbei, was die Nordd. Allg. Zeitung" wieder bezweifeln möchte, um einen authentischen, wirklich von dem betr. Ver- . leger von sich aus geschriebenen und abgesandten Brief, und ebenso selbstverständlich ist es das gute Recht der Standesvertretung, diesen Brief als Bei­spiel der Selbsthilfe den Standesgenossen mitzuteilen.

Wieso darin einimperatives Mandat" erblickt werden könnte, wie das offiziöse Blatt meint, ist völlig unverständlich, wenn der betr. Abgeordnete nicht als Mandatar eines Blattes anstatt seines Wahlkreises angesehen werden soll. In dem Offen­halten dieser Annahme liegt zwar eine gewisse schmeichelhafte Anerkennung für die politische Be­deutung der Presse, die ihr sonst meist von Regierungs­feite bestritten wird; die Presse wird sich aber da­durch nicht verführen lassen, ihren Einfluß höher einzuschätzen, als er faktisch ist, und ihre Vertretung wird nach wie vor eifrig bemüht bleiben, den einzelnen Abgeordneten die Augen zu öffnen über die eminente politische Bedeutung der Anzetgensteuervor- tage und über das Interesse, das jeder Parla­mentarier an der Bekämpfung der Vor­lage hat. Alles das auf die Gefahr hin, der Nordd. Allg. Zeitung" und ihren Offiziösen nicht zu gefallen.

TAsrSsrÄßkeiteA.

Stuttgart 11. Dez. (Kriegsgericht.) Die Rekruten der 12. Komp, des Jnf.Rsgtr. 125 hatten unter Aufsicht einer Vizefeldwebels auf dem Deqerlocher Exerzierplatz Echützendienst zu üben. Dabei kam der etw,« schwächliche Musketier Kotz nicht recht mit. weil ihm von dem Kriechen die Arme weh taten. Der Unteroffizier Hrch. Braun, der erst 19 Jahre alt und seit 7 Monaten Unteroffizier ist, nahm darauf den Katz aus der Kolonne heraus und ließ ihn hinter einer Bretter Hütte etwa 5 Minuten lang Gewehr strecken; als der Rekrut nicht mehr konnte und die Arme finken ließ, versetzte der Unteroffizier dem völlig erschöpften Mann einen Stoß aus die Brust, so daß er an die Hütte fiel; dann schlug Braun dem Rekruten noch cuf den Mund, doß er blutete.

Am nächsten Tag setzte der Unteroffizier die Quälereien fort, so daß Katz beim Turnen von der Kletterstange herunterfiel und bewußtlos wurde. Der Vertreter der Anklage bat, den Angeklagten für diese systematischen Quälereien die ganze Strenge der Gesetzes fühlen lassen, von dem Antrag auf Degradation sehe er nur mit Rücksicht auf die Jugend und die bisherige gute Führung ab. Da» Gericht schloß sich dieser Auffassung an und erkannte auf eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten.

Tübingen 11. Dez. Im km. st hist arischen Jrstitut in der alten Aula find in letzter Zeit wertvolle Kupferstiche und andere Sachen entwendet worden. Bei der Haussuchung bei einem verdächtigen Studenten der Philologie wurden nicht bloß die vermißten Gegenstände, sondern auch eine Anzahl anderer Kunstblätter und Bücher gefunden, die der Dieb anderwärts an sich ge­nommen hat.

Walddors 11. Dez. Auch eine Wahl! Bei der Bürgeraurschußwahl haben von 228 Wahl- berechtigten 8 abgestimmt; es ist dies eins Wahl­beteiligung von 3.5°/». Sämtliche 5 Kandidaten, die aufgetreten waren, erhielten 8 Stimmen.

Reutlingen 11. Dez. Im kaufmännischen Verein interpretierte August Junkermann die Reuter'schen Werke. Der Zuspruch, der dem Vortrag seitens des hiesigen Publikums entgegen' gebracht wurde» war ganz enorm.

Reutlingen 11. Dez. Dem Schaf- markt waren zugetrieben 5992 Stück (mnd 1000 Stück mehr als im Vorjrh ). V rkauft wurden 4200 Stück. Preis der Hämmel 52 bis 72 der Lammschafs 5458 der Brack- und Göltschafe 4446 Der Handel war äußerst rege. Größere Tramporte kamen nach Belgien (Brüssel), Sachsen (Reichenbach), Schweiz, Elsaß und Baden.

HerrenalZ. Dis Einführung der elek­trischen Lichtes in Herrenalb ist nun be- schloffrne Sachs. Wenn der Kurort Schritt halten will mit den andern Bädern und Sommerfrischen, so ist das ein unumgänglicher E fordernis. Ein ursprünglich geplanter Anschluß an dar Enztal wo großartige Wasserstauungen seitens der Forst. Verwaltung beabsichtigt find, läßt sich nicht abwarten; so beschlossen dis bürge-l. Kollegien den Bau eines Motorenhause« in der Nähe des Bahnhofes. Dis Abführung Hai die Maschinenfabrik Eßlingen. Das Werk soll nächstes Frühjahr dem Betrieb übergeben werden.

Schramberg 11. Dez. Wie verlautet, ist die Beschwerde, die der frühere Stadtschultheiß

Harrer gegen die Entscheidung der Kreisregierung, die bekanntlich die Bestätigung der Wiederwahl Harrer« versagte, beim Ministerium de« Innern vorgelegt hatte, in den letzten Tagen abgewiesen worden.

Pforzheim 11. De,. Dis Kassette, welche vorige Woche in der Wirtschaft zumTal" in ungemein frecher Weise gestohlen worden ist, wurde gestern Vormittag von einem hiesigen Bäckermeister ln einem Steirbruch an der St. Georgensteige samt den 4 Aktien der Pforzheimer Bankvereins aufgefunden. Der Dieb hat sich darnach mit dem Bargeld von ca. 600 ^ begnügt, und Kassette nebst Aktien weggeworfen, damit sr nicht durch den Besitz als Dieb verraten wild.

München 11. Dez. Gegen den Schnell­zug Augsburg.Ingolstadt wurde bei Gucharing von einem Unbekannten ein großer Stein geschleudert, der den Gutsbesitzer Gin der derart traf, daß er bewußtlos zusammen­brach und in bederklichem Zustand ins Kranken- hau« gebracht wurde.

Berlin 12. Dez. (Reichstag.) Die Generaldebatte über den Etat und die Besol­dungsvorlage wird fortgesetzt. Abg. Spahn (Ztr.) bespricht kurz die Besoldungsvorlage und wendet sich dann Herrn Boffsrmann zu. Wenn die Einberufung de« Aurschuffes für auswärtige Angelegenheiten nur in ernsten Zeiten erfolge, dann würde die K isgrgefahr geradezu herauf- beschworen. Weit besser sei es, der Kanzler be­rufe den Ausschuß regelmäßig sin. Fürst Bülow Habs neulich gefügt, er sei dem österreichischen Ministerpräsidenten geradezu dankbar dafür, daß er ihn nicht vorher von der Annexion Borniens unterrichtet Habs. Ader Herr von Aehrenthal Habs doch erklärt, daß man in Berlin im All­gemeinen über die Richtung der österreichischen Balka-Politik informiert sei. Darin liege doch ein Widerspruch. Staatssekretär Dernburg äußert sich über die Diamaritfur-de in:eritz- bucht in Südwestafrika. Ji dem in Betracht kommenden Strich finden sich dis Diamanten vorzugsweise an der Oberfläche. Sie gehen nicht in dis Tiefs. Die Eselststne find von hervor­ragender Güte. Er g-hsn im Allgemeinen 4 bis 5 ans bar Karat. Es werden auch einzelne Steine von °/4 Karat gefunden. Der Ertrag pro Jahr kann auf 5000 Karat gebracht werden, Der Wert einer Diamanten in der Größe, wie sie dort gesunden rv rden, ist sinn 33 Schilling pro Karat. Dagegen komme in Betracht, daß in Pretoria dis Kosten ungefähr 18 Sch. pro

Gegen Morgen wurde sie ruhiger.

Sie begann, sich auszukleiden, suchte eber nicht das Lager auf, sondern saß im leichten Nachtkleids, mit aufgelöstem Haar vor dem Kamin und wartete. Er wurde Tag, und Bentoff kam noch immer nicht.

Da« Mädchen brachte da» Frühstück, entzündete das Feuer im Kamin und sah Ada wiederholt erstaunt an, sagte aber nichts, sondern verließ kopfschüttelnd wieder das Zimmer.

Mechanisch erhob sich Ada, ein paar Bissen und kleidete sich an.

Dann nahm sie wieder vor dem Kamin Platz, starrte in die Glut und wartete noch immer mit der gleichen Ruhe und Regungslosigkeit.

Gegen Mittag erschien endlich der Besitzer des Hotels, den da« Zimmermädchen auf den sonderbaren Zustand Adas aufmerksam gemacht batte; er erkundigte sich zunächst zögernd naS dem Befinden dergnädigen Frau" und fragte schließlich auch nach Benloff.

Zum ersten Male seit Stunden erwachte Ada aus ihrer regungslosen Starrheit und entgegnen, mit lauter, sonderbar klingender Stimme:

Sehen Tie nicht, daß ich ihn erwarte? Er muß jeden Augenblick hier sein . dann sprang ste plötzlich auf und schrie mit lauter, gellender StimmeSascha . . . Alexander. .

Der Wirt erschrak und suchte sie zu beruhigen. Aber sie hörte nicht mehr auf ihn. Ste stürzte zur Tür des Nebenzimmers, die verschlossen war, und begann mit oller Kraft daran zu rütteln.

Dazwischen rief ste:

Sascha . . siehst Du nicht . . man hält mich gefangen, man läßt mich nicht zu Dir . . und ich weiß, daß Du in Gefahr bist, Sascha . . . Wir werden die Abfahrt versäumen . . die Koffer müssen gepackt werden . . meine Kleider, mein Schmuck . .! Hüte Dich vor Kotschagin . . Er nimmt uns alles .

Plötzlich wurde sie wieder ruhig, legte ihre Hand auf den Arm de« Wirtes und sagte in ernstem Tone:

Mein Herr! Haben Sie die Liebenswürdigkeit, dem Fürsten zu sagen, daß ich ihn erwarte. Ich habe nur roch die Kleidung zu wechseln. Sie werden selbst zugeben, daß die Prinzessin Bentoff in diesem Anzugs die Reise nicht antreten kann."

Ein irres Lächeln glitt um ihre Lippen; fis begann die Nadeln aus ihrem Haar zu lösen, so daß die schweren, goldblonden Flechten über ihre Schultern heralfülen und trat vor den Spiegel, um bewundernd ih: Eben­bild zu betrachten.

Diesen Augenblick benützte der Wirt, um nach dem Zimmermädchen zu klingeln, dem er ein paar Worte zu flüsterte, ohne Ada dabei aus den Augen zu lassen.

Dann verließ er dar Zimmer, stellte sich aber auf dem Korridor, in der Nähe der Tür auf und lauschte.

Zunächst blieb alles st ll; dann hörte er da« Osffnen einer Koffer« und dar Rauschen von Kleidern. Eine knappe Viertelstunde verging.

Endlich fuhr der vom Wirt best llce Wagen vor dem Hause vor. Ein Wärter sprang vom Bock, und der Arzt, der mit dem Wagen gekommen war, ließ sich zum Wirt führen.

..Die Kranke ln findet sich in diesem Zimmer? '

Der Wirt nickte und verständigte den Arzt durch ein paar Worte. Dann betraten beide den Raum.

Ada stand, völlig angrkleidet, aber noch immer mit aufgelöstem Haar, in der Mitte de« Zimmers und fragte ruhig:

Sie kommen vom Fürsten, mein Herr?"

Jawohl, Durchlaucht."

Der Arzt ging sofort auf dis Wahnvorstellungen der Kranken rin und bot ihr den Arm.Darf ich Sie zu ihm führen?"

Ada nickte gnädig und herablassend und schritt am Arme des Arztes mit stolz erhobenem Haupte die Treppe hinab.

Ohne sich zu sträuben, bestieg ste den Wagen.

Der Arzt rief dem Kutscher etwas zu und nahm gleichfalls im Wagen Platz, der alsbald davon, ollte.

Eine halbe Stunde später war bas Ziel erreicht:

Die Fürstin Ada Bentoff wurde in elne der städtischen Irrenanstalten übergesührt, in der sie bereit» nach kurzer Zeit ihrer Krankheit erlag, ohne vorher noch einmal zu klarem Bewußisein zu erwachen.

Vom Prinzen Alexander Bentcff hörte man nicht« mehr.

(End e.)