1228

den Liebhaber seiner Frau auf, augenblicklich die Wohnung zu verlassen. Der Studierende leistete jedoch keine Folge, sondern ergriff einen Revolver und bedroht« damit den Ehemann. Daraufhin holte dieser die Polizei. Al« er mit ihr zurück« kam, hatte sich der Studierende durch einen Schuß in den Kopf lebensgefährlich verletzt. Auf An­ordnung eine« Arzte« wurde der Verletzte nach dem städt. Krankenhau« gebracht, wo er inzwischen gestorben ist.

Trier 9. Dez. In einem Abteil ve« heute früh 6.40 Uhr von Koblenz hier ein- getroffenen Personen zu ge« wurde ein junger Mann, der Trierer Verficherungragent Kurt Regel, dessen Geschäft«lokal in der Jakobrstroße liegt, erschossen aufgefunden. Die Um­stände deuten auf Mord hin. Der Wagen wurde in Trier aurranpiert. Im einzelnen wird noch gemeldet: Der Mord wurde in einem Abteil 2. Klaffe Legangm und muß kurz vor Trier geschehen sein, denn der Körper de« Toten hatte bei seiner Auffindung noch die volle Lebens- wärme. Der mutmaßliche Mörder und der Ermordete hatten den Zug in Koblenz gemeinsam bestiegen. Sie waren beide elegant gekleidet und schienen miteinander befreundet zu sein. Al« der Zug in Trier kaum gehalten hatte, enteilte ihm ein junger Mann, der nach der Be« schreibung der Begleiter de» Ermordeten gewesen ist, und entfernte sich der Stadt zu. Seine Personalien konnten bisher nicht sestgestellt werden. Der Kopf de« Ermordeten weist zwei Schußwunden auf. Die Schußkanäle verlaufen von hinten nach vorn. Bei der Leiche wurden zwei Patronen gefunden.

Trier 9. Dez. Der heute früh im Zuge hier erschossen aufgefundene Mann ist der Versicherungsagent* Regel. Sein Mitreisen, der wurde bereit« ermittelt und festgenommen. E» ist der Stadtbautechniker Maagh. Er giebt zu, daß er mit dem Erschossenen zusammen von Coblenz nach Trier gereist ist. Unterwegs sei er einmal ausgetreten. In der Zwischenzeit habe er im Coupe einen Schuß sollen hören. Er habe gesehen, daß sein Freund Regel im Blute schwim­mend auf dem Polster lap. Vor Schrecken sei er nicht in dos Coupe zmückgekebrt, sondern habe in einem Nachbar. Coupe die Reise fortgesetzt. Der Staatsanwalt verfügte seine Verhaftung.

Von der Gchweizergrenze 4. Dez. Der Saccharinschmuggel aus der Schweiz nach Deutschland und Oesterreich wurde seit Jahren in der Hauptsache durch einen Saccharin- fabrtkanten H. besorgt, während seine Frau den Fabrikbetrieb in Zürich leitete. Der Haupt- fchmuggrl wurde bi« jetzt immer über dos Boden­seegebiet geführt. Mit großer Geschicklichkeit wußte H. den Zollbeamten immer zu entgehen. Schließlich wurde ihm der Boden in der Ostschweiz

doch zu heiß, er verlegte sein Arbeitsfeld nach Lasel, um von dort über die elsäßische und badische Grenze zu schmuggeln. Ein Mitwisser scheint ihn den Zollbehörden verraten zu haben. E« wurde ein peinlicher Neberwachung«dienst ein­gerichtet und die Landeigrcnze in der Umgegend von Basel mit Sorgfalt beobachtet. Diese Woche fuhr H. mit der Straßenbahn nach St. Ludwig (Elsaß). Auf der Post wurde er erkannt. Doch noch einmal entkam er. Schon saß H. im Straßen­bahnwagen, da fuhr ein Gendarm auf dem Fahrrad nach, befahl dem Schaffner zu halten, und ver­haftete den Schmuggler. Tiotz Fortsetzung der Ueberwachungrdienster konnte man der Komplizen de« Schmuggler« nicht habhaft werden. H. wurde in« Gesängni« nach Konstanz eingeliefert.

Wien 9. Dez. Da« Wiener Frem­denblatt schreibt zu der Rede Bülow«: Den gegen uns gerichteten Voiwurf» daß wir den Statu« quo auf dem Balkan gestört hätten, ent­kräftet entschieden die Erklärung de« Fürsten Bülow, daß die Türkei durch die Annexion tat­sächlich nicht« verloren, durch die Räumung des Sandschak sogar gewonnen habe. Da« sagt der­selbe Staat«mann, der eine grsunde Türkei al« Wunsch der deutschen Politik bezeichnet, al« Wunsch, für dessen Aufrichtigkeit Deutschland in der Ver« gangenheit genügend Beweise geliefert hat. Dieser Staatsmann findet, daß die staatliche Gesundheit der neuen Türkei durch die Annexion nicht ge­fährdet worden sei und drückt damit nur dieselbe Ueberzeugung au«, die, ehe dis Verhetzung«Politik der englischen Presse ihr Werk getan, auch von der Türkei geteilt wurde, dieselbe Ueberzeugung, die wir von Anfang an hegten und noch heute hegen und in deren Namen wir die absurde Ver­dächtigung von un« abweisen, al« ob wir mit der Annexion ein Attentat auf die türkische Reformbewegung beabsichtigt hätten. Fürst Bülow stellte sich ohne irgend welche Einschränkung und Au« flüchte auf die Seite seines österretsch-unga- rischen Bundesgenossen. Die absoluteFestig- keit der deutschen Bündnistreue ist eine weitere große Garantie für die Erhaltung des Friedens, da man jetzt überall in Europa die Ausfichtslostgkeit der Versuche erkennen wird, deren Absicht Fürst Bülow sehr fein mit den Worten andeutete, daß Deutschland sich in der Konferenzfrage nicht von anderen mehr interes­sierten Mächten in eine führende Rolle drängen lassen w.'rds. Da« Verhältnis zu Oestreich- Ungarn ist in Deutschland Herzenssache de» ganzen Volks. Kein Mensch in Europa zweifelt heute an der Friedensliebe der deutschen Orient- Politik, und wenn dieser friedliebende Bundes­genosse so fest zu un« hält, so meinen wir. daß dies kein üble« Zeugni« auch für unsere Frieden«, liebe ist. ,Jn guten und erst recht in bösen Tagen müssen wir zu Oestreich-Ungarn stehen", hat ein Redner im deutschen Reichstag aurgerufen.

Wir find von der Aufrichtigkeit dieser Zusage dankbar überzeugt, teilen aber gern die Hoffnung de« Fürsten Bülow, daß unserem Weltteil die bösen Tage erspart werden, in denen der Wert der Bündnisse erprobt wird.

Pari« 9. Dez. Die Budgetkommtsfion der Kammer stimmte sämtlichen von der Regierung verlangten Nachtragskredite für Marokko mit zusammen 25118000 Franc« zu. Rechnet man dazu die Au« gaben pro 1907, so beträgt die Gesamtausgabe für Marokko 41 Millionen Franc».

Brüssel 9.Dez. König Leopold läßt seine reichhaltige Gemäldesammlung durch einen Auktionator klassifizieren, um sie öffentlich zu versteigern.

Ein Warenabzahlungsgeschäft und sein Verkäufer.

Am Mittwoch den 28. November stand auf der Tagesordnung der Kaufmannrgerichte» Stuttgart:

Jsaakowitz, früher erster Verkäufer, gegen Warenabzahlungsgeschäft -.Philipp, Stuttgart, Ir Haber Ignaz Lenczner, betreff: Gehalt«, forderung.

Die Verhandlungen förderten eins Reihe interessanter Momente zutage bezüglich der Be­handlung Angestellter in diesem Betriebe, und vornehmlich inbczug auf die Waren- kalkulation. Jsaakowitz wurde plötzlich entlassen wegen einer hier nicht zu benennenden Krankheit, deren Nachweis Lenqner nicht gelang. Jsaakowitz behauptet nun, der tatsächliche Gruno seiner Entlassung läge darin, daß er ver­schiedentlich armen Käufern gegenüber Rücksicht genommen, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, armen Leuten solche Wuchsr- preise abzunehmen.

Eine Matratze im Einkaufswert von 12.50 ^ mußte Jsaakowitz zu 40 ^ verkaufen, gab dieselbe aber mehrmals, den oben erwähnten Stantpunkt einnehmend, zu 30 ab, was immer noch dem recht annehmbaren Verdienst von zirka 150 Prozent auf den Einkauf entspricht. Herr Lerczner machte ihm daraufhin den Vorhalt, auf der Königrstraße würden ebenfalls hohe Preis« genommen. Jsaakowitz dagegen erklärte seinen Standpunkt damit, daß auf der Königstraßs da» begüterte Publikum kaufe, während Lenczner zu seinen Abnehmern nur kleine, unbemittelte Leute zähle. Erbost über diesen Einwand, warf Lerczner seinem Verkäufer Beleidigungen wie:Dreckiger Lausej . . . bengel",Dreckiger Sozialdemokrat", Anarchist" usw. an den Kopf, und erhärtet» diese Beleidigungen dadurch, daß er sich ausließ, c- sei ihm gleichgültig, wenn dieser Spaß auch zehn bi» zwanzig Mark koste.

Wir geben gerne zu, daß auch Herr Jsaakowitz kein Engel ist, und dem Lenczner ent-

»Ich hörte es soeben von ihm." Dann schwieg er wieder.

Nun fand Ada doch nicht Kraft genug, die schwere entscheidende Frage an ihn zu stellen.

Ganz leise und mehr zu sich selbst sagte sie nur die Worte, die er bereits einmal von ihr gehört hatte:

Sascha . . armer, lieber Sascha .

Und Alexander Bentoff, der Mann mit den Nerven von Stahl und Eisen, der jeder Situation bisher gewachsen war, der jeder Gefahr ruhig und kaltblütig in« Auge gesehen hatte Prinz Alexander, der Vollblut- aristokrat und Genosse von Verbrechern, der bisher keine Schwäche und keine Rücksicht gekannt hatte: er schrie aus und warf sich auf« Knie nieder vor seiner Frau, indem er hülfesuchend die Arme nach ihr ausstreckte:

Ada . . . alle», alle« ist wahr, wa« er Dir gesagt! Nein Du sollst mich nicht anrühren. Ich bin es nicht wert; schicke mich fort . . . auf der Stelle: ich will gehorchen. Du sollst und darfst keine Gemeinschaft mehr haben mit einem Manne, wie ich es bin. Nur um da» Eine bitte ich Dich: Sage, daß Du mich geliebt hast nur um meiner selbst willen und daß Du mir verzeihen willst um deiner Liebe willen . . Dann werde ich gehen, und Du sollst nie mehr von mir hören."

Und wieder kamen die Worte aus Ada« Munde, die sie schon einmal zu ihm gesprochen damal«, al» er ihr zum ersten Male allein gegen­über stand.

Du sollst nicht gehen. Sascha! Du sollst bleiben. Ich verzeihe Dir und will alle« vergessen, weil ich Dich liebe . ."

Wild aufschluchzend warf Bentoff seinen Kopf in ihren Schoß und umschlang sie mtt seinen Armen.

Ada . . ich kann nicht weiter . . hilf mir, wenn ich nicht verzweifeln soll! Rette mich au« den Händen de» Entsetzlichen. Meine eigens Kraft ist zu Ende . . "

Eine stille, stolze Ruhe war über Ada gekommen. Sie wuchs förmlich vor sich selber in dem Bewußtsein, olle Schuld, die sie selbst bisher aus sich geladen, durch diese eine große Tat sühnen zu können.

Liebevoll zog ste seinen Kopf empor zu sich und küßte ihn auf dis Stirn.

Ich will Dir helfen, Sascha. Denn ich gehöre zu Dir, jetzt und für alle Zeit," er nahm auf der Lehne de« Sessel« Platz und küßte ihr« Händeund nun laß uns überlegen" fuhr sie fortwie wir in Zukunft unser Leben einrichten wollen."

Prinz Alexander erhob sich:

Arme Ada! Du weißt nicht, welche Opfer Du mir damit bringen müßtest."

Ada schüttelte lächelnd den Kopf.

Keines, da« mir zu schwer würde, wenn ich es für Dich tun darf."

Wir würden ein Leben der Einsamkeit und Abgeschlossenheit führen müssen; un» verbergen müssen, nicht vor der Welt, wohl aber vor ihm und seiner gierigen Meute, die uns überallhin verfolgen wird ... Ich habe geschworen, Ada und wenn ich diesen Schwur breche . ." er voll­endete nicht; er brachte es nicht über« Herz, ihr die furchtbare Wahrheit zu enthüllen.

Ada seufzte und erhob sich gleichfall». Ihr Mut begann wieder zu finken. Sie hatte Kotschagin kennen gelernt und wußte, daß er zu alle« fähig sein würde.

Trotzdem schwieg sie und trat mit einem wehmütigen Lächeln an seine Seite:

Wir werden gemeinsam kämpfen, Sascha. Und sollten wir auch fliehen müssen bi« an« äußerste Ende der Welt: ich bleibe Lei Dir und werde für Dich zu sterben wissen, wenn ich nicht mehr für Dich leben kann . . ."

(Forifetzung folgt.)