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zu Hause entfernte, ohne wiederzv kehren. Offenbar hat da« Mädchen, da« schon früher Selbstmordgedanken geäußert hat, sich da« Leben genommen.
Waiblingen 30. Nov. Einem verhäng- nievollen Experiment ist in Steinreinach ein 27jähriger lediger Mann zum Opfer gefallen. Derselbe klagte schon längere Zeit über starken Blutandrang zum Kopf; um nun diesem Nebel- stände abzuhelfen, schlug er sich mit dem Beil die linke Hand ab. Am gleichen Abend stach er sich mit einer Schere tief in den Hals; dieser Stich führte dann den gewünschten Tod herbei.
Reutlingen 30 Nov. Am Samstag mittag ist hier mitten in der Stadt ein an» geschossener Hirsch erlegt worden. Da« Tier ist offenbar bei den Hofjapden im Schörbuch an- geschossen worden, hat fich dann in die hiesige Gegend gt flüchtet und bi« in die Tübinger Vorstadt hinein begeben. Von dort wurde es gehetzt, bi« e» in der Eberhardstroße zusammenbrach.
Ulm 30 Nov. Die gestern hier versammelten Buchdrucksreibesitzer de« Bezirk« Ulm vom Krei« IV de« Deutschen Buch» drucker verein« beschlossen zur beabsichtigten Einführung einer Jnseratensteuer folgende Resolution: „In Anbetracht der j'tzt schon best:Herden großen öffentlichen Leistungen der deutschen Zeitungen und angesichts der zu befürchtenden wirtschaftlichen Schädigung einzelner Berufsklaffen, nimmt der Bezirkivsreln entschieden Stillung gegen die Anzeigensteuer. Der Verein steht in ihr eine Gefahr für die gesamte Geschäftswelt. Diese Steuer ist eine Erdroffelungrsteuer, ste ist eine Dopp.lsteucr, kulturfeindlich und verwerflich, weil sie den obersten Grundsotz verläßt, der wie im kleinen, so auch im großen heißen muß: „Gleiche« Recht für alle! '
München 28. Nov. Im Bilde: fälschun g«. Prozeß wurde am Samstag da« Verhör Windhager« beendet, es folgte noch dar Verhör des Kunst. Händler« Politzer, der früher eine zeitlavg Schauspieler war und der gebildetste und eleganteste unter den Angeklagten ist. Außerordentlich bezeichnend für die skruppellosen Geschäft» kniffe Politzer« ist sein Erwerb und mehrmaliger Verkauf eines angeblichen Lenbach, Bismarck darstillend. Da« Bild wanderte bei dem hohen Prei«, den Politzer sofort forderte, längere Zeit von Auktion zu Auktion, eine Kapazität erklärte e» für echt, die andere für unecht, und schließlich wurde dar Gemälde von einem Tändler für 4000 erworben. Einige Zeit darauf kam ein Fremden- kourier in den Laden Politzer« urd erzählte, in einem Hotel sei ein eleganter Herr au« Frankfurt, der einen Bismarck kaufen wolle. Politzer nahm infolge dessen da« Bild wieder um 4500 in Kommission; um der Abneigung de« Frankfurter Herrn gegen Kunsthändler entgegenzukommen, wurde da» Bild in die Wohnung eine« befreun
deten Kaufmann« gebracht und dieser instruiert, fich als Besitzer auszugeben. Nach einigem Hin und Her einigte man fich auf 8000 Unter die verschiedenen Beteiligten wurde dann der erzielte Preis verteilt. Der Tändler erhielt seine 4500 der Kaufmann 500 der Portier und der Fremdenkourier zusammen 500 und die übrigen 2500 ^ steckte Politzer ein. Politzer erklärte« für eine Ironie de« Schicksals, daß ihm dasselbe Schicksal wie dem weltberühmten Experten Ge- heimrat v. Reber passiert sei, ein Lenbachbild für echt zu Hallen, da« sich nachträglich al« gefälscht herausstellte. Auf den Einwnrf des Präsidenten, daß auch Frau v. Lenbach dar Bild al« nicht für echt erklärte, erwiderte Politzer mit Bestimmtheit, er zweifle daran, doß Frau v Lenbach in der Lage sei, die Bilder ihre« verstorbenen Gatten zu expertifiercn und sei bereit, für seine Beharptung den Beweis anzuireten.
Frankfurt a. M. Aus dem Altertum«- museum in Mannheim wurden im Jahre 1906 Münzen im Werte von 4000 gestohlen. Ein Teil der Münzen wurde damals an hiesige Händler abgcsetzt, es gelang aber nicht, den Ver- käufer der Münzen zu ermitteln. Vor einigen Lagen nun kam wieder ein Mann zu hiesigen Händlern und bot Münzen an. d!e offenbar au« jenem Diebstahl herrühren. Es befand sich darunter eine Heidelberger Faß-Medaille, die sehr selten ist. Man benachrichtigte die Polizei, die den Mann ftstnahm. Es ist der 35jährige Bahn- vrbetter Heinrich Eppler aus Mannheim, der zugab, den Münzdiebstahl im Mannheimer Museum seinerzeit verübt zu haben. Man fand noch 35 Münzen in seinem Besitz.
Berlin 30. Noo. Die „Nordd. Allg. Zeitg." schreibt in ihrer Wochen Rundschau: Beide Häuser des britischen Parlaments haben sich im Laufe der verflossenen Woche mit der Frage der Wehrmacht Großbritannien« zur See und zu Land befaßt. In welchem Umfang und in welcher Weise Englm d seinen militärischen Bedürfnissen genügen will, ist seine eigene innere Angelegenheit, wir enthalten uns daher jedes Urteils in dieser Beziehung. Ver- anlcfsung, ans die Sache zurückzukommen, gibt un» nur der Umstar d, daß wieder holt auf Deutschlank in einer mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang stehenden Weise Bezug genommen wurde. Was zunächst den deutschen Flottenbau anlangt, so haben wir schon vor Monaten den von fachmännischer Seite herrührenden Nachweis e> bracht. daß von einer lieber flüg lung de» englischen Flottenbaur durch Deutschland so wenig die Rede sein könne, daß vielmehr der bestehende Vorsprung der englischen Kriegsflotte an modernen Gefechtsschiffen in den nächsten Jahren ständig wachsen werde. Da an keiner maßgebenden deutschen Stelle je daran gedacht worden ist. mit England auf dem Gebiet der Flotte in Wettbewerb zu treten, rechnet man in Deutschland
Gewerbetreibende, 3198 männliche und 2983 weibliche Angestellte in Geschäften, 57 597 männliche und 10708 weibliche Fabrikarbeiter, 56413 weibliche Dienstboten. 13843 niedere Bedienstete, 9550 Beamte und Lehrer, 3270 Personen ohne bestimmten Beruf 1953 Anstalten, Vereine und Stiftungen. — Bei den Agenturen im Oberamt Calw wurden 1907 eingelegt 427593 zurückbezahlt 422457 ^ gegenüber von 437242 ^ Einlagen und 329460 ^ Rückzahlungen pro 1906. Bezüglich der Beteiligung an der Württ. Sparkasse steht da« Oberamt Calw an 10. Stelle. Auf Hypotheken hat die Württ. Sparkasse im Oberamt Calw in 64 Posten 509000 ^ an- gelegt. Im Ganzen zählt die Württ. Sparkasse 228179 Einleger mit einem Guthaben von rund 178 Millionen Mark.
Stuttgart 30. Nov. (Schwurgericht.) In Eltingen OA. Ludwigsburg brannte e» im Juli mehrmals nacheinander. In der Nacht zum 8. Juli brannte das der Gemeinde gehörige, an mehrere Bürger verpachtete Schafhaus nieder. E« verbrannten große Stroh- und Heuvorräte und es entstand ein Schaden von über 20 000 Drei Tags darauf brannte er im sog. „Schafhof". In diesem Fall brannten zwei Scheuern und zwei Wohnhäuser nieder; auch hier war der Schaden ein bedeutender. Am 14 und 19. Juli wurde sodann in einer und derselben Scheuer Feuer gelegt, der Brand wurde aber j.desmal rechtzeitig entdeckt und gelöscht. Das Feuer in sämtlichen Fällen durch Anzünden von Stroh gelegt zu haben, war der 18 Jahre alte Glarmacher Eugen Mörk von Eltingen angeklagt. Er war durchaus geständig. In der Voruntersuchung, wie auch bei der Verhandlung machte er widersprechende Angaben, warum er die Brandstiftungen begangen hat. Der Angeklagte machte den Eindruck eine« schwachsinnigen Menschen; er war in der Schule immer der Letzte. Sein Oikel, sowie zwei andere Familienangehörige find gleichfalls schwachsinnig. Lie Sachverständigen sprachen sich dahin au», daß der Angeklagte nicht verantwortlich gemacht werden körne. Die Geschworenen verneinten hierauf die Schuldfrage, worauf die Freisprechung erfolgte.
Heilbronn 30. Nov. Die Schwindlerin, die vor einigen Wochen hier verschiedene Geschäftsleute um kleinere und gr ößere Betr äge bischwindelte und argab, aus Cannstatt zu sein, ist am Samstag verduftet. Man hatte sie inzwischen, da ste in» Wochenbett gekommen war, auf freiem Fuß ge- lcffen; sie ging aber nach einer Vernehmung durch, da ste wohl annahm, daß sie nunmehr fest- gehalten werden dürfte. In Bietigheim versuchte ste ihr kleine« Kind unterzubringen; wo ste von dort au« hinkam, ist noch nicht ermittelt.
Sontheim 30. Nov. Die, wie schon gemeldet am letzten Freitag am Neckarufer gefundenen Kleidungsstücke gehören einem 16jährigen Mädchen au« Bückingen, da« in Heilbronn in Arbeit stand und fich vor einigen Tagen von
kannten Berliner Persönlichkeiten über sich einholen ließ — gelungen war, schon im Laufe de« Vormittag« wieder frei zu kommen: sein Ruf hatte gelitten, der Boden begann ihm heiß zu werden unter den Füßen, und — wenn er e« recht besah: hier, in Berlin, hatte er ausgespielt; er hatte seine Sicherheit verloren.
Al« der Diener die rot verschleierte, hohe Stehlampe anzünden wollte, war er nahe daran, ihn anzufahren urd wieder fortzuschicken, besann fich aber sofort eine« b'sseren und hörte mit seiner gewohnten Gelassenheit dessen Meldung an: „Ein Herr wünscht Durchlaucht zu sprechen*
„Schicken Sie ihn fort!" Der Prinz machte eine ärgerliche Bewegung mit dem Kopfe — „gewiß handelt es sich wieder um die alberne Angelegenheit von gestern abend. Ich habe — selbst meinen Bekannten gegenüber — nicht Lust, zum hundertsten Male Rede und Antwort zu stehen über die Tölpelhaftigkeit der Polizei.*
„Durchlaucht verzeihen. E« ist keiner der Bekannten de« Herrn Fürsten. Es ist ein fremder Herr und er bittet dringend wenn irgend möglich, vorgelaffen zu werden?"
„Hat er seinen Namen genannt?"
„Ich bat darum, aber der Herr sprach sehr undeutlich. Ich denke, es war ein polnischer oder russischer Name."
„Unsinn I" Prinz Alexander war in der Tat sehr ungnädig — „wie sieht er au«?*
„Glatt rasierte» Gesicht, und in sehr eleganter Kleidung — Zylinder und Lackschuhe . .*
Prinz Alexander lächelte, um — seine Bestürzung zu verbergen.
„Wie alt?*
„Dreißig bi« vierzig Jahre, denke ich.*
Mit einem Ruck erhob sich der Fürst.
„Vorlaffen! Sonst bin ich aber für niemand mehr zu sprechen. Verstanden?* Der Diener verbeugte fich. — „. . übrigen«: Sie können den Rest de« Tage« für fich verwenden; ich brauche Ste nicht mehr; ich werde im Klub speisen — * er griff in die Tasche — „hier haben Sie Geld. Gehen Sie aus und machen Sie fich einen vergnügten Abend I*
„Danks vielmal«, Durchlaucht!*
Der Diener verschwand, und eine Minute später trat der Fremde über die Schwelle.
„Guten Abend, Durchlaucht! '
Der Prinz runzelte leicht die Stirn und begrüßte den Besucher durch ein kurze« Kopfnicken.
„Setzen Sie sich, Leo Katschagin!' Fürst Alexander bot ihm eine Zigarette an — „und dann sagen Sie mir, wa« Sie willen . . . Ihr Besuch ist wider die Verabredung .
„Verzeihen Sie, Durchlaucht —* Leo Koischagin nahm eine Zigarette und setzte fich — „ich wäre nicht gekommen, wenn ich nicht zufällig in der Zeitung gelesen hätte . ."
„Was . . .?* Bentvff blieb erschreckt stehen und sah Kotschagin ärgerlich an — „hat wahrhaftig ein Dumm köpf die Sache scho.r in der Presse breit getreten? Eine lächerliche Stadt, diese« Berlin! Geben Sie her! Oder lesen Sie mir vor . . .*
„Die Abendzeitung bringt eine Notiz —" Katschagin hatte ein Zeitung«, blatt au« der Tasche gezogen und begann zu lesen:
„Da« Opfer einer Verwechselung wurde am gestrigen Abend der in der Berliner Gesellschaft bekannte Fürst Alexander Bentvff . .*
(Fortsetzung folgt.)