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und die St euer vor lagen wird fortgesetzt. Abg. Grzbsrger (Ztr.): Wenn da« Zentrum jetzt als Helfer in der Not eintrete, so wüßte e« ja geradizu mit polizeiwidriger Dummheit geschlagen sein. Mitarbeiten werden wir natürlich an der Reform, denn auch wir haben ein Interesse daran, doß die neuen Steuern richtig verteilt werden. Redner polemisiert weiterhin namentlich gegen den Abg. Müller-Meiningen, um dann dem Schatzsekretär und dem Finanz» minister einen Vorwurf darau« zu machen, daß sie unausgesetzt den Arbeitern ihre Gtwnkschafts- beitrüge Vorhalten. Weiter v.°rteidigt Redner die Franker steir.',che Klausel ausführlich. Mit Unrecht werde dem Zentrum vorgeworfen, an der Schuldenwi'.tschaft der Vergangenheit nicht unschuldig zu sein. Vor allem muß unser Budget- recht aufs Strengste gewahrt, die Kontrolle auf» Schärfste gehandhabt werden. Gesunden können unsere Finanzen nur, wenn der Reichstag seine Machtmittel, wie sie ihm da« Budgrtrecht gewährt, braucht. Der Redner verweist auf die im Heere und in der Verwaltung anzuire ffen de Verschwendung. Besonder« in den Kolonteen werde da« Geld zum Fenster hinaus geworfen. Der wundeste Punkt ist die Unmasse von Pensionen» die uns jährlich 180 Millionen kosten. Abg. v. Emmel (Soz) polemisiert gegen den preußischen Finanzminister v. Rheinbaben. Redner kritisiert mit aller Schärfe die einzelnen Steuer-Vorlagen und schließt mit der Aufforderung, der Regierung keinen Groschen zu bewilligen. Abg. Preiß (Slsäßer) bespricht die finanziellen Wirkungen der Reichsfinarzreform auf Elsaß-Lothringen. Abg Ar-'e n d t (Rp) Bei der zweiten Lesung werden sich hoffentlich dis Dings ander« gestalten. Tretz oller Gegenbemühungen wird dis Verständigung kommen. Die Finanzreform ist eine Notwendigkeit und wo ein Wille ist, wird auch ein Weg sein. Auch für die Nachlaßsteuer wird sich hoffentlich eine andere Steuerform finden lassen als Ersatz. (Rufe link«: Vermögenssteuer.) Nein, weine Herren, die Vermögenssteuer möchte ich nicht als Ersatz für die Nachlaßsteuer eingeflchn wissen. Ich hoffe so schließt Redner, auf einen Erfolg der mühevollen Arbeit des Gchatzsekretärs, weil ein Erfolg kommen muß-um Gkdsihen de» Vaterlandes. Abg. Hilpert (w. Vg.) hofft, doß die Finarzresorm zu Stands komme und daß dabei besonder« auch dis Besitzenden heran gezogen werden. Dar schließe aber keineswegs indirekte Steuern ans. Auf jeden Fall müssen wir au» der Schulder,Wirtschaft heraus. Möge die Kommission ihre Schuldigkeit tun. Präsident Graf Stolberg: Ich schließe die Ditkusfion. (Vereinzelte Bravos in dem fast leeren Hause.) Die Vorlagen gehen an eine Kommission von 28 Mitgliedern. Montag 1 Uhr Gewerbenovelle.
Berlin 28. Nov. Die freisinnige Fr-ktionsgemeinschaft hat eine Kommission
I mit der Ausarbeitung eine» Gesetzentwurf-, betr. die Aenderung der Verfassung beauftragt. Diese Komisfion hat gestern den vom Abg Müller- Meiningen ausgearbeiteten Entwurf genehmigt. Die Gr undlage dieser Entwurf« bildet die Errichtung eines Staatsgerichtihofs. Die VeranlwortliLkeÜ der Minister und deren Stellvertreter ist auf der Grundlage der badischen Gesetzgebung ausgearbeitet worden. Sie enthält die Haftung auch für die Handlungen de« Kaisers, und zwar nicht nur dann, wenn diese der Verfassung entgegen find, sondern auch wenn sie die Wohlfahrt und Sicherheit des Reich« bedrohen. Der Staatsgerichtrhof soll an da« Reichsgericht angegliedert werden und nach den Bestimmungen, die aus der Vorlage selbst hervorgehen, seine Funktionen aurüben.
Berlin 28.Nov. Der Parfeval-Ballon hat heute seine vierte Uebungsfahrt vom Tegeler Schießplctz angetreten. Sie galt diesmal der Fahrgeschwindigkeit. Das Luftschiff umkreiste zunächst den Platz und nahm dann dis Richtung gegen Spandau. Um 2 Uhr 40 Min. kam der Parseval von Spandau nach dem Tegeler Schießplatz zurück und landete glatt gegen 3 Uhr. Dis Fahrt ist zur vollen Zufriedenheit der Abnahmekommission ausgefallen und hat den Beweis der Kriegsbrauchbarkeit des ParsevalschenSystsms erbrackt. Der Ballon wird nunmehr zum Preise von 225000 ^ in den Besitz der Militärverwaltung übergehen.
Berlin 28. Nov. Au- Deutsch-Süd- westafrika ist heute an amtlicher Stelle die telegraphische Meldung eingelaufen, daß die im Bau befindliche Eisenbahn Serheim Kallsoniein bis Holoog (Kilometer 67) vorgeschritten und der Betrieb bis zu dieser Station bereit« eröffnet ist.
Berlin 28 Nov. Dis Unterschlagungen bei der Aktiengesellschaft Koppel werden eine Reorganisation in der Kontrolle der Gesellschaft zur Folge haben. Der Vorstand der Gesellschaft teilt mit, doß dis Feststellung des Schadens au« den Defraudationen Kluge« beendet ist. Der Betrag beläuft sich auf 401125 Der Schaden wird jedoch durch Beschlagnahme von Wertobj-kten Kluger eine Verminderung erfahren, deren Höhe sich noch nicht feststellen läßt. Bei der Kriminalpolizei melden sich jetzt viele, an die Kluge mit dem Ersuchen herangetreten war, ihm Wechsel zu dir kontieren. Wahrscheinlich laufen noch eine ganze Anzahl Klugescher Wechsel um.
Kuxhaven 28 Nov. Der Hamburger Schooner „Johannes" traf schwer beschädigt hier ein. Der Steuermann erlitt einen Beinbruch. Bei Jaxel ist die italienische Bark Roma gestrandet. Die Bark ist verloren, die Mannschaft konnte gerettet werden. Der Bremer Dampfer Möve, auf der Fahrt nach Hüll begriffen, ist stark überfällig. Man befürchtet seinen Untergang.
Prag 28. Nov. Zu unbeschreiblichen Tumulten und Exzessen kam es heute anläßlich der Auffahrt zum 60jährigen Stiftungsfest der Lesehalle der deutschen Studenten in Prag. Al« um 10 Uhr vormittags die Auffahrt der Gäste zur Halle über den Graben ihren Weg nahm, wurde sie von der Menge, die fast aus- schließlich au« tschechischen Studenten bestand, mit stürmischem Gejohl und Pfuirufen empfangen. Die Fahrbahn de» Graben« wurde ihnen versperrt, sodaß die Wagen nur mit Mühe und Not weiter, fahren konnten. 10 Studenten zweier hiesiger Verbindungen wurden mißhandelt und mit Blöcken blutig geschlagen. Sie konnten sich nur mit Mühe in ein Bankgebäude flüchten. Die Polizei schritt zu spät ein. Sie brachte die verletzten Studenten in dar deutsche Haus. Vor diesem sammelte sich eine vieltausendköpfige Menschen- menge an, schrie und johlte, sang nationale Hetz- lieber und erging sich in den wüstesten Beschimpfungen und Drohungen gegen die deutschen Studenten. Endlich rückten mehrere hunder tMann Gendarmerie an und räumte den Graben mit blanker Waffe.
Bari 28. Nov, Hier haben sich schwere Krawalle zugetragen. Die Volksmenge hatte dis Anwesenheit eines österreichischen Dampfers im Hafen bemerkt und schickte sich an. ihn zu stürmen. Nur durch die Kaltblütigkeit eines Matrosen, welcher den Steg zr dem Schiffe entfernte, wurde der Plan vereitelt. Die Menge begnügte sich damit, das Schiff mit allerlei Geschossen zu bombardieren. Der Kap'tän ließ infolgedessen die Anker vor der beabsichtigten Zeit lichten.
Nsw-2)ork 29. Nov. Auf der Zechs Mariannain Pennsylvanien sind 250 Bergleute infolge einer Grubenexplosion im Kohlenbergwerk etngeschlossen. Man befürchtet, daß sie erstickt find. Die Grube ist in Brand geraten. Die Reitungsarbeiien, an denen 500 Mann tättg strd, stoßen auf große Schwierigkeiten, da allenthalben Trümmer den Zugang zur Zeche versperren. In der Nähe des Schachteln- ganges wurden unter dm Trümmern zahlreiche Lsichsnteils gefunden. Der ganze Distrikt ist in Bewegung, um sich an den Rettungsversuchen zu beteiligen.
Die Affäre Äeinhril in Paris.
In der Nacht vom 27. Mai d. I wurde, wie seinerzeit gemeldet, Maler St ein heil und seine Schwiegermutter Frau Japy in ihrer Villa im Stadtteil Vrugirard erwürgt aufgefunden. Die Frau de« Maler« lag geknebelt und ohnmächtig auf ihrem Bett. Die Erzählung der Frau Stein- heil von drei in dunkle, lange Blusen und Kaftane gekleideten, maskierten Männern und einer rot« haarigen Frau, welche nachts vor ihrem Bett
.Dann solltest Du es lieber aufgeben, oder Dir bessere Ratgeber anschaffen. Ich bedaure e- sehr, aber schließlich ..." — sie zog die Schultern in dis Höhe — übrigens: wollen wir nicht von erfreulicheren Dingen reden? ' Es ist nicht angenehm für eine Frau, die einen umfang, reichen Haushalt zu leiten hat, auch noch die Geschäftrsorgen ihres Mannes teilen zu müssen. Oder willst Du mir mit dieser ganzen Auseinandersetzung einen Vorwurf machen? Willst Du sagen, daß ich die Schuld an diesen Geschäftssorgen trage?"
,Ja, Ada — da« will ich."
Es kostete Heiner eine gewisse Ucberwindung, diese Anklage auszusprechen; aber er konnte sich nicht länger beherrschen. Sie sollte und wußte heute die Wahrheit erfahren.
Ada entgegnet« nicht»; sie stand auf und trat an dar Fenster, Waste immer tat, wenn ihr eine Unterhaltung unbequem wurde, und wenn sie nicht anworten konnte oder — nicht wellte.
„Du darfst wir nicht löse sein, Ada ..." er erhob sich gleichfalls und trat hinter sie. — „Du sagtest vorhin, ich sollte meine Bö sengeschäste aufgeben. ."
„Nus ja: wern Du doch nur Verluste zu verzeichnen hast."
Sie sagte es, ohne sich rnrzuwenden, mit dewsslben gleichgültigen Achselzucken wie zuvor.
Da wurde auch er ungeduldig:
„Aber ich kann e« nicht mehr —" ein nur mühsam unterdrückter Zorn lag im Ton seiner Worte — „es ist bereits soweit mit un« ge- komme», daß die» die einzige Möglichkeit ist, un« wieder zu — rangieren"
„Wenn Du Glück hast . . . ja . . ."
Sie erschrak doch mehr, al« sie e» zeigen wollte, und vermied es deshalb noch immer, sich umzuwenden.
Da brauste er auf:
„Deine Gleichgültigkeit ist mir unverständlich und beleidigend für
mich. Du drehst mir den Rücken, als ginge Dich die ganze Sache wenig oder garnichts an. Ich wünsche aber, daß Du mir zuhörst — mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Ich sollte meinen, doß ich die« und noch etwa« mehr um Dich verdient habe."
Mit einem jähen Ruck wandte sich Ada um:
„Ah . . . Sind wir schon so weit, daß Du anfängst, mich an die Vergangenheit zu erinnern? Da« ist nicht gentlemanltks, mein lieber Freund. Du vergißt, doß ich nicht mehr — Probierdame in Deinem Geschäftshause bin."
„Ob gentlsmanltke oder nicht — das ist jetzt gleichgültig. Hier handelt 'es sich um wichtigere Dinge. Im übrigen denke ich nicht daran, Dir einen Vorwurf aus Deiner Vergangenheit zu machen. Da« weißt Du sehr wohl; denn Du kennst mich besser, al« daß Du mir eine so unvornehme Gesinnung zutrauen könntest. Bi« heute habe ich es versucht, jede Unannehmlichkeit von Dir fern zu halten, weil ich Dich liebe. Es wäre jedoch töricht und — gewissenlos von mir, noch länger zu schweigen und Dich dadurch in Unkenntnis zu halten über meine gegenwärtige Lage."
Er machte eine Pause, um ihr Gelegenheit zur»Antwort zu geben. Da sie jedoch schwieg, fuhr er in ruhigerem, weniger schroffem Tone fort:
„Wir müssen un» einschränken, Ada . . . es kann nicht so weiter gehen. Noch läßt sich vielleicht alle« wieder gut machen . . ."
Müder machte er eine Pause, da er sah, doß sich Ada zu einer Ent- gegnung anschickte. Aber sie öffnete nur die Lippen, ohne etwas zu erwidern.
Bei seinen Vorhaltungen war ihr plötzlich wieder der Gedanke an Bentoff gekommen: Wenn da« wirklich wahr sein sollte, was ihr Mann soeben von ihm erzählt hatte, dann brach damit ja auch da« stolze Gebäude ihrer Zukunftshcffnuugen zusammen. Und dennoch: diese Nachricht mußte ja falsch sein . . . e» konnte sich um einen unglücklichen Zufall, um eine Verwechselung handeln, wie sie selbst bei der besten Polizei hundertmal vorkam.
(Fortsetzung folgt.)