1006
D
lung gestaltete sich sehr schwierig, da der Angeklagte in der Voruntersuchung sich zu den Anschuldigungen nicht geäußert hatte und erst in der Verhandlung die Richtung angab, in der sich seine Verteidigung bewegt. Im Lauf der Verhandlung wurde konstatiert, daß Hoffmann eine neue Strafanzeige gegen Rechtsanwalt Dr. Steiner erstattet hat. die noch nicht erledigt ist. Das Gericht beschloß nun, die Verhandlung bis zur Erledigung der neuen Strafanzeige zu vertagen. Den Antrag de» Vertreters der Nebenkläger auf Zuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen lehnte dar Gericht ab. Vom Angeklagten erwartet da» Gericht, daß er sich zu den Anklagepunkten schriftlich äußert.
Stuttgart 13. Okt. Dem heutigen Mostobstmarkt auf dem Wilhelmrplatz und auf der Hauptstätterstraße waren 16000 Zentner zugesührt. Preis 3—3.60 ^ per Zentner. Verkauf lebhaft. Die Zufuhr dürfte wohl die stärkste in diesem Jahr gewesen sein. -Kar- toffelgroßmarkt auf dem Leonhardsplotz. Zufuhr 800 Zentner. Preis 2 30—3.70 ^ per Zentner. — Auf dem Filderkrautmarkt kosteten 100 Stück 20-25
Zuffenhausen 13. Okt. In Kornwestheim wurde bei Streitigkeiten einer Freu, die ihren Mann abholen wollte, ein Bierglas an den Kopf geworfen, der Mann wurde verhauen, eine dritte Persönlichkeit leicht verletzt. Dar Ehepaar war derart zugerichtet, daß es ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. — Gleichfalls in Korn» westheim wurden zwei Kinder einer hiesigen Handwerkers aufgegriffen» die sich verlaufen hatten. Es find zwei Knaben im Alter von 3 und 4 Jahren, die von ihren Eltern nach langem Suchen hier gefunden wurden.
Ludwigsburg 13. Okt. Ueber die Entweichung eines Strafanstaltrinsafsen kann noch berichtet werden: Karle fehlte schon am Samstag abend um 6 Uhr. Er hatte den Aufseher durch den Vorwand, er habe noch etwa» zu arbeiten, zu täuschen gewußt und war zunächst nicht mit seiner Abteilung ein geschloffen worden. Plötzlich war er nicht mehr zu finden und alles Suchen der Personal» blüh vergeblich. Man benachrichtigte dar Landjäger stattoni komm ando und die Polizei, die sofort die Fahndung draußen auf« nahmen, während sich Karle roch im Anstaltr- gebäude versteckt hielt. Er hatte in dem im Zimmer eines Oberausseher» stehenden Kasten Unterschlupf gefunden, und der Polizeihund, der rn Begleitung eine« Vizewachtrneisterr erschien, nahm auch die Spur lebhaft auf. Der Aufseher erklärte aber, rochrnolige» Absuchen der Zimmer» sei zwccklor, da er dies soeben getan habe, und so unterblieb leider die weitere Nachforschung im Zimmer, die zweifellos zur Festnahme Karle»
geführt hätte. Letzterer blieb bann vermutlich die ganze Nacht in seinem Versteck, wobei er sich eine Sammelkasse der Aufseher mit etwa 25 ^ Inhalt und dis schon erwähnte Mütze sich aneignete, und erst morgen» gegen 4 Uhr kehrte er unbehelligt der Anstalt den Rücken und zwar soll er mit den im Aufseherzimmer gefundenen Schlüsseln die Türen geöffnet haben. Von anderer Seite hört man, eine im Hofe bifindliche Leiter Habs Karle den Weg in die Freiheit gebahnt. Dis Festnahme der Flüchtlings ist bi» jetzt noch nicht gelungen.
Reutlingen 13. Okt. Aus dem letzten Fruchtmark! kostete der Unterländer Dinkel 7 80-8.90 der Alber Dinkel 7 50-310 Haber 7 30—9 30 ^2, Gerste 8.50—9.80 — Dem Ob st markt auf dem Ledergraben waren an Aevfeln 3500 Zentner zugsführt. Der Erlös au« einem Zentner betrug 3—3.20 Birnen waren 800 Zentner, per Zentner 3—3.10 zugeführt. Der Handel ging flott. — Auf dem Kartoffelmarkt bezifferte sich die Zufuhr auf 500—600 Zentner. Preis 2—2 60 ^ per Zentner.
Tübingen 13. Okt. Dis Witwe de» im vorigen Jahre verstorbenen Generalstabsarzt Dr. Ritter v. Lotzbeck in München hat der bissigen medizinischen Fakultät ein Kapital von 20 000 ^6, zu Gunsten bedürftiger reichsdeutscher Studierender der Medizin, ohne Unterschied der Konfession, zur Erinnerung an die von ihrem verstorbenen Mann in Tübingen all Assistenzarzt verbrachten Jahre, überwiesen.
Friedrichrhafen 12. Okt. (Besuch der Prinzen Heinrich von Preußen.) Heute nachmittag '/i4 Uhr traf der Bruder unseres Kaisers in Begleitung seines Adjutanten, des Kapitänleutnarts v. Knesebeck» verstaubt und braungebrannt im .Deutschen Haus" sin, um zuerst dem Grasen Zeppelin einen Besuch zu machen. Der Prinz ist gestern von St. Moritz nach Ragaz gefahren und hat heute seinen Benz, wagen selbst von dort über Bregenz und Lindau nach Friedrichshafen gesteuert. Infolge vorzüglicher Fahrt hatte Prinz Heinrich einen derartigen Zeitvorsprung, daß er bedeutend früher als ange- meldet angekommen wäre, wenn er nicht in einer Ortschaft vor Friedrichshafen eine Stunde lang gestoppt hätte. Kur; vor dem Eintreffen des prinzlichen Autos kam der Graf von seiner Werft zurück. Im Hoteleingang fand eine äußerst herzliche Begrüßung statt. Nach halbstündiger angeregter Unterhaltung im Zeypelinzimmer vertauschte der Prinz sein verstaubte» Autckostüm mit einem blauen Svortranzug, ließ stch vom Grafen Zeppelin ausführlich den Weg beschreiben, drückte dem Grafen herflich die Hand und steuerte dem Kgl. Schloß zu. Der König empfing den Prinzen
sehr herzlich am kleinen Portal, drückte seine große Freuds über seinen Besuch au-, erkundigte sich nach der Fahrt und führte seinen hohen Gaß, nachdem ihm dieser den Adjutanten vorgestellt hatte, ins Schloß. — Abends V»3Uhr war Hoftafel, zu der auch Graf Zeppelin eine Einladung erhalten hatte. Morgen Dienstag besichtigt Prinz Heinrich die Manzeller Anlagen und den Zeppelin I und fährt dann nach Mannheim weiter.
Friedrichshasen 13. Ott. Prinz Heinrich von Preußen, der sich heute vormittag vom Grafen Zeppelin in die Luftschiff- Halle bei Manzell führen ließ, nahm mit lebhaftem Interesse dar im Bau fast vollendete Luftschiff 2 I in Augenschein. Der Prinz, der selbst über ein bedeutende« technisches Wissen verfügt, ließ sich von dem Grafen alle Einzelheiten erklären und hielt mit dem Ausdruck größter Bewunderung für dar geniale Werk nicht zurück. Selbstverständlich waren ganze Scharen von Optimisten nach Manzell hinauegepilgert, die auf den erhofften Aufstieg warteten. Der dichte Nebel, der den ganzen Vormittag den See und seine Ufer einhüllte, wich mittag» herrlichstem Sonnenschein. Diesen günstigen Umstand ließ auch der König heute nicht vorübergehen. Er machte mit dem Prinzen Heinrich einen mehrstündigen Amflug im Automobil in der Richtung nach Ravensburg. Die Rückkehr ins Schloß erfolgte erst abends gegen 7 Uhr. Prinz Heinrich reist morgen Vormittag wieder von hier ab. Um 11 Uhr trifft der Regent von Braunschweig, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg. Schwerin, zum Antrittsbesuchs am diesigen Hofe ein. Der Herzog kommt von Schloß Mainau, wo er seit einigen Tagen bei der Großherzogin Luise von Baden weilt und wird voraussichtlich am gleichen Abend, nachdem er die Zeppslin'sche Luftschiffhalle besichtigt, wieder abreisen.
Gebrazhosen 13. Ott- Im Walde bei Toberazhofen ist gestern vormittiag die Leiche eins« 24 Jahre alten Mädchens, einer Bürgerstochter von Toberazhof, an einem Baum aufgehängt aufgefunden worden. An einen Selbstmord glaubt zunächst niemand, vielmehr wird allgemein befürchtet, daß da» Mädchen das Opfer eine» Verbrechens geworden sei. Dar Gericht hat gestern nachmittag am Ort der Tat Augenschein eingenommen und die Leichenöffnung eingelsitet.
Berlin 13. Ott. Die Ballonwstt- fahrt. Zur allenfallfigen Hilfeleistung für di« an der internationalen Ballonfahrt aufgestiegenen Ballons, die der Nordsee zutreiben, war eine Tor- pedobootflotille nach dem Kanal befohlen worden. Der spanische Ballon ist in der Last zerrissen. Sein Insasse landete noch glücklich bei Melzen-
„Dar Stiefellagcr!" hörte sie — nur roch wie im Traums — den Diener sagen, und vor ihr bauten sich gewaltige Regale auf, zwischen denen dunkelrote Mahagonitische standen, mit grauem Samt gedeckt. Lackschuhe blinkten ihr entgegen, Stiefel aus grauem, rotem und grünem Leder, Ball- schuhe aus Seide in allen Farben — schmal und zierlich, als wären sie nur für Kindersüße bestimmt . . .
Und immer weiter ging es.
Endlich — vor einer hohen, durch einen gelben Samtvorhang verdeckten Tür machte der Diener Halt.
.Hier find die „Salons", da« Allerheiligste unseres Chefs. Fräulein. Wir können jetzt nicht eintreten. Herr Heimer emvfängt gerade die Herzogin v. Langenstein, und . .
„Sine — Herzogin. .
Der Diener lächelte überlegen:
„Allerdings. Haben Sie den Wagen nicht vor dem Harwtportale stehen sehen? Ihre Durchlaucht läßt stch Ballrobrn vorWren . .
„Vorsühren . . .?
Für Ada wurde das Ganze immer märchenhafter.
„Gewiß. Von den Probierdamen. Wenn Sie es einmal so weit bringen könnten, dann wäre ihr Glück gemacht, Fräulein .... wie heißen Sie doch?"
„Wendt.... Ada Wendt."
„Ja, Fräulein Wendt. Aber — dazu gehört eben eine brillante Figur ... so — „Gelbstern", wissen Tie. Na, da» lernen Sie alles noch. Vielleicht — wenn Sie erst ein bißchen älter find . . ." und er musterte ihre Gestalt mit Kennerblicken.
Berauscht von alledem, was sie während der letzten halben Stunde gesehen und kennen gelernt hatte, schloß Ada die Augen und lehnte stch mit dem Rücken gegen die zart abgetönte, fein geäderte Marmorwand.
Und nun kämm die sehnsüchtigen Träume wieder, die ste schon als Kind
gehabt — nur deutlicher, klarer und verlangender. Reich sein und
schwelgen in all dem Luxus, der stch soeben in märchenhafter Pracht vor ihr aufgetan hatte . . . reich sein und schön . . . begehrenswert . . . Wagen und Pferde besitzen und eine zahlreiche Dienerschaft . . . durch die Straßen fahren und sich bewundern lassen von der Menge ... In leuchtenden Farben stiegen diese Zukunft; bilder vor ihr auf: sie sah sich als Dame der großen Welt — von vornehmen, eleganten Kavalieren umgeben, die ihr huldigten, die ste anbeteten, und an die sie selbst lächelnd die Beweise ihrer Gnade und Huld austeilte.
Der Jnflikt de» Weibes erwachte in ihr, dar sehnsüchtige, fieberhafte Verlangen, zu herrschen — allein durch die Macht der Schönheit, durch den Glanz ihrer Toiletten, und durch die Anmut und den Liebreiz, der von ihr ausgehen würde. . . . Warum sollte er nicht auch ihr gelingen, wie so mancher anderen, von der ste gehört oder gelesen — die emporgestiegsn war aus Armut und Niedrigkeit zu Glanz und Pracht und zu Reichtum!
Das Blut begann zu pochen in ihm Schläfen, und ste öffnete groß und weil die Augen, als erwarte sie schon jetzt das Wunder das zu ihr bernieder steigen würde. ...
Da fiel ihr Blick in dm Spiegelpfeiler gegenüber — und alle chrs Träume sänken in nicht« zusammen. Enttäuscht ließ ste den Kopf st ken und betrachtete ihr Sviegelbild, wie ärmlich ste aursah in dem billigen, schwarzen Wollmkleide . . . wie blaß und mager ihr Gesicht war! Halt« ste denn gar nicht«, was ste anziehend und begehrenswert machen konnte! Ihre Figur — ihr Wuchs? Vielleicht — wenn ste erst voller und mehr entwickelt war. Das hatte auch der Diener vorhin gesagt. Aber ihr« Augen? Ja — die vielleicht. Sie warm groß und schön geformt und hatten eine eigenartige Farbe. . . graublau — wie . . . richtig: wie Stahl, hatte der Herr gesagt, der ste neulich auf der Straße angesprochm und bis zu ihrer Wohnung geleitet hatte . . . Also gab es schon jemand, dem ste gefiel — trotz ihrer einfachen, fast ärmlichen Kleidung.
(Fortsetzung folgt.)