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lich um den Benzinvorrat zu ergänzen. Während de» Aufenthalt« nun näherte sich ein Sicherheit«- beamter unauffällig dem Auto, lüpfte die neben der Dame liegende Reisedecke, unter der sich alsbald ein zirka siebenjähriger Junge zeigte, den der Beamte sofort au« dem Wagen nahm und auf Grund eine« vorhandenen Haftbefehl« die Dame sowie den Jungen verhaftete und diese vorläufig in einem hiesigen Hotel unter Bewachung unterbrachte. — Diese« Vorkommnis steht im Zusammenhang mit einem vor zirka drei Monaten von un« veröffentlichten Fall, in welchem aus einer Schule in Konstanz ein fieber jähriger Knabe von seinem Vater entführt wurde. Die Eltern diese« Knaben waren gerichtlich geschieden und die Kinder dem Vater zugesprochen, und da die Mutter der Kinder die Herausgabe de« Knaben verweigerte, gelang e« dem Vater, den Aufenthalt de« Kinde« zu ermitteln, auf diese Weise in dessen Besitz zu gelangen und den Knaben in der Nähe von Mannheim unterzubringen. Ein Privatdetektiv-Institut, an da« sich hierauf die Mutter gewendet hatte, ermittelte den Aufenthalt de« Knaben und inszenierte eine Entführung, die gelang; aber die Polizei, die auf telegraphischem Wege in Kenntnis gesetzt war, fing die Mutter mit dem Kinde in Stuttgart ab. Dem Privatdetektiv, der die Dame begleitete, gelang es, zu entkommen. Die ganze Angelegenheit hatte heute vormittag 9 Uhr ein weiteres Nachspiel: Die Dame hatte sich von ihrem Hotel aus in Begleitung de» Knaben und des ihr beigegebenen Schutzmann« in Zivil nach dem Hauptpostamt begeben, wo sie in der Halle der Telegramm, annahme ein Telegramm aufgeben wollte. Ihr früherer Ehegatte hatte vor dem Hotel beobachtet, daß die Drei zusammen weggingen. Er folgte ihnen in dar Postamt nach. Dort kam es zu einer aufregenden Szene. Der Mann glaubte, seine Frau wolle mit dem Kind und in Begleitung de« ihm unbekannten Herrn entfliehen. Der Mann schrie und tobte und wollte den Knaben der Frau entreißen. Er bedrohte sowohl seine Frau wie den Herrn mit einem Revolver und konnte erst beruhigt werden, als sich der Herr als Schutzmann legitimierte. Mit Hilfe von zwei weiteren, inzwischen herbeigeeilten Schutzleuten wurde dann der Mann geschloffen, die Frau und dar Kind in Begleitung de« Fahnders auf da« Stadtpolizeiamt gebracht. Der Vorfall hatte begreiflicherweise einen ungeheuren Menschenauflauf in der Vorhalle zur Telegrammannahme zur Folge gehabt. (Zu vergl. die Notiz aus Karlsruhe.)
Stuttgart 31. Aug. Zu der Ent- führungraffäre ist weiter zu melden, daß der Mann, der seine Frau am Postschalter mit dem Revolver bedroht hatte, wurde von der Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt.
Stuttgart 31. Aug. Der Ballon
Württemberg ist heute vormtttag kurz nach 11 Uhr bet Fornsbach O A. Backnang gelandet. Infolge starker Belastung durch Regen war ihm vorzeitig der Ballast ausgegangen.
Stuttgart 31. Aug. Der Hopsen- markt im städtischen Lagerhause begann heute. Zugeführt waren 30 Ballen. Preis 38—40 per Ztr.
Herrenberg 31. Aug. Gestern hielt hier der Hopfenbauverein Schwarzwaldkreis unter dem Vorsitz der Stadtrater Edelmann au« Rottenburg seine Herbstversammlung ab, bei der nach Verlesung de» Geschäftsberichtes Oekonomie- rat Faist aus Nürnberg einen äußerst interessanten Vortrag über Hopfenbau und Hopfenaurstellung hielt. Daran schloß sich eine lebhafte Aussprache, an der sich insbesondere außer dem Vorsitzenden auch die Landtogsabgeordneten Guoth und Schach, sowie die Stadtschultheißsn Hauser und Winghofer beteiligten. Es wurde sine Resolution angenommen, in der dar K. Finanzministerium um eine Verfügung gebeten wird, derart, daß bei den Einkommensteuereinschätzungen (der Summe des Ein- kommen«) von den Hopfenerlösen nicht mehr extra zugeschlagen wird, mit Rücksicht auf dar schlechte Ergebnis des Hopfenbauer in letzter Zeit.
Gchramberg 29. Aug. Wie es scheint, haben sich die Anhänger des StadtschultheißenamtS- kandtdaten und bisherigen Stadtschul! heißen Harrer, dessen persönliche, nachgerade in aller Welt Munde befindlichen Qualitäten zu eigen gemacht, indem sie in ihrem Hasse gegen die von Harrer geschändete Landenberger'sche Familie zu den skrupellosesten Mitteln greifen. So war im „Beobachter" die Behauptung ausgestellt worden, daß zwischen Amtmann Vollmar einerseits und Landenberger andererseits ein sehr reger Briefwechsel stattgefunden, daß aber Vollmar die ihm angebotene Kandidatur abgelehnt habe. Auf ein von der Landenberger'schen schwergeprüften Familie ergangenes Dementi beharrte der Gewährsmann des „Beobachter" bei seinen Behauptungen» worauf Landenberger ssu. nunmehr im „Schwarzwälder Boten" folgende Bemerkung veröffentlicht: „Esistzu durchsichtig, daß auch diese erneute unwahre Behauptung nur der Hetze dienen soll, um die Gegner Harrers zu trennen. Aber nur vollend» heraus mit dem verlogenen Briefwechsel — verläumderischer Berichterstatter!" —
Friedrichshafen 31. Aug. Graf Zeppelin ist heute nachmittag hierher zurückgekehrt.
Aus Friedrichshafen berichtet ein Korr.-Bureau: Die Grundstücksankäufe des Grafen Zeppelin konnten noch immer nicht abgeschlossen werden. Es handelt sich noch um dis einigen Waggershausener Bauern gehörigen Grundstücke. Da« Verhalten dieser Grundstückseigentümer ist derart, daß schon da und dort die
Frage aufgeworfen wurde, ob hier nicht die Möglichkeit einer Zwangsenteignung gegeben ist. Al« die Frage des Ankaufs eines größeren Areals für die Errichtung von Luftschiffen aktuell geworden war, fand auf Veranlassung de« Schultheißenamt» Schnetzenhausen, dem auch Waggershausen unter- steht, eine Versammlung statt, in der auch die Waggershausener einmütig ihre Bereitwilligkeit erklärten, die Grundstücke zu mäßigem Preis abzutreten. Als es aber Ernst wurde, wurden alle möglichen Einwände erhoben. Es find dabei auch Aeußerungen grfallen, wie z. B.: „Was geht uns Bauern 's Luftschiff an!" Daß die Bedenken, die gegen die Abgabe der Grundstücke geltend gemacht werden, meist nur den einen Zweck haben, die Preise möglichst in die Höhe zu schrauben, ist offenkundig. Alle Einwände würden verstummen, wenn die Kommission den geforderten Preis zahlen würde, der einen angemessenen Preis ganz be- deutend übersteigt. Die Unterhändler des Grafen wünschen unter diesen Umständen den Abbruch der Verhandlungen. Der Graf hat aber die Hoffnung, daß er doch noch zu einer Einigung kommen wird, nicht aufgegeben und tritt für weitere Unterhandlungen ein.
Karlsruhe 31. Aug. Nach der „Bad. Presse" hat sich gestern in Buchen folgendes Vorkommnis zugetragen. Mit seinem 8jährigen Sohne weilte dort der Professor Ferdig aus Bingen. Er lebte mit seiner Frau in Ehescheidung. In dem Urteil war ihm Las Kind zugesprochen. Mit Hilfe zweier Detektiver versuchte gestern Vormittag seine geschiedene Frau den Knaben zu entführen. In einem Automobil hielten die Frau und die Detektiver vor der Wohnung der Professor« und drangen in dar Haus ein. Nach heftigem Kampf, wobei der Professor zu Boden geschlagen wurde, nahmen sie das Kind mit sich fort und fuhren im Automobil in rasendem Tempo davon. Einer der Detektive« konnte nicht mehr rasch genug in das Automobil einsteigen und wurde verhaftet. Erst in Stuttgart gelang er, das Automobil an- zuhalten und die anderen Entführer zu verhaften. Wie früher schon gemeldet, entführte Professor Ferdig vor einiger Zeit den Knaben aus einer' Konstanzer Schule.
Baden-Baden 29. Aug. Heute wurde der Große Preis ron Baden ausgefochten, Goldpokal des Großherzog« von Baden und 50000 Erster wurde Weinbergs Fuchshengst Faust, Zweiter Weil Picard» dunkelbrauner Hengst Val Suzon, Dritter Ephrussir Fuchrstute Bessarabia, Vierter Grabitz' schwarzbrauner Hengst Anklang. Es find nur diese vier Pferde gelaufen. Der Sieg blieb also diesmal einem deutschen Pferde.
Straßburg 30. Aug. Die Ankunft de« Kaisers in Metz und Straßburg feiern die Blätter der verschiedenen politischen Richtungen
wir ruhig genug gewesen wären, un« nicht zu verraten— ich hätte mich sicher nicht beherrschen können."
„Aber da« wäre doch auch garnicht nötig gewesen" hatte Irmgard da geantwortet, „Mama ist doch stet» so gut. Die würde doch sicher nichts gegen unsere Liebe haben. Warum willst Du ihr denn nicht sagen, daß ich Deine kleine Frau werden soll?"
„Du, Jrmchen, meine Frau? So, wer hat denn da» gesagt? Wie kann denn ein junger Maler wie ich, der erst noch die ganze Welt erobern will, an eine Frau denken — sei doch nicht närrisch, Kind! Lass' un» der Gegenwart und unserer Liebe leben."
Und Irmgard hatte sprachlos entsetzt dem Maler in das frische Antlitz und in die lustigen, dunkeln Augen geschaut. Umsonst rang sie nach Worten — cs war in ihrem Herzen als sei aller um sie her tot und leer und sie selbst gestorben.
In ollem Weh und Leid ihrer jungen Seele quoll aber eine» heiß auf und loderte zur Hellen Flamme empor, der Schmerz über die ihr angetane Schmach. Aber mühsam bezwang sie sich und sagte, gewaltsam ein Lächeln auf die Lippen zaubernd: „Darf ich vielleicht fragen, warum ich gerade nicht Gerhard Wildenstein'« Frau werden kann?"
„Sei doch vernünftig, Mäuschen" hatte er geantwortet, „Maler find anspruchsvolle Menschenkinder, brauchen Geld und Du —"
„Ich habe kein«," unterbrach sie ihn mit gellendem Auflachen. „Sie haben Recht, mein Herr, wer aber gab ihnen das Recht, mit einem unerfahrenen Herzen ein so frevelhafte» Spiel zu treiben? Wer hat Ihnen gesagt, daß ich gut genug zum Spielzeug Ihrer Launen bin? Zum Spiel- zeug, da» man, wenn es einem überdrüssig geworden ist, achtlos von sich stößt? Haben Sie nie eine Mutter gehabt, die Sie gelehrt hat, die Liebe und da« Weib, das man liebt, hoch zu halten und zu schätzen? Haben Sie nie daran gedacht, wie e« wäre, wenn ein Bube sich erkühnte, so zu Ihrer
Schwester zu sprechen, wie Sie zu mir getan? Würden Sie nicht mit der Waffe in der Faust die Schmach blutig rächen? Verlassen Sie mich sofort und wagen Sie es nie, die Schwelle unseres Hause« zu übertreten."
Gerhard rang vergeblich nach Atem, so unvorbereitet, so überrascht trafen ihn Irmgard'« Worte.
Da« war nicht mehr da« lachende, glückselige Kind, da« er vordem tändelnd geküßt, das war ein in seinem Ehrgefühl empfindlich verletzte« Weib, in dessen seegrünen schillernden Augen eine Welt von Verachtung lag.
Wie hatte er auch denken können, daß die Kleins die Sache so tragisch auffaffen konnte. Jrmchen gefiel ihm, er hatte sie lieb, ihre Gegenwart war ihm Bedürfnis geworden, aber wenn sie ihn nicht wieder geliebt hätte, wäre er sicher nicht daran gestorben, und an eine Ehe mit ihr hatte er überhaupt garnicht gedacht. Er wollte überhaupt nicht heiraten und am allerwenigsten ein so unbedeutendes Mägdelein, wie Irmgard war. Al« sie aber jetzt zornflammend in echt weiblicher Hoheit vor ihm stand, da war er fast ergriffen von ihrer Schönheit und dem Schmerzenszug um den Mund und leis wie eine bange Ahnung stieg es in seinem Herzen auf, daß es hier ein Herz bi- auf den Tod verwundet, dar in seiner Hand sorgsam gehütet und gepflegt, für ihn ein hoher Schatz hätte werden können.
„Jrmchen," bat er mit zitternder Stimme, „sei nicht hart, verzeihe mir. Ich war unbedacht - ich hatte wirklich früher garnicht daran gedacht — ich will ja alles gut machen — ich Hab Dich ia lieb, komm mein Lieb, wir gehen zu: Mama und beichten ihr alles, sie soll entscheiden.
„Nein," kam er herb von Irmgard'« Lippen, „die Entscheidung hat mein Herz bereit« gefällt, in dem Augenblick, als Sie ihm die erste Wunde im frevelnden Uebermute schlugen. Dem Manne, dem sein Höchstes, seine Liebe nicht heilig iß. der ist schlecht und der Liebe eine« Weibes nicht wert."
(Fortsetzung folgt.)