744
wurde. Der Wagen stürzte um und das jüngere Kind erlitt schwere Verletzungen, denen es im Krarkenhau« bald erlag. — Gestern abend stürzte ein dreijährige« Kind beim Plienrauturm in den Kanal, und er ist nur dem raschen Eingreifen der zufällig des Weges kommenden Bauwerkmeister Brinzinger zu verdanken, daß das Kind nicht ertrank. Er konnte es am Rechen bei der Maschinenfabrik. wohin er getrieben wurde, ergreifen und seinen Eltern wieder zuführen.
Geislingen a. St. 31. Juli. Erfreulicherweise hat der Plan, hier einen Bezirks- wohltätigkeitsverein zu gründen, eifrige Anhänger gefunden. Die Versammlung, die gestern nachmittag zu diesem Zweck im Frühlings- garten tagte, war gut besucht. Den Vorfitz führte Oberamtmann Hasel; erschienen war auch Ober- regierungsrat Falch-Stuttgart als Vertreter der Zentralleitung. Die Versammlung faßte einstimmig den Beschluß, einen Bezirkswohltätigkeitr- verein zu gründen. Die Statuten wurden durchberaten und festgesi tzt. Als ständiger Ausschuß fungieren der Oberamtmann, der Oberamtsarzt, der Amtspflcger, sowie der katholische und erränge- lisch« Dekan. Weitere neun Autschußmitglieder find demnächst zu wählen, dabei sollen sich auch drei Frauen befinden. Der Mindestbeitrag beträgt 50 ^ pro Monat. Den Schluß der Versammlung bildeten Dankerworte des Vorfitzenden an die zahlreiche Versammlung. Es ist anzunehmen, daß der mit soviel Sympathie aufgenommene Gedanke gute Früchte trägt.
Münsingen 31. Juli. Gestern wurde auf dem Truppenübungsplatz ein Soldat der. 124. Infanterie. Regim er trvom Blitzgetroffen Er war sofort tot.
Truchtelfingen OA.Balingen31.Juli. Vor einigen Wochen half der hiesige Schreinermeister und Gemeinderechner Freudemann, wie dies bei den Schreinern üblich ist, eine Leiche in den Sarg legen. Kurz darnach schwoll eine Hand so an, daß er sich schleunigst in die Klinik nach Tübingen begeben mußte, wo Blutvergiftung durch Leichengift konstatiert wurde. Trotz sofortiger Amputation des Armes erlag der Bedauernswerte der Vergiftung unter furchtbaren Schmerzen. Auch seine Ehefrau mußte unter den gleichen Vergiftungrerscheinungen nach Tübingen verbracht werden, konnte aber gerettet werden. Anscheinend hat Freudemann eine kleine Verletzung an der Hand gehabt, die das Leichengift aufnahm.
Tailfingen OA. Balingen 31. Juli. Gestern mittag brach Feuer in dem Dachflock einer Nebengebäude» der Trikotfabrik von M. Konzelmann aus. Der Gebäudeschaden ist unbedeutend; dagegen ist eine große Menge von Trikotwaren verbrannt. Der Betrieb ist nicht gestört.
Tuttlingen 31. Juli. Das Schöffen, gericht hat den Bahnwärter Haug freigesprochen. Er war angeklagt, dis Barriere beim Bahnüber- gang am 20. März zu spät geschlossen zu haben, sodaß ein Gefährt vom Zuge erfaßt, und ein Pferd getötet wurde. Er gelang dem Bahn, Wärter nachzuweisen, daß seine Uhr nicht richtig ging, sodaß er ohne eigenes Verschulden dazu kam, die Barriere zu spät zu schließen.
Tuttlingen 31. Juli. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich gestern vormittag bei der Firma Heddich, chirurgische Instrumente. Einem dort im Geschäfte stehenden, aus Winter» lingen bei Ebingen gebürtigen jugendlichen Arbeiter wurde ein Arm durch die Transmission vom Leibe gerissen. Er schwebt in Lebens, gefahr.
Ehingen a. D. 31. Juli. Gestern abend geriet eine leerstehende Scheuer inmitten der Stadt, dem Gerbermeister Paul Man; gehörig, in Flammen und brannte nieder. Man ver, mutet, daß Kinder ein Feuer le gemacht und so den Brand verursacht haben.
Pforzheim 31. Juli. (Zwei Selbst. Mordversuche.) Gestern nachmittag verübte eine 24 Jahre alte, von ihrem Mann getrennt lebende Ehefrau in ihrer Wohnung in der Blumen, straße einen Selbstmordversuch indem sie sich mit einem Tcrzerol einen Schuß in die linke Brustseite beibrachte. Die Frau wurde, lebensgefährlich verletzt, im Krankenhaus ausgenommen. — Eben, falls gestern machte ein 35 Jahre alter verheirateter Goldschmied in einer Wirtschaft in der Calwer» straße dadurch einen Selbstmordversuch, daß er sich in ein Glas Bier etwa 100 Gramm 60proz. Schwefelsäure goß und dann 2 Schluck trank, worauf er unter fürchterlichem Geschrei zu Boden stürzte. Nach Anwendung von Gegenmitteln trat Erbrechen ein, worauf der Mann mit dem Sanitäts- wagen in das Krankenhaus verbracht wurde, wo er auch bleiben mußte. Lebensgefahr soll nicht bestehen.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." widmet, wie viele andere Blätter» aus Anlaß des zehnjährigen Todestages Bismarcks dem ersten Kanzler einen Huldigungsartikel. Das offiziöse Blatt sagt u. a.: „So ist der Name Bismarcks heute wie je ein nationales Programm — nicht in dem Sinne, daß in seinen Entwürfen sich Streben und Ziele Deutschlands erschöpft hätten; im Innern wie nach außen stellt jede Epoche neue Auf, gaben» deren Lösung neue Mittel erheischt —, wohl aber in dem Sinne, daß der Name Bismarck eine stete Mahnung an unser Volk bleibt, da» Einzelinterefse dem Interesse der Gesamt, heit unterzuordnen, die uns Deutschen schon so verhängnisvoll gewordene Zwietracht niederzuhaltsn, des Reiche» Macht zu mehren, damit es allen
Da« soziale Elend eine« jungen Eisenbahn- gehilfen entrollte eine Verhandlung, welche heute die Ferienstraskammer beschäftigte. Auf der An- klagebank mußte der 21 Jahre alte Slations- gehilse Heinrich Isen arm von Straßburg Platz nehmen, um sich unter der Anklage der Unter, schlagung und Untreue zu verantworten. Der AngÄlaAe war früher Notariatrgehilfe, später Sisenbahngehilfe bei den Staatseisenbahnen, fett Oktober vorigen Jahre» war er bei den Württ. Nebenbahnen als Stationsgehilfe in Degerloch mit einem Monatsgehalt von 92 angestellt. Der kärgliche Gehalt reichte aber nicht aus, denn er mußte auch noch eine kranke mittellose Mutter, die er bei sich ausgenommen, ernähren, seine fünf Schwestern entzogen sich der Unterhaltspflicht. Bei beiden war Not der ständige Gast. Die Sorge um die Mutter trieb nun den jungen Mann auf den Weg des Verbrechens. Er unterschlug Personenfahrgelder und Frachtgelder im Gesamtbetrag von 591 da» Geld verwendete er zur Unterstützung seiner Mutter. Zur Verdeckung der Unterschlagungen machte er falsche Einträge in die Register. Die unterschlagene Summe wurde später von einem Freund des Angeklagten gedeckt. Wie bei der Verhandlung festgestellt wurde, hat der Betriebrinspektor nach erfolgter Ar zeige einen Brief an die Staatsanwaltschaft gerichtet, in dem er den Angeklagten» der als grundsolider junger Mann geschildert wird, der weitgehendsten gesetzlichen Schonung empfahl. Der Verteidiger brachte aus dem Lebenslauf de« Angeklagten einige Stellen zur Verlesung, die wirklich ergreifend waren; er hatte oft tagelang nur von Kaffee und Brot gelebt. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Entschuldigungszründe erkannte die Strafkammer gegen den Angeklagten auf 4 Wochen Gefängnis. — Ein Studierender der technischen Hochschule wurde wegen Zwei- kampf» mit tödlichen Waffen zu drei Monaten Festungshaft verurteilt. Er hatte mit einem nicht ermittelten Gegner eine Bestimmungrmensur aus- gefochten.
Waiblingen 31. Juli. Infolge lang- jährigen Familienzwistes kam es zwischen dem Anwalt Kurz und dem Bauern Gr einer auf dem Drechselhof der Gemeinde Retterrburg zu Schlägereien. Greiner hatte den Kurz de« Meineids beschuldigt. Al» dieser nun einen Zeugen herbeirief wurde er von Greiner jun. zu Boden geworfen und vom alten Greiner mit einem Stein wiederholt auf den Kopf geschlagen, sodaß er lebensgefährliche Verletzungen erlitt. Der junge Greiner wurde verhaftet und ins Amtsgerichts- gefängni« eingeliefert. Sein Vater ist flüchtig gegangen.
Eßlingen 31. Juli. Ein unglückliche» Ende nahm die Fahrt zweier Kinder auf einem Kir.derleiterwagen, der von dem älteren geleitet
suchung aller Umstände vorzunehmen, die eir en in vergangener Nacht in diesem Hause verübten Einbruch begleiteten.
Gewiß. Die Untersuchung ist aber nicht mehr notwendig. Der vermißte Gegenstand ist aufgefunden worden.
»h!
Der Mann war wie au» den Wolken gefallen. Er war zweifelsohne über diese unvermutete Erledigung, die sich ganz ohne seine Hilfe vollzogen hatte, und über die Vereitelung eine» seiner Meinung nach längere Zeit in Anspruch nehmenden und gewinnbringenden Geschäftes entäuscht. Sterling ließ ihm jedoch keine Zeit, über diesen Punkt nachzudenken.
Sie bürgen mir dafür, daß in der Ablieferung diese» Briese» kein Aufschub eintritt?
Er wird bestimmt innerhalb einer Stunde abgeliefert werden.
Dann guten Morgen, mein Herr. Und Sterling begleitete seinen Besucher bis an die Pforte.
Was in oller Welt hat sich denn nun ereignet? frcgte ich mit brennender Neugier, als wir allein im Zimmer waren.
Eine Menge Dinge, mein Junge. Ich weiß nicht, wie ich dir die Abenteuer erzählen soll, die ich erlebt habe.
Schlage den einzig vernünftigen Weg ein. Beginne mit dem Anfänge und laß mich deine Geschichte in der richigen Ordnung erfahren. Willst du erst Kaffee trinken?
Nein, ich danke dir; ich habe meinen Kaffee schon getrunken.
So hast du also hübsch gefrühstückt, während mir deinetwegen der Angstschweiß au» ollen Poren getreten ist.
Höre jetzt! Ich ging bis zum Bahnhof in Auteuil, der hier in der Nähe ist, und nahm eine Droschke. Tann fuhr ich nach der Plc ce de la Conrade und entließ da« Fuhrwerk. Tu weißt, die Droschkenkutscher dieser Gegend kennen mich.
Ich nickte Sterling wegen seiner Vorsicht, die er gegen alle Erwartung bewiesen hatte, Beifall zu. Ich begann einzusehen, daß selbst ich, der ich ihn so lange Zeit kannte, die feinen Eigenschaften seines warmen, impulsiven Charakters noch nicht recht zu würdigen wußte.
Dann nahm ich eine andere Droschke, fuhr Sterling in seiner Erzählung fort, und hieß den Kutscher nach dem Quartier Maubelt fahren. Die Straßen waren belebt und es lag nicht die geringste Veranlassung vor, irgendwelche Nervosität zu empfinden. Wir fuhren den Boulevard St. Germain entlang. Ich fand das Cafe Böarnair ganz richtig an der Ecke der Rue Anglais. In Wirklichkeit hatte ich große Lust, direkt nach dem von Monsieur SidiMaugrar beehrten berüchtigten Hotel de la Reine Blanche zu fahren, die Strc ße sicht im Grunde genommen gar nicht so schrecklich au«.
Aber wir kennen doch ihren schlechten Ruf, unterbrach ich den Erzähler. Eine solche Dummheit würde dir ähnlich gesehen haben, Sterling.
Nun, ich habe er ja nicht getan, entgegnete er lachend. In der Tat wünschte ich alle Verwickelungen zu vermeiden, die den Erfolg hätten in Frage stellen können. So begnügte ich mich mit dem äußerst anständig aus sehenden Cafö Böarnis. Ich trat ein und wandte mich an den Harm- losesten und intelligentesten Kellner, den ich finden konnte, und zeigte ihm meinen Brief, indem ich sagte, ich hätte eine Verabredung mit dem Herrn, an den da« Schreiben adressiert sei und der, wie mir gesagt worden sei, zu den Stammgästen de« Restaurants Bearnais gehöre. Er waren vielleicht ein Dutzend Gäste im Zimmer. Der Kellner bezeichnete mir einen von diesen, der allein an einem kleinen Tische in der Nähe der Tür saß. Und diesem Menschen überreichte ich das Schreiben unseres Freundes.
Und er war wirklich Sidi Maugras?
Niemand anders — ein gutgekleideter junger Mann, der sehr vertrauenerweckend aursah und nicht im geringsten an den schäbigen mitter- nächtlichen Einbrecher erinnerte, kann ich dir versichern. (Forts, folgt.)