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Der Knecht kam unter den Wagen und erlitt schwere Verletzungen. Die Insassen des Autos verbrachten den Unglücklichen ins Krankenhaus Schrozberg.
Frankfurt a. M. 22. Juli. (11. Deutsche« Turnfest.) Das Wetter war gestern wieder trübe und kW. Von 6 Uhr an fanden die roch ausstehenden Wettkämpfe statt. Zahlreiche Turner wohnten den Hebungen bei. — Unter großer Beteiligung wurde gestern früh die erste Turnfahrt auf den Feldberg unternommen. — Beim Hindernislaufen stürzte vorgestern der amerikanische Turner Edward Hennig aus Cleveland. Er zog sich eine Sehnenzerreißung zu. — Der Akademikerturnerbund, der sein 25jährige» Jubiläum feiert, unternahm gestern früh einen Ausflug nach Rüdesheim zum Niederwald.Denkmal. — Den Höhepunkt de« Feste« bildete die Verkündigung der Sieger in den Wettkämpfen. Auf der Tribüne der Turnplatzes versammelten sich der Vorstand der deutschen Turnerschaft, sowie der Vorsitzende der Ortsaurschufles und die Preisrichter. Vor dem Podium stellten sich in weitem Halbkreis die Fahnen der Siegervereine auf. In diesem Halb« kreis marschierten die Sieger in den Wettkämpfen auf. Nach dem Gesang des Turnerliedes: Ein Ruf ist erklungen, brachte der Vorsitzende der deutschen Turnerschaft. Dr. Götz «Leipzig, zunächst ein Gut Heil auf Kaiser und Vaterland aus. Er begrüßte sodann die Sieger in den harten Kämpfen: 236 im Sechrkampf und 499 im Fünfkampf. Die ersten 25 jeder Gruppe wurden verlesen, betraten da« Podium und erhielten von Schülerinnen und Turnerinnen die Eichenkränze aufs Haupt gesetzt. Sodann überreichten ihnen Damen für die Fahnen der Siegervereine Erinnerungrbänder in den Frankfurter Farben weiß-rot, geziert mit einer Dedikationsinschrift, sowie mit dem Frankfurter Adler. Mit gemeinsamem Gesang schloß die Feier. — Sieger im Sechrkampf find: Bruno Mahler, Männerturnverein München, 130 Punkte; Josef Autenrieth, Turnverein Altona und Heinrich Müller, Allgemeiner Turn, verein Witten, 126 Punkte; Karl Ohms, Turn, klub Hannover, 125V- Punkte; Theodor Ruf, Turnverein 1860 München, 124 Punkte; Max Haensgen, Turnverein Weststadt-Leipzig, 122'/- Punkte; Ferdinand Jungbeck, Männerturnverein München, Heinrich Becker«, Turnerschaft Krefeld, und Karl Gutsch, Berliner Turnerschaft, je 121'/- Punkte; Gust. Busch, Männerturnverein Barmen, und Fritz Rose, Turnverein Kiel, je 121 Punkte; Joh. Rost, Turnverein Nürnberg, 120'/- Punkte; Friedrich Wolf, Turnklub Hannover, 120 Punkte; Heinrich Berger. Turngemeinde Frankfurt a.M., 119'/- Punkte; Erich Hopf, Turnerschaft Berlin, Otto Döbert, Deutscher Turnverein Prag, und Julius Leon hart, Turnverein 1860 München,
je 119 Punkte; Alfred Weinreich, Turnverein Kiel 118'/- Punkte; Joseph Lindner, Turn, gemeinde Frankfurt a. M., Siegfried Hallup, Berliner Turnerschaft und Otto Henning, Turn, verein 1862 Hamburg, je 118 Punkte; August Muhlner-Wien 117'/- Punkte; Fritz Boeckle, Turnverein Pforzheim, 117 Punkte.
Solingen 22. Juli. Die Solinger Bank, die ein Aktienkapital von 3,6 Millionen besitzt ist mit 3,3 Millionen Accepten und 3,2 Millionen sonstiger Verbindlichkeiten insolvent. Die Kaffe wurde gestern vormittag nach mehr- fachem Ansturm der Gläubiger geschloffen. Der Barmer Bankverein hatte in Aussicht gestellt, die Bank zu übernehmen, falls entsprechende Aktien vorhanden sind. Es hat sich aber heraurgestellt, daß das Aktienkapital völlig verloren ist. Die Bank ist jahrelang durch Verschleierungen und falsche Buchungen aufrecht erhalten worden. Dies wurde erst entdeckt, nachdem die beiden Direktoren vor einigen Wochen gestorben find.
Berlin. Der „Reichranzeiger" veröffent- licht einPreisausschreiben für die Gewinnung einer geeigneten Entwurfs für die Ausstattung des durch die Münznovells vom 19. Mai 1908 geschaffenen 25Pfennigstückes für deutsche Künstler. Ausgesetzt find drei Preise von 2000 1500 und 1000
Berlin 22. Juli. Das Befinden des Fürsten Eulenburg, der jetzt wieder in seinem alten Krankenzimmer untergebracht worden ist, war gestern das gleiche wie an den früheren Tagen. Eine Besserung konnte von Seiten der ihn behandelnden Aerzte nicht konstatiert werden. Da« Befinden schließt aber keine unmittelbare Lebensgefahr in sich.
Berlin 22. Juli. Heute Vormittag ereignete sich auf der Baustätte der abgebrannten Garnisonrktrche ein schwerer Unfall. Infolge Nachgebens von Mauerwerk stürzte ein Gerüst ein und begrub eine Anzahl Arbeiter unter sich. 8 bis 10 Personen wurden hierbei teils leichter, teil« schwerer verletzt ins Krankenhaus überführt.
Luzern 21. Juli. An der Baseler Straße wurde heute früh gegen 4 Uhr infolge Erdrutsches vom Guetschberge her ein Hausanbau gänzlich verschüttet. Drei Kinder einer italienischen Arbeiterfamilie, sowie ein 19jähriger Gehilfe wurden getötet. Bis jetzt wurden dis Leichen zweier Kinder geborgen.
Brüssel 22. Juli. Das offizielle Journal de Bruxelles verzeichnet« gestern Abend dar Gerücht von der Entdeckung eines Komplotts gegen den König anläßlich des gestrigen Tedeumr in der Kathedrale. Das Blatt fügt gerüchtweise hinzu, es seien mehrere Verhaftungen von Personen vorgenommen worden, welche in
Beziehung zu den anarchistischen Gruppen in Brüssel standen. Auf Erkundigungen an amtlicher Stelle wird uns mitgeteilt, daß diese Gerüchte vollständig erfunden und daß weder ein Kompott bHweckt roch irgendwelche Verhaftungen vorgenommen worden seien. Die Meldung wird auch von der Gerichtsbehörde als dreiste Erfindung bezeichnet.
London 22. Juli. „Morning Leader" berichtet über einen Zwischenfall in Grimrby: Bei den gestrigen Manövern der Unterseeboote wurde während 20 Minuten ein Boot beobachtet» welches die Manöver mit großem Interesse verfolgte. An Bord befanden sich zwei Personen, die mit Ferngläsern versehen waren. Eine Dampfbarkaffe wurde entsandt, welche den Namen de» Bootes feststellte und die Aufforderung zur Entfernung überbrachte. Wie das Blatt in tendenziöser Weise zu erzählen weiß, hätten die beiden fraglichen Personen das Aussehen von Deutschen gehabt.
Vermischtes.
Prof. Wagner und die neuen Steuern. Prof. Adolf Wagner hat sich von einer Berliner Korrespondenz über die kommenden Reichssteuern interviewen lassen. Nach den Mitteilungen de« Berichterstatters gestaltete sich die Unterredung zu einer wahren Philippika gegen dar steuerunlustige deutsche Volk. Zur Lichtsteuer bemerkte der 74jährige Gelehrte:
„Es fällt mir schwer, mich darüber zu äußern, weil ich es noch gar nicht als feststehend betrachte, daß eine solche unbedeutende Steuer in Erwägung gezogen ist. Wenigstens wäre uns damit bei dem jämmerlichen Zustand unserer Finanzen sehr wenig geholfen. Das muß viel kräftiger kommen! Wie will sich denn die Regierung mit solchen niedlichen Steuerprojetten helfen? Auf diese Art werden alle paar Jahre einmal kleine Steuerprojekts gemacht, um die auffälligsten Löcher notdürftig zu stopfen, und dann erhebt sich jedesmal ein Geschrei, als ob wir dar meistbesteuerts Volk der Welt wären. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall! Mel zu verwöhnt sind wir und haben bisher unter allen Völkern der Erde noch am wenigsten Steuern gezahlt. Ja, Flotten wollen wir bauen und das beste, schlagfertigste Heer wollen wir haben — aber das Geld soll sich die Regierung, ich weiß nicht woher, besorgen.... Ja, unsere lieben Sozialdemokraten, die haben die Lösung immer sehr schnell gefunden. Bei denen ist eine Flotte einfach nicht nötig, und die Armee wird schleunigst nach Hause entlassen. Wozu denn neue Steuern? . . . Aber wie gesagt» mit einer Lichtsteuer, Reklamssteuer u) dergl. ist den zerrütteten Reichrfinanzen nicht aufzuhelfen. Ich habe es ja längst als notwendig
Vas Modell.
Kriminalroman von Edmund Mitchell.
(Fortsetzung.)
Viertes Kapitel.
Mit meinem Dazwischentreten erhielt die Sache ein ganz veränderte» Aussehen. Die verschleierte Dame wich mit einem leichten Aufschrei von mir zurück wie jemand, der unversehens eine Schlange auf seinem Wege erblickt. Aber sie schwieg. Wahrscheinlich erkannte sie an dem festen Ton meiner Stimme, daß ich meinen Entschluß gefaßt hatte und daß bei mir wenigstens tränenvolle Bitten nutzlos sein würden.
Sterling, alter Junge, sagte ich, indem ich meinen Freund auf einen Stuhl nötigte, du kannst über die Papiere de« Toten nicht so auf« Gerate, wohl verfügen.
Aber sie gehören der Dame mit vollem Fug und Recht.
Warte einen Augenblick. Ich wandte mich der Dame zu, die in einen Stuhl gesunken war, und begann ihr in freundlichem und höflichem Tone — denn ich war gern bereit, mich eine« Besseren belehren zu lassen und anzuerkennen, daß ich ihr unrecht getan hatte — die Sache von meinem Gesichtspunkte au« darzustellen. Ich gebe Ihnen mein Wort. Madame, sagte ich, daß, wenn Sie beweisen können, daß diese Briefe Ihnen und Ihnen allein gehören, und daß sie Ihnen übergeben werden können, ohne daß jemand ander« ein Unrecht oder ein Schaden damit geschieht, ich der Uebergabe der Papiere an Sie kein Hindernis mehr in den Weg legen werde. Aber verstehe ich recht, so wünschen Sie, daß da« verschlossene Kuvert Ihnen aus Ihr bloßer Wort hin, ohne weitere Fragen, selbst ohne Verletzung der äußeren Siegel eingehändigt werde?
Da« ist es ja, warum ich bitte, erwiderte sie, ihre Gefühle gewaltsam bemeisternd.
Aber sehen Sie denn nicht ein, daß es uns bei den Umständen, unter denen Jean Bapliste seinen Tod gefunden hat, schlechterdings unmöglich ist, Ihrem Wunsche ohne weiterer zu willfahren?
Warum sollte die» unmöglich sein? Habe ich diese Briefe nicht zur Genüge beschrieben, um zu beweisen, daß sie mein Eigentum find?
Sie sind daher auch diejenige, die da« meiste Interesse an der Wiedererlangung der Papiere hat? fragte ich mit scharfer Betonung.
Niemand sonst hat ein Anrecht auf sie oder ein Interesse an ihnen, entgegnet« sie, ohne die Spitze in meinen letzten Worten bemerkt zu haben.
Dann müssen Sie zugeben — verzeihen Sie, daß ich die Sache mit dürren Worten bezeichne — daß dieses Paket Material zu enthalten scheint, welches mit dem geheimnisvollen Tod Jean Baptistes in Zusammenhang steht.
Was meinen Sie damit? fragte sie von oben herab.
Ich meine damit, daß Jean Bapiiste möglicherweise dieser Briefe wegen seinen Tod gefunden hat.
Seinen Tod gefunden hat, rief sie aufspringend. Seinen Tod gefunden? Unzweifelhaft. Aber durch mich, Sie? Auf meine Veranlassung hin? Haben Sie die Stirn, mir einen solchen Verdacht in« Gesicht zu schleudern?
Die Würde ihrer empörten Haltung, die wilde Erregung ihrer Frage überzeugten mich davon, daß sie diesmal keine angenommene Rolle spielte. Ich erkannte daraus, daß sie an Jean Baptistes Ermordung keinen An- teil hatte.
Ich äußerte keine Vermutung, erwiderte ich; Sie haben aber durch Ihr Verhallen verraten, daß da« Verschwinden jener Manne« eine große Wohltat für Sie ist.
Eine Wohltat! rief sie au». Ja, es ist eine Wohltat, die größte Gnade und der höchste Segen, der mir seit langer Zeit zuteil geworden ist. Jetzt ist er tot, ich werde frei sein, Gott sei Dank, ich werde wieder