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Präsident de» Evang. Oberkirchenrat« in Berlin, Voigt», befinden.

Altensteig 20. Juli. Den Grund zu dem Selbstmord de« Gerbereibefitzer» F. Luz hat hochgradige Schwermut gebildet, von der er seit einiger Zeit deutliche Spuren gezeigt hat und die auch schon die Erwägung seiner Verbringung in eine Heilanstalt nötig gemacht hatte. Luz hat durchaus geordnete Verhältnisse hinterlaffen.

Elt in gen 20. Juli. Zum drittenmale ertönte gestern nacht um 11 Uhr Feuerlärm. Glücklicherweise kam aber der Brand, der in der Scheuer der Witwe Werkmüller gelegt worden war nicht zum Aurbruch. Es gelang diesmal auch dm Brandstifter, der Eugen Merk heißt, zu verhaften. Er hatte sich dadurch verraten, daß er zu früh Feuer I geschrieen hatte. Ob ihm auch die früheren Brandfälle zur Last gelegt werden könnm, steht noch nicht fest.

Stuttgart 20. Juli. Da» Amtsblatt der Königlich Württembergischen Verkehrsanstalten schreibt: Bei der Postagentur Beihingen find kürz­lich Postwertzeichen zu 3, 5 usw. bi« 50 ^ in größerer Anzahl entwendet worden. Wenn etwa in nächster Zeit der Versuch gemacht werden sollte, Postwertzeichen in größerer Zahl am Schalter gegen bar umzutauschen, haben die Postanstalten die Persönlichkeit des Einlieferers festzustellen und wenn derselbe sich über den Erwerb nicht unver­dächtig ausweisen kann, die Festnahme desselben zu veranlassen.

Stuttgart 20. Juli. (Strafkammer.) Ein 18jähriger Bäckerlehrling von Waiblingen unterschlug 65 die er bei Kundm seines Meister« eingezogen hatte und verbrauchte das Geld für sich. Außerdem stahl er in einem Haus, in da« er Brot brachte, eine Uhr, in einem an­deren einen Ring. De« wetteren stieg er am Hellen Tag in Än Hau« ein und entwendete verschiedene Gegenstände. Wegen teil« einfachen, teil« schweren Diebstahls und Unterschlagung er- hielt er vier Monate Gefängnis, abzüglich 15 Tage Untersuchungshaft. Auf gemeine Weise brachte der IS Jahre alte Schreiner Georg Bolz von Steinberg seinen Schwager und seine Schwester um ihre sauer verdienten Ersparnisse. Seinem Schwager stahl er ein Sparkassenbuch und erhob auf dessen Namen 420 Mt dem Geld machte er eine Reise nach München, wo er es in leichtsinniger Gesellschaft verjubelte. Nachdem er da« Geld verbraucht hatte» ging er zu seiner in Augsburg bediensteten Schwester und log ihr vor, er sei ihm in einem Münchener Gasthaus eine größere Summe gestohlen worden, und wenn er das Geld seiner Firma nicht ersetze, dann ver­liere er seine Stelle als Retsmder. Die Schwester gab ihm daraufhin 300 »M, die er gleichfalls in kurzer Zeit verjubelte. Der Schwager und die

Schwester haben Strafantrag gestellt. Die Straf­kammer verurteilte den Taugenichts zu 8 Monat 15 Tagen Gefängnis.

Waiblingen 19. Juli. Wie seit einer Reihe von Jahren, so wellten auch Heuer wieder die Zöglinge der Stuttgarter Kunstschule etwa sechs Wochen lang hier, um in unserer alten Ghibelinenstadt, dis so reich an malerischen Partien ist, selbständige Skizzen aufzunehmen. In der abgelaufenen Woche verließen ste unsere Stadt wieder, ließen aber diesmal nicht durchweg an­genehme Erinnerungen zurück. Daß gleich im Anfang einer derKünstler" ein Sittlichkeits­verbrechen beging, würde den übrigen niemand nach­getragen haben. Recht übel wurde es ihnen aber vermerkt, daß sie die letzten Tage ihres Hierseins dazu benützten, die hiesige Polizei und Stadt­verwaltung zu ärgern und lächerlich zu machen, well einige wegen nächtlichen Johlens auf der Straße bestraft worden waren. In echtkünst- lerischer Freiheit" veranstalteten eine größere Anzahl mehrere Umzüge durch die Stadt, zu Wagen und zu Fuß, bei welchen ste allerlei widerliche Karrikaturen, auffallende Plakate und dgl. mit sich führten. Einige kamen sogar mit Bierkrügen bewaffnet ins Wachzimmer, um die Polizei für ihreBemühungen" zu regalieren. Es wurde dann allerdings dafür gesorgt, daß der große Geldbeutel dieser Herren etwas leichter wurde, und wahrscheinlich wird die Sache noch ein gericht­liches Nachspiel haben. Bei der Einwohnerschaft aber wurde die Frage laut:Ist das Gastrecht und Bildung?" (Nckztg.)

Vaihingen a. E. 18. Juli. Dem heu­tigen Schweinemarkt wären 360 Milchschweine und 3 Läufer zugeführt worden. Letztere blieben unverkauft; von den elfteren wurden etwa 300 Stück verkauft zum Preis von 38 bis herunter zu 28 wozu sich die Verkäufer nur ungern entschließen konnten.

Oberndorf 20. Juli. Dem Vernehmen nach hat die Deutsche Partei in einer am Samstag abend in Schramberg abgehaltenen Versammlung beschlossen, für die Landtags, wahl keine bestimmte Ordre auszugeben und die Abstimmung ihren Mitgliedern zu überlassen. Der Plan einer Zähl-Kandidatur ist demnach fallen gelassen worden.

Oberndorf 20. Juli. In dem bereits erwähnten Prozesse gegen die 23 Metzger, die wegen Verwendung von Kartoffelmehl bei der Herstellung von Würsten der Nahrungsmittel- fälschung beschuldigt waren, waren zwei Metzger nicht erschienen und ein dritter mußte ausscheiden, well er bereits im vorigen Monat vom Schöffen­gericht Oberndorf wegen desgleichen Vergehens zu einer Geldstrafe von 50 ^ verurteilt wor­den war. Das Urteil gegen 16 Metzger lautete

auf Geldstrafen in Höhe von 325 Bier Metzger wurden freigesprochen, well sie die Bei- mengung nicht selbst gemacht, oder die Würste nur zu stark gewässert hatten. Das Gericht nahm die Fälschung und die Täuschung des Publikum« bei den betreffenden 16 Metzgern als völlig er­wiesen an. Bei solchen Entdeckungen fühlen sich die Konsumenten übrigens noch ziemlich beruhigt.

Ulm 20. Juli. Wie dem Ulmer Tagblatt mitgetellt wird, ist der Raubmörder Bay in Augsburg verhaftet und ins Ulmer Krimi- nalgefängnis übergeführt wordm.

Friedrichshafen 20. Juli. Von Straß­burg ist gestern nachmittag über Offenburg, Konstanz, Prinz August Wilhelm von Preußen, der viertälteste Sohn des Kaisers» hier angkkommen und hat das Zeppelinsche Luftschiff unter der Führung des Grafen besichtigt. Er stattete sodann dem württembergischen Königrpaar im Schloß einen Besuch ab, und setzte später seine Reise fort.

München 20. Juli. Gegen den Hofrat Kistler ist nach derWelt am Montag" die gerichtliche Voruntersuchung wegen des Verbrechen» der Verleitung zum Meineide eröffnet worden. Hofrat Kistler ist vorläufig auf freiem Fuß be­lassen worden.

Frankfurt a. M. 18.Juli. Der Turn­festzug, anläßlich de» 11. Deutschen Turn­feste«, der sich heute durch die Straßen Frank­furts bewegte, machte in seiner Reichhaltigkett und Pracht einen imponierenden Eindruck. Die Spitze des Zuges bildeten prächtige historische Gruppen, die die Entwickelung der Leibesübungen vom Altertum bis zum Vater Jahn darstellten. Als zweiter Teil folgten die Turner eingeteilt in ihre 18 Kreise, den 3. Teil bildeten die Krieger­vereine, Innungen und sonstige Vereine Frankfurts, die Metzger. Brauer, Gärtner, Ruderer u. s. w. die zum Teil prachtvolle Festwagen stellten. Namentlich die Wagen der Vereinigten Innungen zeichneten sich durch Pracht und buntes Leben aus. 24 Militär- und Zivilkapellen sowie mehrere Trommler-Korps sorgten für die gute Stimmung. Dem Zug der etwa vier Stunden dauerte, wurde von der mehr als hunderttausendköpstgen Menge begeistert zugejubelt.

Frankfurt a. M. 20. Juli. Der Vor­stand der deutschen Turnerschaft sandte folgendes Telegramm an den Kaiser: Die in Frankfurt a. M. das elfte deutsche Turnfest feiernden 50 000 Turner begrüßen ehrfurchtsvoll Euer Majestät mit dem einhelligen Gelöbnis treuer Arbeit in der Pflege vaterländischen Geistes und an der Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes. Auch an den Kronprinzen, den Protektor de» Festes, wurde nach Hopfreben (Bregenz) ein Huldigungstelegramm gesandt. Vom Sonntag

Vas Modell.

Kriminalroman von Edmund Mitchell.

(Fortsetzung.)

Es war ein hübscher kleiner Salon mit schönen alten Möbeln und rosafarbenen seidenen Vorhängen. Die Gestalt in Mantel und Schleier schien in eine solche Umgebung nicht hineinzupaffen, aber sie machte keine Mene, den letzteren zurückzuschlagen.

Bitte, Platz zu nehmen, sagte Sterling, indem er ein Fauteuil heranrollte. Wir setzten uns alle drei in geringer Entfernung voneinander, die Dame in der Mitte zwischen uns zwei Männern.

Wer von den Herren ist Sir Richard Sterling, wenn ich fragen darf? begann die Dame, indem sie von einem zum anderen blickte, aber schließlich ihre Augen auf meinem Freunde ruhen ließ.

Ja, erwiderte er lächelnd, ich bin der Herr, den Sie sprechen wollen.

Dann wünschte ich mit Jhnm allein zu sprechen.

Mein erster Impuls war, aufzustehen und hinaurzugehen. Aber Sterlings ruhige Stimme hielt mich an meinem Platze fest.

Mit mir allein, Madame? Ich fürchte, davon kann keine Rede sein. Sie müssen da«, was Eie zu sagen haben, in unser beider Gegenwart sagen.

Guter, alter Kerl! rief ich in meinem Innern aus, denn mein Herz war mir bei dem Gedanken M gestanden, eine Geschichte zu verlieren und der Entwicklung eine» so interessanten Drama» aus dem wirklichen Leben, wie diese« zu werden versprach, nicht beiwohnen zu dürfen. Er lernt auf seine alten Tage tatsächlich noch Vorficht, fügte ich bei mir hinzu, in­dem ich mir schmeichelte, daß der Vorteil im Grunde genommen ein wechsel­seitiger sei. So machte ich keine Entschuldigung, als ich meinen Sitz wieder einnahm.

Ein kleiner Fuß stampfte ungeduldig den Teppich, ein leiser Seufzer der Aergers erklang unter dem schwarzen Schleier, und ich erkannte fast instinktiv, daß sich bereits feindselige Beziehungen zwischen dieser Frau und mir angesponnen hatten. Nach kurzem Zögern faßte fie indessen den Ent­schluß, stch in das Unvermeidliche zu fügen.

Ich würde mir eine Menge von Unannehmlichkeiten erspart haben, wenn ich Sir Richard allein hätte sprechen können, sagte ste. Sie find aber beide Engländer und Ehrenmänner?

Wir find beide Engländer, erwiderte Sterling. Wir find von Jugend auf miteinander befreundet, und Sie haben die Garantie, daß der eine für den anderen bürgt.

So kann ich also ebenso im Vertrauen zu Ihnen beiden sprechen wie zu einem allein?

Zu uns beiden ebenso wie zu mir allein, Madame. Wenn der Gegen­stand vertraulicher Natur ist, so müssen Sie uns beiden gleichmäßig ver­trauen.

So sei es denn, entgegnete die Dame, sich ohne wettere Einwendungen in die gegebene Sachlage fügend.

Werden wir das Vergnügen haben, Ihren Namen zu erfahren, Madame? fragte ich, weniger aus allzu großer Neugier, als hauptsächlich in der Abficht, mich am Gespräche zu beteiligen. Mein Name ist Percy Hylton. Dm Sir Richards kennen Sie bereits.

Sie verbeugte sich leicht vor mir.

Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, erwiderte fie, möchte ich meinen Namen einstweilen noch verschweigen. Sie werden meine Gründe dafür später

Nach diesem Mißgriff, den ich getan hatte, und der offenen Zurück- Weisung, die ich dabei erfahren, versuchte ich keine weitere Bemerkung, sondern fiel in die Rolle des Beobachters zurück.