705

Morgen 5 Uhr bis zum Mittag warm auf dem Hauptbahnhof noch 10 Turner.Sonderzüge und 40 Sonderzüge für andere Festbesucher neben etwa hundert fahrplanmäßigen Zügen, die alle dicht besetzt waren, eingetroffen. Sie brachten etwa 160000 Menschen nach Frankfurt. Am Abend find neben 150 fahrplanmäßigen Zügen mindestens 70 Sonderzüge, die Turner der näheren Umgebung sowie Festbesucher zurück- beförderten, abgegangm, die etwa 200000 bis 250000 Personen heimbrachten. Trotz dem oft lebensgefährlichen Gedränge hatten die Rettung-, wachen, die an verschiedenen Stellen der Stadt postiert waren, verhältnismäßig wmig zu tun. Im Ganzen wurden bis 6 Uhr abends etwa hundert Fälle behandelt, die leichterer Natur waren, namentlich Ohnmachtranfälle und Schwäche- anwandlungen. Ein schwerer Unfall ereignete sich auf dem Festplatz, wo ein Turner beim Abspringen einen Fersenbeinbruch erlitt. Er kam in dar Krankenhaus. Dar Abends im Schauspielhaus aufgeführte Festspiel von Wilhelm Henzen eigens für das Turnfest aufgeführte vaterländische Fest- spielTurnvaterJahn", das bei festlich beleuchtetem Hause vor sich ging, fand bei dem zahlreich er­schienenen Publikum lebhaften Beifall. Prinz Oskar von Preußen zu Ehren wurde abends in der Rotunde des Kaiser.Pavtllons in der Festhalle vom Festausschuß ein Festessen gegeben, zu dem 23 Gäste geladen waren. Der Prinz nahm dabei dreimal das Wort. Vor seiner Abreise nach Bonn sah sich der Prinz von der Gallerte aus noch dar Leben und Treiben auf dem nächtlichen Festplatze an. Als er aus der Loge der Festhalle heraustrat, brachten ihm die Tausende, dis den großen Raum füllten, lebhafte Ovationen. Bald darauf trat der Prinz die Reise nach Bonn an.

Berlin 20. Juli. Der gestrige So rrntag brachte eine Reihe schwerer Gewitter, die in Norddeutschland an vielen Orten großen Schaden anrichteten. Am heftigsten war der Gewitter­sturm in Berlin gegen 5 Uhr Nachmittags, so- daß infolge der Regengüsse Ueberflutungen ein­traten. Im Grunewald wurde der Rohrleger Springer, der sich unter einen Baum geflüchtet hatte, vom Blitz erschlagen. Ein über Dres- den und Umgebung gestern Nachmittag gegen 3 Uhr niedergegangenes Gewitter richtete einen ge­waltigen Schaden an den Feldfrüchten an. Die Bäume find reihenweise niedergelegt. Der Festzug der Elbgausänger an dem 4000 Personen teilnahmen wurde unterwegs von Panik ergriffen. Mehrere Teilnehmer erlitten ernste Verletzungen. Ein Zug der Schmalspurbahn Dresden-Rade- bürg wurde bei Radebeul umgeworfen. Die Strecke ist gesperrt.

Berlin 20. Juli. DieNordd. Allgem.

Ztg." meldet: Der Kaiser hat nach Empfang der Nachricht von dem Unglück auf dem Stein- kohlenbergwerk Carolus Magnus den Minister für Handel und Gewerbe beauftragt, der Gemeinde Borbeck und den Angehörigen der bei Ausübung ihres Berufes Verunglückten seine Teilnahme aussprechen zu lassen.

Berlin 20. Juli. Im Befinden des Fürsten Eulenburg ist auch gestern keine Besserung eingetreten. Er verbrachte die Nacht trotz großer Schwäche fast schlaflos. Die Schwellung und Schmerzen am rechten Bein haben nicht nach- gelassen. Er ist daher nach den Ansicht der den Fürsten in der Charit« behandelnden Aerzte noch nicht abzusehen, ob und wann der Kranke soweit wieder hergestellt werden wird, daß er der Ver- Handlung des Gerichtes folgen kann. Auch gestern verweilte die Fürstin längere Zeit am Bette ihres Gatten. Die frühere Energie des Fürsten ist einer großen Schwäche gewichen, die jedoch als solche nicht einen lebensgefährlichen Grad erreicht. Die Trombose besteht unverändert fort, weshalb man auch auf einen Transport in das frühere Krankenzimmer verzichtet hat. Auch muß der Kriminalbeamte, der die Ueberwachung Eulenburgs besorgt, in einem provisorisch untergebrachten Bett in einem der nebenan liegenden großen Zimmer schlafen.

Berlin. Der Berliner Vertreter des Matin" hat Gelegenheit gehabt, Maximilian Harden über seine Ansichten von der Vertagung der Verhandlung im Meineidsprozeffe gegen den Fürsten Eulenburg zu hören. Nach dem Berichte, den derMatin" über die Unterredung veröffentlicht, erklärte Harden u. a.: Ich habe diesen Ausgang erwartet und schon vor Monaten vorausgesagt, daß der Angeklagte sich der Ver­handlung entziehen werde, wenn sie eine für ihn ungünstige Wendung nimmt. Fürst Eulenburg ist allerdings krank, aber er hat es doch verstanden, durch eine bewundernswerte Jnszenierungskunst sein Leiden zu seiner Verteidigung zu benutzen. Auf die Frage des Interviewers, ob Harden selbst den Fürsten Eulenburg nicht des Mitleides würdig finde, habe dieser erklärt, er habe mit jedem An- geklagten Mitleid, halte er aber für ein äußerst wohlfeiles Komödiantentum, sich, wenn man einen Kampf begonnen hat, über den Verwundeten zu beugen und Trauergebärden zu mimen.

Rom 20. Juli. In Italien sind die Er- peffer etwas frecher. Seit einiger Zeit wurde die Familie des Kassierers Pardo in Palermo mit Drohbriefen verfolgt, die nicht beantwortet wurden. Darauf erschienen in der Wohnung Pardos 410 bewaffnete Individuen und ver­langten Geld. Der Kassierer erklärte, er müsse zuvor mit feiner Familie sprechen, worauf ihm die

Briganten eine Frist gewährten. Pardo ließ diese verstreichen. Als er sich nun gestern auf dem Gute seines Bruder« befand und dieser ihn auf einen Augenblick verließ, wurde er von den Briganten umringt. Er zog einen Revolver und schoß einen der Missetäter nieder, brach aber selbst, von den Kugeln der Briganten schwer ver­letzt, zusammen. Auf die Schüsse eilte Pardos Bruder herbei, der ebenfalls einen Briganten niederschoß. Die anderen ergriffen die Flucht. Pardo starb, als er ins Hau» gebracht wurde.

London 18.Juli. (OlympischeSpiele.) Der Schluß der Wettauchen« hatte folgende« Er­gebnis: Zurner (Deutschland) erster, Behren« (Deutschland) zweiter, Walz-Stuttgart und Geidzik (Vereinigte Staaten) beide gleich für den dritten Platz. A. Biberstein-Magdeburg gewann den End­lauf in 100 Mtr. Rückenschwimmen vor dem Engländer Danemarler. Der Berliner G. Aurisch endete als vierter. Bei dem Fltegerennen über 1000 Mtr. unterlag Neumer-Dresden und ebenso im Radfahren über 5000 Mtr. Marten« und Götze-Berlin knapp im Zwischenlauf.

London 20. Juli. Die heutigen Morgen­blätter bringen alarmierende Meldungen aus Konstantinopel über die Ausdehnung der militärischen Meuterei in der euro­päischen Türket. Nach diesen Depeschen zu urteilen, befindet sich die Türkei in einer sehr ernsthaften Krisis. In Monastir allein meuterten 7000 Soldaten und dieses Beispiel wirkt ansteckend auf die Soldaten der übrigen Garnisonen. Die Meuterer erklären, sämtliche Generale der türkischen Armee einen nach dem andern zu ermorden, für den Fall, daß 38 Offiziere, die zur jungtürkischen Partei gehören und die gegenwärtig im Gefängnis in der Hauptstadt schmachten, nicht sofort befreit werden. Die gesamte Garnison von Takvesh im Wilajet Saloniki hat gemeutert, i> dem die Truppen ihre Bezahlung, die seit 2 Jahren rückständig ist, verlangen.

Steklameteil.

Knorr-Sos", ein Mriginal- fabrikat, erregt wegen seines hochfeinen Geschmacks u. seiner Billigkeit berechtigtes Aussehen. Standflaschen M. 5., probe- fiaschen 30 oder 35 Pfennig.

Was kann ich also für Sie tun? fragte Sterling in seiner gewöhn­lichen gutmütigen, edelsinnigen Weise.

Die Dame schwieg ein paar Sekunden, und als sie wieder da» Wort ergriff, klang ihre Stimme, obgleich sie vor heftiger Erregung bebte, hart und scharf der Ton war nicht der, in dem sie wenige Minuten vorher an der Gartenpforte um Einlaß gebeten hatte.

Sie waren heut nachmittag in der Morgue? begann sie.

Ich war starr vor Erstaunen, und ich glaube, Sterling erging es ebenso. Er antwortete jedoch ruhig:

Ja, mein Freund und ich waren beide dort.

Und Sie rekognoszierten die Leiche eines Mannes?

Jawohl!

Eines Mannes namens Jean Baptiste?

Unter diesem Namen war der Unglückliche bekannt, wenigstens mir. Aber darf ich Sie fragen, auf welche Weise Sie dies alle« in Erfahrung gebracht haben?

In den Abendblättern steht ein Bericht über einen geheimnisvollen Mord im Bois de Boulogne. Obgleich kein Name genannt werden konnte, wurde das Opfer des Verbrechens doch beschrieben. Aus dieser Beschreibung glaubte ich den Mann zu erkennen.

Dann kannten Sie Jean Baptiste?

E» war mir bekannt. Ich fuhr zur Morgue, um mich zu übe: AUZen- ob ich recht hatte. Die Leiche war nicht mehr zur öffentliche Besichtigung ausgestellt, und es wurde mir mitgeteilt, daß sie vor eine Stunde rekognosziert worden sei.

Durch mich?

. durch Tie. Ich erhielt die Erlaubnis, da» amtliche Schriftstü einzusehen, das Tie unterzeichnet hatten, und aus diesem erfuhr ich Ihre Namen und Ihre Adresse. Dies ist die Erklärung meiner Hierseins.

Zu so später Stunde?

Ich konnte nicht früher abkommen. Ich hatte eine Abhaltung. Aber ich mußte sie unbedingt noch heut nacht sprechen.

Und welchen Dienst darf ich das Vergnügen haben, Ihnen zu leisten?

Sie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie mit tiefer ernster Stimme:

Jean Baptiste hinterließ ein Paket mit Papieren.

Sterling konnte einen Ausruf des Staunen« nicht unterdrücken und blickte nach der Richtung, in welcher ich saß. Ich erhob warnend einen Zeigefinger und gab ihm durch Blick und Gebärden zu verstehen, er möge, die Dame ruhig anhören, ohne einstweilen seinerseits Zugeständnisse zu machen.

Nun, und was ist damit? fragte er in zurückhaltendem Tone.

O, ich weiß alles über jene Papiere, erwiderte sie mit Entschieden- heit. Sie schien seine Gedanken erraten zu haben und zeigte durch ihre Art und Weise, daß sie mein Zeichen bemerkt und verstanden habe.

Jean Baptiste teilte mir vorher mit, was er zu tun im Begriff« stand. Ich kann sogar angeben, in welcher Weise da« Dokument gesiegelt ist.

Sie scheinen gut unterrichtet zu sein.

Ja; er wollte da« Paket mit einem seiner Manschettenknöpfe siegeln, die er immer trug.

Ganz richtig, versetzte Sterling ernst. Wie ist aber dieser Umstand zu Ihrer Kenntnis gelangt?

Jean Baptiste schwur mir Sie hatte den Satz in leidenschaftlicher Erregung begonnen, brach aber plötzlich ab und änderte Ton und Ausdrucks- weise. Jean Baptiste teilte mir mit, daß er gewisse Briefe auf diese Art versiegelt, der Obhut einer ehrenwerten Mannes anvertrauen wolle.

Sie schwieg.

Nun? erwiderte Sterling, um die Pause aurzufüllen.

Einem ehrenwerten Mann, wiederholte sie, einem Engländer. Er wollte mir keinen Namen nennen. Als ich aber den Ihrigen in der Morgue las, war ich sofort davon überzeugt, daß Sie dieser vertrauenswürdige Freund sind. (Fortsetzung folgt.)