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gliedern haben, ja daß selbst Chargierte bereits abstinent sein können. Trotz dieser bedeutsamen unerwarteten Sinnesänderung find damit aber erst die Vorbedingungen für den eigentlich großen Schritt gegeben: ifür die Arbeit zur allgemeinen Abschaffung de» Trinkkomment« und der Verwerfung jeglicher, auch nur konventionell verpflichtender Trtnkgewohnheiten. Denn die Tatsache, daß bereit« 65 Korporationen keinen Trinkzwang und 10 keinen Komment haben, beweist nichts anderes, als daß man sich gegen das kommentmäßige sinn­lose Vollpumpen erklärt, aber doch die konventionellen zum Trinken gezwungenen Sitten beibehält und kultiviert. Nur jene 6 Korporationen, die prinzipiell auch die Trinkgewohnheiten verwerfen, find vorerst als Mitarbeiter in unserem Kampf gegm die akademischen Trinksitten zu betrachten.

Stuttgart 24. Juni. (Strafkammer.) Eine gewerbsmäßige Kreditbetrügerin ist die Monteurrfrau Anna Schechterle. Sie ist schon öfters wegen Kreditbetrugs vorbestraft und erst kürzlich wieder wurde sie von der Straf­kammer wegen mehrfachen Betrügereien zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt, das sie gegenwärtig verbüßt. Sie entnimmt Waren auf Kredit und verkauft sie sofort zu Schleuderpreisen. Wegen eines nachträglich zur Anzeige gelangten Kreditbettugs erhielt sie eine Zusatzstrafe von 1 Monat 15 Tagen Gefängnis. In geheimer Sitzung wurde der ledige Taglöhner Johann Brenner von Woll­stein wegen Verbrechens wider die Sitt­lichkeit zu 3 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Er ist schon fünf mal wegen der gleichen Verbrechens vorbestraft.

Stuttgart 24. Juni. (Kriegsgericht der 26. Division). Der Grenadier Johann Feuer- bacher vom Grenadier-Regt. Nr. 119 wurde im Jahre 1905 vom hiesigen Kriegsgericht wegen Fahnenflucht und Diebstahls zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 22. Mai v. Js. hatte er die Strafe verbüßt und schon am 12. Juni entfernte er sich wieder von seinem Truppenteil, well ihm die bevorstehende Dienstzeit zu lange war. Er begab sich zunächst nach Bernhausen und zog in der Wohnung seiner Mutter Zivil­kleider an. Sodann reiste er in die Schweiz, wo er längere Zeit als Maurer arbeitete. Er bekam aber Schwierigkellen» well er keine Papiere hatte und er faßte den Entschluß wieder nach Deutschland zurückzukehren. Mitte Ma> d. I». kam er in Begleitung der Tochter seiner Logis­wirtin hierher, er führte aber sein Vorhaben, sich bei seinem Truppenteil zu stellen, nicht aus, sondern trieb sich noch einige Tage umher. Am 21. Mai in der Frühe wurde er in den Bopserwaldungen, woselbst er sich in Begleitung einer Frauens­person in verdächtiger Weise umhertrieb, von einem Landjäger festgenommen. Bei seiner Kon­trolle gab er an, er heiße Fatßt, sei Friseur und

arbeite in Stuttgart. Der Landjäger schenkte dem Vorbringen der Verdächtigen keinen Glauben und erst auf dem Transport nach Stuttgart ge­stand Feuerbacher, daß er einen falschen Namen angegeben habe und wegen Fahnenflucht verfolgt werde. Wegen Fahnenflucht verurteilte ihn nun das Kriegsgericht neben Versetzung in die 2. Klaffe des Soldatenstandes zu 1 Jahr Gefängnis und wegen falscher Namenrangabe zu 5 Tage Haft. Der Unteroffizier Johann Trunzec der ersten Kompagnie des Jnf.-Reg. Nr. 125 wurde wegen Mißhandlung eines Untergebenen zu 10 Tage Mittelarrest verurteilt. Er hatte einem Musketier zwei Ohrfeigen versetzt.

Göppingen 24. Juni. Gestern vor­mittag fand die feierliche Amtreinsetzung unseres neuen Oberbürgermeisters vr. Keck durch den Regierungspräsidenten v. Schmidlin aus Ulm statt. Zu diesem Akte waren die Gemeindekollegien, die städtischen Beamten und die staatlichen Bezirksbeamten eingeladen und erschienen. Nachmittag« 1 Uhr folgte ein all­gemeines Festessen im Apostel, das gut besucht war; hiebei wurden die üblichen Reden gehalten. Der zurückgetretene Oberbürgermeister Allin ger, der zum Ehrenbürger ernannt wurde, bleibt hier wohnen.

Heilbronn 24. Juni. Der Erpresser, der einem hiesigen Fabrikanten mit einem Bomben­att entat drohte, ist schnell ermittelt worden: es ist, wie dieNeckarztg." berichtet, wieder der Schneider Bertsch, der wegen eines gleichen Verbrechens erst vor wenigen Wochen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden ist und diese Strafe zur Zeit abbüßt. Aus dem Gefängnis heraus hat er, wie verlautet, einem Haftentlaffenen den Erpresserbrief mitgegeben, den jener in Nürn- berg unfrankiert zur Post gab. Auch in diesem handelt es sich wieder um 20000 (nicht 50000 ^), die hinterlegt werden sollten.

Tübingen 24. Juni. Unangenehmen Besuch erhielten in Kirchentellinsfurt in vergangener Nacht die Wirtschaften zumOchsen" und zurKrone". Der Dieb nahm Geld, Vorräte und aus der Brauerei auch ein Fahrrad mit. Die Spuren sollen auf einen Dieb in der Nähe Hinweisen.

Oberndorß.Ä4. Juni. Dis Neuwahl zum Landtag ist auf den 24. Juli anberaumt worden.

Hall 24. Juni. Dem schweren Ge­witter vom letzten Samstag ist gestern ein zweites gefolgt, das zwar, was die Stärke der elektrischen Entladung anbelangt, hinter dem erstsren zurückblieb, aber für einige Gemeinden der Oberamtr und zum Teil auch für die Stadt Hall großen Schaden im Gefolge hatte. Bet Veinau und Bühlerzimmern ging ein heftiger Wolkenbruch nieder, der zeitweilig die ganze dortige Gegend

in einen großen See verwandelte. Knietief schoß das Wasser auf den Wiesen und auf der Straße daher, über Weckrieden und Elterrhofen die stellen Abhänge bei Hall und Gelbringen herab. Der Wettbach, der am.blichen Ende der Stadt seine sonst geringen Wassermengen nach dem Kocher führt, war zu einem reißenden Fluß an­geschwollen, dessen Beit die andrängenden Wasser- Massen nicht mehr zu fassen vermochte. Diese fanden einen Weg auf der neben dem Bach her­laufenden Straße, überschwemmten den untersten» außerhalb der Stadt gelegenen Teil der Hell- bronnerstraße und bildeten mit dem Mühlkanal bei den drei Mühlen einen großen See. Die Straße entlang des Wettbachs wurde schwer beschädigt. Noch schlimmer als aus der Haller Markung haben die Fluten auf der Markung Gelbringen gehaust. Die Straße von Hall nach Gelbringen ist an einigen Stellen durch Erbmassen, die von den die Straße auf der rechten Seite flankierenden Ab­hängen herrühren, unterbrochen. Ein unterhalb des Diakonissenhause» vom sogen. Brunnenwog herabfließender kleiner Bächlein führte dem Kocher so ungeheure Geröll-, Stein- und Erbmassen zu, daß in dessen Bett eine Ablagerung von mindestens 4 w Tiefe und 5 m Länge und Breite entstand. In Gelbringen selbst schoß gleichfalls das Wasser mit ungeheurer Gewalt daher, drang in die Häuser ein und beschädigte die Straßen. Die Einwohner­schaft arbeitete mit fieberhafter Eile um die Wafserrnaffen einigermaßen einzudämmen. Auch die Feuerwehr war dort und in Weckrieden aus­gerückt. Auf den Feldern und Wiesen, auf denen noch teilweise das Heu lag, sowie in den Gärten ist der Schaden bedeutend. Der Umstand, daß viel Heu mitgeschwemmt wurde, verursachte an den Unterführungen der Bäche und an den Dohlen Stauungen und erhöhte so roch die Gewalt des Wasser«.

Aus Franken 24. Juni. Wie gestern schon kurz gemeldet wurde, haben Feuer und Wasser vom Samstag auf Sonntag ungeheuren Schaden gebracht. Nach unfern bisherigen Er­mittlungen zündete der Blitz in vierzehn Ort­schaften. Auch der Wasserschaden ist ganz enorm. JnFlammersdorf wurde ein Schmiedmeister vom Blitz getroffen, fiel in eine Reihe von ihm geschliffener Sensen und wurde sehr schwer verletzt.

Kaufbeuren 23. Juni. Der 19jährige Fabrikarbeiter Nocker, der Sonntag Nacht den Mktzgergehilfen Helfenstein durch einen Re­volverschuß tötete und den Metzgergehilfen Stapf schwer verletzte, sucht seine Tat mit Notwehr zu entschuldigen. Die Tatsache, daß Stapf in den Rücken geschossen ist, läßt jedoch nicht leicht auf Notwehr schließen. Der schwerverletzte Stapf ist gestern Abend gestorben. Die Mutter de« Täters wurde infolge der Aufregung von einem Herzkrampf befallen und liegt jetzt schwer krank darnieder.

Unrecht Gut!

Roman von B- Corony.

(Fortsetzung.)

Ist das späte Nachhausegehen denn ein so großes Verbrechen?" fragte Jean trotzig.

Es war eine Mißachtung meine« wiederholten Gebotes, die strenge Rüge verdient. Wo bist Du gewesen? In wessen Gesellschaft befandest Du Dich?"

Ich traf zufällig Bekannte"

Möchtest Du mir diese nicht nennen?"

Sie dürsten Dir gänzlich fremd sein."

Sehr wahrscheinlich! Aber ich will wissen, wer Aich zum Ungehorsam verleitete und diesem gefährlichen Verkehr ein für allemal ein Ende machen. So wie bisher geht es nicht weiter, Jean!"

Ich glaube selbst, daß einige« ander« werden muß."

Unterstehe Dich nicht länger, einen so spöttischen provozierenden Ton anzuschlagen. Was heißt das? Soll diese Unverschämtheit etwa dazu dienen, Deine Verlegenheit und Angst zu markieren? Du hast alle Ursache sehr bescheiden aufzutteten."

Je nun vielleicht hätte sie mancher andere auch."

Das kümmert mich nicht! Ich habe e» nur mit Dir zu tun und Dich sehr eindringlich an die Bedingungen zu erinnern, unter welchen ich Dir mein Hau« öffnete. Doch davon später! Jetzt lege mir den Auf­gabeschein vor!"

Iran ging zur Tür, kehrte jedoch wieder um und sagte zögernd:

Verzeihe, Oheim ich muß Dir ein peinliche« Geständnis machen.

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Nun?"

Ich habe da» Geld überhaupt nicht zur Post gebracht."

Wie? Da» wagst Du einzugestehen?"

Ja, was würde längeres Verschweigen der Wahrheit nützen? Ich bedaure meinen Leichtsinn aufrichtig und habe eine bittere Lehre empfangen, die sich meinem Gedächtnis unverlöschlich einprägen wird."

Und mit diesen nichtssagenden Worten meinst Du, wäre die An­gelegenheit abgetan? Da denke ich denn doch ander« darüber!"

Der Kommerzienrat hatte sich erhoben. Wie Wetterleuchten brach es aus seinen Augen, als er zürnend rief:

Daß von Dir nicht viel Gute» zu erwarten sei, wußte ich ja längst, würde Dich aber trotzdem nicht so pflichtvergessen gehalten haben. Du bist wirklich, da« sehe ich jetzt ein, untauglich für jeden verantwortungsvollen Beruf. Ich glaubte, durch mein Vertrauen, durch den Auftrag, den ich Dir gab, Dein Ehrgefühl zu wecken und zu stählen und irrte mich. Du mißbrauchtest diese« Vertrauen, welches ich mich in bester Absicht zwang, Dir zu zeigen. Pünktlichkeit ist die erste Regel, die der Kaufmann zu beachten hat, denn durch eine leichtfertige Verzögerung kann großer Schaden angerichtet werden. Gib das Geld zurück! Ich schicke es durch einen verläßlicheren Boten an seine Adresse."

Lieber Oheim" _ . , ,

Versuche nicht, mich anderen Sinnes zu machen, da« wäre vergebm«. Einmal kann man mich täuschen, aber nicht zum zweiten Male. Jetzt bin ich gewarnt. Bringe die Dir übergebene Summe sofort hierher! Meine Zeit ist gemessen. Beeile Dich also! Nun? "

Es gibt leider Befehle, die sehr leicht zu erteilen, aber sehr schwer

aurzuführen find."

Was meinst Du damit?"

Daß man nicht alle« tun kann, was man möchte."