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Straßburg i.E.24.Juni. EinGroß- seuer äscherte in Pfastatt tm Oberelsaß die Bleicherei und Druckerei von Schäfer ein. 500 Arbeiter sind brotlos. Der Schaden beträgt annähernd 2 Millionen Mark.
Beuthen (O.-Schl.) 24. Juni. Auf dem Borsigwerk ereignete sich eine furchtbare Kessel.Explosion. Drei Arbeiter wurden getötet und eine Anzahl verletzt. Der Materialschaden ist bedeutend.
Gnesen 23. Juni. Das heute mittag verkündete Urteil im Prozeß wegen des Eisenbahnunglücks bei Tremessen, bei dem 13 Personen umkamen, lautet gegen den Bahnmeister Bajohr auf 8 Monate Gefängnis (strafmildernd wurde angenommen, daß er eine nur mäßige Ausbildung erhalten hat), gegen den Vorarbeiter Warniack auf 3 Monate Gefängnis und gegen den Arbeiter Braniezki auf 2 Wochen Gefängnis. Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen.
Innsbruck 24. Juni. Gestern meldeten 25 freiheitliche Studenten ihren Austritt aus der katholischen Kirche an. Hier und in anderen Universitätsstädten Oesterreichs wurde ein Los« von-Rom-Comitö gebildet.
Wien 24. Juni. Aus Innsbruck wird gemeldet: Die Feuerwehr arbeitet noch immer an der Räumung der rauchenden Trümmer von Zirl, um nach Vermißten zu suchen. Viele Einwohner erlitten schwere Brand wunden beider Rettung alter Leute und Kinder. Heute findet da« Leichenbegängnis der bisher aufgefundenen 6 Opfer der Katastrophe statt.
Paris 24. Juni. Aus Montmedy wird berichtet, daß dort gestern ein deutscher Luftballon mit 3 Offizieren, nachdem er längere Zeit über dem Truppenübungsplatz manöveriert hatte, gelandet ist. Da dies bereits der dritte Luftballon mit deutschen Offizieren ist, welcher in den letzten Tagen in Frankreich landete, legt die Presse große Unzufriedenheit hierüber an den Tag.
Paris 24. Juni. Infolge der gestrigen Nachricht über die Zerstörung der Stadt Threeriver in Kanada durch eine Feuersbrunst herrscht hier große Besorgnis» da die vernichtete Fabrik mit französischem Kapital er- richtet war und eine bedeutende französische Kolonie sich in dieser Stadt befindet. Die Stadt zählt 40000 Einwohner und ist seit Kurzem auch der Sitz einer französischen Kongregation.
Mailand 24. Juni. In Parma herrscht Ruhe. In der Redaktion des Blattes „International" wurden Schriftstücke beschlagnahmt. Die Angestellten der Straßenbahn haben sich dem Ausstande angeschloffen. Ueber 7000 Soldaten find in Parma zusammengezogen. Die Mitglieder des Stadtrates haben eine Petition eingereicht, in der sie gegen die Haltung der Behörden
protestieren. Die Arbeitrbörsen von Florenz und Genua haben den Vorschlag, den allgemeinen Ausstand zu proklamieren» abgelehnt. In Spezia find gestern die Zeitungen nicht erschienen. In der Provinz Penza in Calabrien find schwere Unruhm ausgebrochen. Die Bevölkerung hat verschiedene Gebäude angegriffen und zerstört. Die Arbeitrbörsen faßten gestern den Beschluß, den Arbeitern vom Ausstande abzuraten.
Parma 24. Juni. Der Präfekt von Parma hat gestern die Zurückziehung der Truppen aus dem Arbeiterviertel der Stadt und die Freilassung der meisten Verhafteten verfügt. Er ordnete dann die Auslieferung der Schlüffe! zur Arbeitskammer an die Stadtbehörde an, welche jedoch die Rückgabe an die Arbeiter verweigerte. Infolgedessen beschlossen die Arbeiter- Delegierten einstimmig die Fortsetzung des Generalstreiks bis zur Bewilligung aller Forderungen.
Madrid 24. Juni. Der gestern geborene zweite Sohn des Königs von Spanien wird den Namen Jaime erhalten. Der König Unterzeichnete aus Anlaß der Geburt die Begnadigung eines Verbrechers, der gestern in Cordoba hingerichtet werden sollte.
Petersburg 24. Juni. In der französischen Botschaft wird als Termin der Abfahrt Fallieres nach Rußland der 24. Juli angegeben. Während der Zusammenkunft des Präsidenten mit dem Zaren wird ein russisches Geschwader aus 41 Torpedobooten und einigen Kreuzern in den Revaler Gewässern anwesend sein.
London 24. Juni. Aus Teheran werden haarsträubende Einzelheiten über die Greueltaten, die gestern von den Truppen des Schahs an der Bevölkerung der persischen Hauptstadt verübt worden sind, gemeldet. Nach einem Bericht der Times wurde das Parlamentsgebäude sowie die angrenzende Moschee vollständig vernichtet. Die Truppen hätten sich scheußlich benommen, indem sie die friedliche Bevölkerung aurplünderten. — Auf der anderen Seite wird bestätigt, daß die Truppen unglaubliche Greuel- taten begangen haben. Nachdem der Widerstand der nationalistischen Partei, deren Anhänger kurze Zeit auf den Straßen kämpften, gebrochen war, drangen die Truppen in die' Häuser ein und machten alle Bewohner, Männer, Frauen und Kinder ohne Unterschied nieder und begingen andere Scheußlichkeiten. In einer Meldung heißt es, daß 18 Führer oder bekannte Mitglieder der Reformpartet gefangen genommen und vor den Schah geschleppt wurden, der ihre sofortige Hinrichtung befahl. Diese erfolgte außerhalb der Stadt.
Teheran 24. Juni. Dar gestrige Bombardement der Parlaments durch den Schah wurde gegen 2 Uhr eingestellt. Die Ar
tillerie rückte teilweise ab. Das Parlamentegebäude ist vollständig leer, die Plünderung dauert fort, jedoch nur im Parlamenteviertel. Noch find nicht alle Toten fortgeschafft. Der Parlamenteplatz bietet einen traurigen Anblick dar. Die Kasaken- brigade hatte viele Tote und Verwundete. Die Kanonen feuerten au» nächster Nähe. Dis Soldaten des Schah» hatten heftiges Gewehrfeuer seitens der Parlamentrpartei auszuhalten. Die Endschumans schossen von den Dächern auf die Soldaten. Die Moschee bei dem Parlament ist geräumt und von den Kasaken besetzt. Alle verfügbaren Truppen und Geschütze, die sich im Bagfcha-Garten befanden, rückten nach der Stadt. Nur die nächste Umgebung, sowie die Maschinengewehre blieben beim Schah. Die Zahl der Verwundeten und Toten wird auf über hundert geschätzt. Der gestrige Tag bedeutet einen vollständigen Sieg der Schahpartei. Die Gegenpartei ist gänzlich zersprengt. Im Europäer-Viertel ist alles ruhig.
Vermischtes.
22. Wanderausstellung der D. L. G. in Stuttgart. Bei dem großen Umfang der Ausstellung dürfte es für manchen Landwirt erwünscht sein, einen Fingerzeig zu erhalten, wie er in einem Tag das Wichtigste sehen kann. Vormittags sollte er in der Pferde-, Rinder-, Schaf- und Schweineausstellung verweilen und von 11 bi« 1 Uhr der Vorführung der prämierten Tiere im „Ring" anwohnen. In den Nachmittagsstunden besucht man zweckmäßigerweise die „Erzeugnishalle", deren Hintere Räumlichkeiten ganz besonders dar Interesse unserer württembergischen Landwirte erwecken dürfte, denn dort haben die landwirtschaftlichen Anstalten unseres engeren Vaterlandes: die Hochschule Hohenheim, die Weinbauschule und Weinbauvsrsuchranstalt Weinsberg und die Ackerbau- und Winterschulen in anschaulicher Weise das große Wissensgebiet der Landwirtschaft vor Augen geführt. Für unsere Bauern, die auf weitere Fachbildung Wert legen, ist insbesondere die reichhaltige Ausstellung der Winterschulen interessant. Nach Besichtigung der landwirtschaftlichen Anstalten ist ein Gang durch die übrigen Räume der Erzeugnirhalle sehr lohnend und zum Schluß können die im Freien aufgestellten Geräte noch kreuz und quer durchgangen werden, wobei man sich zweckmäßig an den im Katalog befindlichen Ausstellung«plan hält. Wer eingehend die Ausstellung besichtigen will, muß mindestens zwei Tage darauf verwenden. Eine Fülle der Interessanten und Lehrreichen wird ihm geboten sein.
Borau-stchtliche Witterung:
Heiter, trocken und warm, östliche Winde.
„Dieser Einwand ist mir unverständlich, denn was ich jetzt eigentlich denken müßte, trifft hoffentlich nicht zu. So schwer wird sich einer meiner nächsten Verwandten nicht vergangen haben! — Du möchtest der Schmach, meinen Auftrag von einem anderen vollsühren zu sehen, entgehen. Ich will sie Dir aber nicht ersparen. Du sollst die Folgen Deiner Pflicht- Vergessenheit erkennen und fühlen. Ich verlange und erwarte also die Rückgabe augenblicklich."
„Zurückgeben — ja Onkel, wollte Gott, daß ich es könnte. Aber—"
„Was?"
In Martin Hubers Antlitz drückte sich gewaltsam auflodernde» nur noch mühsam unterdrückte Erregung aus. „War?" wiederholte er. „Ich will nicht glauben, daß Du außerstande bist, mir sofort zu gehorchen."
„Es ist doch so."
„Nein!"
„Leider ja! Man hat mir das Geld abgeschwindelt, gestohlen. Ich fiel einem Betrüger, einem Falschspieler zum Opfer und wurde geradezu au«geplündert. Daran ist nun —" Er konnte nicht ausredcn.
„Elender! Schurke!" brauste der Kommerzienrat auf. Das tatest Du mir an? Jetzt heraus mit der Sprache, mit der vollen Wahrheit, und zwar auf der Stelle! Ich fordere alles zu wissen, alles, um ungesäumt die nötigen Maßregeln ergreifen zu können!"
Jean sah sich gezwungen, dieser energischen Aufforderung zu willfahren. Längeres Verschweigen von Tatsachen, die doch sehr bald ans Tageslicht kommen mußten, würde ja auch nichts gefruchtet, sondern die Dinge nur verschlechtert haben. Er erzählte daher alles genau so, wie er sich zugetragen hatte.
Je länger er sprach, desto mächtiger arbeitete er in des Kommerzienrat« Zügen und endlich brach der leidenschaftliche Zorn gleich einem tosenden Unwetter los.
„Wie? Gespielt? — Mit fremdem, Dir anvertrautem Gelds gespielt? Abgefaßt in einem verrufenen Lokal und in die Hände der Polizei geraten! O, pfui, pfui!"
„Verzeihe —"
„Nein! Das verzeihe ich nun und nimmermehr! Daß durch Deine Schuld der Name „Huber" jetzt in eine schmutzige Affäre verwickelt, und in den Zeitungen herumgezerrt wird, vergebe ich Dir nie! Da« trennt uns auf ewig, verstehst Du? Ich habe nichts mehr mit Dir zu schaffen uiü» dulde Dich keine Stunde länger unter diesem Dache. Au« meinen Augen! Sofort!"
„Du hast ja Ursache zu zürnen, solltest aber doch bedenken, daß die Macht der Versuchung oft stärker ist, als es alle guten Vorsätze find."
„Diese Entschuldigung lasse ich nicht gelten. Eie wird Dir bei mir wenig nützen. Ich zwang mich Dir gegenüber zu einer Nachsicht und Langmut, wie ich sie sonst noch niemand bewiesen habe. Doch alles erreicht sein Ende und meine Geduld auch. Packe Deine Sachen. In vierundzwanzig Stunden wirst Du dieses Hau« verlassen haben. Nun? Was stehst Du noch immer da?"
„Ich hoffe —"
„Hoffe nichts! Wir sind beide fertig miteinander!"
„Wer weiß? Er könnte doch anders kommen."
„Inwiefern?"
Als er alles verloren sah, wich Jeans momentane Unterwürfigkeit dem Trotze und der Frechheit.
„Je nun, Oheim," erwiderte er herausfordernd, „es ist sehr die Frage, ob D» selbst nicht in noch viel schmutzigere Angelegenheiten verwickelt warst und bist."
(Fortsetzung folgt.)