146. Ämts- und Änzeigeblatt für den Gberamtsbe;irk Calw. 83. Iahrga«-.
«rschtinungriage: Montay, Di-nitag, Mittwol^, Tonn,r«tag, Freitag und «amdtag. JnserttonLpreiS W Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Psg.
Donnerstag, den 25. Auni 1908.
BezugSpr. I. d. Stadt '/^Shrl. m. Lrügerl. Mk. 1.25. Postbezugipr. f. d.OrtS- u. NachbarortSverk. '/.jührl. Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bcstellg. in Württ. SV Psg., in Bayern u. Reich 42 Psg,
Neues Quartal.
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Tasessmlsreirm.
Stuttgart 24. Juni. Die Zweite Kamm er hat heute in der fortgesetzten Beratung der Bauordnung an Art. 85, der das künftig m jeder Gemeinde zu führende Baulastenbuch behandelt, in das die Verpflichtungen zur Leistung von Kanal- und Straßenkostenbeiträgen einzutragen sind, eine langwierige Juristendebatte geknüpft. Besonders erörtert wurde die Frage, ob die Zustimmung der Hypothekargläubiger zur Uebernahme einer Baulast verlangt werden soll. Die Kommission hatte eine entsprechende Bestimmung beschlossen und die Baugenehmigung von dieser Zustimmung abhängig gemacht, wenn durch die Uebernahme einer Baulast die zulässige Ueberbauung^ eines Grundstücks nach Fläche und Höhe zugunsten eines Nachbars verringert wird. Da» Hau» nahm dazu noch einen Antrag Rembold - Gmünd an, wonach, die Zustimmung nicht erforderlich ist, wenn die Schätzunzrbehörde sich dahin aurspricht, daß dis Uebernahme der Baulast nach Lage der Dinge unschädlich ist. Zu Art. 87 wurde ein Antrag Häffner angenommen, demzufolge die Bestimmungen betr. die Feststellung der Baulinie mit dem Tage der Verkündigung des Gesetzes in Kraft treten sollen. Damit war man am Schluß der Bauordnung angekommen, doch mußte noch auf einige Artikel zurückgegriffen werden, bezüglich deren die Entscheidung früher zurückgestellt worden war. Zu Art. 6 a war, soweit es stch um das Expropriationsrecht der Gemeinde zur Durchführung des Ortsbauplanes handelt, inzwischen unter mehreren Parteien eine Einigung erzielt worden, die das Haus zum Beschluß erhob. Nach längerer Debatte wurde dann zu diesem Artikel noch folgender Antrag Kübel angenommen: Hat ein an die Straße Bauender die der Gemeinde durch die Erwerbung des Straßenplatzer entlang von fremden Grundstücken entstandenen Kosten übernommen, so kann er von der Gemeinde insoweit später Ersatz seiner Auslagen verlangen, als fie von den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke Beiträge dafür erheben kann. Fünf Stunden hatte bis hierher die Sitzung gedauert und die Reihen der Abgeordneten hatten stch stark gelichtet. Als nun Präsident v- Payer einen weiteren zurückgestellten Artikel aufrief, um die Bauordnung vollends ganz zu erledigen, da gab es eine längere Geschäfts- ordnungsdebatte, in der ein Hinweis darauf, daß viele Abgeordnete schon abgereist seien, dahin beantwortet wurde, daß diese Abreise per nekas, zu Unrecht erfolgt sei und die Abgeordneten die Pflicht hätten, den Sitzungen bi» zum Schluß anzuwohnen, v. Payer bekannte sich zu einer müderen Auffassung. Er meinte, man solle mit den abgereisten Herren nicht ins Gericht gehen, niemand sei da frei von Schuld und Fehle. Der Vorschlag des Präsidenten, eine Abendfitzung abzuhalten, wurde abgelehnt — man hatte offenbar genug für heute —, dagegen der Vorschlag des Vizepräs. Dr. v. Kiene, eine kurze Morgensitzung abzuhalten, angenommen.
Der Beschluß des Seniorenkonventr, am Tage der Eröffnung der Deutschen Landwirtschaftsausstellung keine Sitzung abzuhalten, ist damit umgestoßen worden.
Stuttgart 24. Juni. Der Gesetzentwurf über die Eingemeindung von Degerloch nach Stuttgart ist im Druck erschienen. Der Begründung ist zu entnehmen: Stuttgart übernimmt, ohne Ansprüche der Amtrkörperschaft an- zuerkennen» freiwillig den durch freiwillige Beiträge nicht gedeckten Teilbetrag an der von der Amts- körpsrschaft Stuttgart Amt verlangten Abfindungssumme mit höchstens 10000 ^ auf die Stuttgarter Gemeindekasse. Mit der Eingemeindung wird eine Aenderung der Wahlkreise für die Wahl des Abgeordneten des Oberamtrbezirke» Stuttgart-Amt und der Abgeordneten der Stadt Stuttgart verbunden. Auf das Reichrtagswahlrecht übt die vorgesehene Gemeindebezirkränderung einen Einfluß nicht aus. Bezüglich der gleichzeitigen Eingemeind, ung von Botnang und Kaltental wird festgestellt, daß Botnang infolge Entgegenkommen« durch Stuttgart von ftinrr Forderung auf Eingemeindung zurückgetreten ist. l Ein Zwang auf Stuttgart in dieser Frage erscheint deshalb nicht mehr angebracht, ebenso bezüglich Kaltental». Der Staat - wird gegen die Einbeziehung, Kaltentals in dar Stuttgarter Straßenbahmir^- deinen Einspruch erheben; andererseits weigert fichdie Stuttgarter Straßenbahngesellschaft überhaupt die Verbindung herzustellen. Wenn die Vorortbahn doch zur Ausführung kommen sollte, so darf fie zwar nicht auf die gepflasterte Straße gelegt werden, dagegen steht ihr der rechtsseitige Nebenweg zur Verfügung.
Stuttgart 23. Juni. AnderK. Technischen Hochschule befinden stch im laufenden Sommerhalbjahr 746 Studierende, darunter 7 weibliche. Sie zerfallen in 520 Württemberg» und 226 Nicht-Württemberger. Von den letzteren find 191 deutsche Staatsangehörige, 30 sonstige Europäer und 5 Exoten. Als Hospitanten find 144 Personen angemeldet. Die Mehrzahl der Studierenden widmet sich der Architektur, dem Maschinentngenieurwesen und dem Bauingenieur- Wesen.
Stuttgart 23. Juni. In den Monaten Juli und August läßt die Generaldirektion der K. Württ. Staatseisenbahnen wieder eine Anzahl Feriensonderzüge zu ermäßigten Fahr- preisen ausführen und zwar am 4. und 25. Juli, sowie am 14. August von Stuttgart nach Friedrichshafen mit Rückfahrt am darauffolgenden Tage (als Nachtzüge), am 12. Juli und 23. August von Stuttgart nach Freudenstadt und zurück, am 19. Juli und 9. August von Stuttgart über Calw nach Wildbad und zurück, am 25. Juli von Stuttgart nach Berlin und Leipzig über Würzburg—Erfurt—Halle, am 2. August von Stuttgart nach Honau und zurück, am 14. August von Stuttgart über Aulendorf nach dem Allgäu (Jsny), am 15. August zurück (als Nachtzüge), am 23. August von Stuttgart nach Rottweil und zurück, am 30. August von Stuttgart nach Neuffen, Urach, Hechingen, Balingen und zurück. Die zu den Sonderzügen nach «ürttembergischen Stationen ausgegebenen Fahrkarten berechtigen an demjenigen Tage, an dem Sonderzüge vorgesehen find nm in diesen zur Rückfahrt, im übrigen kann die
Rückreise auch in fahrplanmäßigen Zügen (bei Schnellzügen gegen Zukauf vonSchnellzugrzuschlags- karten) je innerhalb vier Tagen erfolgen.
Stuttgart 24. Juni. Die Stadt Stuttgart hatte heute die Deutsche Land« wirtschaftrgesellschaft zu einem Abendfest in den illuminierten Stadtgarten geladen. Der Einladung waren zahlreiche Mtglieder der Gesellschaft, an ihrer Spitze Ritterschaftrrat von Freier gefolgt. Außerdem bemerkte man den Grafen von Rechberg-Rothenlöwen, sämtliche Staat-minister» den Präsidenten der Hofdomänenkammer von Echarpff und zahlreiche Abgeordnete der zweiten Kammer, darunter die Vizepräsidenten von Kiene und Kraut. Oberbürgermeister von Gauß hieß die Gäste im Namen der Stadt herzlich willkommen. Die Stadt hätte gerne etwa« Außergewöhnliche« geboten. Sodann erinnerte Redner an die Vereinigung der Städte Stuttgart und Cannstatt und machte die Anwesenden auf die Bauausstellung aufmerksam. Unter Hinweis auf die günstige Witterung im Mai und Juni, bemerkte der Oberbürgermeister, gehe da« wohlbegründete Gerücht um, daß man heute mehr zufriedene Landleute sehe als früher und das wolle etwa« heißen. Zum Beweise aber dafür, daß es bei den Württembergern nicht nur heiße „hie gut Württemberg alleweg", sondern auch „hie gut Landwirtschaft alleweg," forderte er die Anwesenden zu einem Hoch auf die deutschen Landwixtr^ aüf. Ritterschaftsrat von Freier dankte flirren freundlichen Empfang. Da« Land bringe aufi feiner Scholle nicht nur gute Früchte hervor, sondern auch Menschen, die in ihr wurzeln. Er erinnerte an Max von Eyth. Staunend und verwundert habe man auf der Eisenbahnfahrt da« blühende Land mit seinen fruchtbaren Feldern gesehen. Jetzt komme noch dazu der herrliche Empfang in der Johannisnacht. Hoffentlich werde auch diese Ausstellung neue Freundschaftsbande zwischen Nord und Süd knüpfen. Redner schloß mit einem Hoch auf die wunderschöne Stadt Stuttgart und ihren Oberbürgermeister. Zur Unterhaltung der Gäste dienten die Vorträge der Kapelle des Grenadierregiment« Königin Olga und die äußerst beifällig aufgenommenen Vorträge der schwäbischen Liedergruppe des Kgl. Hostheaters in Volkstracht.
Stuttgart 24. Juni. Die Stellung der deutschen studentischen Korporationen zur Alkoholfrage kennzeichnete Paul Reiner, der Vorsitzende des »Deutschen Bunde« abstinenter Studenten" (Geschäftsstelle: Heidelberg, Klingenteich 28) in einem Aufsätze, der soeben als Werbe- schrift des Bunde« heraurgegeben worden ist. Er führt auf Grund einer Umfrage unter anderem folgende» darin au«: Was noch vor zehn Jahren als unfinnig und unmöglich belacht worden wäre, ist dank der regen Arbeit der Alkoholgegner zur bedeutsamen, erfreulichen Tatsache geworden. Es gibt heute an den deutschen Hochschulen im Reich« 202 studentische Korporationen (von den Korps bi« zu den losesten Organisationen herab), die abstinente Studenten aufnehmen und darunter find bereit« 168, die die» bedingungslos tun. Daß dafür aber nicht nur die Möglichkeit gegeben ist, sondern die« tatsächlich der Fall ist, beweist die Angabe, daß zur Zeit 79 Korporationen einen oder mehrere abstinente Aktive unter ihren Mit-