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Ludwigsburg. Auch hier keinerlei Unkorrektheit und keine unsachliche Entscheidung. Der 5. Fall: Baulinienfeststellung in Stuttgart, sei so ungenau bezeichnet, daß eine Feststellung nicht habe gemacht werden können. Dies das Material, zu dessen Sammlung Liesching 3 Wochen gebraucht habe. Der Minister schloß: Ich bin überzeugt und hoffe, auch daS Haus und das Land überzeugt zu haben, daß die auf Grund des Materials erhobenen, das Ansehen der höchsten Baupolizeibehörde und des Ministeriums im ganzen Lande zu diskreditieren geeigneten Vorwürfe nicht den Schatten einer Be­gründung haben und ich meinesteils möchte an die Wahrheitsliebe und Ehrenhaftigkeit des Abg. Liesching mit der Bitte appellieren, sich dahin zu erklären, daß er sich getäuscht hat und die erhobenen Vorwürfe als unbegründet zurücknimmt. (Bravo!) Liesching (Vp) erwiderte in längerer Rede, in der er gleich­falls auf die einzelnen Fälle einging und dem Minister eine einseitige Benützung seines Briefes vorwarf. Er habe nichts zurückzunehmen. Der Abgeordnete habe die Pflicht, Mißstände die ihm bekannt werden, vorzubringen. In dieser Auffassung, werde er sich nicht irre machen lassen. Er habe seine Vorwürfe nicht gegen die jetzigen Mitglieder der Hochbauabteilung erhoben. Die Hauptsache werde sein, daß eine im Beschwerdeverfahren tätige Be­hörde, das, was sie von einer Seite höre, auch der anderen mitteile. (Bravo!) Minister v. Pis che k erwiderte, er habe die erhobenen Vorwürfe als ihm selbst gemacht empfinden müssen. Einen Mißbrauch habe er mit dem Briefe Licschings nicht getrieben. Liesching habe beanstandet, daß Interessenten an­gehört werden. Er, der Minister, betrachte es als seine Aufgabe, ebenso die Hochbauabteilung, wenn jemand zu ihm komme, um seine Interessen zu ver­treten, diesen anzuhören. Unter den vielen Leuten, die zu ihm kommen, seien auch viele Abgeordnete. (Heiterkeit.) Auch Liesching habe in solchen An­gelegenheiten schon den Weg aufs Ministerium und in die Hochbauabteilung gefunden. (Hört, hört!) Der Minister fügte hinzu: Ich habe das reine Gewissen, daß ich bei solchen Empfängen niemals die Rechte Dritter verletzt und habe die Ueberzeugung, daß ich mich durch bloßes mündliches Vorbringen gegen sachliche Gründe nicht habe beeinflussen lassen. (Bravo.) Haußmann (Vp.) nahm in längerer Rede seinen Parteifreund in Schutz und betonte die Notwendig­keit, Mißstände zu besprechen und zwar ohne Beweis­material vorzubringen. Die Entrüstung des Ministers sei zu lebhaft gestaltet und deplaziert gewesen. Nach einer Entgegnung des Ministers sagte Liesching: In meinem Herzen habe ich nie den Gedanken gehabt, den Minister persönlich anzugreifen. Es folgten dann noch kurze Bemerkungen des Ministers und Haußmanns, worauf nach zweiundeinhalb- stündiger Debatte in der Beratung der Bauordnung fortgefahren wurde. Die Wogen glätteten sich rasch. Mit gewohnter Ruhe und Langsamkeit nahm die Verhandlung ihren Fortgang. Immerhin konnten aber die Artikel 83 und 84 unter Berücksichtigung mehrerer Anträge aus dem Hause erledigt werden. Morgen Fortsetzung.

Stuttgart 23. Juni. Der Nachtrag zum Hauptfinanzetat betr. dis Einrichtung de« Post-Ueberweisung«- u. Scheckverkehr«

vom 1. Januar 1909 an ist jetzt im Druck er­schienen. Durch die Einrichtung vermindern sich die Einnahmen der Post- und Telegraphenver­waltung für 1908 um 7 045 Die beigefügte Denkschrift enthält u. a. die näheren Bestim­mungen für den Verkehr. Hiernach ist die Teil- nähme einer Person an dem Verkehr von der Einzahlung einer Stammeinlage von 100 ^ abhängig. Auf da« nach Einzahlung der Stamm­einlage eröffnete Conto können vom Contoinhaber oder einer anderen Person, die kein Postscheck. Conto zu haben braucht, weitere Einzahlungen gemacht werden, die dem Contoinhaber gut- geschrieben werden. Der Contoinhaber kann über ein Guthaben insoweit, alr e« den Betrag von 100 übersteigt, verfügen, sei e«, daß er bare Beträge mittelst Schecks an sich oder an eine andere Person aurzahlen läßt, oder daß er die Ueberweisung eine« beliebigen Teilbetrag« auf ein andere« Postscheckkonto anordnet. Während in Oesterreich und in der Schweiz das die Stamm­einlage übersteigende Guthaben de« Contoinhaberr verzinst wird, ist bei dem deutschen Verfahren jede Verzinsung ausgeschlossen. Die Einzahlungen auf das Conto können wie in der Schweiz mit Zahlkarte oder Postanweisung, also bar oder aber durch Ueberweisung von einem Conto auf da« andere geleistet werden. Nach dem österreichischen Verfahren können Einzahlungen außerdem noch in der Weise gemacht werden, daß dem Postscheck­amt fällige Zinsscheine von österreichischen Staats- papieren und Urkunden, die bei dem Postspar­kassenamt Wien zahlbar gestellt find (Wechsel usw.), zum Einzug übergeben werden. In das deutsche Verfahren können diese beiden Einzahlungsarten nicht übernommen werden, da es sich hier um Geschäfte handelt, deren Besorgung besser den Banken überlassen bleibt. Dem Contoinhaber erwächst durch die Bareinzahlungen anderer Per­sonen auf sein Conto der Vorteil, daß er nicht mehr alle einzelnen Beträge von den Postboten in Empfang nehmen muß. Dieser Vorteil wird insbesondere in die Erscheinung treten, wenn es sich um den Einzug einer großen Zahl vort kleinen Einzelbeträgen handelt (Ratenzahlungen, Verein«, beitrüge,Versicherungsprämien usw.) DerReisende, der bei den Kunden seines Handlungrhauses Aus- stände einzuziehen hat, kann die eingezogenen Beträge täglich in einfacher und billiger Weise bei jedem beliebigen Postamt auf das Conto seines Handlungrhauses einzahlen. Die Gefahr von Verlusten wird durch die Verwahrung des Geldes bei der Post wesentlich verringert. Auch beiden mit Postanweisungen erfolgenden Zahlungen kann sich der Kontoinhaber von der Belästigung, die ihm durch die Empfangnahme der von den Postboten auszutragenden Geldbeträge erwächst, durch den Antrag, diese Beträge seinem Scheck- Conto gutzuschreiben, befreien. Die größten Vorteile bietet aber die Einzahlung mittelst Ueber«

Weisung von einem Conto auf ein anderes, die für den Zahlenden zugleich Rückzahlung ist. Diese Ueberweisungen machen da« Wesen des Claring. verkehr» aus, da» insbesondere in England in so überaus nützlicher Form aurgebildet ist. Die Schuld wird durch einfache Zu- und Abschreibung de» angewiesenen Betrag» getilgt. Der Schuldner braucht nichts zu tun, als da» ihm unentgeltlich gelieferte Formular für Ueberweisungen aurzufüllen und hierauf dem Postscheckamt zu übermitteln, erspart sich den Gang zum Postamt, den er bei Zahlungen mit Postanweisung machen muß und dem Empfänger die mit der Empfangnahme de« Betrags verbundene Mühewaltung. Voraussetzung ist nur, daß beide, Gläubiger und Schuldner, Inhaber von Postscheckkonten find. Ist nur der Schuldner, nicht aber auch der Gläubiger Inhaber eines Postscheckkontos, so kann der Schuldner das Postscheckamt zu barer Auszahlung der geschuldeten Betrags an den Gläubiger mittelst Scheck« an- weisen. Da das Scheckformular so gefaßt ist, daß es sowohl zur Ausstellung von Schecks, in denen der Zahlungsempfänger namentlich angegeben wird (Namenschecks), als auch zur Ausstellung von Inhaberscheck« zu benützen ist, kann der Schuldner dem Gläubiger den Scheck auch unmittelbar über« senden, damit er ihn, falls er ihn nicht an Zahlungs­statt weitergeben will, innerhalb der Vorlegungs­frist von zehn Tagen, dem Postscheckamt zur Zahlung übergibt. Der Inhaber des Schecks kann bei der Vorlage verlangen, daß ihm der Betrag durch die Postanstalt ausbezahlt wird, in deren Bestellbezirk er sich aufhält. Zur Ver- meidung von Unredlichkeiten ist die Uebertragbar- keit des Namenschecks durch Indossament ebenso wie in Oesterreich ausgeschlossen. Eine weitere Sicherung gegen Mißbräuche bietet die Vorschrift, daß das Postscheckamt den Kontoinhaber von jeder auf seinen Konto gebuchten Einzahlung over Rück- zahlung zu benachrichtigen hat. Die Gebühren sollen betragen 1. bei Bareinzahlungen für je 500 ^ oder einen Teil dieser Summe 5 -g, 2. für jede Barrückzahlung a) V" vom Tausend der auszuzahlenden Betrüge, v) außerdem eine feste Gebühr von 5 --Z, 3. für jede Uebertragung vor einem Konto auf ein anderes Scheckkonto 3 --Z. Zur Zahlung der Gebühr unter 1. ist der Zahlungsempfänger, zur Zahlung der Gebühren unter 2. und 3. der Kontoinhaber verpflichtet, in dessen Konto die Abschreibung erfolgt. 4. Er- heischt der Kontoverkehr einer Kontoinhabers jährlich mehr als 600 Buchungen, so wird außer den unter 1. und 3. aufgeführten Gebühren für jede weitere Buchung eine Zuschlaggebühr von 7 ^ erhoben. Die Einziehung der Gebühren sowie der für Formulare zu zahlenden Preise ge­schieht durch Abschreibung von dem zur Zahlung verpflichteten Konto.

Stuttgart 23. Juni. Der Polizeibericht meldet: Heute früh l^/i Uhr wurde ein 23jähriger

mittag den Rest der Miete und noch die üblichen vierzehn Tage und übergab seinen Koffer, das einzige Gepäckstück, welches er besaß, einem Dienstmann, dessen Nummer ich jedoch nicht weiß, da die Sache kein weiteres Interesse für mich hatte. Wenn Sie sich selbst überzeugen wollen, daß der Herr nicht anwesend ist, so begleiten Sie mich."

E« geschah.

Man fand, daß die Angaben der alten Frau auf voller Richtigkeit beruhten. Zimmer und Kammer, welche Noiseul bewohnt hatte, waren leer und schon wieder in Ordnung gebracht. Auch sonst deutete nichts in der bereitwillig zur Durchsicht geöffneten Wohnung darauf hin, daß der Gesuchte sich noch hier befinde, oder kürzlich dagewesen sei.

So hat er sich jedenfalls zu seiner Braut, der Direktrice Madeleine Francois geflüchtet!" rief Huber.

Doch auch dort erwies sich die im Namen des Gesetze« erzwungene Haussuchung als resultatlos.

Madame Francois schien sehr erschrocken, brach in nervöses Weinen aus, öffnete aber sofort alle Räume der Wohnung mit der Bitte:Ueber- zeugen Sie sich» meine Herren. Ich habe nichts zu verbergen und stehe allem fern, was das Verschwinden des Herrn de Noiseul und die Ereignisse dieser Nacht betrifft. Doch glaube ich ganz gewiß, daß aller auf einem unseligen Mißverständnis und Irrtum beruht. Solche Schlechtigkeit und Gemeinheit traue ich ihm denn doch nicht zu."

Sie sollen viel mit dem Baron verkehrt haben?"

Das leugne ich nicht. Wir kannten uns schon lange, ich begegnete ihm hier wieder, und in der Fremde begrüßt man einen Landsmann doppelt herzlich. Diese» Neuaufleben verblaßter Erinnerungen hat seinen unbe­streitbaren Reiz. Noiseul benahm sich sehr freundschaftlich und erwies mir viele Aufmerksamkeit, die ich als Wohltat empfand."

Sie find verlobt mit ihm?"

Die Direktrice errötete.O bitte, Monsieur, das war noch keine ausgemachte Sache. Einer alleinstehenden Frau fällt es schwer, ihre In­teressen immer eindringlich genug zu verfechten, gar mancher macht sich ihre ungeschützte Stellung zunutze und zieht Vorteil daraus. Gar schlimme Erfahrungen bewogen mich zu reiflichem Nachdenken über diesen Punkt, und ich kam allerdings zu der Ansicht, daß meines Landmannes adeliger Name mir in vieler Hinsicht Schutz und Schirm sein und in den Augen der vornehmen Gesellschaft nützen könne. Trotzdem ging ich bis jetzt kein festes Verlöbnis ein. Diese Mitteilungen, auf die kein Unbefugter ein Recht hat, mache ich Ihnen überhaupt nur, weil Sie in Ausübung Ihre«

Amtes hier stehen."

Können Sie uns vielleicht einen Wink geben, wo der Baron gegen­wärtig ist?"

Nein, davon weiß ich gar nicht», bin aber fest überzeugt, daß er sich nicht verborgen halten, sondern selbst alle zu seiner Rechtfertigung nötigen Schritte unternehmen wird. Ja, gewiß-" ., ^

Daran zweifle ich sehr stark!" fiel ihr Jean brutal in die Rede. Der meldet sich nun und nimmermehr, und wenn Sie auch aus den Leim gegangen find, Madame, so kann ich Ihnen nur mein Beileid aurdrücken. Man muß ihn aber ergreifen und zur Herausgabe de» mir aus betrügerische Weise abgeschwindelten Geldes zwingen. Ich bin verloren, wenn das nicht und zwar in den nächsten Stunden schon, geschieht.

Der eine Polizist, neben welchem der andere mit gleichgültiger, ver- schlossener Miene stand, zuckte die Achseln.In den nächsten Stunden? Dazu ist wenig Ausficht vorhanden. Sie selbst aber werden sich wegen Hazardspielen« verantworten müssen."

Meine ganze Karriere ist ruiniert, wenn das geschieht."

Sehr schlimm; aber Anzeige müssen wir erstatten und Sie bitten, uns zu begleiten."